Warum nicht mal andere Stimmungen, Tonsysteme, Oktaveinteilungen (und nein, keine Tonarten und modale Skalen)?

Aktuelle Synthesizer bieten ja oft die Möglichkeit die Stimm-Stabilität der Oszillatoren zu regeln. Bei digitalen Synthesizern kann so z.B. die Stimm-Instabilität der alten analogen Synthesizer emuliert werden. Wenn ich das also mache, die Stimm-Instabilität emulieren, damit es "analoger" klingt :lol:, dann muss ich mir über reine vs. gleichstufige Stimmung wahrscheinlich eh keine Gedanken mehr machen. ;-) Die Stimm-Instabilität der Oszillatoren schwankt dann einfach herum und trifft mal die eine, mal die andere Stimmung, oder? :lol:
Die Abweichung der üblichen gleichstufigen Stimmung von Synths und anderen Tasteninstrumenten zur reinen Stimmung in C-Dur beträgt für den Intervall großer Terz von C zum E etwa 14 (musikalische) Cent.

Und die 14 Cent Differenz sind wenn man z.b. das C oberhalb des Kammertons A nimmt (also bei ca. 523,3 Hz) ganze 4,2 Hz Differenz. Das ist dann schon eine recht lebhafte, sehr deutlich hörbare Verstimmung.

Da ist mein 1979er Minimoog deutlich weniger verstimmt, wenn ich den 15 min warmlaufen lasse.

Sogar die verstimmten Bassnoten eines Moog One mit den VCOs im Saw Core Modus ist da weniger verstimmt. Und darüber regen sich Moog One Nutzer und die, die es vielleicht werden wollen doch ganz schön auf. Die Differenz gleichschwebende Stimmung zur reinen Stimmung sit also nicht minimal, sondern deutlich größer als so mancher Synth mit mäßiger Kalibrierung oder Stimmungsschwankungen.

OK, 14 Cent sind für einen EMS VCS3 oder ein Moog 901 VCO bei 5° Temperaturschwankung normal ;-)
 
Ich gehe mal zum Threadstarter zurück... : - )

Die Stimmung, die sich heute etabliert hat, wo die Frequenzabstände zwischen zwei Halbtönen der chromatischen Tonleiter einheitlich 100 Cent bzw. 2^(1/12) der Oktave betragen, heißt eigentlich gleichschwebend, gerade nicht temperiert.
Doch. Eine gleichschwebende Stimmung ist ein Beispiel für eine temperierte Stimmung. So ist die gängige Terminologie.

Bei Tonleitern zählen keine kontinuierlich-relativen Intervalabstände, sondern diskret-relative.
Was willst du hier sagen? Was bedeuten diese Worte?

Absoluthörer sollten auch ihren Spaß haben an synthetischer Musik. Haben sie wahrscheinlich nicht.
Warum sollen sie dem nichts abgewinnen? Solange du reine Intervalle verwendest, hören auch sie, dass die Akkorde rein sind; verstimmte Akkorde werden sie ebenso sehr oder ebenso wenig genießen wie jeder gute Relativhörer. Ich sehe nicht, dass da ein besonderes Problem entsteht.

[...] muss immer klar sein, welche Stufe (C, C#, ..., H) gerade die Tonika im aktuellen Akkord ist, nicht zu verwechseln mit der Tonika im harmonisch-melodischen Spannungsverlauf, damit die anderen Intervalle darauf gestimmt werden können.
"Tonika im Akkord"? Was du meinst, ist der Grundton, nicht wahr?

So kann es gut sein, dass zwei D-Töne direkt benachbart sind, aber leicht unterschiedlich in der Tonhöhe, da der eine allein stehend der aktuellen Tonleiter gehorcht, der andere im Kontext eines D-Dur-Akkords, ich sag mal, "flektiert" werden muss.
Sehr unklar, was du sagen willst. Ich vermute, du meinst, dass in einer reinen C-Dur-Tonleiter ein d gebraucht wird als Quint im G-Dur-Akkord (V. Stufe) und eventuell ein anderes, um ein syntonisches Komma tieferes, als Quint unter dem a, das Terz des F-Dur-Dreiklangs (IV. Stufe) ist. Auf diesem d würden wir dann einen d-Moll-Dreiklang spielen. Er hätte dann die Töne f und a mit dem F-Dur-Dreiklang gemeinsam. Die meisten reinen Stimmungen bieten nur das erstgenannte d, so dass die Quint d-a hier nicht verwendbar wäre.

Mechanische-Akustische Musik an Tasten- und Blasinstrumenten war zu diesem Erfordernis inkompatibel
Nein, auf Blasinstrumenten lässt sich die Tonhöhe beeinflussen, und jeder erfahrene Bläser macht das, ohne nachzudenken. Auf Tasteninstrumente geht das nicht – genau darum mussten eben die Temperierungen erfunden werden.

Bei synthetischer Musik ist das anders gelagert. Da könnte man mit einem zusätzlichen Controller, sagen wir mit dem Fuß, die Tonikastufe nach oben oder unten »verschieben«.
Wenn ich richtig verstehe, was du vorhast, willst du innerhalb einer Tonleiter für einzelne Tönen das Fußpedal drücken und im richtigen Moment wieder loslassen? Das wird in einem etwas schnelleren Tempo sehr schwierig, geht in Akkorden gar nicht, und hat seine Grenzen bei weiterer Modulation in entferntere Tonarten. Außerdem muss der Spieler genau wissen, was vorgeht. Oder willst du den Grundton verschieben? Das würde in dem eben beschriebenen Fall (d-Moll innerhalb von C-Dur; du willst das d nach unten verschieben) funktionieren. In genauso vielen Fällen wird es aber nicht der Grundton des Akkords sein, der da nicht passt!

Wenn ich mit der Programmierung des frei konfigurierbaren Tuners fertig bin, stelle ich hier mal ein paar Beispiele ein. Und mit frei konfigurierbar meine ich wirklich alle möglichen und unmöglichen Skalen sind dann machbar.
Mir wird nicht klar, was du da genau vorhast, aber ich wünsche dir viel Erfolg und bin gespannt!

