Mambo Kurt aus Bochum (Kategorie Schräge Typen)

Eben. Das ist dann halt doch der Unterschied zwischen Helge und Mambo Kurt. Es hat schon seinen Grund, warum der eine von beiden nicht bei Alexander Kluge vor der Kamera sitzt.
Trotz aller übertriebenen Blödelei lässt sich erahnen, dass Helge Schneider genau weiß, welche Dinge er da scheinbar verkrampft drückt und dreht ;-)

Die Orgeln vom Kurt dagegen tun mir einfach nur leid – und lustig finde ich da gar nichts :? Nichtmal, wenn er nen TX816 in den schmodderigen Waldboden eingräbt.
 
Ich hab so ne 4er DVD Box mit den ersten Filmen :D
Und ich glaub der Wendekreis der Eidechse ist auf Netflix...

jemand down für n Helge-Marathon in FfM? :P
 
Mit Helge konnte ich früher nichts anfangen, ich fand den doof. Seine neuen Sachen finde ich jedoch Spitze. Je älter er wird, desto genialer. An mir liegts nicht, ich find die alten Sachen immer noch doof. MK habe ich schon ein paar mal gesehen, ist zwar lustig, aber auch nicht so der ultimative Brüller.

Zu dem Orgeln...Von diesen schrulligen 70' Heimorgeln gibt es noch tausende. Die will heute wirklich niemand mehr (mit wenigen Ausnahmen, da weiss aber MK genau, dass er die nicht misshandeln darf...Seinen TX816 hat er ja nicht 'in den schnoddrigen Waldboden vergraben', sondern einfach hingelegt, was dem gerät sicher nicht weh tut). Sieht man ja, wie gut die auf ebay - auch für ein Trinkgeld - weggehen. Man kann die jetzt diskret auf den Elektroschrott bringen oder halt noch etwas Spass damit haben, bevor man erstes tut. Ich bin für die zweite Variante und finde es schade, dass ich die Zeit nicht erlebt habe, in der Knorkator noch Orgeln auf der Bühne zertrümmerte...
 
Ich find den Mambo Kurt auch nicht witzig. Sehe aber auch keinen Bedarf dafür. Natürlich ist es schön, wenn Musik auch witzig ist, aber schöner Sound kann auch ohne Humor Spass machen.

Mir gefällt der Sound von Transistororgeln und ich finds total gut, wenn mal was anderes als Klassik, Jazz oder 50er Jahre Schlager auf den Instrumenten gespielt wird.
 
Der kam mir gleich so bekannt vor...

kraftkurt.jpg
 
Bei Mambo Kurt «Party bis der Arzt kommt» (Interpretationssache) sehe ich Paralellen zu Flake, «Tastenficker» bei Rammstein. Bei seinen Performances weiss ich auch nie, ob er die Medis zu niedrig oder zu hoch dosiert hat.
 
Vielleicht versteht man Mambo Kurt noch am ehesten, wenn man die bundesdeutsche Wallapampa der späten 70er bis Mitte 80er Jahre selbst erlebt hat. Da gab es einfach von den Großstädten her ein Riesengefälle in der Popkultur.

Ich meine, in den Großstädten traten einmal die großen Namen auf, außerdem hatte man da einen riesigen Underground mit Einzelkünstlern und Bands aus etlichen Genres, Unmengen an Musikclubs und was nicht noch alles.

Aber schon von der Kreisstadt abwärts und ganz besonders op'n Dörpen gab's das alles nicht. Wer da nicht regelmäßig in größere Städte fuhr, wußte ja nicht mal, daß es da sowas gab. Musikkultur kam da nur an in Form des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, des ebenfalls öffentlich-rechtlichen Radio – von Kreisstadt abwärts dominierte nicht der jeweilige Popsender, sondern der jeweilige Schlagersender, und manchmal konnte man den Popsender kaum empfangen, weil es sich nicht lohnte, dahin die Sendeleistung zu erhöhen – und den Platten- und Kassettenregalen im nächstgelegenen Kaufhaus (so es eins gab), und junge Leute lasen vielleicht noch so Zeug wie Bravo oder Pop Rocky oder so.

Von Live-Musik will ich gar nicht erst reden. Nix mit ABBA oder Stones im Stadion, nix mit Kraftwerk in der Mehrzweckhalle, und schon gar nicht Siouxsie im abgeranzten Kellerclub. In Kreisstädten konnte man von Glück reden, wenn da mal Schlagerfuzzis in der Stadthalle auftraten. Unterhalb der Kreisklasse gab's keine Stadthallen, keine Kellerclubs, keine Musikkneipen, keine Mehrzweckhallen, allerhöchstens Schulsporthallen, in denen nie Musikevents waren, und was da "Stadion" hieß, hätte man in Städten mit 100.000 Einwohnern und größer "Bolzplatz" genannt.

Öffentliche Live-Musik kam in den Gegenden praktisch ausschließlich von Alleinunterhaltern mit Orgeln. Aus heutiger Sicht waren schon die damaligen ganz großen Orgler wie Lambert, Prina und Zehnpfennig sterbenslangweilig und haarsträubend spießig, aber auch die sah man in der Pampa höchstens in der Glotze. Live hatte man statt dessen "Musiker", die selbst an diese Big Names nicht mal annähernd rankamen und einen Aktionsradius von ein paar Dutzend Kilometern hatten. Wirklich gut waren die wenigsten. Wenn man Glück hatte, waren sie Mittelmaß. Aber in Hinterposemuckel, Kleinkleckersdorf und Hintertupfingen kannte man nichts Besseres.

