Split: Sounds, Gequietsche, Kompositionen, was ist Musik!?

Max schrieb:
Ich denke, Cage waren die Regeln durchaus auch bewusst...
Cage war nach 2 Jahren Studienzeit bei Schönberg immer noch nicht in der Lage, konventionelle Harmonielehre zu begreifen.

Berühmtes Zitat von Cage selber:
After I had been studying with him for two years, Schoenberg said, "In order to write music, you must have a feeling for harmony." I explained to him that I had no feeling for harmony. He then said that I would always encounter an obstacle, that it would be as though I came to a wall through which I could not pass. I said, "In that case I will devote my life to beating my head against that wall."

Wie auch immer, ich finde deine Aussagen sehr dogmatisch, da ist es natuerlich schwer Gedanken auszutauschen.
Wieso, wir tauschen hier ja wunderbar Gedanken aus. Ob wir einer Meinung sind, ist eine andere Frage. :)
 
Mittwochs gibt es auf WDR3 (Radio) um 23 Uhr elektronische Geräusche zu hören, die definitiv Musik sind.

Gut komponierte Geräusche sind Musik.

.
 
Cage stellte Dinge in Frage und warf neue Fragen auf. Seinem Lebenslauf nach zu urteilen war ihm die konventionelle Harmonielehre auch nicht ganz fremd. Vielleicht gefiehl es ihm, sich selber als den Typen zu sehen, der den Kopf gegen die Wand haut?

Anderes Zitat von Cage:

"Call it something else, if the word music bothers you"

Vielleicht ist er ja mehr Philosoph als Komponist... Cage ist natuerlich nichts, was man sich am Abend mal zur Entspannung auflegt, aber ich finde, er regt zum Denken an.

Wenn ich hier Cage verteidige, kannst du mir erklaeren, was das Tolle an Zwoelftonmusik ist? (sofern du das ueberhaupt gut findest - ich bilde mir ein, du hast irgendwann mal Zwoelftonmusik in einem Thread als Beispiel fuer formal komponierte Musik gebracht - wenn ich mich taeusche vergiss es...) Ich finde es sehr willkuerlich...


tim schrieb:
Ob wir einer Meinung sind, ist eine andere Frage. :)

hoffentlich nicht, sonst waere es ja langweilig!

edit: 12-Tonmusik hat sich mir noch nicht erschlossen, dagegen finde ich "Verklaerte Nacht" von Schoenberg ziemlich geil - ist aber auch keine 12-Tonmusik
 
gringo schrieb:
Gut komponierte Geräusche sind Musik.
Wie meinst du das denn? Meinst du mit Geräuschen Klänge, also tonal spielbares, oder eben wirklich eher Geräusche, bzw. chaotische Klänge also eher "etwas" mit dem man z.B. keine Melodien spielen könnte?

Würde ich mir gerne mal anhören. Ich schaue mal ob man das irgendwo per Web-Radio hören kann.
 
ich hab grad ne youtube aufnahme von john cages 4'33 gefunden.

http://www.youtube.com/watch?v=hUJagb7hL0E

ich kann nicht mehr... ich brech ab. :harhar:

das ist sooooo bescheuert, da seh ich eher die kunst darin, die leute dazu zu bekommen dabei mitzumachen und geld dafür auszugeben. :lollo:
 
Max schrieb:
Anderes Zitat von Cage:

"Call it something else, if the word music bothers you"
Cool, das kannte ich nicht. Ich finde einfach, er hätte mit gutem Beispiel vorangehen sollen. ;-)

Vielleicht ist er ja mehr Philosoph als Komponist... Cage ist natuerlich nichts, was man sich am Abend mal zur Entspannung auflegt, aber ich finde, er regt zum Denken an.
Das tut er offensichtlich. :lol:

Wenn ich hier Cage verteidige, kannst du mir erklaeren, was das Tolle an Zwoelftonmusik ist? (sofern du das ueberhaupt gut findest - ich bilde mir ein, du hast irgendwann mal Zwoelftonmusik in einem Thread als Beispiel fuer formal komponierte Musik gebracht - wenn ich mich taeusche vergiss es...) Ich finde es sehr willkuerlich...
Persönlich kann ich Zwölftonmusik nicht ausstehen. Ich musste mich aber während meiner Studienzeit zwangsläufig damit auseinandersetzen, und hab' dabei gesehen wieviel Disziplin und Können da drinsteckt. Das ist formal so ziemlich die unwillkürlichste Musik die es gibt. Sowas muss man respektieren, auch wenn es einem selber nicht gefällt. "I Ging"-Würfeleien und Positionen von Gestirnen auf Notenlinien zu plazieren sind dagegen ein Sandkastenspiel.

