Die Geißelung der Begrenztheit in den 1970 bis 1990ern

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Sebastian R.

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Ende der 1970er begann ich die ersten "Tracks" mit meiner Bontempi-Orgel aufzunehmen.
Dabei versuchte ich irgendwie, sämtliche single und Hidden-Sounds aus der Orgel zu triggern, wie z.B.
SD, HH, oder Bässe, die eine Okt. tiefer waren, als dies jeder Begleit-Style im Preset lieferte.
Die "Mehrspur"-PingPong-Aufnahme erfolgte mit einem sauteuren Philips Doppel-Cassetten-Apparat in mono.
Nach jeder Aufnahme / "Spur" wurde die Gesamt-Aufnahme nat. schlechter.

Aber: mir fehlte gefühlt nichts, da ich weder Sequenzer kannte oder mir noch weitere Synthesizer bewusst waren.
Minimoog kannte ich nicht, die gab es ja nicht in den Bestell-Katalogen.

Danach kam meine "Life"-/Bühnen-/ Entertainer-Zeit mit Koffer-Orgel, 1986 dann mit Begleit-Keyboard JVC KB-800.
Und immer keimte der Wunsch, Tracks zu machen. Und nicht Schneewalzer und Ententanz auf den Gartenfesten oder Hochzeiten.

Doch GEAR war Mitter der 1980 extremst teuer.
Deshalb machte nun Tracks (übergangsweise) mit meinem JVC KB 800 (!).
Dieses verdammte Ding hatte kein Crash-Cymbal, ich litt regelrecht dadrunter,
Wie sehr hätte ich doch ein Crash, ein echt klingendes Piano und ein Orchester-Hit gehabt.
Diesen Hit hatte doch tatsächlich mein Kollege in seinem günstigeren fucking Techniks-Begleit-Keyboard, sogar als Quarte abfeuerbar, Wahnsinn.

Dann kaufte ich mir ein Casio SK-5 für 348,00 DM mit Netzteil, weil der mit seinen 4 gepufferten Samples scheinbar mehr konnte, als ein viel teurerer S-612,
Und ich konnte nun diesen Orchester-Hit chromatisch selbst spielen, klang etwas muffig, aber ein Träumchen ging damit in Erfüllung.
An weitere Orchester-Hits kam ich nirgends ran, es gab ja keine Librarys und Off-Records von Classic-Platten waren mir fremd.

Dann 1987 einen Ensoniq ESQ-1 gekauft und mit 3150,- DM richtig überschuldet.
ich habe mir Orchester-Hits darauf mittels multi-multi-Layern selbst gebastelt, ging sogar.
Als die Finanzen wieder schwarze Zahlen brachten, kam eine TR-626 ins Haus und somit endlich ein echtes Chrash-Cymbal !!!

Nun träumte ich von einem realistischem Chor, also sparte ich für einen richtigen Sampler, gebraucht natürlich.
Da kam der sensationelle U-110 ins Land und lieferte plötzlich Klavier, Chor, und weitere ac. Instrumente.
Der Sommer war heiß, und das versprochene Lieferdatum wurde immer weiter nach hinten verschoben.
Es hieß, Roland käme mit der Produktion kaum hinterher, so groß war die Nachfrage.
Ich habe mein U-110 geliebt und verehrt, er lieferte genau das, wovon ich jahrelang träumte, sogar ein tolles Crash.

Ein Sampler musste folglich trotzdem her, es wurde ein (defekter) Dynacord ADS für utopische 3300,- DM. der brachte mir nicht wirklich Spaß und die erhoffte Freiheit.
Auch nicht auf maximale 8 MB aufgerüstet (nochmal 4-stellige Summe investiert).
Richtig teuer wurde es aber, als ich ASR-10R und S2800i nagelneu aus dem Laden meines Vertrauens schleppte.
Der eine sollte als Drum-Sampler, der andere als General-Sampler dienen, völliger Mumpits aus heutiger Sicht, ich weiß nicht, was mich da geritten hatte, GEAR halt.
5000 DM für ein Sampler war halt mittlerweile ziemlich "günstig", andere hatten sich halt ein neues Auto gekauft.

Ab da ging die Preiskurve (Anf. der 1990er) für fast alles immer weiter in die Keller, und irgendwann konnte ich mir vieles kaufen, was mir all die Jahre immer verwehrt wurde.
Entweder weil es das nicht gab, oder ich von der Existenz nicht wusste, oder weil es halt viel zu teuer war.
So, entstand bei mir auch GEAR nach Instrumenten (haupts.Synth und Sampler).

Heute bin ich fast ergraut und auch irgendwie dankbar, diese (später erfüllten) Träume aufgrund von jahrelanger Unerreichbarkeit, Limitiertheit, und techn. Begrenztheit durchlebt zu haben.
Welche Träume hat ein heute junger Synth-Interessierte, der nebst Rechner nach DAW-Einkauf mit Synthesizern tausende Hits, Crash, GB-Pianos für unter 1000 Euro zur Verfügung hat.
Schon gewaltig alles, auf der Zeitleiste ein regelrechter Schuss, was da alles technisch möglich geworden ist.

Vielleicht auch spannend, von anderen zu lesen, die mit ihrem ungewollten Wenigen und unerfüllbarem GEAR ursprünglich maximale Musik machten.
Grüße
 
ich hatte ja hier auch schon mal über meine Anfänge mit Bontempi-Homekeyboard, PSR-6 und Casio DH-100 geschrieben ... :mrgreen: aufgezeichnet ebenfalls mit Kasetten-Overdub und einem alten Bandechogerät.
Der Wechsel zum Casio HT-3000 (immerhin mit analogem Resonanzfilter) war da schon eine Art Quantensprung ...

