Es gibt keine schlechten Sounds!

Für mich war Carlos klanglich wirklich kein großer Innovationsfall. Ich war sogar ziemlich enttäuscht, dass das alles so orchesternahe Symbolismen waren. Allerdings hab ich das nach Depeche Mode und Co gehört, also war mein Level schon deutlich höher, ich war ja sozusagen zu jung dafür, das zu hören als es neu war. Vielleicht hätte es mich dann begeistert. Kann also an mir liegen. Die Sounds waren nicht mal "schlecht", nur nicht innovativ. Zu nah am Original. Und das sollte man einfach nicht tun, wenn man etwas neu interpretieren möchte. Schneller spielen - ja, und exakt - auch super. Passt zum Thema Maschine und Computer. Aber man hätte es sogar überzeichnen können, Tomita ist das besser gelungen, da fand ich die Sounds so schön plüschig übertrieben. Und nicht Bach, sondern Romantiker als Vorlage, auch nicht schlecht. Das war für mich musikalisch deutlich interessanter und klanglich ebenso.
Man kann in einem Stück also durchaus unvorteilhafte Klänge wählen, die dem Stück nicht helfen oder die wenig Gefühl für die Musik entwickeln. Oder auch das Gegenteil.

Es gibt durchaus auch "schlechte" Sounds, die man aber nicht allgemein gültig schreiben könnte.
Klospülungen sind vermutlich aber häufiger unpassend als Geigen. Das es vielleicht Anfasser in einem Klang gibt, die aus einer Klospülung einen deutlich geliebteren Sound machen könnte es ggf. geben. Das wird man sehen.
Aber ein einfaches - schlechte Sounds gibts nicht würde ich auch zu einfach finden. Das berühmte erste Album von Depeche Mode glänzte zB nicht mit "tollen Sounds", erst das dritte war da geeignet wirklich zu beeindrucken. Vince flog vermutlich raus, weil die nicht bis ans Ende Teenieband bleiben wollten. Boys say go....

Es wäre interessant Speak & Spell mit total interessanten Sounds zu versehen und mal zu schauen, ob das was aus macht, vielleicht geben es die Songs aber nicht her? Nunja, die Stimme von A.Moyet haben es aber gebracht. So richtig. Und von da war der Abstand nicht so groß. Ich höre jedenfalls öfter Yazoo deshalb, wenn ich zwischen den Platten wählen sollte, dh 3, es gab ja 2 Alben.

Ich nenne mal dies als Beispiele - und man könnte mal schauen, wo Sounds total egal sein können.
Es GIBT eben schon schlechte Sounds. Die GM-Player Welle in den 90ern, - da gab es Plastiksaxophone und Türklingel und Hubschauber, die niemanden beeindruckt haben aus einem Land das ich nicht erfunden habe. Und? Alle cool, weil es gibt keine schlimmen Sounds? Bei Schlammpeitziger sind die gf. cool oder bei Dorau, weil absurd schlecht. Möglich.

Aber es gibt ne Menge Abstufungen und natürlich auch piepsige und belanglose Sounds, die durchaus eine Wirkung haben kann, weil sie "billig" sind. Naklar. Störersound, LoFi... das ist eine Kategorie.
Kann auch ein toller Gegenpol sein, zB neben fetten Gitarren oder sowas. Geht alles. Aber per se ... da ist mir das in 2017 zu einfach zu sagen - es gibt nur gute Sounds und es kommt auf die Pausen an bei Musik. Ja, von ganz oben, schon. Aber nur von da.
 
Oder um noch einmal eine andere Herangehensweise anzubieten: Wir machen einfach ein Stück Konzeptkunst daraus.