Ein frei konfigurierbarer Tuner (Hardware) ist übrigens der Peterson Strobe Tuner, mit dem ich persönlich mich aber aus anderen Gründen gar nicht anfreunden konnte.

Gruß,
--bohor
 
Zuletzt bearbeitet:
Dass die Hermode-Leute in Mathe sicher gut aufgepasst haben, versteht sich von selbst.
Kann mir nur vorstellen, dass auch bereits angeschlagene Tasten per Pitchbend korrigiert werden, wenn kurze Zeit später ein bestimmter Akkord vervollständigt wird. Wenn dagegen vom Spieler erwartet wird, dass die Komponenten eines Akkords wirklich gleichzeitig (d.h. nur mit ner Toleranz im ms-Bereich, was aber auch ein Delay von diesem selben Toleranzbereich bedingt) angeschlagen werden, dann denk ich mir halt, die kochen ja auch nur mit Wasser, und Arpeggios beispielsweise kann man dann halt nicht reinstimmig umsetzen. Ein Akkord mit melodiöser Gestalt kann ja von einem deterministischen System gar nicht erkannt werden, glaub ich überzeugt zu sein, schon gar nicht in Echtzeit.
So ist es - das ist eine Echtzeitkorrektur.

Zu Skalen: Glaube nicht, dass das so groß ist mit Microtuning, Skalen schon eher.
Aber es kann sein, dass das Thema durch die Hintertür wieder rein kommen könnte. Wir hatten hier schon oft Threads dazu, aber so richtig viele nutzen es am Ende nicht, wobei Skalen natürlich deutlich mehr als eben Microtuning, obwohl sehr sehr viele Synths das beherrschen. Von Aalto bis Korgs letzter Serie .. Aber schon Ensoniq oder die TG Synths ging das bereits, wenn auch teilweise festgelegt oder vordefiniert. Andere haben eine Einstellungspage dafür.

Dritte gehen wie ich oben beschrieb vor, also einfach weniger Keytracking zu benutzen oder einen Tracking Generator ..
Da gibt es viele Herangehensweisen.

Wir arbeiten idR nicht wie Stockhausen oder die alten Elektronischen Meister, sondern doch etwas anders und eben mit Synths. Die Neue Musik Leute haben das ja doch etwas radikaler angelegt, was auch spannend ist - vergl. WDR Studio für Elektronische Musik und die Arbeit dieser Leute gegenüber „Pop“ - ich selbst gehöre wohl eher der Pop-Ecke an, da ich Tasten spiele, aber bin offen für anderes, aber alles komplett neu definieren würde ich nicht sagen. Das ist schon krasser. Geht aber - gerade mit dem Modular läge es näher oder mit Rechnern und offenen Systemen etc.

Das angesprochende Random-Pitch Ding ist natürlich eher Zufall pro Tastenanschlag und gehört eher in „ich find das so gut“, gezielt was fest zu verstimmen oder pro Taste ist schon anders. Das nur nebenbei.
 
@bohor, du hast mich entlarvt. Die ganze Terminologie ist bei mir noch etwas wackelig. Gut, dass du kritisch nachfragst.

Doch. Eine gleichschwebende Stimmung ist ein Beispiel für eine temperierte Stimmung. So ist die gängige Terminologie.
Unter Temperatur hab ich verstanden, es wurden auf bestimmte Intervalle bezogene bewusste Kompromisse zwischen Reinheit und Modulierbarkeit/Transponierbarkeit eingegangen. Ausgehend von einer mathematischen Grundlage, die zunächst für alle Intervalle angewendet wird, werden einige Intervalle künstlich modifiziert, damit man in den Tonarten, die man zu spielen gedenkt, möglichst annähernd rein klingen. Temperatur ist also eine Art "Hack", wie man heute sagen würde. Kurz, Temperatur bezeichnet nach bestimmten Regeln vorgenommene Verstimmungen. Soweit mein Halbwissen.
Dein Verständnis von Temperatur als alles, was nicht rein ist, ist aber auch einleuchtend. Ich muss wohl noch mehr lesen, bis ich sagen kann, welches vorherrscht.

Was willst du hier sagen? Was bedeuten diese Worte?
Diskret-relativ: Stufen einer (chromatischen) Tonleiter, bei uns Halbtöne. Halbton ist hier also die Einheit, darunter gibts nichts. Woanders auf der großen weiten Welt sind auch feinere Auflösungen üblich. Diese Schritte wiederum sind möglicherweise unterschiedliche kontinuierlich-relative Intervalle.
Kontinuierlich-relativ: In Cent oder sogar Cent-Bruchteile gemessene Variationen der Tonhöhe. Da 1 Cent und darunter vom Ohr nicht unterschieden werden kann, nenn ich die kontinuierlich, stufenlos.
Absolut: Hertz.
Bitte sag mir ggf., wie man das richtig nennt, idealerweise als Eigenschaftswort zu "Intervall".

Ich vermute, du meinst, dass in einer reinen C-Dur-Tonleiter ein d gebraucht wird als Quint im G-Dur-Akkord (V. Stufe) und eventuell ein anderes, um ein syntonisches Komma tieferes, als Quint unter dem a, das Terz des F-Dur-Dreiklangs (IV. Stufe) ist. Auf diesem d würden wir dann einen d-Moll-Dreiklang spielen. Er hätte dann die Töne f und a mit dem F-Dur-Dreiklang gemeinsam. Die meisten reinen Stimmungen bieten nur das erstgenannte d, so dass die Quint d-a hier nicht verwendbar wäre.
Ja, das ist das Problem. Das d als die zweite diatonische Stufe von C-Dur ergibt mit a keine reine Quint, sondern eine um ein syntonisches Komma zu enge. Deswegen kann man dieses d nur alleine spielen, als Durchgangs- oder Wechselton in der Melodie, außerhalb des harmonischen Zusammenhangs. Mit welchem Gear auch immer man Musik macht, man müsste ihm sagen oder es müsste erraten, welche Tonika – Grundstufe einer gedachten Tonleiter – für diesen d-Akkord als Bezugspunkt der Intonation gelten soll.

