Betagte Synthesizer und das Risiko eines (Total-)Ausfalls

Das aktuelle Angebot an neuen Synthesizern war wahrscheinlich noch nie so groß und vielfältig wie heute. Wenn man nicht gerade Sammler ist oder nicht 90% oder 95%, sondern 100% des Sounds eines bestimmten Klassikers will, dann gibt es eigentlich keinen Grund, alte Geräte anzuschaffen.

Und trotzdem haben die Klassiker ihren Reiz. Wahrscheinlich auch, weil man zumindest einige von ihnen noch recht günstig bekommen kann.

Nach meiner laienhaften Vorstellung müsste es aber doch in jedem der Klassiker irgendwelche Teile geben, die irgendwann die Grätsche machen und nicht ersetzbar sind, da nicht verfügbar. Ist das so? Wie groß ist dieses Risiko? Klar kann immer mal eine Reparatur anfallen; nur ein Totalausfall wäre halt wirklich schmerzhaft. Welche Instrumente sind besonders 'gefährdet' und welche unkritisch?

Ich denke an JX*, MKS*, JUNO*, Matrix*, SH*, Moog, Waldorf, ...

Oder ganz speziell: Andromeda. Man liest da ganz wilde Geschichten, in denen alleine der Aufwand der Fehlersuche einen wirtschaftlichen Totalschaden bedeutet, wenn man sie nicht selber machen kann, sondern zum Profi muss. Dann sind Teile nicht mehr aufzutreiben. Kann man heute noch einigermaßen entspannt einen Andromeda kaufen und diese Geschichten wirken in der Menge nur so erschreckend, weil die vielen Nutzer, die keine Probleme haben es halt einfach nicht öffentlich machen? Oder ist das Risiko reell und groß?

Eure Meinung dazu würde mich sehr interessieren. :school:
 
Re: Betagte Synthesizer und das Risiko eines (Total-)Ausfall

Die alten Klassiker sind aber noch in DIL aufgebaut, sofern Bauteile oder Ersatzschaltungen vorhanden sind, kann man selbst noch was machen. Die neuen Geräte werden in SMD gefertigt, die wird man schwer selbst noch reparieren können. Ob z.B. ein Moog Sub 37 länger halten wird als ein Minimoog wird die Zeit zeigen. Ich wäre bei Hardware immer skeptisch, egal ob alt oder neu. Kaputt gehen können die immer und wie lange die noch einer reparieren kann weiß niemand. Kann aber auch sein dass dein Gerät locker 30 Jahre oder mehr hält. Man weiß es vorher halt nicht.

Ich habe nur Erfahrungen mit Retro-Computern aber die Elektronikprobleme sind ja sehr ähnlich.
 
Re: Betagte Synthesizer und das Risiko eines (Total-)Ausfall

Es kommt drauf an - ein Netzteilfehler oder sowas - normale Dinge, abgebrochene Potis - sowas kann man alles machen, auch bei einem sehr neuen Teil oder was mit vielen Chips.

70er: oft kein großes Problem - SH reparieren oder noch besser Minimoog etc. - das ist zumindest für erfahrende Techs immer möglich. "Kenn'se einen kenn'se alle".

80er CEM und SSM - sind da das "Problem" und allem was außerhalb der Norm genutzt wurde - CustomSachen, aber es gibt auch immer mehr Ersatzteile und Ersatzprojekte, sogar bis hin zum clonen der Chips etc.
Aber - dennoch durchaus machbar - bis hier ist das eigentlich alles noch recht überschaubar und nur die Curtisse sind halt extra zu besorgen, sind ja auch alt geworden.

ab 90er DSP-Geräte sind faktisch kaum zu reparieren, da kannst du was am Netzteil machen, Knöpfe oder so - aber der Rechenkern ist halt da oder nicht.
Custom-Sachen in Maschinen von Emu oder so - nunja, das ist dann eher noch schwerer, auch sowas wie Andromeda - da sind ja faktisch nur eigene Chips drin. Da geht natürlich bei Defekt DIESER Teile nichts.

Waldorf ist ein gutes Beispiel - hier gibt es massig Dinge, die man noch machen kann, andere vielleicht mit etwas Aufwand, ggf. kann man auch noch das Board bekommen oder sowas - aber selten stirbt da ein DSP - eher halt nen Amp oder sowas - und das kann man auch machen.

SMD: ist kein Problem - ist nur kleiner. Man muss halt nur ne Lupe und so - aber ist beherrschbar und wird gern mal "demonisiert".
 
Re: Betagte Synthesizer und das Risiko eines (Total-)Ausfall

Eigentlich wird es immer stressig wenn Spezial-IC's verbaut worden sind.
Viele halten noch völlig problemlos, aber man sollte sich immer vor Augen halten was in dem betreffenden Gerät verbaut wurde.
So hat z.B. ein SH-101 einen Oszillator-IC von Frau Curtis unterm Deckel.
Oder ein Elka-Synthex ist geradezu ein Curtis-Grab.
Von früher kenne ich noch meine neidischen Blicke auf den Polysix meines Kumpels(ich hatte einen Juno-60), klanglich fand ich den immer schöner, irgendwie charaktervoller, aber er hatte einige SSM's damals tauschen lassen müssen, schade.
Auch manche "normalen" Chips sind heutzutage Mangelware(Roland BA für diverse Geräte z.B.).

