Producing Basics: Benötige Hilfe Reverbs besser zu verstehen?

Hyde

.....
Obwohl ich eigentlich schon seit Jahren mein Hobby relativ aktiv verfolge, merke ich doch immer wieder, dass ich in einigen producing Fragen immer noch recht unwissend bin. Und das würde ich gerne mal ändern. Als erstes Thema fange ich daher mal mit Reverbs (+Delays) an. Eigentlich der Klassiker und ständig im Einsatz, dennoch tue ich mir da relativ schwer. Vor allem beim Reverb merke ich, dass mir wohl doch die Basics fehlen. Ich kenne zwar die Grundlagen was die einzelnen Parameter tun, komme aber irgendwie nicht richtig ran. Ich versuche zwar einen Reverb zu verfeinern, sehe aber dann doch den Wald vor lauter Bäumen nicht und falle dann auf irgendwelche presets zurück (aus dem Grund habe ich mir neulich auch mal den Neoverb geholt, damit dieser mir mehr helfen kann. Ich würde aber dennoch gerne mehr verstehen).

Folgende Fragen fallen mir da ein; tendenziell eher im "konservativen" Einsatz von Reverb in einer Produktion. Also nicht unbedingt, wenn ich für eine Ambient oder Shoegaze Produktion einen großen Raum erstellen will (auch wenn ich das mega spannend finde, wie man dort eben Kontrolle über diesen Space bekommt):
  • Wie entscheidet ihr, welcher Hall Typ der richtige für den jeweiligen Part oder allgemein für die Stimmung des gesamten Songs ist?
  • Reverb Difusion: Ich weiss, dass damit quasi die Streuung(?) und Ausbreitung der Hall-Reflexion gesteuert wird. Aber wie genau setze ich das in der Produktion am besten ein? In welchen Situationen würde man z.B. die difusion eher zurück nehmen?
  • Wie viele Reverbs nutzt ihr tendenziell? Z.b. einen für Vocals und einen anderen für die anderen Instrumenten - Oder doch einen pro Instrumenten Gruppe/Anwendungen? Hier z.B. ein spezielles Szenario: bei einem Schlagzeug nutze ich einen Reverb für die Snare und dann einen für das gesamte kit? -> würde ich hier dann auch die Gitarren in den selben "Raum" bringen wie das Drum Kit (mit natürlich unterschiedlichen Reverb Anteil)?
    • bonus noob frage 1: wenn man mehrere Reverbs verwendet, würde man die EQ Einstellungen der Reverbs auch untereinander anpassen oder reicht das "normale" eq der Instrumente? Also ich meine damit, würdet ihr bereits ReverbA in einem Frequenzbereich reduzieren, in welchem ReverbB mehr durchkommen soll?
  • Wie verbindet ihr Delay und Reverb? Also wann nutzt ihr bei Vocals z.B. nur Reverb und wann ein kurzes Delay?
    • Falls ihr es kombiniert, wie verhalten sich beide Elemente zu einander: in welcher Reihenfolge, was sollte man beim EQ der beiden FX evtl beachten, etc? Hier gerne auch speziell im Bereich Synthesizer Sound Design - da wäre ich mega gespannt auf das Wissen hier im Forum!
  • Decay beim Hall: Hier ertappe ich mich leider zu oft, dass ich tendenziell etwas zu langes Decay wähle, weil ich oft das Gefühl habe es wäre bei geringen Werten zu wenig. Und dann wird es schnell "matschig" im mix. Gibt es Ratschläge wie ich hier mein Gehör etwas besser schulen könnte?

Mir ist schon klar, dass es ein sehr großes Thema ist und vieles auch Abhängig vom jeweiligen Mixing Kontext ist: Also manchmal will man einen relativ "realistischen" Reverb haben und ein anders mal geht man eben auf die Suche nach einem prominenten, sehr stilisierten Hall. Dennoch hoffe ich, dass man mit meinen Fragen trotzdem etwas anfgangen kann und man mir eben kleine Ratschläge geben könnte, die mir beim Entscheidungsprozess zur Seite stehen können - Am Ende entscheidet ja immer das Ohr, aber ich hoffe mit einem besseren Verständnis eben nicht so -stellenweise planlos- im Mixing-Wald herum zu irren. Ich freue mich über jeden noch so kleinen Tip oder Literatur/Video Empfehlungen zum Thema.
 
