Besuch WDR Studio für Elektronische Musik, Köln (5.2. +19.3. 2011)

Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

nordcore schrieb:
zu: posting.php?mode=reply&f=36&t=53598#pr554546 (eins drüber))
Da wedelt aber der Hund mit dem Schwanz.
Die Notwendigkeit eines solchen Klanges sollte sich aus dem Kompositionsprozess ergeben, nicht die Komposition um die Möglichkeit eines solchen Klangeffektes herum gestrickt werden.
Dabei ist der Klang in Übereinstimmung mit der kompositorischen Notwendigkeit zu bringen. Das ist um so kritischer, je mehr dieser Apparat die zugrundeliegende Idee nur in einem sehr engen Klangspektrum abzubilden vermag.

Herumprobieren, gerade mit einem solchen "kritischen" Apparat verkommt da doch schnell zu kunsthandwerklichem Gedudel. "Oh, das klingt aber gut/interessant" ist natürlich auch in der Kunst legitim, muss sich im Sinne eines gezielten Kompositionsprozesses aber wieder hinten anstellen, d.h. wieder in Übereinstimmung mit der Notwendigkeit in der Komposition gebracht werden.

Soll das jetzt wieder die alte "Seriellennummer" werden. Man nehme die 4 Parameter, stelle einige Regeln auf (Konsoananzverbot, Wiederholungsverbot) und berechne alles.
Fertig ist das mathematisch saubere "Kunstwerk". Nach kurzer Phase waren aber auch Stockhausen und Co weiter. Außerdem gibt es ja auch das
Prinzip der "Dekomposition" (siehe 4 Kriterien), d.h ein komplex, komponierter klang, kann dekonstruiert werden.
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Nein, darum geht es gar nicht.
"Sollte sich ergeben" ist nicht im Sinne einer festgelegten Regel gemeint, sondern im Sinne eines Vorhabens. Wie zum Beispiel den, ein Motiv oder einen Klang zu Dekonstruieren. (Was wiederum Teil einer übergeordneten Kompositionsidee ist. )

Diese Dekonstruktion muss sich dann aber auch real ergeben: wenn ich versuche mit dem Tempophon einen gehaltenen Streicherklang zu dekonstruieren, dann ergibt sich einfach ein anderer Chorus-Sound. Ist es das, was in der Komposition gebraucht wird? Transportiert es die intendierte Idee?
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Noch zu dem technischen Einfrierzeug: Da gibt es das Problem eine Echtzeitquelle sofort zu verbiegen. Man muss da im besten Falle mindestens einen Samplevorgang machen und dieses "Sample" dann verarbeiten. DAS ist vermutlich etwas, wo das Bandgerät die Nase noch immer vorn hat. Leider. Bei Verarbeitung von Audiomaterial, Schleifen und so weiter ist das Bewusstsein dazu noch nicht so weit bei den Herstellern. Oder aber noch zu starr.

Also die Vorführung bringt dann vermutlich nichts. Diese wäre dann immer erst das beladen von Datenträgern und dann der Arbeit mit dem Klangmaterial. Leider. Und das anhalten und einfrieden um des Eindrierens wegen - Da gebe ich Nordcore Recht. Ein Selbstzweck sollte das nicht sein, dennoch war die Frage im Raume. Losgelöst von musikalischen Vorstellungen macht aber kaum ein "Feature" einen Sinn. Auch nicht einmal Filter mit Hüllkurven.
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Das in Realzeit zu machen war meine Vorgabe, auf die du geantwortet hast, das ginge mit vorliegenden Software oder dem V-Synth. Jetzt geht es auf einmal nicht. Was stimmt denn? Das ist für mich auch kein Selbstzweck der Technik willen, denn ich hatte ja schon vorher geschrieben, dass mir was Kompositorisches dazu einfallen würde.
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Also bei der crusher-x-software heißt es:

"Durch einen Delayline-Algorithmus werden auch eingehende Live-Signale (z.B. Sprache, Musik usw.) mit Hilfe der Granularsynthese in Echtzeit bearbeitet."