HMT verfolgt eine andere Strategie, HMT verändert die Tonhöhe von Tönen nach Anschlag im Kontext zu ggf. nachträglich angeschlagenen Tönen (etwa f-a nach d), damit es wieder passt. Ich müsste mir das mal anhören, aber intuitiv würde ich sagen, ist irgendwie unsauber, hack'ish, kann mich auch irren.
Den Ansatz, den ich probieren möchte, geht wohl nur bei der Offline-Synthese (irgendwelche Vorteile muss die ja haben): Ich sage dem System, dass das d an der fraglichen Stelle zu einer Harmonie auf G gehört (ditsche gewissermaßen kurz modulatorisch ins G-Moll rein, wo D-F-A leitereigen ist). So wird es von Anfang an um ein syntonisches Komma niedriger angesetzt und wenn ich mich nicht irre, hört es das – an so Sperenzchen umgewöhnte – Ohr damit nicht als Sekunde, sondern als Doppeldominante von C und erwartet die anderen zugehörigen Töne f und a ähnlich wie man die Tonika erwartet, wenn man den Leitton hört. Wenn sich das als richtig erweist, vermute ich, führt dieser Ansatz zu einer intonationstechnisch sauberen, transparenteren Musik. Das auf gleichschwebende Stimmung gewöhnte Ohr dürfte das erst mal als Verstimmung empfinden, klar. Hoffentlich noch im Toleranzbereich, es sollte schon reichen, wenn es zu einem Hoppla-Effekt kommt, und reine Stimmung nicht mehr slangweilig rüberkommt à la HMT, wie @Moogulator findet.

So denkt sich halt das plane Blatt Papier, wie die runde Welt sich dreht. Erzähle ich Mist und lässt sich genauer eingrenzen, wo?


"Tonika im Akkord"? Was du meinst, ist der Grundton, nicht wahr?
Jain. Ein Akkord auf D kann auch auf G und A gebaut sein, weil D/Dm da halt überall leitereigen ist in den verschiedenen Rollen Tonika, Subdominante und Dominante. Die Frequenzen der Einzeltöne dürften in allen Fällen die gleichen sein. Von daher meine ich den Grundton, aber eben nicht notwendigerweise. Am Ende möchte ich mir vielleicht ersparen, öfter zu wechseln als nötig.

Mir wird nicht klar, was du da genau vorhast, aber ich wünsche dir viel Erfolg und bin gespannt!
Ich entwickle einen Offline-Synthesizer. Nichts markttaugliches (zum Vermarkten hab ich eh keine Ambition), vielmehr ein experimentelles Amateurprojekt zur Begleitung meiner autodidaktischen Studien der Musik. Könnte man auch als Text-zu-Audio-Konverter bezeichnen, ne ganz einfache Geschichte ohne grafischen Pomp, nerdy eben. Beim synthetischen Ansatz pfeife ich auf Echtzeit, lebe lieber mein Fandom für Fortschrittsbalken aus, da geht es mir vor allem um menschen- wie maschinenlesbare maximaldetaillierte Beschreibung, eigentlich Modellierung von Klang und Musik – und nun, als jüngst erschlossenes Gebiet, eben auch der Intonation als Bindeglied der beiden Welten.
 
Zuletzt bearbeitet:
HMT verfolgt eine andere Strategie, HMT verändert die Tonhöhe von Tönen nach Anschlag im Kontext zu ggf. nachträglich angeschlagenen Tönen (etwa f-a nach d), damit es wieder passt. Ich müsste mir das mal anhören, aber intuitiv würde ich sagen, ist irgendwie unsauber, hack'ish, kann mich auch irren.
Orchestermusiker in aller Welt machen das genau so: Sie verändern während gehaltener Töne die Tonhöhe, bis es möglichst rein klingt. Das ist weder unsauber noch "hack'ish", sondern normale musikalische Praxis.
 
Carlos hat sich schon weit vor "Switched-on Bach 2000" nicht nur zu alternativen Stimmungen geäußert, sondern darauf aufbauend ein ganzes Album produziert: "Beauty in the Beast" von 1986, ganze 14 Jahre vor "S-OB 2000".


https://www.youtube.com/watch?v=ObpV9qnop1M


Eines der interessantesten Werke die ich je gehört habe. Gehört in jede CD-Sammlung.
Aber holla: Auf Amazon
1 Gebraucht ab 144,95 €
2 Neu ab 223,13 €

wtf?? :selfhammer:
Da zieh ich doch gleich nen Schwarzhandel auf?

Dazu gibt es übrigens ein sehr schönes Erklärbär-Video:

https://www.youtube.com/watch?v=RuT6Y53LYH4
 
Zuletzt bearbeitet:
Orchestermusiker in aller Welt machen das genau so: Sie verändern während gehaltener Töne die Tonhöhe, bis es möglichst rein klingt. Das ist weder unsauber noch "hack'ish", sondern normale musikalische Praxis.

HMT ist reines Pitchbendtuning und soll verschiedentonartige Scalen ermöglichen

Edit: "reines" war hier falsch gewählt ;-)
 
Orchestermusiker in aller Welt machen das genau so: Sie verändern während gehaltener Töne die Tonhöhe, bis es möglichst rein klingt. Das ist weder unsauber noch "hack'ish", sondern normale musikalische Praxis.
Exakt! Wollte ich auch gerade schreiben, den letzten Satz sogar fast wörtlich...