Man muß sich auch heutzutage bewußt machen, das ein altes Gerät eine Menge an Unterhalt verschlingt, ein kleiner Fehler und 300 Öcken ist man eigentlich immer an den Service los.
 
Re: Betagte Synthesizer und das Risiko eines (Total-)Ausfall

...da hat der Vorredner Recht, interessant wirds auch wenn in naher Zukunft in den VA's z.B. die ersten DSP's wegsterben(Nord Lead, Virus, Novation, AN1x, etc....) wat wird dann???
 
Re: Betagte Synthesizer und das Risiko eines (Total-)Ausfall

TimotheusVanDieren schrieb:
[...] Und trotzdem haben die Klassiker ihren Reiz. Wahrscheinlich auch, weil man zumindest einige von ihnen noch recht günstig bekommen kann. [...]

Oh? Welche denn?

Ansonsten gibt es nichts Perfektes -- irgendwelche Custom-ICs sind genauso lästig wie irgendwelche DSPs oder SMD-Bauteile, die fast unmöglich auszutauschen sind.

Irgendwas ist immer.

Stephen
 
Re: Betagte Synthesizer und das Risiko eines (Total-)Ausfall

Achja bei meinem klassischen Modulsynthesizer klappt -6 Volt jetzt nicht, das ist natürlich doof, aber ich bin sicher das macht mir jemand (ich habe keine Lust mehr für sowas).

Sprich - diese alten Modulars sind schwer total zu killen, aber einen Tech brauche ich dann auch mal, wenn ich keine Lust habe das selbst zu machen.
Das mit "irgendwas ist immer" stimmt schon. Kann aber auch eine sehr gute Zeit ziemlich gut laufen. Und irgendwann kann man mal alles was man so hat generell warten. Synthesizer sind keine Geldanlage. Sie sind halt Instrumente die etwas Pflege brauchen - aber sie sind robust, meist.
 
Re: Betagte Synthesizer und das Risiko eines (Total-)Ausfall

Danke schon mal für eure Einschätzungen! :supi: Mit dem Andromeda wird es dann wohl eher nichts mehr ...

ppg360 schrieb:

Die JXe und MKSe finde ich noch eher günstig fürs Gebotene. Sehen zwar Scheiße aus, aber klingen nett ... Wäre zumindest einen Versuch wert, ohne größeres Risiko.
 
Re: Betagte Synthesizer und das Risiko eines (Total-)Ausfall

Oh, auch ein Andromeda oder RME Keyboard Computer können noch viele Jahre halten. Würde nur überlegen, ob ich die täglich in einen krassen Liveeinsatz schicken würde oder mehr fürs Studio. Einen Memorymoog reparieren ist auch kein Spaß. Aber da eher, weil das Design innen echt krass schlimm ist. Es gibt also sehr sehr verschiedene technische und sonstige Gründe. Beim CS80 oder 800DV kann es auch sein, dass man einfach keine Lust hat das zu machen, oder beim PS3300. Viel Arbeit. Aber..
 
Re: Betagte Synthesizer und das Risiko eines (Total-)Ausfall

TimotheusVanDieren schrieb:
Die JXe und MKSe finde ich noch eher günstig fürs Gebotene. Sehen zwar Scheiße aus, aber klingen nett ... Wäre zumindest einen Versuch wert, ohne größeres Risiko.

Wer so über Roland Klassiker redet hat schon mal gar keinen verdient! :roll:
Bissle Respekt bitte!

Alles kann kaputtgehen. Einfach alles. Karma und so :mrgreen:

Und Vintage ist nichts für ängstliche Typen. Das mein ich Ernst.
 
Re: Betagte Synthesizer und das Risiko eines (Total-)Ausfall

Moogulator schrieb:
Oh, auch ein Andromeda oder RME Keyboard Computer können noch viele Jahre halten. [...]

Du hast noch nie in einen RMI Keyboard Computer reingeschaut... ein riesiges Motherboard direkt aus dem Apollo-Programm, überhaupt keine Dokumentation außer "Im Falle eines Defektes tauschen Sie bitte das komplette CMOS-Board aus und schicken Sie uns das alte".

Darauf würde ich jetzt nicht wetten.

Stephen
 
Re: Betagte Synthesizer und das Risiko eines (Total-)Ausfall

Ok, das stimmt. Aber das ist gar nicht so weit weg von dem, was heute indirekt auf einem A6 stehen wird. Es kann gehen oder - gar nicht mehr.
 
