Bin schon da, bin schon da
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ja, "Director´s Cut" von "Blade Runner" kann man getrost in der Pfeife rauchen, zumindest die deutsch synchronisierte Fassung. Die Stimmen sind z. T. ausgetauscht worden, Dialoge wurden neu eingesprochen, und wer die erste deutsche Kinofassung mit den Voice Overs aus dem Off kennt, der wird entsprechend irritiert sein. Vor allem, wenn man bedenkt, daß beim Director´s Cut soviel besser hätte gemacht werden können, z. B. all die Szenen ergänzt oder zumindest als Bonusmaterial auf DVD hätten veröffentlicht werden können, die der Schere zum Opfer fielen. Wer da mehr lesen möchte, dem sei das Buch "Future Noir" von Paul M. Sammon ans Herz gelegt, wo eine komplette Historie des Filmes geschildert wird. Sehr spannende Lektüre.
Vangelis hat in der Tat sehr viel mit dem CS80 gemacht, vor allem natürlich die "Brass 1+2"-Bläsersounds (man lausche dem Intro), die auch Grundlagen für diesen wunderbaren, abgrundtief knurrenden, grollenden Bassdrone bilden. Auch das "Flute"-Preset wird sehr oft verwendet (damit fängt die Eröffnungsszene an). In der Szene am Anfang, in der Leon auf Holden trifft, hört man im Hintergrund sehr viele Ringmodulator-Klänge des CS80 sowie einige merkwürdige Effektsounds, die vermutlich auch mit ihm gemacht wurden. Am stärksten hört man den geräuschhaften CS80-Einsatz in der Szene, in der Deckard allein im Bradbury Building auf den Showdown mit Batty wartet; als Ergänzung spielt Vangelis da noch ein Rhodes 88 Mk. 1 für ein paar atonale Einwürfe. Das Solo in der Szene, in der Priss das erste Mal auftaucht, ist ebenfalls CS80 auf einem eine Oktave tiefer gestimmten Streicherteppich aus dem VP-330 plus ein paar Akzente mit dem Rhodes. Ferner benutzt Vangelis hier noch das "E-Piano + Bass"-Presetpaar aus dem CS80.
Diese weichen, breiten Streicher sind allerdings *nicht* CS80 (z. B. in der Szene, in der der Spinner mit Deckard und Gaff abhebt in Richtung Polizeirevier); diese Strings sind -- ebenso wie die Chöre -- Roland VP-330 Vocoder Plus. Ich spreche aus Erfahrung; der CS80 würde unglaublich wuchtig klingen und alles plattmachen, aber nicht diese schwirrende, summende und gleichzeitig offen klingende Komponente bieten. Die Einhorn-Szene wurde übrigens mit Musik aus dem japanischen Film "Antarctica" unterlegt, weil Scott keine Zeit hatte, noch extra Musik von Vangelis für diese kurze Szene anfertigen zu lassen (die insgesamt sowieso ziemlich zusammengeschnippelt wurde).
Das Orchesterschlagwerk ist größtenteils echt (also die fette Pauke und die gestimmten Röhrenglocken, Chimes und Percussion-Gedengel); diese dramatischen Schläge, die wie Röhrenglocken klingen (vor allem in den SchlußSequenzen beim Showdown auf dem Dach des Bradbury), sind die Werksdiskette "Lamp Shades" vom Emulator 1 (aus dem stammt auch das Loop einer mexikanischen Band, die man im Hintergrund der Barszene bei Taffy Louis hört. Ebenfalls ein Werkssound).
In der Szene, wo Deckard zu Abdul Ben Hassan geht, spielt Vangelis diese orientalische Linie auf dem CS80 zu echten Tablas, während beim Eintritt in die Bar eine Roland CR-5000 vor sich hin rattert. Alle orientalischen Solosounds, die nicht eindeutig CS80 sind, sind Roland SH-2000. Dieses mächtige Dronestück, wo Demis Roussos wie ein Angeschossener singt, ist der absolute Gänsehautgarant, finde ich.