Das Standardbeispiel: Die völlig normale Akkordverbindung IV - ii - V - I. Nehmen wir ruhig C-Dur zur Veranschaulichung. Wir haben die Töne f - a - c, das a ist um ein syntonisches Komma erniedrigt, um der Reinheit willen. Nun soll d-Moll folgen. Die Töne f und a werden liegenbleiben, dass c geht zum d – und dieses muss auch ein syntonisches Komma tiefer sein, damit der Akkord rein ist. Nun folgt G-Dur. Da gibt es theoretisch zwei Möglichkeiten:
(1) Das d bleibt liegen, dazu kommen h und g. Damit der Akkord rein klingt, muss auch das g ein syntonisches Komma tiefer sein, und dazu muss das h sogar zwei Kommas tiefer sein! Wir sprechen hier beim h von einer Verstimmung um 43 Cent – nahe an einem Viertelton! Es folgt C-Dur, wieder soll das g liegen bleiben, somit ist das c auch tiefer – und wir haben in wenigen Akkorden die Ausgangsstimmung verloren und sind um ein syntonisches Komma tiefer geworden!
(2) Um das zu vermeiden, muss beim Wechsel von ii auf V das d um ein Komma angehoben werden. Im Notenbild bleibt der Ton liegen, in der Praxis steigt er, um gut ein Fünftel eines Halbtons. Das wird nicht notiert, aber so gespielt.

Amateurchöre enden oft tiefer als sie angefangen haben; man schiebt das auf die Luft im Saal, Müdigkeit usw. Tatsächlich liegt es oft an den Auswirkungen des syntonischen Kommas – indem die Notwendigkeit von Korrekturen an liegenden oder repetierten Tönen nicht erkannt wird. Wie serge richtig gesagt hat, ist der Effekt Profis aber klar – auch wenn nicht in der Theorie, dann jedenfalls in der Praxis. Und es ist nicht so, dass sie einfach ständig ein bisschen herumprobieren – sie wissen aus den Proben, dass sie beim Akkordwechsel die Ohren anschalten müssen und zumindest auch, in welche Richtung der Ton sich ändert. Du musst dir mal ein Profi-Streichquartett live (!) anhören, dann weißt du, was gutes Zusammenspiel und gute, kontrollierte Intonation ist. Dass ein Orchester von knapp 100 Musikern das immer im Detail genau so umsetzen kann, möchte ich bezweifeln. In der Kammermusik und bei Solistenchören (auch z. B. Barbershop) wird das aber so gemacht.

Mir ist klar, dass nicht jeder Leser des Forums meiner Beschreibung oben folgen kann, aber ich will den Rahmen nicht sprengen. Sorry.

Zu anderen Details deines Beitrags vielleicht später mal. – Einige der angerissenen Themen hatten wir übrigens auch schon in diesem Thread.

--bohor
 
Zuletzt bearbeitet:
[...] Gehört in jede CD-Sammlung.
Aber holla: Auf Amazon
1 Gebraucht ab 144,95 €
2 Neu ab 223,13 €

Das ist ein hochinteressantes Thema, zu dem ich immer mal nen eigenen Thread hatte aufmachen wollen: Warum sind manche CDs, für die es doch sicher einen Markt gäbe, derart teuer? Warum sind inzwischen auch viele CDs gar nicht mehr lieferbar?

Aber, wie gesagt, das ist – hier – natürlich off-topic.

--bohor
 
Zuletzt bearbeitet:
So ist es - das ist eine Echtzeitkorrektur.

Zu Skalen: Glaube nicht, dass das so groß ist mit Microtuning, Skalen schon eher.
Aber es kann sein, dass das Thema durch die Hintertür wieder rein kommen könnte. Wir hatten hier schon oft Threads dazu, aber so richtig viele nutzen es am Ende nicht, wobei Skalen natürlich deutlich mehr als eben Microtuning, obwohl sehr sehr viele Synths das beherrschen. Von Aalto bis Korgs letzter Serie .. Aber schon Ensoniq oder die TG Synths ging das bereits, wenn auch teilweise festgelegt oder vordefiniert. Andere haben eine Einstellungspage dafür.

Dritte gehen wie ich oben beschrieb vor, also einfach weniger Keytracking zu benutzen oder einen Tracking Generator ..
Da gibt es viele Herangehensweisen.

Wir arbeiten idR nicht wie Stockhausen oder die alten Elektronischen Meister, sondern doch etwas anders und eben mit Synths. Die Neue Musik Leute haben das ja doch etwas radikaler angelegt, was auch spannend ist - vergl. WDR Studio für Elektronische Musik und die Arbeit dieser Leute gegenüber „Pop“ - ich selbst gehöre wohl eher der Pop-Ecke an, da ich Tasten spiele, aber bin offen für anderes, aber alles komplett neu definieren würde ich nicht sagen. Das ist schon krasser. Geht aber - gerade mit dem Modular läge es näher oder mit Rechnern und offenen Systemen etc.

Das angesprochende Random-Pitch Ding ist natürlich eher Zufall pro Tastenanschlag und gehört eher in „ich find das so gut“, gezielt was fest zu verstimmen oder pro Taste ist schon anders. Das nur nebenbei.
So ganz habe ich Deine Unterteilung in Skalen vs. Microtuning nicht verstanden: Nach meinem Verständnis ergeben sich durch Microtunings ebenfalls Skalen... diese folgen nur eben nicht der gängigen Unterteilung in "wohltemperierten" Halb- bzw. Ganztonschritten.

Interessantes Beispiel ist die so genannte Bohlen-Pierce Skala, welche die Duodezime (=Okatve plus Quint) in 13 Tonstufen unterteilt.

Vielleicht kannst Du hier noch einmal nachschärfen.
 
Die Art wie Skalen funktionieren sind verschieden.
Meist sind sie aber trotzdem aus den bekannten Tönen bestehend. Man streicht nur quasi einige heraus.

Microtuning hingegen lässt ja auch Töne zu, die nicht 12-Ton-System-artig sind. Da muss man dann eben auch die Töne selbst verschieben und ggf. schauen ob die irgendwie korrigiert werden muss im Zusammenspiel.

