Klangwechsel an der John-Cage-Orgel in Halberstadt

Ich war in 2007 in der Kirche, hab aber keinen Klangwechsel gehört. Das war das Jahr nach dem hektischen Jahr 2006, in dem zwei Klangwechsel stattfanden. Es war auch sonst niemand drin. Das Projekt finde ich total spannend gedacht.
Erst nach ca. 300 Jahren werden die Menschen dann dem gigantischen Gedanken mit Ehrfurcht. Wenn es fertig ist, macht vielleicht jemand ein
Drum'n'Bass Stück draus. Aber eher wahrscheinlich ist, daß die Menschen, die wenn dann noch leben, überhaupt keine Ohren mehr haben.
 
Mich würde interessieren, wie oft Cage das Werk komplett durchgeprobt hat.
Es gibt durchaus Kritik an dem Stück, dass das Projekt so, wie es jetzt realisiert wird, mit seiner "Botschaft für die Zukunft" gar nicht in Cages Sinne sei. Siehe den sehr interessanten Beitrag hier aus TTT, die Kritik kommt ca. ab Minute 4.00 von einem renommierten Cage-Interpreten, der auch selbst Komponist ist:


https://www.youtube.com/watch?v=D0MjLTTraFk
 
Weiter gehts in großen Schritten... ein eingestrichenes d ist hinzugekommen...

 
Weiter gehts in großen Schritten... ein eingestrichenes d ist hinzugekommen...

Mist, schon wieder verpasst.
 
Werde mir das ganze Stück anhören, bin schon gespannt, wie es endet. Muss allerdings gestehen, dass ich bei einer etwas ruhigeren Stelle zwischendurch einmal kurz eingenickt war, so etwa bei 17:12:23:14:57. Hoffentlich hatte ich da nichts verpasst.
 
Ja, Mist. Wir könnten zum nächsten Wechsel ein Forumstreffen in Halberstadt machen. Wär doch mal was.
Ein lieber Freund hat mir das hier von einem Besuch vor Ort mitgebracht – samt Sandsäckchen-Replika, mit denen die "Tasten" gedrückt gehalten werden.

Aber ich würde mir das wirklich gerne mal selbst anschauen bzw. -hören. Wer wäre noch mit von der Partie?

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orgel2.jpg
 
Es gibt durchaus Kritik an dem Stück,
Leider ist die Kritik an der Aufführung (also das Video) nicht mehr einsehbar.
Ein Schelm, wer denkt, dass das von den Stiftern (also den interpetierenden Künstlern!) in Halberstadt "intendiert" war, Kritik zu überdauern.

Aus meiner Sicht ist diese Aufführung ein Kunstwerk für sich. Sie hat ihre eigene künstlerische Kraft, Ästhetik und damit Würde.
Auch wenn sich Cage das möglicherweise anders gedacht haben mag – seine Intention ist nicht zwingend relevant für das, was da in Halberstadt passiert. Je länger das Stück nicht abgebrochen wird, desto unwichtiger wird er und umso politischer wird das Projekt.

Ich weiß nicht, was kritisiert wird, ich schreib hier nur mal auf, was man meines Erachtens NICHT kritisieren kann.

Sollte durch Missachten von Cages Intentionen ein "Mißbrauch" seiner Kunst oder Würde festgestellt werden, würde ich das nicht unterschreiben. Denn Cage als Person, sein Denken und sein Werk nehmen keinen Schaden durch das Verstreichen der Zeit, in der das Stück gespielt wird, also durch die Idee der Interpretation (bzgl. Langsamkeit/Spieldauer). Das Eigenständige am Kunstwerk in Halberstadt entsteht durch die Umdeutung von Sprache, genauer: durch die Interpretation der Spielanweisung, natürlich einem Gedanken, einer Intention: Aus der musikalischen Tempoangabe "As slow as possible" wird ein Event-Experiment "As long as possible". Das ganze Setting ändert sich. Die Konzept "Komposition" wird zum Vehikel für das Konzept "Aufführung". Diese Idee plus Realisierung ist ein eigenständiges Kunstwerk. Der Name von John Cage ist dabei das Zugpferd, also Marketing. (Hätte das Stück mit der entscheidenden Formulierung ein "irgendjemand" geschrieben, ginge das so nicht). Im Grunde wird das Konzept "Musikalische Komposition mit Spielanweisung" nur zitiert. Der Kontext ändert sich komplett. Für mich ist diese Aufführung hochpolitisch. Das Stück begann im Rahmen einer Zeitenwende (im Jahr 2000) und will Zeitenwenden überdauern. (Das mit "anlässlich Cages 88. Geburtstag" ist doch pillepalle.)