Re: Betagte Synthesizer und das Risiko eines (Total-)Ausfall

Moogulator schrieb:
Ok, das stimmt. Aber das ist gar nicht so weit weg von dem, was heute indirekt auf einem A6 stehen wird. Es kann gehen oder - gar nicht mehr.

So ist das -- je hochgezüchteter das Gerät, desto fehleranfälliger und desto schwerer zukünftige Reparaturen.

Wieviele 1962er VW Käfer fahren noch durch die Gegend, und wieviele von den modernen Telespielen mit Rädern untendran (VW, BMW, Mercedes, Audi, Volvo etc.) werden in 20 Jahren noch unterwegs sein?

Stephen
 
Re: Betagte Synthesizer und das Risiko eines (Total-)Ausfall

Xpander-Kumpel schrieb:
Oder ein Elka-Synthex ist geradezu ein Curtis-Grab.
Der Elka Synthex hat gerade mal die Filter von Curtis, so schlimm ist das ja nicht. Aber ein OB-Xa toppt wohl alles, wobei so Teile wie Memorymoog oder Prophet 10 auch nicht übel sind...

Synthex:
8x CEM3320 VCF

OB-Xa:
2x CEM3360 Dual VCA
16x CEM3340 VCO
16x CEM3310 EG
16x CEM3320 VCF

https://en.wikipedia.org/wiki/CEM_and_S ... nthesizers
 
Re: Betagte Synthesizer und das Risiko eines (Total-)Ausfall

Xpander-Kumpel schrieb:
...da hat der Vorredner Recht, interessant wirds auch wenn in naher Zukunft in den VA's z.B. die ersten DSP's wegsterben(Nord Lead, Virus, Novation, AN1x, etc....) wat wird dann???

Hier muß man klar unterscheiden: sind handelsübliche DSPs verbaut oder Custom-DSPs?

Handelsübliche DSPs kann man austauschen, bei allen Herstellern gibt's mindestens funktions/pinkompatible neuere Modelle oder den gleichen Chip noch als NOS.

Bei Custom-DSPs kann man das vergessen, da braucht man genau dieses Ersatzteil.

Generell findet man Custom-DSPs vor allem in japanischen Geräten, insbesondere Roland hat meines Wissens nie handelsübliche DSPs verbaut, bei Yamaha bin ich nicht 100% sicher, bei Korg gab es Beides und Kawai kenn ich auch nur mit Customchips.

Novation, Waldorf, Clavia und Access verbauen ebenso wie Radikal und John Bowen handelsübliche DSPs.

Akai hat bei seinen japanischen Geräten vor der Übernahme durch InMusic auch Custom DSPs verbaut, bei den letzten MPCs dagegen steckt, mit Ausnahme der von Alesis entwickelten 5000, ein dicker Prozessor mit eingebauten DSP drin, der aber ebenfalls handelsüblich ist, genau wie die handelsüblichen DSPs in der MPC5000.

Ensoniq, EMU und Kurzweil dagegen haben ebenfalls Custom-DSPs verbaut, Alesis teils/teils. DSI setzt handelsübliche DSPs ein, aber analoge Customchips.

Den größten Anteil bei den Customchips stellt übrigens Fujitsu, gefolgt von Toshiba, wobei von Fujitsu vor allem Gatearrays stammen und die DSPs von Toshiba, beides übrigens aus Baukastensystemen.
 
Re: Betagte Synthesizer und das Risiko eines (Total-)Ausfall

Tatsächlich sind die Roland-Filter-ICs noch vergleichsweise problemlos durch Clone mit handelsüblichen OTAs zu ersetzen; da muss man zwar die Clone-Platine bauen, aber es geht zumindest im Prinzip. Ähnliches gilt für die einfachen VCFs und VCAs von Curtis.
Von den ganzen Kombi-Voice-Chips (337x 339x) von Curtis gibt es relativ viele NOS oder geripte auf dem Markt.
Für die VC-Envelopes gibt es PIC-basierte Clone von Tom Wiltshire. Allerdings muss man die auch erstmal selber "bauen".
Richtig blöd sind die SSM-Sachen; die 2044 sind quasi nicht clonebar. Ebenso die 2033 VCOs (Monopoly, frühe P5).
Was die CEM3340, das rumort es, dass sich was bewegen soll.

Grundsätzlich ist aber die Elektronik das geringere Problem. Wenn Spezial-Mechanik kaputt geht, ist das viel nerviger. Sie Ersatzpotis für alle möglichen Synths. Da ist es echt schade, dass Technology Transplant sich irgendwie kaufmännisch ins Abseits bewegt hat, der wäre da echt gut gewesen.
 
Re: Betagte Synthesizer und das Risiko eines (Total-)Ausfall

Die analogen Bauteile sind da wirklich oft einfacher zur ersetzen, bei den Gate Arrays wird es schlicht unmöglich.

Für den älteren SSM2040 gibt's ja einen diskreten Nachbau, den 2044 hat EMU meines Wissens nach selbst diskret nachgebaut, ich weiß nur nimmer, in welchem Gerät - SP1200?
 


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