Wie objektiv ist das menschliche Hören?

A

Anonymous

Guest
Was denkt ihr?
Wie sehr lässt sich euer Hören, also das Zusammenspiel von Gehörorgan und der Interpretation im Gehirn, durch andere Sinne, Gedanken und/oder Gefühlen beeinflussen?

Hört sich z.B. etwas besser an, wenn:
- ihr gut gelaunt seid
- ihr das Wissen habt, es ist besonderes Equipment
- jemand Prominentes sagt es hört sich toll an
- in einem Betrag steht es klingt toll
- ihr in der richtigen kreativen Umgebung seid
- ...
 
Objektivität ist mMn ein generell auf die menschenschliche Natur nicht anwendbares Konzept.
Von daher...

Hört sich z.B. etwas besser an, wenn:
- ihr gut gelaunt seid - Es hört sich "anders" an, als wenn man z.B. traurig ist
- ihr das Wissen habt, es ist besonderes Equipment - Ich denke das jemand an einen Track ganz anders ran geht, wenn er weiß/denkt das ein Track z.B. mit Vintage Equipment oder nur aus gesampleten Coladosensounds besteht im gegensatz zu keiner Information im Vorraus
- jemand Prominentes sagt es hört sich toll an - Ganz bestimmt. Auch die Einschätzung eines Freundes/Bekannten wird das Hören verändern
- in einem Betrag steht es klingt toll - ebenfalls ja
- ihr in der richtigen kreativen Umgebung seid - jawoll!
- ...
 
Das Gehörorgan ändert seine Ergebnisse imho durch Emotionen nicht, da es elektro-chemisch-mechanisch funktioniert, ausser vielleicht durch zusätzlich emotional ausgelöste Veränderungen am Hörapparat wie z.B. Blutdrucksteigerungen o.ä..
Woher ich das wissen könnte?
Ich habe als Messdiener in einer HNO-Klinik gearbeitet und vor/nach Cochlea-Implantationen oder Tumor-Operationen die sogenannten "objektiven" Hirnstrommessungen "BERA" o.ä. durchgeführt und somit den Hörapparat objektiv, messtechnisch überprüft.
 
Xpander-Kumpel schrieb:
Das Gehörorgan ändert seine Ergebnisse imho durch Emotionen nicht

Folglich sind Veränderung des Hörens auf der anderen Hälfte des Hör-Apperates zu suchen. Das macht die Sache natürlich deutlich schwieriger bis unmöglich. Ich krieg nur das mit, was Spitzer und Co so im Vernsehen über die Hirnforschung erzählen, aber demnach sind die gerade erst am Anfang, und freuen sich sogar schon, wenn sie in der Lage sind auf Bildern zu zeigen, wo das Hirn gerade feuert.
 
Andererseits werden bei Defekten des Hörapparates schon direkt Hirnstammimplantate eingebaut die bei Direktanschluss an das Gehirn "Höreindrücke" ermöglichen sollen.
Das "Interface" soll aber noch relativ rudimentär sein, man weiß wohl nicht so ganz genau wo(im Mikrometer-Bereich?) man das anschliesst.
Die Elektrodenspitzen die ich gesehen haben sahen aus wie ein "Besen" mit mehreren Spitzen um ein größeres Feld abzudecken.
 
Reverse And Play schrieb:
Hört sich z.B. etwas besser an, wenn:
- in einem Betrag steht es klingt toll
Würde schon sagen das mich die Meinung anderer, also wenn viele etwas toll finden, beeinflusst. Aber eher nur dahingehend, dass ich dann eher dazu neige mir etwas überhaupt anzuhören. Ob mir das dann wirklich zusagt hängt damit aber nicht zusammen.
 
Reverse And Play schrieb:
Was denkt ihr?
Wie sehr lässt sich euer Hören, also das Zusammenspiel von Gehörorgan und der Interpretation im Gehirn, durch andere Sinne, Gedanken und/oder Gefühlen beeinflussen?
- ihr gut gelaunt seid

Natürlich. Musik wirkt wie ein Katalysator bereits vorhander Stimmung und kann auch
eine Stimmung zur Umkehrung bewegen, zumindest ein bisschen.
Doch was hat das mit Objektivität zu tun ? Geht es wieder um die Unterscheidung guter und
schlechter Musik ? Diese Frage wäre absolut individuell und die Fragestellung an sich
ist hier enorm wichtig, denn Individualität lässt sich nicht allgemein objektiv beurteilen,
so wäre eine angemessenere Frage zur Beurteilung von Musik:

Wie einzigartig ist diese Musik ? Könnte sie so von jedem der Musikmaker anschmeisst
kommt oder ist sie so einzigartig, dass sie nur seeeehr selten ist ?!?