edit: 12-Tonmusik hat sich mir noch nicht erschlossen, dagegen finde ich "Verklaerte Nacht" von Schoenberg ziemlich geil - ist aber auch keine 12-Tonmusik
Das Stück gehört zu seiner ersten post-romantischen Periode. Gefällt mir auch sehr gut. :)
 
Mit "willkuerlich" meinte ich die Regel "erst alle Noten einmal benutzen, bevor man sie wiederverwenden darf". Ok, Schoenberg motiviert das schon etwas, von wegen alle Noten sind gleichberechtigt und so. Die Idee ist ja auch ganz nett... was mich leicht aufregt ist, dass viele Leute das so als revolutionaeres Prinzip hinstellen und wieviel Musik nach diesem Schema (und dem ganzen Drumherum) komponiert wurde. Auch wenn man mit Leuten redet, die sich fuer sehr avantgarde etc. halten faellt der Begriff 12Tonmusik sehr schnell. Man koennte auch eine Regel machen "erst alle Intervalle benutzen,..." oder "alle Noten bis auf F# einmal benutzen" oder "nach jeder Note einmal im Kreis drehen". Unser System mit 12 Toenen ist ja auch nicht "das eine System", aber dazu hat es nicht gereicht, das in Frage zu stellen. (obwohl ich die Vermutung habe, dass genau das oft von 12Ton-Musik geglaubt wird). Was auch fehlt, ist, wieso jetzt genau 12Ton-M. besonders aesthetisch ist... der Bezug zwischen formalen Regeln und ihrem Sinn sozusagen. Sorry, koennt ich mich drueber aufregen...

Whatever, jeder der ehrlich ist findet wohl, es klingt scheisse. Allerdings beunruhigt mich etwas, dass der von mir sehr verehrte Glenn Gould viele Klaviersachen von Schoenberg eingespielt hat... vielleicht habe ich was uebersehen? ;-)
 
Illya F. schrieb:
gringo schrieb:
Gut komponierte Geräusche sind Musik.
Wie meinst du das denn? Meinst du mit Geräuschen Klänge, also tonal spielbares, oder eben wirklich eher Geräusche, bzw. chaotische Klänge also eher "etwas" mit dem man z.B. keine Melodien spielen könnte?

Würde ich mir gerne mal anhören. Ich schaue mal ob man das irgendwo per Web-Radio hören kann.

Geräusche. Gefundenes Fressen - äh ich meine - Klänge. Von überall: Tonal, atonal, analog, digital, Hundehusten, verstimmte Stereoanlagen.
Was hier wohl anfangs (Doepfer-thread) gefragt wurde, ist doch ob diese Modularspielereien mit 30 Filterdrehungen pro Minute, die eher nach Jam klingen schon Musik darstellen. Was nicht selten ist.

Alles halbwegs inspirierte Musizieren, das nicht kopiert wurde und wo sich der Musiker selbst Gedanken zu macht hat das Recht Musik genannt zu werden. Ob mit Emotion oder ohne, ob unakademisch oder mit überzogenem Konzept, aus welcher Quelle auch immer.
Musik entwickelt sich und es gibt für jeden Stil Zuhörer.

Früher oder später wird man merken, ob hinter einem Musiker/Komponisten einer steckt, der sich Gedanken macht und etwas sog. "interessantes" erschaffen will.

Viele sehen sich aber nicht als "Musiker" und wollen einfach nur Spaß haben. Das ist doch gut so. Hier ist es auch egal, ob es Musik ist oder nicht. Wer den Anspruch hat, etwas eigenes zu erschaffen, wird sich auch
nicht mit Kopien begnügen.

Aber ich will hier keine lange Diskussion starten - wollte nur deine Frage halbwegs verständlich beatworten.
Weniger Denken und spielen. Und Ideen immer ins Ideenbuch notieren.
Das hilft, sich mit seiner Musik stärker zu beschäftigen und animiert zum ausprobieren, was die Quelle für Eigenständigkeit bildet.

Und wenn du/ihr/wir deine/eure/unsere Msik lebt, wird man das auch mitbekommen.

Wie auch immer...


.
 