Das ist der Unterschied.
 
Orchestermusiker in aller Welt machen das genau so: Sie verändern während gehaltener Töne die Tonhöhe, bis es möglichst rein klingt. Das ist weder unsauber noch "hack'ish", sondern normale musikalische Praxis.

Allerdings wird die Tonhöhe im Orchester mW auch nicht unbedingt "nach Reinheit" modifiziert. Leittöne werden zB etwas höher gespielt, auch wenn die betreffende Terz dadurch leicht unrein klingt.
 
Das ändert aber nichts daran, dass das Nachstimmen während einer gespielten Note zum - äh - „guten Ton“ gehört. :)
 
Eines der interessantesten Werke die ich je gehört habe. Gehört in jede CD-Sammlung.
Aber holla: Auf Amazon
1 Gebraucht ab 144,95 €
2 Neu ab 223,13 €

wtf?? :selfhammer:
Da zieh ich doch gleich nen Schwarzhandel auf?

Bei Discogs bekommst Du die CD schon für ca. 32€, allerdings - je nach Aufgabeland - mit erheblichen Versandkosten.:

 
Die Art wie Skalen funktionieren sind verschieden.
Meist sind sie aber trotzdem aus den bekannten Tönen bestehend. Man streicht nur quasi einige heraus.

Microtuning hingegen lässt ja auch Töne zu, die nicht 12-Ton-System-artig sind. Da muss man dann eben auch die Töne selbst verschieben und ggf. schauen ob die irgendwie korrigiert werden muss im Zusammenspiel.

Das ist der Unterschied.
Der Unterschied ist insbesondere der, das mikrotonale Skalen mit Intervallen arbeiten, die kleiner als ein Halbtonabstand sind und sich teilweise auch nicht weiter um die Oktave (im Sinne ihrer Funktion) kümmern. Deswegen auch mein Beispiel mit der Bohlen-Pierce Skala…
 
Die Art wie Skalen funktionieren sind verschieden.
Meist sind sie aber trotzdem aus den bekannten Tönen bestehend. Man streicht nur quasi einige heraus.

Microtuning hingegen lässt ja auch Töne zu, die nicht 12-Ton-System-artig sind. Da muss man dann eben auch die Töne selbst verschieben und ggf. schauen ob die irgendwie korrigiert werden muss im Zusammenspiel.

Das ist der Unterschied.

Es ist eine Illusion und vergebliche Liebesmüh, auf Biegen und Brechen die Begriffe "Skala" und "Stimmung" trennscharf unterscheiden zu wollen.

Im Alltagsgebrauch läuft das in 95% doch sowieso völlig problemlos, da gibt es kaum Missverständnisse. Die Probleme fangen erst an, wenn man, wie wir es so lieben, die Sache theoretisch bis ins Detail auseinanderfriemelt. Denn dann kommt man, selbstverständlich, darauf, dass die beiden Worte nicht einfach zwei komplett verschiedene Dinge bezeichnen, sondern dass es da etwas kniffligere Zusammenspiele gibt.

Ich für meinen Teil halte es so: eine Skala ist bei mir eine Auswahl von Tönen (im Engl. würde ich hier sagen: "pitches") aus einem Ton-Vorrat (die Auswahl kann aber natürlich auch alle Töne des Vorrats umfassen, auch wenn's dann strenggenommen keine Auswahl mehr ist). Die Abfolge, in der die ausgewählten Töne aufgereiht sind, mag dabei auch eine Rolle spielen (Stichwort "Modi": ich kann dieselbe Ton-Auswahl auf verschiedenen Stufen beginnen lassen, und erhalte dann Skalen, die bezogen auf den Referenz- oder Grundton unterschiedlich strukturiert sind).

Meinetwegen die Skala namens "natürlich Moll": LsLLsLL
...oder "die" handesübliche Dur-Skala (aka "ionisch"): LLsLLLs

("L" = großer Schritt, "s" = kleiner Schritt, wobei sich in unseren Breiten eingebürgert hat: 1x L = 2x s -- wir brauchen für diese Skalen also einen Vorrat an 12 kleinen Schritten, die wir dann in 5 große und 2 kleine gruppieren)

Damit ist aber noch nichts gesagt darüber, welche genauen Tonhöhen (v.a. im Sinne von relativen Tonhöhen zum Grundton) sich hinter den Tönen einer Skala verbergen. Wir müssen uns also auch über Stimmung unterhalten. Bzw., nein, müssen wir in aller Regel eigentlich nicht. Wir sind es gewohnt, die Stimmung als selbstverständlich anzunehmen. Wir können davon ausgehen, dass in unserem Kulturkreis, wenn wir jemandem sagen "Sprung von zweimal L", dies so verstanden wird, dass am Ende ein Intervall herauskommt, das als (wie auch immer genaue oder ungenaue) Annäherung an das Intervall 5/4 wahrgenommen wird -- das wir als "große Terz" bezeichnen und dessen Klang nach nunmehr knapp 3000 Jahren im kulturellen Gedächtnis unserer Breitengrade abgespeichert ist (wenngleich es erst seit der Renaissance als "konsonant" empfunden wird: noch das späte Mittelalter mochte keine Terzen).

Stimmung ist also in aller Regel kein Thema. Wenn jemand die ersten paar Töne von "alle meine Entchen" spielt, dann interessiert unser Gehör, zwecks Wiedererkennung dieser Melodie, die Frage nach der Stimmung überhaupt nicht. Interessant ist die Abfolge von Schritten, die jeweils als groß oder klein wahrgenommen werden. Ob z.B. der kleine Schritt in dieser Melodie vom dritten zum vierten Ton nun als 15/14 oder 16/15 intoniert wird, oder als 1\17EDO oder als 25/24 oder exakt 100cent -- das spielt, wage ich in aller Plattheit zu sagen, keine Rolle für den Wiedererkennungswert (und wohlgemerkt: zwischen den Extremen der hier genannten Möglichkeiten liegt ein Unterschied von 50cent).