Reverse And Play schrieb:
Was denkt ihr?
- ihr das Wissen habt, es ist besonderes Equipment
- jemand Prominentes sagt es hört sich toll an
- in einem Betrag steht es klingt toll

Tolles Equipment klingt nicht automatisch toll, sondern ist auch immer abhängig
davon wie fähig die Menschen dahinter sind. Was ich jedoch feststellte, dass
Musik von tollen Musiker mit tollem Equipment besser klingt, als wenn Selbige
mit schlechtem Equipment Musik machen würden.

Ein gutes musikalisches Gehör ist nicht einfach da, sondern entwickelt sich mit der Zeit.
Bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger. Ich habe schon Menschen erlebt, die für
mich deutliche Unterschiede nciht hörten oder nur wahrnahmen, dass ewtas anders war,
nicht aber sagen konnte was.

Mit wachsener Erfahrung nimmt idR auch der Anspruch zu an Klang, an´s Equipment,
musikalischer Anspruch, je nachdem wo die eigenen Schwerpunkte liegen.
 
Sehr interessant, Erfahrung kann das Hören verändern. Das Hörorgan nimmt ja mit der Zeit an Leistungsfähigkeit eher ab, die Erfahrung zu. Es scheint sehr viel im Gehirn zu passieren. Das würde auch erklären warum der eine gute Unterschiede hört und der anderen nicht. Man kann das Hören trainieren, aber wohl kaum das Hörorgan an sich.

Dann fällt mir noch was aus Musotalk ein. Ich glaube es war bei einem Kopfhörertest. Da wurde gesagt dass man schon nach den ersten 15 Sekunden einen Sound ganz anders beurteilt, auch hier wird es meiner Meinung nach nicht das Hörorgan sein was sich verändert.
 
So wie ich das sehe würden sich bei einer Person X, wenn man sie theoretisch zwei mal die exakt selbe Situation durchleben lassen würde, durch z.B. eine Erhöhung des Dopaminspiegels die erlebten Eindrücke signifikant unterscheiden.

Ihr versteht worauf ich hinaus möchte?
 
Reverse And Play schrieb:
Sehr interessant, Erfahrung kann das Hören verändern. Das Hörorgan nimmt ja mit der Zeit an Leistungsfähigkeit eher ab, die Erfahrung zu. Es scheint sehr viel im Gehirn zu passieren. Das würde auch erklären warum der eine gute Unterschiede hört und der anderen nicht. Man kann das Hören trainieren, aber wohl kaum das Hörorgan an sich.
.

Afaik betrifft es hauptsächlich die Höhen. Wenn die Einschränkungen nicht zu krass sind, könnte es durchaus sein, dass die Fähigkeit zu Mischen erstmal nicht abnimmt, weil das Gehirn sich dem neuen Frequenzgang anpasst.

Hat wer hier nen Hörschaden und kann noch ordentlich mischen ?
 
Reverse And Play schrieb:
Sehr interessant, Erfahrung kann das Hören verändern. Das Hörorgan nimmt ja mit der Zeit an Leistungsfähigkeit eher ab, die Erfahrung zu. Es scheint sehr viel im Gehirn zu passieren. Das würde auch erklären warum der eine gute Unterschiede hört und der anderen nicht. Man kann das Hören trainieren, aber wohl kaum das Hörorgan an sich.
Sorry, aber Du vermengst zwei Dinge: das Hören als physiologischer Vorgang und das Bewerten des Gehörten als emotionaler Vorgang.

Beide Vorgänge lassen sich zwar beeinflussen.

Aber beim physiologische Vorgang ist die Beeinflussung grundsätzlich von einem auf den anderen Menschen übertragbar. Naiv gesprochen: "Lauter ist für jeden geiler". Oder ein etwas sachlicheres Beispiel: Auch wenn die physiologische Gegebenheit pro Mensch auch nochmal unterschiedlich sind, so werden zB Höhen eines Einzelsignals von allen Menschen um so unangenehmer empfunden, je lauter sie in Relation zu anderen Umgebungsgeräuschen sind.