Dies ist also die Partitur für mein neustes Werk:
-Start-
Sobald irgendwer in diesem Forum oder sonst wo auf der Welt einen Sound unbrauchbar findet, bildet dieser Klang den nächsten Satz dieses Werkes. Sätze dürfen sich überlappen oder gleichzeitig beginnen.
-Ende-
Damit sind alle "schlechten" Klänge mindestens einmal auf der Welt die besten weil konzeptionell geforderten und unersetzbaren Klänge. Voila: Spätestens jetzt kann es keine objektiv schlechten Klänge mehr geben. Wir könnten noch ein wenig herumdiskutieren und müssten notfalls vielleicht noch Formulierungen in der Partitur ändern, um alle Sonderfälle abzudecken und die Lücken exakt zu schließen, aber es wird funktionieren. Das Stück will keiner hören, aber es existiert jetzt und "rettet" jeden der Unbrauchbarkeit verdächtigen Klang.
 
Moogulator schrieb:
Es GIBT eben schon schlechte Sounds. Die GM-Player Welle in den 90ern, - da gab es Plastiksaxophone und Türklingel und Hubschauber, die niemanden beeindruckt haben aus einem Land das ich nicht erfunden habe. Und?
Dazu fällt mir die Titelmusik von Seinfeld ein.... :lol:

 
Henk Reisen schrieb:
Gerade Pianosounds sind ein schönes Besipiel dafür, warum ich finde, dass Nick Name mit seiner Ausgangsthese uneingeschränkt Recht hat. Wenn ich nämlich einen Acid-House-Track machen oder Madonnas "Vogue" covern will, wäre der Bösendorfer unpassend und das in vielen sonstigen Kontexten unbrauchbare Korg-M1-Piano viel besser geeignet. Gut und schlecht sind Kategorien, die nur in Relation zum gesetzten Ziel Sinn ergeben. Deshalb ist auch die verhungerte Bassdrum manchmal deutlich besser als die fette Kick. Wenn mir bei einem Sound keine sinnvolle Einsatzmöglichkeit in den Sinn kommt, ist er für mich schlecht. Für jemand anderen kann es aber der heilige Gral des Sounddesigns sein, weil er andere künstlerische Ziele hat.

Danke - ein freund im geiste!

ps: Das heisst auch überhaupt nicht, dass es egal ist welche sounds ich benutze - offensichtlich ist es nicht egal! :kaffee:
 
Henk Reisen schrieb:
Zotterl schrieb:
Beethovens 5te hoert sich mit Orchester besser an, als auf dem Kamm geblasen.
Kommt das nicht auch auf das Orchester, den Kammbläser und die Vorstellungen des Hörers an? Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass die Kammblasversion künstlerisch spannender ist als die zweimilliardste Orchesterversion.

Absolute Urteile sind immer falsch. (See what I did there?) :mrgreen:
Ich kann aber ein schönes Steinwaysample so lange EQen und nachbearbeiten, das es "schlechter" klingt, umgekehrt ist das jedoch meist schwierig.
 
Nick Name schrieb:
Henk Reisen schrieb:
ps: Das heisst auch überhaupt nicht, dass es egal ist welche sounds ich benutze - offensichtlich ist es nicht egal! :kaffee:
Auch da bin ich voll dabei, wie hoffentlich schon deutlich geworden ist. Innerhalb eines künstlerischen Projekts oder eines künstlerischen Gesamtkonzepts kann es durchaus richtig und falsch geben. Wenn ich Beethovens Neunte in einer möglichst originalgetreuen Version spielen möchte, sollte ich zum Sinfonieorchester greifen und die Kammblasversion wäre unpassend. Man kann richtig und falsch nur nicht verallgemeinern und objektivieren.
 