das bedeutet allerdings, dass der Input in der Software zur Zerlegung in grains und Weiterverabeitung abgelegt werden muss. Wenn man dann ein 30ms-Grain aufbauen will, muss natürlich aus dem gepuffterten input ein 30ms-Schnippsel ausgeschnitten werden, das dann durch den Algorithmus gejagt wird und eventuell in clouds aufgefächert wird, da braucht natürlich der Rechner auch etwas Zeit.... Aber welcher Zeitversatz ist denn noch Realtime?
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Das kommt sicherlich auf die gewünschte Schleifenlänge an, die wünschenswerterweise vom Anwender bestimmt werden sollte. Und Verarbeitungszeiten unter einer halben Sekunde wären sicherlich in Ordnung.
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

HaDi schrieb:
Aber welcher Zeitversatz ist denn noch Realtime?
Lässt sich doch über die Trägheit des Gehörs bestimmen:

Plötzlich auftretende Schallereignisse (z. B. Feuerwerk, Schüsse) werden durch die Trägheit des Gehörs mit einer zeitlichen Verzögerung von etwa 25...75 msec wahrgenommen.
http://www.akustik.tu-berlin.de/fileadm ... rundlg.pdf

Alles unter 25ms wird als Echtzeit wahrgenommen, allerdings könnte einigen Hörern bei plötzlichen Schallereignisse auffallen, dass diese nicht mehr perfekt synchron zu anderen Ereignissen sind. Bei "eingefrorenen" Tönen dürfte dies jedoch keine Rolle spielen.
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

nordcore schrieb:
Herumprobieren, gerade mit einem solchen "kritischen" Apparat verkommt da doch schnell zu kunsthandwerklichem Gedudel. "Oh, das klingt aber gut/interessant" ist natürlich auch in der Kunst legitim, muss sich im Sinne eines gezielten Kompositionsprozesses aber wieder hinten anstellen, d.h. wieder in Übereinstimmung mit der Notwendigkeit in der Komposition gebracht werden.
WER sagt denn, das es so sein MUSS?
Was sind denn überhaupt die Ziele einer musikalischen Komposition?

Musik ist doch nur ein Produkt und wird in erster Linie für einen Hörer gemacht und nicht für irgendwelche Analytiker oder Mathematiker.
Das Endergebnis hat dabei die oberste Priorität und nicht was sich der Komponist vorher dabei gedacht hat oder der Weg dorthin. Ob der Komponist sich immer alles vorher genau so ausgedacht hat, ob er seine Ideen bei der Arbeit eventuell korrigierte, welche Sachen inspirierten, das kann niemand später mehr genau sagen.

Wie oft finden wir musikalische Werke, die einfach nur abgrundtief schlecht sind, wo der Komponist später behauptet, das er es ganz absichtlich "genau so" haben wollte.

Es spielt also später keine besondere Rolle, ob ein interessantes Werk durch zufälliges "Herumgedudel" entstanden ist.
Ich möchte nicht wissen,wie viele hervorragende klassische Kompositionen mehr zufällig durch sinnloses Herumklimpern entstanden sind.
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Bernie schrieb:
Es spielt also später keine besondere Rolle, ob ein interessantes Werk durch zufälliges "Herumgedudel" entstanden ist.

10IRJohnson.jpg

David Johnson (rechts) mit Karlheinz Stockhausen

Sogar ein Gespräch zwischen Karlheinz Stockhausen und seinem Assistenten bei der Realisierung von "Hymnen" wurde als Teil der Komposition verwendet.


play / link

http://de.wikipedia.org/wiki/David_Johnson_(Komponist)
http://home.swipnet.se/sonoloco2/Rec/Stockhausen/10.html
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Wurde das Gespräch mitgeschnitten und dann verarbeitet oder direkt in den Prozess in Echtzeit eingebunden? Braucht ein Werk generell einen Real-Life Eingang und verlang die Komposition das? Das diese "Zufall" sein kann ist ja auch nicht selten Teil des Konzepts.
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Bernie schrieb:
WER sagt denn, das es so sein MUSS? Was sind denn überhaupt die Ziele einer musikalischen Komposition? Musik ist doch nur ein Produkt und wird in erster Linie für einen Hörer gemacht (...)