Soweit könnte man also sagen: irgendwie ist das klar, dass das zwei verschiedene Sachen sind: Stimmungen und Skalen.

Nun heißt aber die einschlägige Software in der mikrotonalen Branche nicht umsonst "Scala", und es ist auch überhaupt nicht anstößig, dass es eine "Bohlen-Pierce Scale" gibt, wie Kollege @randomhippie schon gesagt hat. Denn natürlich hängen beide Welten eng zusammen.

Aus Stimmungen können sich Skalen ableiten. (I)

Und aus Skalen Stimmungen. (II)

Das sind keine getrennten Schubladen, und die Zusammenhänge zwischen beiden Konzepten sind auch keine Einbahnstraßen.

(zu I)
Ich mache ein einfaches Beispiel für "Stimmung(sparadigm)en, aus denen Skalen werden".

Das einfachste, höchstmöglich-konsonante Intervall ist die Verdopplung der Frequenz, wir schreiben mal: 2/1. Ihm nach folgt die Verdreifachung 3/1, oder, wenn wir unsere Intervalle innerhalb derselben Oktave halten wollen: 3/2. Die 2/1 ist so konsonant, dass sie für unsere Wahrnehmung, melodisch und erst recht harmonisch, kaum Informationsgehalt hat. Sie wurde daher nicht einmal für Wert befunden, in der Symbolik unserer Notenbezeichnungen ein eigenständiges Zeichen zu kriegen: die Verdopplung der Tonhöhe eines "C" nennen wir wieder bloß "C", evt. noch mit einem Pinöpel obendran. Das erste wirklich interessante Intervall ist also die 3/2. Wir könnten also sagen, wir bauen ein Klavier mit einer Taste (1/1), und dann noch einer zweiten, die wir, bezogen auf die erste, als 3/2 stimmen (was, anders als bei komplexeren Intervallen, noch recht gut nach Gehör geht). Wir haben also schon zwei Töne, und vielleicht gönnen wir uns noch die höhere "Kopie" des ersten, die 2/1. (So entsteht nebenbei auch ein weiteres Intervall, die 4/3, auf der Strecke von 3/2 zu 2/1.)

Wie stimmen wir jetzt weiter? Wir könnten die Prozedur wiederholen und von der 3/2 aus wieder eine 3/2 draufsetzen: also 9/4, bzw. 9/8. Wir erhalten einen Ton, der ein Stückchen über dem Grundton liegt, mit einer ziemlichen Distanz zum 3/2. Vier Töne wären also fertig, bzw. abzüglich der 2/1 sind es drei wirklich eigenständige. Weiter: 9/8 * 3/2 = 27/16 (wir landen etwas oberhalb des 2. Tons), und nochmal: 27/16 * 3/2 = 81/64 (etwas oberhalb des 3. Tons). Wir haben also, mit dieser simplen Stimmanweisung, fünf eigenständige Töne produziert:

Bildlich gesprochen:

Code:
1/1- - - - - - - - - - - -2/1

|: 1 - - - - - - - - - - - :|

|: 1 - - - - - - 2 - - - - :|

|: 1 - 3 - - - - 2 - - - - :|

|: 1 - 3 - - - - 2 - 4 - - :|

|: 1 - 3 - 5 - - 2 - 4 - - :|

|: s - s - L - - s - L - - :|

Das Ergebnis ist eine Skala mit der Struktur: ssLsL, also zwei kleine Schritte, ein großer, dann ein kleiner und noch ein großer -- wobei ein großer Schritt 3/2 mal so groß ist wie ein kleiner. Oder: ein kleiner Schritt entspricht zwei (gedachten!) noch kleineren Schritten, und ein großer Schritt entspricht dreien davon. Die Stimmprozedur nennen wir die "pythagoräische", und die entstandene Skala ist eine Pentatonik. Jetzt hatte ich oben geschrieben, eine Skala ist eine Auswahl aus einem Vorrat -- irgendwie ja doch nicht. Wir haben eine Skala geschaffen, ohne jemals über einen Vorrat von diskreten Intervallen gesprochen zu haben. Wir haben immer nur Strecken gemessen, uns von einem Punkt zu einem neuen gehangelt, ohne dass der schon exisitiert hätte.

(zu II)
Wir können aber auch genauso gut umgekehrt vorgehen. Wir können so tun, als wüssten wir nichts von den Tonhöhen oder Frequenzverhältnissen der Noten, die wir für eine Skala brauchen, die wir spielen sollen. Wir haben nur die Struktur einer Skala im Kopf, sagen wir mal: "Lydisch-Dur", d.h. also:

LLLsLLs (z.B. f g a b c d e f')

Wir tun so, als wüssten wir nur dies eine: dass der Sound dieser Skala sich aus dem kleinen Schritt (s) von der 4. zur 5. Stufe (und von der 7. wieder rauf zur 1.) ergibt, während alle anderen Schritte große sind (L).

Aber dass wir die Tonhöhen natürlich irgendwo herbekommen müssen, ist klar. Kommen wir nicht drumrum.

Wir sitzen da also an der Südküste Kretas auf dem Felsen vor unserer Höhle, mit unserer Gitarrensaite auf eine Holzkiste gespannt und einem Stückchen Kreide, und sollen jetzt irgendwie rausfriemeln, auf welchen Stellen der Saite wir greifen müssen, um so eine Skala zu spielen. Die großen Schritte, das ist klar, sollten merklich größer sein als die kleinen. Doppelt so groß ist vielleicht eine gute Idee. Wir können unser "LLLsLLs" also auch schreiben als "2 2 2 1 2 2 1", und sehen, dass wir als "Tiefenstruktur" eine Unterteilung in 5*2 + 2*1 = 12 etwa gleiche große Schritte brauchen. Dieses "doppelt so groß" ist aber kein Muss. Wir können auch sagen: dreimal so groß. 3 3 3 1 3 3 1, also 5*3 + 2*1 = 17. Oder wir wollen den Unterschied zwischen L und s eher etwas nivellieren: 3 zu 2, also 5*3 + 2*2 = 19. Und so weiter... In jedem Fall landen wir dabei, dass wir auf unserem Monochord eine Reihe von Markierungen für Tonschritte machen, die akustisch etwa gleich groß sind. Von denen nutzen wir beim Spielen dann natürlich nicht alle, sondern beschränken uns auf das, was unsere Skala erfordert. Im Effekt aber haben wir, ohne es vorgehabt zu haben, das Konzept der gleichstufigen Stimmung erfunden.