Nun spielten diese Figuren aber nicht nur olle Wunderlich-Arrangements. Das heißt, häufig konnten sie das gar nicht. Nix mit "Tico Tico"-"Ich kann das aber mal noch viel schneller als du"-Wettrüsten, zumal "Tico Tico" Manualwichserei für Orgelnerds war, mit der man Unmusikalische nicht unterhalten konnte. Nein, man versuchte natürlich mit dem Schritt zu halten, was der Schlagersender hergab – und für jüngere Zuhörer, denen ja sonst auch keine Livemusik zuteil wurde, auch mit dem, was der Popsender hergab.

Aber zum einen saßen da keine Emersons oder Wakemans an den Orgeln, und zum anderen waren die Orgeln für solche Musik gar nicht gerüstet. Die hatten bis Mitte der 80er keine mehrspurigen Sequencer, bis ca. 1980 nicht mal programmierbare Rhythmusgeräte. Man mußte alles mit dem abfrühstücken, was der Hersteller an Sounds und an Rhythmen in die Orgel reingebaut hatte. Zu Analogorgelzeiten waren 15 oder 16 Rhythmen in der Orgel schon viel. Und die mußten alles Mögliche abdecken, vor allem auch Jazz und tanzbares Lateinamerikanisches. Modernes? Wenn man Glück hatte, gab's einen Schalter, der mit "Rock", "Beat", "Go-Go", "Shake" oder dergleichen beschriftet war, und mit viel Glück gab's einen, wo "Disco" dranstand. Wenn auf einen Song "Rock" oder "Disco" nicht paßten, mußte man auch schon mal vorlieb nehmen mit "Rhumba", "Cha-Cha", "Bossa Nova" oder "March" oder so, die paßten zwar auch nicht, aber ein bißchen weniger nicht.

Die Sounds waren auch nicht besser. Es gab eigentlich nur Festsounds, wobei man die klassischen Orgelregister miteinander mischen konnte. Nur in einigen wirklich hochpreisigen Geräten aus den 70ern war ein sehr rudimentärer Monosynth verbaut (= ein Jen SX-1000 konnte mehr). Klanglich verhielt sich das Ganze meistens zu einem Korg Poly-800 wie ein Korg Poly-800 zu einem Memorymoog.

Mit so einem Besteck mußte der Alleinunterhalter also einiges an Rockmusik abdecken und zunehmend auch Pop. Da hieß es dann experimentieren, den Rhythmus nehmen, der am ehesten paßte, und los. Kreative Naturen hätten einen auf Uwe Schmidt a.k.a. Señor Coconut gemacht und die Stücke knallhart komplett in ein ganz anderes Genres umarrangiert, also etwa was Lateinamerikanisches. Dazu zählten aber diese Provinz-Orgelkrauter nicht. Die hatten schon genug Mühe, überhaupt irgendwie die Melodie und die Akkorde umzusetzen, zumal viele von denen nicht mal sangen – oder wenn sie sangen, spielten sie gleichzeitig die Melodie mit der rechten Hand mit, weil sie nicht wußten, was sie sonst damit machen sollten. Entsprechend grausig klang das dann.

Die ganz Talentfreien registrierten ihre Orgeln sogar selten um und spielten alles mit derselben Einstellung, z. B. alle vier Sinuschöre am OM an, aber sonst nix. Nur Rhythmus und Tempo wurden mal verändert. Klang noch kacker, aber wenn von vier Alleinunterhaltern, die eine Gegend abdeckten, alle vier kacke klangen, machte das nichts. Das Publikum kannte es ja nicht besser und wußte nicht, daß das kacke klang.

Sowas gab's aber nicht nur öffentlich, sondern mindestens so heftig zu Hause. Schon in den späten 70ern standen in bundesdeutschen Haushalten mehr Heimorgeln als Klaviere. Und auch da wurde nicht nur Wunderlich nachgespielt. Es gab ja so Notenheftreihen, besonders pop e-orgel – der Name war Programm. Da war die Melodie ausnotiert, die Akkorde waren dazu geschrieben, den Rest sollte die Begleitautomatik machen, also nix mit linke Hand und Baßpedal ausnotiert. Und vor allem kamen da recht zeitnah Mehr-oder-weniger-Transkriptionen von aktuellem Hitparadenmaterial rein. Wenn das jetzt 1:1 so, wie das da stand, vom Blatt gespielt wurde, klang das auch entsprechend, und so wurde das fast ausnahmslos gespielt.

Was Mambo Kurt nun tat, war, genau diese Spielweisen mit genau diesem Besteck in eine jüngere Zeit zu verlagern – mit der Musik dieser jüngeren Zeit. Nach dem Motto: "Was wäre, wenn sich die Alleinunterhalter und Musikinstrumente der Alleinunterhalter nach 1979 nicht weiterentwickelt hätten?" oder "Was wäre, wenn die Dookie von Green Day schon 20 Jahre früher rausgekommen wäre und irgendein Provinz-Alleinunterhalter aus – was weiß ich – der Holsteinischen Schweiz, dem Niederrhein, der Rhön oder irgendeinem anderen Outback daraus was auf einer Heimorgel nachgespielt hätte?" Damit das auch jeder begriff, hat er das Ganze noch ein Stück weit auf die Spitze getrieben, damit es noch einen Tick absurder klang, als es damals wirklich klang.


Den kann ich über.


View: https://www.youtube.com/watch?v=MobPAygehKI
 


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