  • Wie entscheidet ihr, welcher Hall Typ der richtige für den jeweiligen Part oder allgemein für die Stimmung des gesamten Songs ist?
Probieren, Erfahrung, persönliche Geschmackssache. Ich benutze jedenfalls keine rein technischen Kriterien

  • Reverb Difusion: Ich weiss, dass damit quasi die Streuung(?) und Ausbreitung der Hall-Reflexion gesteuert wird. Aber wie genau setze ich das in der Produktion am besten ein? In welchen Situationen würde man z.B. die difusion eher zurück nehmen?
Üblicherweise nehme ich für langen (Gesangs-)Hall einen sehr diffusen Hall ohne Erstreflektionen, für Drums oder "Glue-Reverb" eher Erstreflektionen.

  • Wie viele Reverbs nutzt ihr tendenziell? Z.b. einen für Vocals und einen anderen für die anderen Instrumenten - Oder doch einen pro Instrumenten Gruppe/Anwendungen? Hier z.B. ein spezielles Szenario: bei einem Schlagzeug nutze ich einen Reverb für die Snare und dann einen für das gesamte kit? -> würde ich hier dann auch die Gitarren in den selben "Raum" bringen wie das Drum Kit (mit natürlich unterschiedlichen Reverb Anteil)?
    • bonus noob frage 1: wenn man mehrere Reverbs verwendet, würde man die EQ Einstellungen der Reverbs auch untereinander anpassen oder reicht das "normale" eq der Instrumente? Also ich meine damit, würdet ihr bereits ReverbA in einem Frequenzbereich reduzieren, in welchem ReverbB mehr durchkommen soll?
  • Wie verbindet ihr Delay und Reverb? Also wann nutzt ihr bei Vocals z.B. nur Reverb und wann ein kurzes Delay?
    • Falls ihr es kombiniert, wie verhalten sich beide Elemente zu einander: in welcher Reihenfolge, was sollte man beim EQ der beiden FX evtl beachten, etc? Hier gerne auch speziell im Bereich Synthesizer Sound Design - da wäre ich mega gespannt auf das Wissen hier im Forum!
Ich benutze für konservative Popproduktionen folgendes Setup:
AuxSend 1 > Langer, diffuser Hall (Gesang, Pads, gezielte Effektierung)
AuxSend 2 > kürzerer, erstreflektionsreicher Raum. Hier kommt fast alles rein. Viele Spuren nur minimal, Drums oder Gitarren mehr. Dieser Hall dient vor allem dazu, dass die gesamte Produktion "in einen Raum zu stellen" (="Glue-reverb").
AuxSend 3 > ge-time-tes Delay (halber Takt oder 3/8), dessen Ausgang nicht in den Hauptmix geht, aber komplett auch auf den langen Reverb. Es dient nur als Predelay fürs lange Reverb.
AuxSend 4 > geht in die Sidechain eines Kompressors, der den Return des langen Reverb ggf wegdrückt. In diesen Auxwege, geht vor allem der Leadgesang selbst rein.
AuxSends 5 und 6 > ge-time-te kurze mono-Delay (1/16tel bis 3/16tel), deren Out jeweils hart auf eine Seite ge'panned ist. Die Ausgangssignale der Delay kommen auf den Main-Mix aber auch in den kurzen "gesamt-Raum". Werden ein bisschen für Gesang benutzt, hauptsächlich für rhythmische Sachen.

Die Leadvocals setze ich gegenüber den Backingvocals ab, indem die Leads mehr über das Predelay in den Gesangshall gehen, während die Backings direkt in den Gesangshall gehen.

  • Decay beim Hall: Hier ertappe ich mich leider zu oft, dass ich tendenziell etwas zu langes Decay wähle, weil ich oft das Gefühl habe es wäre bei geringen Werten zu wenig. Und dann wird es schnell "matschig" im mix. Gibt es Ratschläge wie ich hier mein Gehör etwas besser schulen könnte?
Der Trick ist hier das "Ducking", also das Ausgangssignal des Reverbs wegzu"drücken", wenn das eigentliche Signal wieder auftaucht. Dazu kann man entweder ein Ducking-Gate oder eine Compressor nehmen.
 