Da gebe ich Bernie recht. Den Zuhörer interessiert es wenig, wie ein Werk entstanden ist. Es sei denn, es ist jemand zB hier aus dem Forum. Aber so ist es doch wohl eher nicht zu erwarten. Im Idealfall haben sich die Zuhörer vorher mit der Thematik ein wenig auseinander gesetzt oder kennen den Hintergrund des Künstlers. Kaum jemand tut das. Auch wenn es echt schade ist, weil es das Konzert um vieles interessanter macht. Vielleicht sind die Anhänger von Stockhausen und Co. da anders, dass weiß ich natürlich nicht. Aber ich bezweifle, dass die alle wie Dirk sind. Oder?
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Ausschnitt zu "Studiogespräch" aus dem 198-seitigen Begleitbuch zur CD-Box "Hymnen"
Offensichtlich scheint es doch einige Leute zu interessieren, wie das Werk entstanden ist und ob und was sich der Komponist dabei gedacht hat. Zur Beruhigung: Hymnen funktioniert beim Zuhörer auch ohne die Erläuterungen.

hymnen_studiogespraech_1.jpg


hymnen_studiogespraech_2.jpg


hymnen_studiogespraech_3.jpg
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Stockie (man verzeihe mir meine Respektlosigkeit ;-) ) kann bzw konnte sich glücklich schätzen, wenn sein Publikum sich so intensiv mit seiner Musik auseinander gesetzt hat.
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

David Johnson ist übrigens heute noch aktiv als Elektronik-Musiker. Er lebt in Basel, wo er lange an der Musikhochschule tätig war.
Bei den allerersten Aufnahmen von Can (gibt es inzwischen auf LP) war er auch dabei.
Und - eher für Yellow Press-Freunde interessant - er hat ein Kind mit Stockhausens zweiter Frau.
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Markus Berzborn schrieb:
...
Bei den allerersten Aufnahmen von Can (gibt es inzwischen auf LP) war er auch dabei...

Sogar auf CD sind die Sachen schon erschienen ;-)
Moderne Zeiten.
Und wem das nicht genügt: Auch auf höchst empfehlenswerten Stereo-SACD kann man diese Aufnahmen mittlerweile genießen.
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Tischhupe schrieb:
Stockie (man verzeihe mir meine Respektlosigkeit ;-) ) kann bzw konnte sich glücklich schätzen, wenn sein Publikum sich so intensiv mit seiner Musik auseinander gesetzt hat.

Hi, ich habe nicht den ganzen Thread verfolgt und vielleicht hat es auch schon jemand geschrieben. Das das Avantgarde-Publikum ein anderes ist als von "ummz-ummz", "uff-knack" und Dschunkel-Kapellen, dürfte unstrittig sein. Zum Image der Avantgardisten gehört das "verkopft sein", das ist in anderen Bereichen der Kunst kein bisschen anders. Selbst erlebt: Eine Tochter eines namhaften Künstlers hatte ich auf die Eröffnung einer Sammel-Ausstellung nicht die Bohne vorbereitet und kam ziemlich planlos erst am Vortag der Vernissage an. Sie versuchte auf die Schnelle ein paar "Objekte" aus schnell gekauften, dann aber umgefärbten Plastiktierchen (Mein Bauernhof) zu "kreieren", was gründlich misslang. Sie sah das auch irgendwann gegen Abend ein und weil wir langsam drängelten weil wir schliessen wollten, hängte sie kurzerhand Teile der beschmierten und verknitterten Unterlage aus Packpapier an die Wand die unseren Fußboden geschützt hatte. Naja, ihr werdet es euch denken können: Nächster Abend: Vernissage, Leute die vor allem selbst gesehen werden wollen. Nach dem üblichen Eingangsgelaber mit Schnittchen und Wein dann der Rundgang.... Auch vor der Abteilung der erwähnten "Künstlerin" bildeten sich kleine Gruppen die den Abfall an der Wand begutachteten und anerkennend analysierten. Einige der Papierfetzen fanden am Ende der Ausstellung, nach 14 Tagen, sogar eine neue Unterkunft und zogen in einer Berliner Wannseevilla um.
So, äh ja, wieder Anekdoten-Diarrhoe - sorry. Zurück zur Musik: Bestimmt gibt es viele, die Stockhausen und andere (Stockhausen ist einer von vielen) einfach nur deshalb gerne hören weil sie "neugierige Ohren" haben. Bestimmt gibt es aber auch viele andere, für die Beschäftigung mit dieser Musik ein Teil des selbstgewählten Images ist, "man hebt sich von der Masse ab" ;-) Ich denke, nur ein sehr kleiner Teil interessiert sich wirklich dafür, wie etwas technisch realisiert wurde und von diesem Publikum finden wir natürlich hier eine Anhäufung :)
Für die Allermeisten dürfte Stockhausen als "Spinner" gelten und dessen Musik eher als Sendestörung begriffen werden, oder? ;-)
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Cyborg schrieb:
Hi, ich habe nicht den ganzen Thread verfolgt
Das kann ich bestätigen, denn anderenfalls hättest du nicht so einen Kokolores geschrieben.
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Cyborg schrieb:
Für die Allermeisten dürfte Stockhausen als "Spinner" gelten und dessen Musik eher als Sendestörung begriffen werden, oder? ;-)