Alle Regelkomplexe sind letztendlich willkürlich gewählt (oder kulturell indoktriniert ). Die Kunst ist auch nicht im Regelkomplex selber zu finden, sondern in dessen Transzendenz durch die völlige Bemeisterung. J.S.Bach hat z.B. die Regeln des Barock soweit gemeistert und transzendiert, dass er innerhalb dieser Regeln geschafft hat, in ein paar Stellen der "Kunst der Fuge" sogar die Spätromantik an der Kippe der Atonalität vorweg zu nehmen. Sollte man sich mal anhören.

Der grosse Fehler der Avantgarde ist ja eben der, dass sie meinen, dass die Kunst lediglich in der Wahl eines besonderen/innovativen/radikalen/whatever Regelkomplexes ist, und es dann genügt, mit ernster "das ist Kunst"-Miene einfach einwenig darin rumzudaddeln. Mittlerweile machen sie sich sogar diese Mühe nicht mehr. Irgendwann wird es ein Klavierkonzert geben, wo der Pianist die kompositorische Anweisung bekommt, in den Flügel zu kacken. :twisted:

Schönberg & Co. kann man das aber beileibe nicht vorwerfen. Das Opus von Anton von Webern ist derart durchdacht und stringent -das ist ja schon fast wie eine mathematische Gleichung. Glenn Gould war ja ein ausgesprochen scharfsinniger Mensch, konnte diese Bestrebungen nachvollziehen und sich eben sehr dafür begeistern.
 
Im Grunde ist ja fast jede Musik fest umzaeunt von Regeln (von der Fuge bis zum Dancefloor-Hammer), ich frage mich allerdings ob die Geschichte irgendwann Schoenberg/Webern/... (natuerlich auch Cage) die selbe Bedeutung zumessen wird wie Bach?

tim schrieb:
Das Opus von Anton von Webern ist derart durchdacht und stringent -das ist ja schon fast wie eine mathematische Gleichung.

Das hoert sich sehr interessant an, wuerde ich mich gerne damit befassen - hast du einen Tip wo man mehr Information bekommt? Vielleicht ist es ja mit der Musik aehnlich wie mit der Mathematik - den "wahren" Mathematikern ist ja der "Nutzen" ihrer Arbeit scheissegal, und dann stellt sich doch irgendwann heraus, dass es von unschaetzbarem Wert ist (fuer etwas, an das ueberhaupt nicht gedacht wurde).
 
Max schrieb:
Das hoert sich sehr interessant an, wuerde ich mich gerne damit befassen - hast du einen Tip wo man mehr Information bekommt?

Hier eine Menge interessante Analysen, auch zu einigen Stücken von Webern (unter "Analysen zu ausgewählten Werken des 20. Jahrhunderts")

http://www.satzlehre.de/themen.html

Hier zu einem besonders "mathematischen" Werk von ihm:


http://www.satzlehre.de/themen/webern24.pdf


@Tim: Wenn Du Webern magst, höre Dir auch mal die Musik von Pierre Boulez an. Die Mathematik wirklich auf die Spitze getrieben hat der im ersten Stück der "Structures" für 2 Klaviere, davon gibt es eine akribische Analyse von Ligeti. Besser als dieses fast nach Zufall klingende Stück (man "hört" die Strukturen halt nicht (jedenfalls nicht auf den ersten Blick)) gefallen mir gleichwohl spätere Kompositionen wie "Pli Selon Pli" und "Rituel" - letzteres kannst Du hier auszugsweise hören:

http://www.youtube.com/watch?v=GIymif74zuo&fmt=18

Der in dem Video behauptete Bezug zur Gamelan-Musik erschließt mir allerdings nicht so ganz...
 
@tim Ich habe nur ein Digitalpiano... ;-)

@max
du gehts da jetzt ins thema "Algorithmische Komposition", erst haben wir die musiker abgeschaft und nun sind die komponisten dran.
Die Konsequenz daraus ist man hört zumeist "Konserven Musik" und das meine ich weder positiv noch negativ.
 
EinTon schrieb:
http://www.satzlehre.de/themen/webern24.pdf

Danke, habs mal teilweise durchgelesen, sehr interessant - aber natuerlich schwer ohne Noten dem Ganzen zu folgen.
Hier kann man sich das Stueck uebrigens anhoeren: http://www.youtube.com/watch?v=49cuoVNnrlc

Was mir auffaellt ist, dass sich die ganze Formalitaet auf die syntaktische Ebene beschraenkt - eine semantische Ebene fehlt komplett. Es wird nur Struktur betrachtet, die "Aussage" oder Wirkung auf den Hoerer bleibt aussen vor (was natuerlich auch sehr subjektiv und schwer ist). Da waeren wir wieder bei den willkuerlichen Regeln ("formales Rauschen"), aber vielleicht ist ja genau das gewollt. Am Ende der Analyse ist ja auch die Rede von "Schoenheit im System", dem kann ich durchaus etwas abgewinnen. Man schraenkt sozusagen seine Moeglichkeiten ein und versucht innerhalb des Systems das Beste rauszuholen.
 