Ich verwende Reverb entweder als Send-efffekt (um zb Drums einen gemeinsamen Raum zu geben, meist kaum hörbarer Hall) oder als Insert um dem Signal einen Hall als Effekt aufzusetzen (quasi deutlich hörbarer Hall)

Das Mischen ist dann echt je nach Signal und je nach Anwendung dann echt verschieden.
Ich versuche dann immer abzuwägen wie viel Hall man hört bevor es zuviel oder zu mächtig klingt
 
Ich würde noch folgende fragen im hinterkopf behalten:

Welche stimmung/emotion soll das reverb transportieren? Da gehts um den klangcharakter...

Wo will ich den zu reverbierenden sound im raum/stereopanorama platzieren?
Bzw solls echt oder künstlich klingen.
 
Es hilft erstmal nicht sonderlich viel mehr als deine Abhörsituation so gut es geht zu kennen und einfach auf gewisse Dinge dezidiert zu achten (ansonsten alles was @fanwander oben sagt, vielen Dank für die ausführliche Beschreibung!). Reverb lebt von Räumlichkeit und sollte idealerweise in verschiedenen Räumen abgehört werden um zu wissen ob der funktioniert (Edit, s.u.). Das ging / geht mir ganz ähnlich, mit Umzug in mein Studio musste ich mich von meinem Kopfhörersound an Yamaha HS8 mit schwingenden Kalotten gewöhnen - und auf einmal waren meine Reverbs aus Mietwohnung mit Kopfhörer-Fakestereo ganz anders und ne ganze Menge meiner Reverbs hab ich mehr oder minder ansatzlos ersetzt.

Zwei Faustregeln mit denen ich beim Einstellen von Reverbs arbeite, 1. je mehr Frequenzcuts oben und unten desto "weiter weg" ist der Reverb, 2. kürzer ist in der Regel besser, wenn es nicht ein Sound ist, der nicht explizit von Reverbs lebt, sonst Matsch.

Predelay ist in der Regel ein Thema für sich, aber auch hier - je kürzer, desto mehr Nähe / Enge suggeriert (mir) der Raum. Das Beispiel mit dem Predelay bei Leadgesang vs. Backgroundgesang passt aber dazu ganz gut - die Vocals bekommen Reverb mit Predelay, weil vorne im Raum (weiter weg von der Wand) postiert, die Backgroundsängerinnen ohne, da die Wand quasi im Rücken ist und die Wand daher ohne Predelay reflektiert.

Da wird wohl der eine oder andere Schnitzer in der Erklärung sein, aber mir hilft das bei der Entscheidungsfindung - die ist oft eher das Problem als der Reverb an sich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Reverb lebt von Räumlichkeit und sollte idealerweise im Raum abgehört werden
Da muss ich leider komplett widersprechen. Reverb in der Pop-Produktion ist allergrößtenteils ein künstliches Attribut, das unabhängig von der Abhörsituation funktionieren muss. Einzig bei Kinomischung, wo ich mit einer leidlich definierten Abhörsituation rechnen darf, darf man den Abhörraum mit einkalkulieren.
 
Da muss ich leider komplett widersprechen. Reverb in der Pop-Produktion ist allergrößtenteils ein künstliches Attribut, das unabhängig von der Abhörsituation funktionieren muss. Einzig bei Kinomischung, wo ich mit einer leidlich definierten Abhörsituation rechnen darf, darf man den Abhörraum mit einkalkulieren.
Ist richtig, ich präzisiere oben in meinem Beitrag nochmal:

Mit Fakestereo auf Kopfhörern habe ich lange sehr sehr viel Unsinn gemacht, der erst in den verschiedenen Abhörsituationen (auch da hast du wieder Recht) entweder zu laut / zu matschig / zu sonstwas war. Ich nehme hier an, dass viele gleichzeitig mit Monitoren und Kopfhörern (ab)hören und Effekte wie Reverb gern mit Kopfhörern feingetunt wird.

In unterschiedlichen Räumen / Situationen abhören ist aber sowieso immer good practice.
 