Den Hype um die Intention von Künstlern versteh ich eh nicht. Außer er oder sie ist ein Menschenverachter oder sonst irgendwie asozial (oder hoffentlich sozial) auffällig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein lieber Freund hat mir das hier von einem Besuch vor Ort mitgebracht – samt Sandsäckchen-Replika, mit denen die "Tasten" gedrückt gehalten werden.

Aber ich würde mir das wirklich gerne mal selbst anschauen bzw. -hören. Wer wäre noch mit von der Partie?
Der nächste Klangwechsel ist am 5. 8. 2026 (https://de.wikipedia.org/wiki/ORGAN²/ASLSP) - ich hasse dass, wenn Termine so kurzfristig kommen.
 
Vielleicht hat hier im Forum irgendjemand die Noten und könnte es mal in einer schnelleren Geschwindigkeit aufnehmen (4 Minuten?) und hier ins Forum stellen. Dann könnte man das Stück zumindest mal beurteilen, ob es einem gefällt oder nicht. Ich glaube 639 Jahre schaffe ich nicht, um mir das ganze Stück anzuhören.
 
Mich erinnert die 639jährige Aufführung von Cages "ORGAN²/ASLSP" seit 2001 an die seit 1996 laufende und 2496 enden werdende Installation "Tropfsteinmaschine" von Bogomir Ecker in der Hamburger Kunsthalle: Regenwasser vom Dach wird im Inneren des Gebäudes durch ein Becken mit Pflanzen geleitet, um es mit Mineralien anzureichern, und tropft dann aus einer Leitung auf eine Schale in einem Kellerraum, durch dessen Glaswand man dem Stalaktiten (wächst von der Leitungsöffnung nach unten) und dem Stalagmiten (wächst in der Schale nach oben) beim – naja, "Wachsen" ist angesichts der Gemächlichkeit, mit der das Ganze vonstatten geht, wohl der falsche Ausdruck, also besser – beim "Werden" zuschauen kann.

Hab's mir um die Jahrtausendwende und letztes Jahr angeschaut, man kann sich schon darin verlieren.

In 500 Jahren soll der Stalagmit schließlich fünf Zentimeter hoch sein. Dann wird die Maschine abgestellt.

Darauf einen Schluck aus dem "Becher des Indianer-Joe"…
 
Leider ist die Kritik an der Aufführung (also das Video) nicht mehr einsehbar.

Aus meiner Sicht ist diese Aufführung ein Kunstwerk für sich. Sie hat ihre eigene künstlerische Kraft, Ästhetik und damit Würde.
Auch wenn sich Cage das möglicherweise anders gedacht haben mag – seine Intention ist nicht zwingend relevant für das, was da in Halberstadt passiert. Je länger das Stück nicht abgebrochen wird, desto unwichtiger wird er und umso politischer wird das Projekt.
Die Kritik in dem leider nicht mehr verfügbaren Beitrag bestand sinngemäß darin, dass John Cages Musik eben nichts beabsichtigt, außer Musik zu sein. Sein lebenslanger künstlerischer Versuch bestand darin, Töne von jeder außermusikalischen Aussage, ja sogar von Bedingungen wie "Schönheit" oder "Geschmack des Komponisten" zu befreien. "Und wenn ihr meint, das wäre keine Musik, dann nennt es irgendwie anders." Die Politisierung dieser Musik ist aus Sicht des dort zitierten Cage-Interpreten und Experten "genau das, was Cage nicht wollte". Durch das Projekt in Halberstadt wird also gewissermaßen absolute Musik in Programmmusik umgedeutet.

Ich teile diese Kritik nicht unbedingt, finde den Aspekt aber interessant und bedenkenswert.
 


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