"die Bewertungs- und Einordnungswut." hat ja ein lange tradition und wird heute genauso weiter betreiben.... von den leuten und mir ;-) "wir" sprechen doch zu meist auch über diese einordnungen, daß sieht man in diesem forum ja sehr häufig.Nur weil wir meisten nicht über den genormten ton unterhalten sondern eher über klänge heißt es nicht das wir frei von bewertungen und einordnungen sind. Diese einordnungen sind ganz gut um zustände zu vereinfachen d.h. man kan sachen leichter darstellen.
 
Sie werden oft genug zum Selbstzweck und abgetrennt vom Ziel über die Konsistenz von Farbe zu reden und zu wissen ist zwar gut für den Maler, es ist aber nicht der EINZIGE Zweck der Zielsetzung, Musik zu machen und aufzuführen.
 
"bewerten und einordnen" sind keine hilfmitel für den "musiker" , das verfahren um musik zu machen ist ja nicht die reduktion von klang, dieser muss ja erstmal da sein , d.h. man erstellt aus dem "nichts" ein welt(perspektive) und an welche regeln sich diese welt zu halten hat beeinflußt nur der erzeuger (gott).
Wie übersetzte ich das für buddisten und Atheismus.
 
schaf schrieb:
"bewerten und einordnen" sind keine hilfmitel für den "musiker" , das verfahren um musik zu machen ist ja nicht die reduktion von klang, dieser muss ja erstmal da sein , d.h. man erstellt aus dem "nichts" ein welt(perspektive) und an welche regeln sich diese welt zu halten hat beeinflußt nur der erzeuger (gott).
Wie übersetzte ich das für buddisten und Atheismus.

Der Erzeuger sind wir. Dazu benötigt man keinen Gott, aber vielleicht mischen Götter ja mit. Man hat Bausteine und Elemente, die man sich entweder erschaffen muss oder weiss, wie man sie herstellt. Kunst funktioniert auch etwa so. Natürlich gab es trotzdem 1454 noch keine Videokunst, bestenfalls eine Vision davon. Aber die Vorstellung ist schon gut. Es wäre interessant gewesen, wenn ein Künstler das TV erfunden hätte, um seine Kunst möglich zu machen. Der Modularsynthesizer ist zB. auch durch Künstler "entstanden", allerdings an mehreren Orten und mit unterschiedlichen Ansätzen. Wie so oft. Und das halte ich ebenfalls für normal.

Wieso sind es eigentlich "Musiker" und nicht Musiker?
Also, Musiker verwenden fast immer Dinge, die sie kennen. Wir kommunizieren auf einer Basis gleichermaßen bekanntem "Code", da es sonst ja kaum gemeinsam verständliche Dinge gäbe.

Musik ist aber universell. Wie wohl ein Neanderthaler auf div. aktuelle Musik reagieren würde?

Er könnte sie wohl nicht nachbilden, aber er würde es vielleicht mit seinen Mitteln tun oder vielleicht ein oder zwei Techniken finden, diese etwas besser herzustellen.

Man könnte jedoch durchaus neutral Klänge sehen und diese natürlich adressieren. Das könnte man natürlich Einordnen nennen, aber nicht bewerten. Eine Bewertung wäre ja "guter Sound" und "schlechter Sound". Dh, allgemein gültig sind diese Sounds dann immer und für jeden Song gut/schlecht. Das kann sicher nicht sein. Man kann eine Ästhetik haben und zb bestimmte Geräusche ablehnen, dennoch sind sie als Geräusch erstmal neutral - Und irgendwann werden sie mal beliebt, sogar Fäkalkram war in den 80ern im Ballett sehr in. War nicht so mein Ding, da hab ich also bewertet ;-)

Aber man kann doch einen Klang ansich erstmal nur als Klang sehen und nicht sagen: Der ist toll, der ist scheiße. Man kann ihn katalogisieren und verschlagworten: weich, brilliant, schrill, Feenhaft.
 
Max schrieb:
Was mir auffaellt ist, dass sich die ganze Formalitaet auf die syntaktische Ebene beschraenkt - eine semantische Ebene fehlt komplett.

Hör Dir dazu erst mal die "Structures/ Stück 1a" von Boulez an, da ist das noch viel extremer! :)
 

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