Meine "Kurzantwort" ist:
Reverb kann (egal ob Hardware, SW-Emulation oder IR etc. ) eine Stimmung erzeugen oder in anderen Fällen die Räumlichkeit/Dimensionen verändern/erweitern.
Den richtigen Hall gibt es genauso wenig wie den richtigen Weg von Musikproduktion. Was für dich passt, passt für dich.
Einfach viel probieren, egal ob per Aux-panning, Insert, sub-Busse, Master Insert oder wo auch immer. Aber manchmal passt ein kombinierter Hall plus Delay auch mehr zu einer Produktion.
Mit ER's und mathematischen Grundlagen der Schallentfaltung würde ich mich an deiner Stelle erst beschäftigen, wenn du mal die Basics intus hast und deinen klanglichen Geschmack irgendwie zufrieden gestellt hast.
Ich kenne viele Musiker, die können auch Signale nicht mehr ohne Reverb hören, weil dass für sie "nicht schön genug" klingt, was für pre-Mixing Recording Szenarien eher nervt und ich denen halt einen Reverb Kopfhörer Mix erstellen musste, damit die auf ihren Keys/Synths ihren schönen grössen Hall vorhören konnten.
 
Ich kann da auch nur aus - leidlicher - Erfahrung und nicht aus Profisicht antworten:

Wie entscheidet ihr, welcher Hall Typ der richtige für den jeweiligen Part oder allgemein für die Stimmung des gesamten Songs ist?
Letztendlich nach Gehör - wobei man natürlich meist schon eine ungefähre Idee hat, in welche Richtung man gehen möchte. Und natürlich kommt es auf das Material an - für einen Pop- oder Schlagertitel gelten andere ästhetische Ansprüche als für einen Ambienttrack.

Reverb Difusion: Ich weiss, dass damit quasi die Streuung(?) und Ausbreitung der Hall-Reflexion gesteuert wird. Aber wie genau setze ich das in der Produktion am besten ein? In welchen Situationen würde man z.B. die difusion eher zurück nehmen?
Ich persönlich gehe gerne in Richtung viel Diffusion - etwas weniger kann aber durchaus eine interessante Körnung geben. Das mache ich rein nach Gehör durch Ausprobieren, und den Hauptausschlag gibt der zu verhallende Sound.

Wie viele Reverbs nutzt ihr tendenziell? Z.b. einen für Vocals und einen anderen für die anderen Instrumenten - Oder doch einen pro Instrumenten Gruppe/Anwendungen?
In den Auxwegen arbeite ich meist mit maximal 1-2 längeren Reverbs. Die Snare bekommt vielleicht noch was eigenes (z.B. ein Gated Reverb).

bei einem Schlagzeug nutze ich einen Reverb für die Snare und dann einen für das gesamte kit?
Ich setze bei den meisten Spuren ein Plugin wie "Panagement 2" als Inserteffekt ein, und gebe damit etwas Raunklang- und Positionierung vor. Entweder mit unterschiedlicher Position bei ansonsten identischen Einstellungen (als Glue) auf den Instrumenten, oder nach Geschmack auch mal mit unterschiedlichen Reverbtypen (z.B. für die Bassdrum einen "Dark"-Algo). Das Plugin lässt sich m.E. recht gut dosieren. Für drastischere Effekte kommen dann die Reverb-Sends zum Einsatz.

würde ich hier dann auch die Gitarren in den selben "Raum" bringen wie das Drum Kit (mit natürlich unterschiedlichen Reverb Anteil)?
Das kommt auch darauf an, ob Du eher einen realistischen Raumeindruck erzeugen willst, bzw. wie künstlich es klingen darf. Bei Synthesizermusik habe ich mit "Künstlichkeit" eigentlich keine Probleme, und setze auch "schmerzbefreit" sehr unterschiedliche Reverbtypen ein. Eine "starke" Hallfahne bekommen aber nur wenige Stimmen, sonst wird es schnell too much. Gitarren würde ich vermutlich eher einen subtilen Raumklang verpassen (wenn es nicht gerade eine Fantasy-Poser-Leadguitar ist).