Bernie schrieb:
Ich kann aber ein schönes Steinwaysample so lange EQen und nachbearbeiten, das es "schlechter" klingt, umgekehrt ist das jedoch meist schwierig.
Ja, ganz sicher, der Flügel ist natürlich vielseitiger einsetzbar. Ich persönlich würde den Flügel auch immer vorziehen, da ich keinen Acid House mache und auch sonst wenig Einsatzmöglichkeiten für das M1-Piano habe. Wenn es aber doch so wäre, hätte ich lieber eine M1 herumstehen als einen Flügel oder ein schönes Steinwaysample, weil ich dann direkt den geforderten Sound im Zugriff hätte und nicht erst EQen muss (wobei ich einfachheitshalber einfach mal davon ausgehe, dass wir es schaffen, tatsächlich das korrekte Ergebnis herbeizuEQen - was man in einem Flöhehusterforum wie diesem vielleicht auch noch in Frage stellen könnte. ;-) )

Das M1-Piano ist ein Schlüssel, der nur ganz wenige Schlösser öffnet. Das Flügelsample ist ist ein Schlüssel für viel mehr Schlösser, der zusätzlich in einen Schlüssel für das M1-Spezialschloss umgewandelt werden kann. Dennoch kann keiner sagen, dass der Spezialschlüssel schlecht ist, so lange er auch nur ein Schloss sauber und ohne Hakeln öffnet.

Ich hätte übrigens gedacht, dass diese Haltung in einem solchen Forum Konsens wäre, da hier viele Menschen unterwegs sind, die als Klangforscher, Soundtüftler oder Modularfreaks an Klängen basteln, die viele andere Menschen erst einmal als unbrauchbar ansehen würden. Ganz viele von uns suchen doch nach ganz individuellen "Spezialschlüsseln" und nicht nach schönen Universalschlüsseln. Insofern finde ich die Diskussion wirklich spannend - und das ist kein Euphemismus für "bescheuert", sondern ganz ehrlich gemeint.

Lustigerweise bin ich übrigens Freund von Standardware: klassische Drummachines, meist auch noch als Samples, klassische Synth-Sounds, Gitarren, Gesang: Alles erst mal nix besonders innovatives, schräges, schmutziges. Ich mag "schöne" Klänge. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass die Anführungszeichen um "schöne" absolut notwendig sind, weil dies ein subjektives, nicht zu objektivierendes Urteil ist.
 
Moogulator schrieb:
Für mich war Carlos klanglich wirklich kein großer Innovationsfall. Ich war sogar ziemlich enttäuscht, dass das alles so orchesternahe Symbolismen waren.
Ich habe Wendy Carlos auch nur als Beispiel bemüht, weil ich aufzeigen wollte, dass das vorher genannte Orchester in manchen Kontexten eben nicht die optimale Lösung ist. (Ich muss übrigens an dieser Stelle mal gestehen, dass ich bis heute "Switched on Bach" nie ganz gehört habe und mir gar kein Urteil dazu erlauben kann. Deine Vorbehalte gegen das Werk klingen für mich aber sehr nachvollziehbar.)
Es gibt durchaus auch "schlechte" Sounds, die man aber nicht allgemein gültig schreiben könnte.
Klospülungen sind vermutlich aber häufiger unpassend als Geigen.
D'accord. Es geht aber doch gerade um die Allgemeingültigkeit eines Urteils über einen Klang. Dass wir alle Klänge haben, die wir gerne oder weniger gerne mögen oder die wir mehr oder weniger interessant finden, ist doch klar. Als Musiker und/oder Sounddesigner können wir aber doch nicht Klänge von vornherein als schlecht, unbrauchbar oder was auch immer ansehen. Die Klospülungssonate von Harry Hüpenbecker oder mein kleines Stück Konzeptkunst oben funktionieren nun mal nicht mit Orchester, Flügel oder dem Minimoog. Sie funktionieren aber vielleicht mit der Klospülung, die in diesen Kontexten dann der perfekte Klang ist. Wenn jemand das schlecht findet, ist es nur ein rein subjektives Geschmacksurteil, mehr nicht. Deswegen kann es keine schlechten Klänge geben, nur ungewohnte, spezielle oder für viele von uns unschöne oder unbrauchbare. Objektivieren lässt sich das nicht.
 


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