Hingegen das emotionale Bewerten des Gehörten ist für jede Person völlig individuell, und für diese Person auch völlig Situationsbezogen. Wenn Person A die Person B zur Sau macht und dann läuft Queens "We are the Champions", dann wird Person B das Stück doof finden, und Person A wird es gut finden, während es der am Streit unbeteiligten Person C sonst wo vorbeigeht.
 
Grundsätzlich hört jeder Mensch anders weil jeder eine etwas andere HRTF (head related transfer function) hat, dh eine andere Kopfform und andere Ohrform die den Klang filtern.

Mit Kopf- bzw Ohrhöreren kann man das allerdings minimieren.

In höheren Verarbeitunsstufen hört man zT was man sieht und sieht was man hört, u.a.,
man kann also über andere Sinne das Gehörte beeinflussen und umgekehrt.

Dh dann daß man nicht dasselbe hört wenn objektiv dasselbe abgespielt wird.

Objektives Hören gibt es also nicht.

Interessant wäre, was passieren würde wenn man den Vintage-Aficionados hier in einem Hörtest die Signale
so vertauschen würde, daß sie ein VST hören wenn sie das vintage Teil spielen und umgekehrt.
Ohne daß die Testperson das weiß natürlich.
Ich bin sicher, die meisten hören und erleben dann was sie erwarten, dh das VST klingt dann warm und lebendig und die Gurke steril und kalt.
Ganz unabhängig davon wie es wirklich klingt.

Mir selbst schon paar mal passiert, dachte ich spiele einen anderen Synth als der den ich hörte und so klang es dann auch.

Ich kann mich erinnern wie mir mal jemand ein Faksimile einer berühmten Barckflöte vorspielte.
Die Klang war einizigartig, heiser und warm holzig zugleich.
Dann hab ich mitgekriegt daß die Flöte aus Kunststoff war, und so klang sie dannach auch, nach Plastik.
Quäkend. Scharf.
 
starling schrieb:
Grundsätzlich hört jeder Mensch anders weil jeder eine etwas andere HRTF (head related transfer function) hat, dh eine andere Kopfform und andere Ohrform die den Klang filtern.

Mit Kopf- bzw Ohrhöreren kann man das allerdings minimieren.

[...]
Objektives Hören gibt es also nicht.
Da kommen wir jetzt in eine Sprachbredouille.

"Objektive" Wahrnehmung gibt es nicht. Sie ist nur ein philosophische Annahme. Jede technische Messung und jeder menschliche Wahrnehmung kann immer nur bedeuten "Vergleichbar bei reproduzierter Wahrnehmung durch den gleichen Rezipienten". Was das bedeutet, wird klar, wenn der Rezipient kein Mensch ist, sondern ein Messinstrument: Mein Tisch ist mit meinem Metermaß gemessen immer 72cm hoch. Das Metermaß meines Nachbarn ist weniger verbogen als meines, daher ist mein Tisch mit seinem Metermaß gemessen nur 71cm hoch.

Das gleiche gilt für Hören, Sehen, Schmecken, you name it ...
 
starling schrieb:
Hmmm, ich hab immer nur "Bah" gehört. Vermutlich bin ich durch meinen langjährigen Toningenieurs-Job zu sehr trainiert, was genaues hinhören angeht. (Ich hatte übrigens angenommen, dass man aufgrund der sichtbaren Zähne ein "W" hören soll, und war dann ganz erstaunt über das vorgebliche "F").
 
Bei mir funktionierts, es gibt aber auch andere Beispiele, das geht nicht nur mit Bah und Fah.
Bin aber auch ein sehr visueller Mensch.

Aber umgekehrt sieht man eben auch was man hört, was zB zT in Filmen genutzt wird.
 
Reverse And Play schrieb:
Was denkt ihr?
Wie sehr lässt sich euer Hören, also das Zusammenspiel von Gehörorgan und der Interpretation im Gehirn, durch andere Sinne, Gedanken und/oder Gefühlen beeinflussen?

Hört sich z.B. etwas besser an, wenn:
- ihr gut gelaunt seid

Bin immer gut gelaunt wenn ich was neues bzw. mir unbekanntes antesten darf ;-)

- ihr das Wissen habt, es ist besonderes Equipment
- in einem Betrag steht es klingt toll

Bin ein Skeptiker, ich schätze das macht mich eher kritischer, lässt mich genauer hinhören. Stichwort: Millionen Fliegen können nicht irren ;-)

- jemand Prominentes sagt es hört sich toll an

Bin kein Fanboy, hab' keine Vorbilder die mich entsprechend beeinflussen könnten.