wenn man mehrere Reverbs verwendet, würde man die EQ Einstellungen der Reverbs auch untereinander anpassen oder reicht das "normale" eq der Instrumente? Also ich meine damit, würdet ihr bereits ReverbA in einem Frequenzbereich reduzieren, in welchem ReverbB mehr durchkommen soll?
Das habe ich so bisher noch nicht gezielt so angehen müssen - allerdings kommt es vor, dass ich in einem Sendweg vor einem Reverb noch einen EQ setze, um Frequenzanteile, die nicht so stark verhallt werden sollen, herauszunehmen. Die meisten Reverbs bieten natürlich Low- und Highpassfilter an (die sich aber oft nicht so präzise einstellen lassen wie ein dedizierter EQ). Grundsätzlich würde ich aber sagen, dass die Reverbs durchaus breitbandig arbeiten können, ohne sich zu sehr ins Gehege zu kommen (da würde ich dann im Zweifel eher mit Ducking arbeiten). Zu viel Bass im Reverb sollte aber nicht sein.

Wie verbindet ihr Delay und Reverb? Also wann nutzt ihr bei Vocals z.B. nur Reverb und wann ein kurzes Delay?
Ich mache nicht viel mit Vocals, aber mit Synth-Leads ist es oft ähnlich. Da kann auch gerne beides kombiniert werden, wenn man es nicht übertreibt. Gut geht (für meine Zwecke) oft ein Delay, das dann selbst noch etwas verhallt wird. Dazu kann man im Hintergrund auch noch ein längeres Reverb abseits vom Delay einsetzen, das nur in den Pausen der Leadvoice nach oben kommt:

Delays setze ich idr. temposynchronisiert ein - meistens habe ich auf einem Auxweg mindestens ein Tape-Delay mit 1/4 Delayzeit, und mindestens ein weiteres Stereodelay mit gemischten Delayzeiten links und rechts und gegenläufigem Feedback (z.B. 3/16 und 3/8). Dazu dann noch nach Bedarf (falls z.B. Bass oder Bassdrum ein subtiles 1/8-Delay benötigen).

Connoisseure würzen das dann noch nach Belieben mit Valhalla Supermassive in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. ;-)

Decay beim Hall: Hier ertappe ich mich leider zu oft, dass ich tendenziell etwas zu langes Decay wähle, weil ich oft das Gefühl habe es wäre bei geringen Werten zu wenig. Und dann wird es schnell "matschig" im mix. Gibt es Ratschläge wie ich hier mein Gehör etwas besser schulen könnte?
Send-Reverbs (bzw. allgemein FX mit längerem Ausklang) gehen bei mir in extra Returnwege, auf denen ich Sidechain-Kompressoren einsetze, die z.B. durch die Leadstimmen oder andere prominente Spuren getriggert werden. Das kann verhindern, dass sich Hall- oder Delayfahnen zu sehr mit den wichtigen Stimmen ins Gehege kommen.

Das dürfte in etwa dem entsprechen, das Florian hier meint:

AuxSend 4 > geht in die Sidechain eines Kompressors, der den Return des langen Reverb ggf wegdrückt. In diesen Auxwege, geht vor allem der Leadgesang selbst rein.

Das Gehör schult man am besten durch Erfahrung und Vergleich mit Referenzproduktionen. Interessanterweise habe ich z.B. die Erfahrung gemacht, dass ich FX-Anteile auf einer Spur im Solomodus eher zu zaghaft einsetze, und dann im Gesamtmix noch etwas dazugeben muss. Anderen mag es genau umgekehrt gehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Probieren, Erfahrung, persönliche Geschmackssache. Ich benutze jedenfalls keine rein technischen Kriterien


Üblicherweise nehme ich für langen (Gesangs-)Hall einen sehr diffusen Hall ohne Erstreflektionen, für Drums oder "Glue-Reverb" eher Erstreflektionen.