Da hast Du natürlich ziemlich recht.. Wenn ich meine Frau vertreiben will, lege ich eine Stockhausenplatte :shock: auf. Übrigens, meine Frau hat Musik studiert :roll: und findet Stockhausen trotzdem nicht toll.... Ich kann mir Stockhausen auch nicht den ganzen Tag anhören (habe ich auch nicht immer Lust zu...) und trotzdem in Sachen Tellerrand tut es mal gut in den "ollen" sachen zu forschen.....
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Wir hatten an unserem Gymnasium einen Deutsch- und Musiklehrer, der hat sogar zusammen mit Stockhausen studiert in Köln. Konnte den aber absolut nicht ausstehen und führte seine Musik höchstens mal als abschreckendes Beispiel für den Verfall der westlichen Musikkultur vor. Was aus seiner Sicht nachzuvollziehen war, denn für ihn hörte die Kunstmusik eigentlich mit dem Abschied von der Tonalität auf. Wobei er selber schon viel Ahnung hatte und es war auch eine musikalische Familie mit familieneigenem Streichquartett und so, aber für ihn waren halt Mozart und Beethoven und die deutsche Romantik die musikalische Richtschnur. Und vielleicht kam auch etwas Neid dazu, weil sein ehemaliger Kommilitone weltberühmt geworden ist und er selber "nur" Gymnasiallehrer. Aber wer weiß.
Wir hatten allerdings eine weitere Musiklehrerin, die sehr aufgeschlossen war, da habe ich sogar mal ein Referat über Stockhausen gehalten und sie hat unsere Elektronik-Band zu einem Auftritt an der Schule eingeladen.
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Ausschnitt aus "Ein Briefwechsel im 'Geiste der Zeit'"
Quelle: Karlheinz Stockhausen - Texte zur Musik