In der Liebesszene zwischen Rachael und Deckard hört man wieder flauschige VP-330-Streicher, Rhodes und CS80 sowie -- meine ich -- ein CP-70. Das verstimmte Klavier in der Szene, wo Priss und Batty bei J. F. Sebastian frühstücken (müßte aus "Memories of Green" von der "See you later" stammen), ist ein Bösendorfer durch eine Electric Mistress mit irgendeinem frühen Arcade-Computerspiel für die Geräuscheffekte.
In der Szene, wo Batty Tyrrell umbringt, ist wieder in der Hauptsache CS80 mit VP-330, Percussionsamples aus dem Emu 1 sowie der English Chamber Choir unter Leitung von Guy Protheroe zu hören.
Das Schlußthema ist Prophet-10 (Sequenz) mit Roland CR-5000/8000 plus einiger Sounds (Kick, Snare) aus der Linn LM-1. Melodie wird hauptsächlich auf dem VP-330 mit ein paar Ergänzungen vom CS80 gespielt.
Ich habe nur eine unvollständige Liste der Geräte, die Vangelis damals gespielt hat, aber im Grunde ist der Fuhrpark für den Soundtrack relativ überschaubar: zwei bis drei CS80 (Vangelis hat insgesamt neun davon), ein VP-330, ein Rhodes, ein Prophet 10, ein Emulator 1, Yamaha CP-70 und GS-1 sowie ein bißchen Kleinzeug wie Roland SH-2000, System 100, Promars und Jupiter 4 (für ein paar schnelle Arpeggiatorsachen), CR-5000/8000, CSQ-100/600. Und ich glaube, einen Großteil davon hat er nicht oder nur kaum gebraucht. Vangelis hatte zu der Zeit auch noch einen Korg PS-3300 und einen ARP 2500 im Studio stehen, kann sein, daß er die für ein paar SciFi-Atmos verwendet hat. Das absolute A und O für diesen Sound von Vangelis sind neben diversen edlen Kompressoren und Preamps (Urei 1176 etc.) vor allem das Lexicon 224XL für diese riesigen Hallräume und diverse Delays (Lexicon Prime Time etc.).
Die "Invisible Connections" von 1985 ist übrigens sehr spannend, da einige der Stimmungen auf dieser CD klingen, als wären sie Überbleibsel von der Produktion von Blade Runner. Die meisten mögen sie nicht, ich hole sie -- genau wie die Beaubourg -- ein oder zwei Mal im Jahr raus und denke mir "was für´n jeckes Zeug!"
. Den Soundtrack hat es leider nie in seiner vollen Güte offiziell auf CD geschafft; die "Off World"- oder "Gongo"-Bootlegs sind die einzige Möglichkeit, die Musik mal aus dem Kontext des Films gelöst zu hören. Die Qualität ist ziemlich mies, aber besser als gar nichts. Die "Esper"-Edition ist wohl die umfassendste Sammlung, enthält aber Material, das von der Warner-CD übernommen wurde sowie Titel, die irgendwer mal zusammengeschustert hat, um die Lücken zu füllen. Ist aber insgesamt sehr liebevoll gemacht worden und jeden Pfennig wert.
Blade Runner bleibt einer der größten Filme aller Zeiten, trotz der Fehler, Lücken und Verstümmelungen, und ich denke, der Soundtrack dazu ist der beste Elektroniksoundtrack aller Zeiten (und wohl die beste Arbeit von Vangelis), der sogar noch den von mir heißgeliebten Score zu "Clockwork Orange" in den Schatten stellt.
Danke für die lobenden Worte für meine CD, übrigens
. Wer meine Ausführungen oben mal überprüfen möchte, was die Wahl der Instrumente und der Klangfarben auf Blade Runner angeht, kann sie sich ja gerne mal anhören. Gibt´s bei uns im Webshop oder direkt bei mir (und einen Thread dazu gibt´s auch unter "your tracks"
). Bis auf einen Emu 1 und einen Prophet 10 habe ich die meisten der Geräte, die von Vangelis verwendet wurden, auch eingesetzt und durch einen Mini Moog ergänzt. Ein Urteil sollte sich jeder selbst bilden
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Stephen