Ich benutze für konservative Popproduktionen folgendes Setup:
AuxSend 1 > Langer, diffuser Hall (Gesang, Pads, gezielte Effektierung)
AuxSend 2 > kürzerer, erstreflektionsreicher Raum. Hier kommt fast alles rein. Viele Spuren nur minimal, Drums oder Gitarren mehr. Dieser Hall dient vor allem dazu, dass die gesamte Produktion "in einen Raum zu stellen" (="Glue-reverb").
AuxSend 3 > ge-time-tes Delay (halber Takt oder 3/8), dessen Ausgang nicht in den Hauptmix geht, aber komplett auch auf den langen Reverb. Es dient nur als Predelay fürs lange Reverb.
AuxSend 4 > geht in die Sidechain eines Kompressors, der den Return des langen Reverb ggf wegdrückt. In diesen Auxwege, geht vor allem der Leadgesang selbst rein.
AuxSends 5 und 6 > ge-time-te kurze mono-Delay (1/16tel bis 3/16tel), deren Out jeweils hart auf eine Seite ge'panned ist. Die Ausgangssignale der Delay kommen auf den Main-Mix aber auch in den kurzen "gesamt-Raum". Werden ein bisschen für Gesang benutzt, hauptsächlich für rhythmische Sachen.

Die Leadvocals setze ich gegenüber den Backingvocals ab, indem die Leads mehr über das Predelay in den Gesangshall gehen, während die Backings direkt in den Gesangshall gehen.


Der Trick ist hier das "Ducking", also das Ausgangssignal des Reverbs wegzu"drücken", wenn das eigentliche Signal wieder auftaucht. Dazu kann man entweder ein Ducking-Gate oder eine Compressor nehmen.

Wow, danke für deine Ausführungen. Sehr informativ. Normalerweise benutze ich nämlich für Popvocals eher eine Plate, weil ich die Leadstimme dann ganz vorne im Mix habe. Kommt sicher auch auf die Vocals an, aber diese Kombi mit dem Predelay muss ich unbedingt mal ausprobieren.
 
Wow. Vielen Dank für die vielen, tollen Antworten. Ich lese mir das alles mal in ruhe durch. Danke schonmal an alle!
 
Wie klingt es denn ohne Hall?

Mit Hall kann man viel kaputt machen, brauch man idR bei elektronischer Musik nicht so,
es sei denn man möchte es als "Special-FX" einsetzen.

Deshalb schlage ich dir folgende Strategie vor:
Verzichte auf Hall, bis zum Ende der Produktion.
Versuche dann, aber auch nur, wenn wirklich Raum fehlt, eher ein Delay einzusetzen.
Mische nur wenig dazu. 20% sind schon zu viel.

Und wenn es wirklich sein muss, um einzelne Klänge zu platzieren, beschränke dich auf sehr kleine Räume
mit etwas Predelay, was dem Songtempo angepasst ist nur nur sehr leicht beigemischt wird. Wenn man´s hört, ist es schon zu viel.

Bei Instrumenten, Vocals usw darf es ruhig in Richtung Plate gehen

Würde mich hier aber auch von der klassischen Sichtweise der Tiefenstaffelung verabschieden.
Elektronische Musik und eine realistische Bühne passen nicht so wirklich.
 
Mal ein ganz interessanter Track, was Vocal-Reverb angeht:


Nicht von dem etwas eckigen Intro abschrecken lassen. Die Vocals sind reiner hübscher Popsong (Dur ;-) at its best). Als "Hall" wird aber ein eher kleiner Raum verwendet; eigentlich erstaunlich viel Raumanteil, aber beim ersten Hören kaum wahrnehmbar. Richtig gut hört man ihn bei der fast-acapella-Stelle bei 02:57. Eventuell ist das sogar der originale Aufnahmeraum, der ungedämmt ist. Jedenfalls ist es toll, wie der Raum die Vocals zu einer Einheit zusammenschweißt.
 
Und noch ein schönes Beispiel, welche Atmosphärenwechsel man mit Hall hinbekommt:



Bei 0:55 fängt ein Refrain an der immer mehr Hall bekommt. Bei 1:08 Übergang in die nächste Strophe werden die Vocals kurzzeitig komplett "trocken" gestellt.