- ihr in der richtigen kreativen Umgebung seid

Keine Ahnung was du damit meinst.
 
Mit kreativen Umgebung meine ich z.B. dein Studio, ein anderes Studio oder sonst ein Ort der deiner Kreativität förderlich ist.

Wenn unsere Sinneseindrücke sich von uns selbst objektiv nicht beurteilen lassen, im Sinne von allgemein "besser" oder "schlechter", dann können viele Diskussionen über was "gut" oder "schlecht" ist oft in einer Unstimmigkeit enden. Oder anders, wenn jeder dasselbe hört, muss er es nicht gleich gut oder schlecht bewerten.
 
Die Wahrnehmung ist niemals subjektiv -- das Bewußtsein sagt dem Ohr, was es hören soll.

Wie "neutral" das Hörvermögen eines Einzelnen ist, hängt von diversen Faktoren ab wie Alter, Gesundheit, Schädigung des Ohres durch Hörgewohnheiten o. ä. (Unfälle, Knalltrauma etc.). Das wahrgenommene Frequenzspektrum läßt sich durch Hörtests ermitteln.

Jemand, der gut hören kann, hat deswegen noch lange keinen besseren Musikgeschmack.

Stephen
 
ppg360 schrieb:
Die Wahrnehmung ist niemals subjektiv -- das Bewußtsein sagt dem Ohr, was es hören soll.
"Subjektiv" = "vom agierenden Subjekt abhängig". Die Kopfform, Gehörgangform, Leistungsfähigkeit des Vestibularorgans,... etc sind Aspekte des agierenden Subjekts "hörender Mensch".
 
Beeinflusst werden soziale Wesen immer, und auch beim Geschmack.
Auch die, dies es nicht so zugeben. Wer sehr eigenbrödlerisch ist könnte zwar ggf. das von sich weisen aber auch als Opposition eine andere Reaktion zeigen als wenn es keine anderen gäbe.

Dazu hört der Mensch sehr unlinear. Rein technisch gesehen ist das also auch etwas gefärbt.
Ich stelle bei Konzerten und Verhalten stark fest, dass da immer eine große soziale Komponente statt findet, die die meisten einhalten, es sei denn man ist sehr unabhängig und sozusagen "mutig" - dazu gehören "wo stell ich mich hin" wenn zB alle hinten stehen und du als einziger vorn - das ist ja auch schon eine Ansage.

Und über welche Musiker man redet - spielt auch in so etwas hinein. Das ist auch eine Ansage ins Netzwerk, auch wenn man damit nur zeigen möchte, dass man andere Sachen kennt oder auch so ähnliche Dinge wie die anderen…
 
... was ist mit leuten die ein "absolutes gehör" haben ... (Sorry, hab jetzt nicht alles mitgelesen - fiel mir gerde so ein :? )
 
Reverse And Play schrieb:
Mit kreativen Umgebung meine ich z.B. dein Studio, ein anderes Studio oder sonst ein Ort der deiner Kreativität förderlich ist.

Wenn unsere Sinneseindrücke sich von uns selbst objektiv nicht beurteilen lassen, im Sinne von allgemein "besser" oder "schlechter", dann können viele Diskussionen über was "gut" oder "schlecht" ist oft in einer Unstimmigkeit enden. Oder anders, wenn jeder dasselbe hört, muss er es nicht gleich gut oder schlecht bewerten.

So richtig entscheiden wie gut so ein Synth ist kann ich eigentlich erst nach 'ner intensiven Sounddesign Session. Speziell bei einfach gestrickten Synths, um festzustellen wie der Synth auf bestimmte Parameteränderungen reagiert, muss ich beim erstellen von Standardsounds 'ne Menge Aufwand betreiben weil der Sweetspot schwer zu finden ist, die Parameter ungünstig skaliert sind, sich z.B. das LFO nicht auf ein angenehmes Vibrato Tempo bringen lässt.
Klar kann man einen Synth im eigenen Studio, vielleicht sogar im Vergleich mit vorhandener HW, sehr viel leichter und vielleicht sogar ein klein wenig objektiver bewerten.
 
Nick Name schrieb:
... was ist mit leuten die ein "absolutes gehör" haben ... (Sorry, hab jetzt nicht alles mitgelesen - fiel mir gerde so ein :? )

Das bezieht sich nur auf Tonhöhen und das Erkennen tonaler Zusammenhänge -- linearer wahrgenommener Frequenzgang spielt da wohl eher eine untergeordnete Rolle.

Stephen
 


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