Karlheinz Stockhausen 5073 Kürten
2. November 1971

Sehr geehrter Herr Andreas Hilsberg,

Ihr Brief ist wirklich unerhört. Sie behaupten Dinge, die Sie vorher nicht geprüft haben. Ich habe in Osaka für ca. 1 Million Menschen meine Musik 5 1/2 Stunden pro Tag aufgeführt für 183 Tage. Das entspricht einer Konzerttätigkeit von 16 Jahren mit 70 Konzerten pro Jahr für ca. 1000 Personen am Abend. In Japan waren alle Bevölkerungsschichten im Auditorium, und selbstverständlich waren die allermeisten aus der Arbeiterschicht.
Die von Ihnen genannte >Masse der Menschheit< ist keineswegs von meiner Musik ausgeschlossen. Ich komme selbst aus der >Masse< und habe in meiner Familie nur Bauern und Arbeiter. Diese Menschen bemühen sich, soweit das ihnen von der musikalischen Begabung her möglich ist, auch meine Musik zu verstehen, und nicht nur Lehar.
Sie machen einen Denkfehler, wenn Sie annehmen, daß jeder Mensch potentiell dazu in der Lage sei, sich mit Musik zu befassen, wie ich sie mache. Ich kenne eine ganze Reihe von Leuten, die beliebig viel Zeit haben, und absolut nichts mir meiner Musik anfangen können. Das wird wahrscheinlich sogar für die allermeisten Menschen der Fall sein, deren musikalisches Interesse sich bei relativ einfachen und auf Wiederholung historischer Klischees beruhenden musikalischen Erzeugnissen am wohlsten fühlt. Ich bin vor kurzem in Wien in einer Aufführung der >Lustigen Witwe< gewesen. Wenn Sie sich das Publikum angesehen hätten, wären Sie erstaunt gewesen über den Wohlstand dieser Leute.
Deren Geschmack würde aber mit meiner Musik überhaupt nichts anfangen können.
Sie sind auf dem Holzweg, wenn Sie meinen, alles sei für alle auf dieser Welt.
Es gibt sehr arme Leute, die einen ausgezeichneten Geschmack und eine sehr musikalische und auch fortschrittliche Bildung haben, Und es gibt eine überzahl von Leuten der besitzenden Mittelklasse und vor allen Dingen von sehr reichen, die total geschmacklos und unmusikalisch sind.
Mein Publikum rekrutiert sich im wesentlichen aus den jungen Menschen in des ganzen Welt, die für die Zukunft offen sind. Ich sehe, dass Ihre Erziehung an der Universität Sie völlig weggeführt hat vom Verständnis für das, was Musik überhaupt ist. Sie werden sehr bald selbst prüfen können mir den Prinzipien Ihrer materialistischen Soziologie, was der ‚Arbeiter’ anfängt, wenn die Automatisation soweit fortgeschritten ist - und wir sind ja sehr nahe daran -daß diejenigen, die die Apparate produzieren, nicht nur 3, sondern 4 Tage pro Woche frei haben werden. Ich sage Ihnen jetzt schon im voraus, daß diese Arbeiter, obwohl sie dann 4 Tage pro Woche frei haben werden, wahrscheinlich x mal eine Reise zu irgendwelchen Fußballspielen machen und den Rest der Zeit vor Femsehempfängern verbringen werden; daß sie sich aber den Teufel scheren um Musik, wie ich sie mache. Das wird die Allgemeinheit betreffen. Einzelne Ausnahmen gibt es natürlich immer.
Sollten Sie aber darauf hinaus sein - wie vielleicht noch mehrere Ihrer Mitstudenten und Lehrer -, daß Sie Leute wie mich durch irgendwelchen ideologischen Druck zwingen wollen, Musik von einer Art zu machen, die mit relativer Vorhersehbarkeit jedem gefällt, so primitiv auch sein Geschmack ist, so sind wir wieder da angekommen, wo die Nazis schon einmal waren. Die haben ja nicht umsonst die meisten Komponisten und Künstler >entarteter Kunst< aus dem Land hinausgejagt und ihre Arbeit verboten. Deren Musik war eben auch nicht genug >populär<. Ob Sie das Ganze unter dem fadenscheinigen Namen einer materialistischen Soziologie vertreten oder einer nationalsozialistischen: das Ergebnis kommt ziemlich auf das gleiche hinaus. Wie Marcuse schon sagte: In den achtziger Jahren wird das Wort Kunst ein Schimpfwort sein. Und Sie sind eine der kleinen Ameisen, die zum Zerfressen des allgemeinen Bewußtseins von Qualität mit beitragen, ohne es zu wissen.

Freundliche Grüße trotzdem von Ihrem

Stockhausen
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Cyborg schrieb:
Das das Avantgarde-Publikum ein anderes ist als von "ummz-ummz", "uff-knack" und Dschunkel-Kapellen, dürfte unstrittig sein.
Was macht Dich glauben, dass das "unstrittig" sei?

Bestimmt gibt es aber auch viele andere, für die Beschäftigung mit dieser Musik ein Teil des selbstgewählten Images ist, "man hebt sich von der Masse ab" ;-)
Ich frage mich, wie das gehen soll. Weisst Du persönlich von Menschen, die sich z.B. Musik von Stockhausen anhören oder ein Bild von Pollock ansehen und dabei denken "oh Gott, was für eine gequirlte Scheisse das doch ist, aber mein Umfeld soll von mir denken, dass ich einen besonders erlesenen Geschmack habe, also muss ich da jetzt durch und meine Lebenszeit mit diesem Dreck zubringen"?