(OT-PS: Dizzy ist eine prima Gitarrenpop-Band aus Ottawa. Mag ich sehr)
 
Mal ein ganz interessanter Track, was Vocal-Reverb angeht:


Nicht von dem etwas eckigen Intro abschrecken lassen. Die Vocals sind reiner hübscher Popsong (Dur ;-) at its best). Als "Hall" wird aber ein eher kleiner Raum verwendet; eigentlich erstaunlich viel Raumanteil, aber beim ersten Hören kaum wahrnehmbar. Richtig gut hört man ihn bei der fast-acapella-Stelle bei 02:57. Eventuell ist das sogar der originale Aufnahmeraum, der ungedämmt ist. Jedenfalls ist es toll, wie der Raum die Vocals zu einer Einheit zusammenschweißt.


Das ist aber schon arg artifical und mit viel „Effekt“ drauf, plus Vocoder „Hall“.
 
Und noch ein schönes Beispiel, welche Atmosphärenwechsel man mit Hall hinbekommt:



Bei 0:55 fängt ein Refrain an der immer mehr Hall bekommt. Bei 1:08 Übergang in die nächste Strophe werden die Vocals kurzzeitig komplett "trocken" gestellt.

(OT-PS: Dizzy ist eine prima Gitarrenpop-Band aus Ottawa. Mag ich sehr)


Auch hier ist der Hall eher künstlerisch eingesetzt. Standard ist das natürlich nicht. Da wird ja förmlich mit dem Reverb gespielt.
 
Das ist aber schon arg artifical und mit viel „Effekt“ drauf, plus Vocoder „Hall“.
Da ist eben nicht viel Effekt drauf, sondern wirklich nur Early Reflection von einem "Zimmer". Klar, zum Schluss kommt der Vocoder, aber der ist zweite Stimme und nicht Effekt. Der Typ hat natürlich auch eine großartig präsente Stimme. Da braucht es nur ein bisschen Kompressor und wahrscheinlich etwas EQ in den oberen Mitten; aber sonst war es das.
 
Wie klingt es denn ohne Hall?

Mit Hall kann man viel kaputt machen, brauch man idR bei elektronischer Musik nicht
Hm sorry für meinen einwand aber kann es sein daß du eine hallfahne meinst?
Dann könnt ichs nachvollziehen aber ansonsten wär mir deine aussage viel zu allgemein und ich würds anders sehen.
Weil elektronische musik ansich viel zu breit gefächert is. Mach mal ambient ohne hall...oder trance
daß man oft zuviel hall reindreht es dann abkackt dem stimm ich allerdings gerne zu
 
Da ist eben nicht viel Effekt drauf, sondern wirklich nur Early Reflection von einem "Zimmer". Klar, zum Schluss kommt der Vocoder, aber der ist zweite Stimme und nicht Effekt. Der Typ hat natürlich auch eine großartig präsente Stimme. Da braucht es nur ein bisschen Kompressor und wahrscheinlich etwas EQ in den oberen Mitten; aber sonst war es das.

Würde mich wundern, wenn da nicht unzählige Effekte drauf sind, so richtig natürlich klingt das nicht. Der Vocoder ist meiner Meinung fast immer da als Dopplung und gibt dem Ganzen diese ausergewöhnliche Tiefe. Entweder Glück, dass es so funktioniert hat oder viel feintuning mit dem Vocoder um das so hinzubekommen.

Edit: Oder ist das einfach das Pre-Delay?
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Sache mit dem Diffusion-Parameter ist übrigens etwas komplizierter, als gedacht. Es ist eigentlich ein Trick, um mit gewissen Problemen der künstilichen Hallerzegung umzugehen.

Aber lest selber, was Sean Costello dazu schreibt:

Hier die Kernaussage:
This is where the Diffusion control comes in. Instead of being a compromise solution that works OK for all signals and not great for any signal, it allows the user to adjust the algorithm to suit the input signal. It places the burden of balancing echo density and coloration on the end user, instead of on the algorithm designer. By knowing how the Diffusion control works, the end user can make their reverbs work better for them.
 
Mit Hall kann man viel kaputt machen, brauch man idR bei elektronischer Musik nicht so,
es sei denn man möchte es als "Special-FX" einsetzen.
Dem ersten Halbsatz stimme ich zu - ansonsten ist das tatsächlich stark Geschmacks- oder Genreabhängig. Vermutlich wird man bei Minimal Techno oder Hip Hop anders herangehen als Up-Trance oder Berliner Schule.