Von daher, auch wenn's pingelig rüberkommt: einfach zu sagen: "es gibt Skalen, und es gibt Stimmungen", so als wären das zwei verschiedene Welten, das greift mir ein bisschen zu kurz. Das Eine ist ohne das Andere nicht zu haben. Die Tatsache, dass wir über Stimmungen kaum sprechen, sondern sie immer "for granted" nehmen (weil wir kaum Instrumente spielen, die wir von Hand intonieren müssen), täuscht natürlich etwas darüber hinweg.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Unterschied ist insbesondere der, das mikrotonale Skalen mit Intervallen arbeiten, die kleiner als ein Halbtonabstand sind und sich teilweise auch nicht weiter um die Oktave (im Sinne ihrer Funktion) kümmern. Deswegen auch mein Beispiel mit der Bohlen-Pierce Skala…

Lustigerweise sind die Schritte der Bohlen-Pierce-Skala eben nicht kleiner, sondern ~50% größer als der Halbtonabstand unserer üblichen 12-Ton-Chromatik (weil (ln(3)/ln(2)*1200)/13 = 146 cent).

Das "Mikro" in "Mikrotonalität" hat (für mich!) nichts mit der Größe irgendwelcher Tönen zu tun, sondern mit der Herangehensweise an sie. Stimmungen, Tonhöhen, Temperaturen nimmt man nicht als selbstverständlich an, sondern rückt genau diese Fragen ins Zentrum. Die Töne kommen unters Mikro-Skop.
 
Lustigerweise sind die Schritte der Bohlen-Pierce-Skala eben nicht kleiner, sondern ~50% größer als der Halbtonabstand unserer üblichen 12-Ton-Chromatik (weil (ln(3)/ln(2)*1200)/13 = 146 cent).

Das "Mikro" in "Mikrotonalität" hat (für mich!) nichts mit der Größe irgendwelcher Tönen zu tun, sondern mit der Herangehensweise an sie. Stimmungen, Tonhöhen, Temperaturen nimmt man nicht als selbstverständlich an, sondern rückt genau diese Fragen ins Zentrum. Die Töne kommen unters Mikro-Skop.
Absolut korrekt… da war ich selbst ungenau! Deswegen sprechen Expertinnen wie Elaine Walker in diesem Zusammenhang ja auch eher von einer „alternative harmonic scale“ ;-)

Auf den Seiten von Hygens-Fokker gibt es eine dedizierte Bohlen-Pierce Seite mit weiterführenden Ressourcen… wer sich für das Thema interessiert, sollte da unbedingt mal reinschauen: http://www.huygens-fokker.org/bpsite/
 
Du musst dir mal ein Profi-Streichquartett live (!) anhören, dann weißt du, was gutes Zusammenspiel und gute, kontrollierte Intonation ist.
Das habe ich schon, nur mein Gehör war da noch nicht so weit und mal gucken, ob es durch meine Experimente einmal sensibilisiert sein wird. Ob das Gehör durch zielführende Experimente trainiert oder gerade verhunzt wird, ist natürlich ne andere Frage.

Was aber ist mit aufgelösten Akkorden, bei denen ein Ton dem anderen folgt? D-f-a kann man ja nach c auch aufgelöst spielen. Theoretisch könnte man diese Töne also als Sekunde, als reine Quarte bzw. als Sexte über c spielen. Würde die Dm-Harmonie dadurch nicht verloren gehen, d.h. verdeckt werden, eben weil sie unrein ist, aber eben zum Charakter der reinen C-Dur-Tonleiter gehört? Was ist da die übliche Spielpraxis?
 
Ich habe leider meine alten Keyboards-Ausgaben vor laaaanger Zeit entsorgt. Aber in dem Artikel war unter anderem ein Beispiel, da haben die das Programm mit einem Debussy-Streichquartett befeuert. Die Idee ist: der Algorithmus lässt die Stimmung etwas nach oben oder unten abdriften, schaut aber, dass im Großen und Ganzen die Stimmung gehalten wird und nicht immer nur nach oben oder unten abhaut.

Jeder einzelne Akkord wird also reinintoniert, ohne Rücksicht darauf, wohin er sich auflöst oder ob da Rückung statt findet.

Grüße
Omega Minus
 
Mit b meinst du hier das angelsächsische, das wir traditionell h (vs. b = engl. Bb) nennen, richtig?

so ist es -- da ich nie irgendeine (erfolgreiche) musikalische Ausbildung genossen habe, bin ich nicht auf das deutsche "h" und "b" sozialisiert, sondern schreibe immer "b" und "bb", weil das einfach die Bezeichnungen sind, die mir ständig überall begegnen.

Was die Aussprache dieser Zeichen angeht: sympathisch finde ich den holländischen Ansatz, das dann als "b" und "bes" zu sprechen.
 