Ich denke, nur ein sehr kleiner Teil interessiert sich wirklich dafür, wie etwas technisch realisiert wurde und von diesem Publikum finden wir natürlich hier eine Anhäufung :)
Meiner eigenen Erfahrung nach ist das eine etwas reduzierte Sicht der Dinge:

Anlass für meinen Besuch in Köln waren – neben einem historischen Interesse an "tollkühnen Männern und ihren fliegenden Kisten" die Aussicht, in freier Wildbahn nicht mehr vorhandene Instrumente wie Synthi 100 oder Synclavier sehen zu können, verbunden mit der Möglichkeit, ein paar Foristen mal persönlich kennen zu lernen bzw. wieder zu treffen. Entsprechend gut gelaunt und offen für allerlei liess ich den Tag auf mich zukommen. Womit ich aber nicht gerechnet habe, war wie sehr mich die Musik emotional berührte. Dann auch noch erfahren und erleben zu können, wie diese Musik hergestellt wurde, wurde entsprechend unerwartet zum Dessert statt zum Hauptgericht. Überspitzt könnte man sagen: Ich erwartete Technik, erhielt aber Emotionen.

Ich bin Ende 2005 mit einem Freund für eine Aufführung von Stockhausens "Kontakte" und "Oktophonie" nach London gereist, Stockhausen führte Klangregie, ich habe ein Autogramm ergattert und einen Satz mit ihm wechseln können. Das Konzert hat mich emotional bei weitem nicht so beeindruckt wie der Besuch in Köln. Vom Besuch der Tate Gallery of Modern Art in London vor dem Konzert ist wesentlich mehr hängen geblieben. Warum?

Für die Allermeisten dürfte Stockhausen als "Spinner" gelten und dessen Musik eher als Sendestörung begriffen werden, oder? ;-)
Und was würde das Deiner Ansicht nach bedeuten?
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

serge schrieb:
Cyborg schrieb:
Das das Avantgarde-Publikum ein anderes ist als von "ummz-ummz", "uff-knack" und Dschunkel-Kapellen, dürfte unstrittig sein.
Was macht Dich glauben, dass das "unstrittig" sei?
Ich denke, dass es müssig ist, dies zu diskutieren.

serge schrieb:
Weisst Du persönlich von Menschen, die sich z.B. Musik von Stockhausen anhören oder ein Bild von Pollock ansehen und dabei denken "oh Gott, was für eine gequirlte Scheisse das doch ist, aber mein Umfeld soll von mir denken, dass ich einen besonders erlesenen Geschmack habe, also muss ich da jetzt durch und meine Lebenszeit mit diesem Dreck zubringen"?
Ja, davon sind mir in meiner Zeit im "Neuen Berliner Kunstverein" Hunderte begegnet, darunter auch Promis wie z.Bb ein ehemaliger Bürgermeister von Berlin in dessen Amtsräumen wir auch ständig Kunstwerke aufhängen mussten. Sein Wunsch bezüglich der Auswahl: großformatig und bunt. Der Mann war ein echter Kretin, in vielerlei Hinsicht ;-) Was er bei bestimmten Gelegenheiten über Kunstwerke sagte (sagen musste), ließ er sich schreiben.

serge schrieb:
Ich denke, nur ein sehr kleiner Teil interessiert sich wirklich dafür, wie etwas technisch realisiert wurde und von diesem Publikum finden wir natürlich hier eine Anhäufung :)
Meiner eigenen Erfahrung nach ist das eine etwas reduzierte Sicht der Dinge:
Anlass für meinen Besuch in Köln waren – neben einem historischen Interesse an "tollkühnen Männern und ihren fliegenden Kisten" die Aussicht, in freier Wildbahn nicht mehr vorhandene Instrumente wie Synthi 100 oder Synclavier sehen zu können, verbunden mit der Möglichkeit, ein paar Foristen mal persönlich kennen zu lernen bzw. wieder zu treffen. .....