Ist aber ein gutes Beispiel, um zu zeigen, dass es nicht den Könisweg gibt - nicht mal innerhalb eines Genres - sondern statt dessen viele Wege nach Rom führen. :dunno:

Deshalb schlage ich dir folgende Strategie vor:
Verzichte auf Hall, bis zum Ende der Produktion.
Kann man durchaus mal machen, aber ich würde behaupten, dass sich dadurch der Mix bzw. die Ansprüche an die einzelnen Stimmen stark ändern.
Bei mir wird eigentlich jede neue Spur schon mit passendem Raumklang oder Aux-Reverb versorgt, und damit das Gesamtgefüge nach und nach aufgebaut. Wenn ich bis zum Schluss konsequent auf einen bestimmten Effekt verzichte, brauche ich entweder viel Vorstellungsvermögen - oder der Effekt ist für meinen Stil sowieso nur geringfügig relevant.

Und wenn es wirklich sein muss, um einzelne Klänge zu platzieren, beschränke dich auf sehr kleine Räume
mit etwas Predelay, was dem Songtempo angepasst ist nur nur sehr leicht beigemischt wird. Wenn man´s hört, ist es schon zu viel.
Ich bin jetzt nicht sicher, ob sich das hauptsächlich auf Perkussion bezieht ... da würde ich teilweise zustimmen. Wenn ein Track salopp gesagt zu 80% Machinedrum ist, gilt das eher, als wenn das einzig perkussive die Linndrum-Kick und die passende Italo Disco Snare ist. ;-)

Bei Instrumenten, Vocals usw darf es ruhig in Richtung Plate gehen
Mit Instrumenten sind Lead-Stimmen gemeint? Die Übergänge sind halt fließend - bei mir spielt sich zwischen Beat und Lead relativ viel ab in Richtung Arpeggios, Bells, (FX-)Stabs usw. Da ist schon viel dabei, das von längeren Hallfahlen profitieren kann, wenn man es nicht übertreibt.

Würde mich hier aber auch von der klassischen Sichtweise der Tiefenstaffelung verabschieden.
Man kann und sollte beides mal ausprobieren. Auch wenn ich z.B. nur mit Synthstimmen arbeite, nutze ich die einfach zu bedienende Tiefenstaffelungssimulation, die Plugins wie Panagement II bieten inzwischen recht gerne. Übrigens auch in der Automation: Vor einem Break z.B. mal den "Far"-Parameter aufziehen (der intern u.a. Einfluss auf Predelay, Wet-Anteil, Filter, Diffusion etc. hat), um ein Arpeggio "nach hinten" verschwinden zu lassen o.ä.
 
Hm sorry für meinen einwand aber kann es sein daß du eine hallfahne meinst?
Dann könnt ichs nachvollziehen aber ansonsten wär mir deine aussage viel zu allgemein und ich würds anders sehen.
Weil elektronische musik ansich viel zu breit gefächert is. Mach mal ambient ohne hall...oder trance
daß man oft zuviel hall reindreht es dann abkackt dem stimm ich allerdings gerne zu

In deinen Beispielen wird der Hall jedoch als Effekt genutzt und nicht, um das Instrument räumlich zu platzieren.

Ambient oder Trance funktieren genausogut mit Delay und Releasezeiten, dazu brauch man nicht zwingend einen Hall, bzw man sollte es eher mit Delay probieren, weil Hall immer matscht und was matscht wird nicht laut.

Und mein Ansatz war eher für jemanden, der noch nicht weiss was er tut und auch nicht weiss wo er hin will, dass Hall erstmal weggelassen wird, bis man sich am Ende überlegen kann wo und wieviel davon hinkommt.
 
Ich bin jetzt nicht sicher, ob sich das hauptsächlich auf Perkussion bezieht ... da würde ich teilweise zustimmen. Wenn ein Track salopp gesagt zu 80% Machinedrum ist, gilt das eher, als wenn das einzig perkussive die Linndrum-Kick und die passende Italo Disco Snare ist. ;-)

Nein. Es geht nur um die Übung sich bewusst zu werden, welches Element am Ende tatsächlich Hall benötigt.
 


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