Hab jetzt mal den Jahrhunderthit "Alle meine Entchen" - bewusst unspektakulär, nicht dass bei eigenkomponiertem Zeug die Erwartung allgemeiner Ah- und Oh-Rufe mitschwingt, gell - nach ner 08/15er Akkordfolge harmonisiert und auf meiner selbstprogrammierten Heimorgel drei Mal ein gespielt.
  1. In reiner Stimmung mit Korrektur der harmonischen Tonika, wie ich sie nennen möchte. In diesem Fall ist die aber identisch mit dem Grundton des jeweiligen Akkords, außer zum Schluss, wo ich G7 mit über die C-basierte Stimmung spiele. Das macht keinen Unterschied, C und G sind ja im Quintenzirkel benachbart.
  2. In reiner Stimmung ohne diese laufende Korrektur, also durchgehend C-basiert.
  3. Zum Vergeich noch mal in gleichschwebender Stimmung, wo keine Rolle spielt, auf welcher harmonischen Tonika ich was spiele, die Intervalle sind ja gleich groß.
Ich bin noch nicht ganz zufrieden mit dem vorletzten Takt, da sind doch eindeutig Schwebungen, vielleicht find ich noch Fehler.
Es kann nicht daran liegen, dass ich das A liegen lasse. Das A hat nämlich unabhängig von der harmonischen Tonika dieselbe Frequenz wie in der gleichschwebenden Stimmung, hier also 220. Die anderen chromatischen Stufen können drei, die Stufen C#, D# und F sogar vier unterschiedliche Frequenzen pro Oktave annehmen. Tatsächlich gibt es 34 unterschiedliche Töne pro Oktave in der reinen Stimmung, nicht wie anderweitig behauptet wird, 26. Damit will ich nicht sagen, dass andere falsch gerechnet haben, wahrscheinlicher hab ich das, denn Schwebungen sollten nicht auftreten. Aber vielleicht sind das auch keine?

Wenn wer an den Details interessiert ist, noch zwei Links auf meinen Webspace (Keine Werbung, versprochen, hasse die ja selber):
 

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Wenn wer an den Details interessiert ist

...bin ich sehr! Z.B.: was heißt für dich "die" reine Stimmung? Nach meinem Verständnis kann das sehr vieles sein -- notwendige Bedingung ist nur, dass mit "einfachen" Verhältnissen rationaler Zahlen gearbeitet wird (wobei "einfach" wiederum Auslegungssache ist). Aber sowohl, sagen wir, 16/9, 9/5, 7/4, als auch 11/6 usw. sind bei mir "reine" Mollseptimen... interessant ist halt immer (neben vielem anderem) die Frage nach dem "prime limit" (weiß nicht, wie das auf Deutsch heißt). Und, natürlich: die "Anzahl der Töne in der Oktave" ist in reinen Stimmungen selbstverständlich unendlich, nicht nur wegen des Auslegungsspielraums für den Begriff "einfache Verhältnisse". Sondern auch weil reine Stimmungen sind m.E. per definition offene Systeme sind (anders als die geschlossenen Systeme der meisten anderen Stimmungskonzepte). 5/4 * 5/4 * 5/4 ...auch eine "Oktave".

Hierdrin:

Code:
   intervals: 15:1 15:1 128:7 15:1 24:1 15:1 15:1 128:7 15:1 24:1 15:1 128:7

Scheint sich ja die Deklaration deiner Stimmung zu verstecken. Aber das Format ist ja eher unkonventionell für menschliche Leser. Ich lese: zwei klassische Halbtonschritte (15/16), einen 7-limit-Ganzton (8/7), dann wieder einen Halbton, dann eine Quinte (3/2), usw... aber ich kriege das mental nicht einer kohärenten Skala zusammengebaut, jedenfalls nicht in dem Format, das ich von Scala her gewohnt bin.
 
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Für mich ist die reine Stimmung die, von der ich gelernt habe, dass man die rein nennt: Dreiklangintervallverhältnisse 4:5:6 (Dur; bzw. 10:12:15 für Moll) sowohl ab der Tonika, ab der Subdominante als auch ab der Dominante einer gegebenen Tonleiter, beispielhaft C. Sei A4=440Hz, so ergeben sich von der harmonischen Tonika C ausgehend eindeutige Frequenzen, die diesen Verhältnissen entsprechen. Ausgehend von einer anderen chromatischen Stufe als harmonischer Tonika werden diese Frequenzen teilweise angepasst, damit A4 auf gleicher Höhe bleibt (s.o. @bohor's Erläuterungen zur Kommafalle in Beitrag #38).

Der Begriff der harmonischen Tonika ist übrigens auf meinem Mist gewachsen, aus der Studienliteratur (hauptsächlich Helmholtz' Tonempfindungen, Loy's Musimathics) hab ich ihn zumindest nicht. Es fällt mir leichter, Intervalle in Bezug auf eine harmonische Tonika zu setzen, als mit syntonischen Kommata zu jonglieren.

Die Intervals-Notation gibt nach meiner Präferenz die Intervalgrößen zwischen den chromatischen Stufen an. Einfach weil ich lieber addiere und multipliziere, als subtrahiere bzw. dividiere, wenn ich die Wahl habe und kein harter Fakt dagegen spricht, und auch immer abhängig davon, welche Variante ich konzis aber so programmieren kann, dass ich es morgen noch verstehe, und ich keine unnötigen Schleifen im Code habe.

Lesen kann man das so: Gegeben eine Saite, die auf C gestimmt ist, mit dem Finger so getrennt, dass zur einen Seite die Länge von 15 Einheiten angeschlagen wird, zur anderen eine Längeneinheit dagegen still ist, so erklingt C# (Db). Gegeben dieser schwingende Teil, alternativ eine originäre leere C#-Saite, getrennt an 128 gegen 7 Längeneinheiten, ersterer Teil angeschlagen ergibt D. Und so weiter. Man stelle sich Pythagoras an seinem Monochord vor, bei seinen Experimenten. Allerdings behaupte ich nicht, dass wäre die pythagoräische Notation, keine Ahnung.

Wie du bei 128:7 auf 8/7 kommst, ist mir wiederum unverständlich.

Brüche und Fließkommazahlen könnte ich auch notieren, aber auch diese werden als Interval einer chromatischen Stufe zur vorigen ausgewertet. Gerade das mag ich nicht an dem Scalaformat: Da kann man nicht einfach Intervalle vertauschen, ohne alles neu ausrechnen zu müssen.
 
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