Du glaubst wirklich, dass diese Interesse ein Interesse einer Mehrheit, zumindest einer großen Gruppe in unserer Gesellschaft ist? Falls ja, warten noch Enttäuschungen auf Dich :) Äh, wir reden nicht nur über die User des Forums, oder? Sehr viele, um bei Musik zu bleiben, hören Musik irgendwie anders, können einzelne Instrumente nicht heraushören und deren "Melodielinien" verfolgen. Warum ist die "Ummz ummz" Musik wohl schon so lange erfolgreich? Es ist eine sehr einfache Musik die körperlich empfunden wird und keine großen Ansprüche stellt. (wertungsfrei!)

serge schrieb:
Für die Allermeisten dürfte Stockhausen als "Spinner" gelten und dessen Musik eher als Sendestörung begriffen werden, oder? ;-)
Und was würde das Deiner Ansicht nach bedeuten?

Nichts besonderes, das ist Alltag in der Gesellschaft. Das diejenigen die für ihre eigenen Interessen brennen, meinen, ihr Interesse würde von allen anderen geteilt oder zumindest wertgeschätzt, ist nur Einbildung. Schau Dir mal die Katholische Kirche an: Eine Minderheit meint seit Jahrhunderten, für die Menschheit der ganzen Welt sprechen zu müssen, eine MINDERHEIT, auch die haben ein verschobenes Bild von der Realität. Ich denke, das ist menschlich. Was stört es mich wenn andere avantgardistische Musik "blöd" finden? Ich muss doch nicht als Missionar auftreten. Von mir aus können andere von morgens bis abends Ballermann-Hits hören und sich nach dem Leben der Stars verzehren - solange sie mich damit nicht belästigen.
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Was haltet ihr denn von folgendem:


"Techno, Ambient und ein weiser Rat
Als die Techno-Ära Ende der Achtziger die Club-Herrschaft synthetischer Beats ausrief, galt Stockhausen Ambient-Künstlern wie Aphex Twin (*1971) abermals als Referenz. Die isländische Sängerin Björk (*1965) berief sich auf ihn, ebenso der britische Remix-Spezialist Matthew Herbert (*1972). Durch ihren Event-Charakter popaffine Projekte wie das Helikopter-Streichquartett (1994/6) wurden im August 2003 in Salzburg gar zum Society event eines Koffein-Brause-Herstellers stilisiert. Der Komponist selbst äußerte sich den zahlreichen Vereinnahmungen gegenüber in der Regel wohlwollend, aber kritisch, und forderte mehr Mut und Kreativität von den Musikern."
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

liebe moderatoren, koenntet ihr bitte diesen fuer manche sicher sehr interessanten thread in ein passenderes forum verschieben (termine? musik? funktionsraum ii?)? im kontext des modular-forums kommt er recht spammig rueber, und das ist doch schade sowohl fuer all die, die hier so eifrig, aehm, diskutieren, wie fuer die, die im modular-forum gern ueber modular-synths lesen und schreiben moechten.

[edit: ah, das ging ja mal erfreulich schnell! danke!]
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Das Elektronische Studio ist die Blaupause für die späteren modularen Synthesizer.
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

1) Wie ist der Unterschied modular zu sehr modular definiert?
2) Es gibt kein Moderatorenteam / plural. // Lang zurückliegende Termine werden idR in passende Bereiche verschoben. FRII ist übrigens nur für OT, also nichts mit Musik und Synths. Ist mir wichtig zu vermitteln, dass Musik weitgehend gearfrei ist, naja relativ zum Fachbereich natürlich ;-)
Aber das Studio ist wirklich sehr nahe am Thema "modular".
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Cyborg schrieb:
Das das Avantgarde-Publikum ein anderes ist als von "ummz-ummz", "uff-knack" und Dschunkel-Kapellen, dürfte unstrittig sein. (…) Ich denke, dass es müssig ist, dies zu diskutieren.
Warum schreibst Du es dann in diesem Thread? Hier unterhalten sich ein Leute über Musik aus dem Kölner Studio für Elektronische Musik. Was soll in diesem Kontext Deine Behauptung, dass der Geschmack des Avantgarde-Publikums keinerlei Überlappungen mit dem Geschmack eines Tanzmusik-Publikums hat? Ich gehe jetzt mal davon aus, dass Du mit dem Begriff "Tanzmusik" als Ersatz für "ummz-ummz"-, "uff-knack"- und "Dschunkel-Kapellen"-Musik einverstanden bist, falls nicht, bitte ich um Erklärung, was Du eigentlich gemeint hast.

Ja, davon sind mir in meiner Zeit im "Neuen Berliner Kunstverein" Hunderte begegnet, darunter auch Promis wie z.Bb ein ehemaliger Bürgermeister von Berlin in dessen Amtsräumen wir auch ständig Kunstwerke aufhängen mussten. Sein Wunsch bezüglich der Auswahl: großformatig und bunt. Der Mann war ein echter Kretin, in vielerlei Hinsicht ;-) Was er bei bestimmten Gelegenheiten über Kunstwerke sagte (sagen musste), ließ er sich schreiben.
Der von Dir erwähnte Bürgermeister hat ja durch seinen Wunsch nach Großformat und Farbenreichtum dafür zu sorgen gewußt, an seinem Arbeitsplatz mit Werken umgeben zu werden, die er als seinem Geschmack so nahe stehend empfindet, dass er es in ihrer Gegenwart den lieben langen Tag aushalten mag. Das ist doch etwas anderes, als sich freiwillig abstoßenden Eindrücken auszusetzen, um damit andere zu beeindrucken, oder nicht?

Du glaubst wirklich, dass diese Interesse ein Interesse einer Mehrheit, zumindest einer großen Gruppe in unserer Gesellschaft ist? Falls ja, warten noch Enttäuschungen auf Dich :) Äh, wir reden nicht nur über die User des Forums, oder?
Sicherlich reden wir eher über das Interesse der User dieses Forums, wenn wir uns über die Technik unterhalten. Aber wie ich schrieb: Selbst wenn Technik das vorrangige Interesse ist, gibt es in dieser Musik einen emotional wahrnehmbaren Gehalt.

Sehr viele, um bei Musik zu bleiben, hören Musik irgendwie anders, können einzelne Instrumente nicht heraushören und deren "Melodielinien" verfolgen. Warum ist die "Ummz ummz" Musik wohl schon so lange erfolgreich? Es ist eine sehr einfache Musik die körperlich empfunden wird und keine großen Ansprüche stellt. (wertungsfrei!)
Ich glaube – vermessen, wie ich nun einmal bin, nur von meiner Erfahrung ausgehend –, dass der von mir oben angesprochene emotionale Gehalt dieser "Avantgarde"-Musik auch von Menschen wahrgenommen werden kann, die "…einzelne Instrumente nicht heraushören und deren "Melodielinien" [nicht] verfolgen…" können. Weiterhin glaube ich, dass das Publikum dieser Musik nicht überwiegend aus Menschen besteht, für die die Wahrnehmung von "Avantgarde"-Kunstwerken eine Art immerwährender intellektueller Mutprobe im Kampf um soziale Anerkennung ist. Schließlich glaube ich, dass eine Einführung ins Werk der Schlüssel zum Werk ist, dass dies aber auch abseits der "Avantgarde" gilt, anderenfalls wären Einführungsveranstaltungen zu einem Konzert mit Werken von Debussy ebenso überflüssig wie die Diskussion von Goethes "Faust" und Heinrich Manns "Der Untertan" im Deutschunterricht oder Carl Barks "Donald Duck" mitsamt den Übersetzungen durch Frau Dr. Erika Fuchs.

Das diejenigen die für ihre eigenen Interessen brennen, meinen, ihr Interesse würde von allen anderen geteilt oder zumindest wertgeschätzt, ist nur Einbildung.
Wer wird denn in diesem Thread von dieser Einbildung geplagt, oder warum bringst Du diesen Einwand?
 
Re: Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (5.2.2011)

Es ist wie mit aller großen Kunst: Man kann es einfach ohne irgendwelche Vorkenntnisse ästhetisch genießen und man kann sich auch näher damit beschäftigen. Macht man letzteres, tun sich enorme Fundgruben auf. Bei weniger guter Musik/Kunst passiert das nicht.
 


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