Deshalb machte nun Tracks (übergangsweise) mit meinem JVC KB 800
Mein JVC KB 500 habe ich neulich mit dem TAL-Sampler abgesampled - zumindest die Sounds, die ich für brauchbar halte. 👍

kaufte ich mir ein Casio SK-5
Einen SK-1 habe ich auch noch rumfliegen - den habe ich aber mal spaßeshalber bei eBay geschossen und nicht schon seit den 80ern am Start gehabt.

ich konnte nun diesen Orchester-Hit chromatisch selbst spielen, klang etwas muffig, aber ein Träumchen ging damit in Erfüllung.
Ich dachte bisher, dass ich der einzige hier bin, der auch Gefallen an Orchester-Hits hatte (und manchmal immer noch hat). ;-)
Der erste vom Roland D10 (und später D50 mit Erweiterungskarte) klang nicht besonders realistisch, ließ sich aber in den sehr tiefen und sehr hohen Lagen mit interessanten Ergebnissen spielen.
Mit General Midi (ich hatte mal einen Kawai Gmega-Expander) wurde dann alles anders ...

Da kam der sensationelle U-110 ins Land und lieferte plötzlich Klavier, Chor, und weitere ac. Instrumente.
Den U-20 fand ich immer interessant, hätte ihn mir aber nicht zusätzlich zum D-10 hinstellen können (und am D10 konnte man immerhin recht gut selbst Klänge bauen, dank Resofilter und Ringmod).
 
Vielleicht auch spannend, von anderen zu lesen, die mit ihrem ungewollten Wenigen und unerfüllbarem GEAR ursprünglich maximale Musik machten.
Dake fuer deine Story! Gibt mir auch zu denken, und weniger Grund zum Beschweren ;

Bei mir ist es irgendwie fast umgekehrt ...

Ich wohne seit 2020 in Brasilien, hier gibt es vieles nicht (Eurorack? Was ist das?) - und was es gibt, ist viel teurer als in Europa (Bsp: ein simpler Boog kostet hier satte 1000EU umgerechnet). Importieren geht auch nicht, kommen immer 100% Einfuhrzoll drauf und dauert im dümmsten Fall drei Monate oder mehr.

Bin damals nur mit zwei Koffern hergezogen, hab aber einmal im Jahr die Möglichkeit nach Deutschland zu reisen ... von daher gehts. Kann mir nur nicht schnell mal eben was kaufen, wie in Deutschland.

Und habe daher gelernt, das was ich habe zu vertiefen und man braucht am Ende auch nicht viel, ...

Na das nur kurz aus einer anderen Perspektive ;-)
 
Im „wie habt ihr angefangen…“ Thread bereits geschrieben, aber die Anfänge kurz nochmal hier:

1980 erhielt mein Bruder eine Solina A215 Heimorgel. Im Schwerpunkt beschäftigte ich mich damit.
Federhall, Repeat Funktion (entspricht einem Pulswelle VCA LFO), Begleitautomat mit Rythmus-„Klopfgeist“.
Das war eine schöne Experimentierwiese außerhalb von Hopsasa Tralla.

1982: musste da noch ein drittes Manual drauf mit ausgefallenen Klängen. Da bot man mir ein Yamaha CS15 (Ladernhüter aus Inzahlungnahme) im örtlichen Musikgeschäft an.
Ab da war es um mich geschehen. Das bis heute anhaltende Hobby „Synthesizer“ war geboren.
Es folgten Ping Pong-Aufnahmen mit Y-Kabel und zwei einfachen kleinen Kassettenrekordern bis zur verrauschten Unkenntlichkeit des Materials.

Dann folgte Anfang 1984 ein Schulprojekt eines damals Oberstuflers in Anlehnung an Kraftwerk und Co: Schülerband nur mit Synthesizern.
Es fanden sich doch eine handvoll Jungs zusammen und es wurde folgendes angeschleppt:
(mein) CS15, Poly 800, CS40M, Monopoly und einer hatte ganz neu einen DX9.
Nach gut 2 Jahren hatte ich Analog Filtersweeps und UFOs in allen Farben durch. Die kratzenden, zerrenden und metallischen Sounds des DX9 haben mich total geflasht.
So ein Ding musste ich haben!

Im selben Jahr lief mir dann ein gebrauchter DX9 vor die Flinte, 3 2 1 meins!

Ab da wurde dann mit ein paar Überbleibseln aus dem Schulprojekt als Synthesizerband richtig los gelegt, dann kam noch ein Schlagzeuger dazu und löste einen Presetklopfer von Korg ab, KR?? (Bezeichnung vergessen, da nicht meiner). Kurz darauf kam noch ein Gitarrist dazu und der Kollege mit dem ersten DX9 wechselte seine musikalischen Interessen und stieg aus.

Wir waren ein eingeschworener Haufen und in jeder freien Minute spielten wir bis 1987 synthlastige Cover und eigenes Zeug. Ab 1986 auch mit Sängerin. Regelmäßige Auftritte in Jugendclubs etc.

1987 wurde es dann immer schwieriger in der Band, da die Geschmäcker von uns 16-18 Jährigen immer mehr auseinander drifteten.

Im Frühjahr 1987 kaufte ich mir dann einen Atari ST und im Herbst dann C-LAB Creator.
Eine ideale Lösung um langen Diskussionen innerhalb der Band auszuweichen und mein eigenes Zeug zu machen.
Die Band in alter Besetzung löste sich auf. Von da ab machten wir zu dritt inclusive Gitarristen und zzgl. Sängerin weiter.
Es wurde ein TX81Z wegen Multimode (haha) und eine HR16 angeschafft.

1988 dann für lang angesparte 3900 DM der S-330.

Was hatte ich allein und hatten wir als Band in den End80ern und Anfang 90ern einen inflationären Output. Die Diskettenstapel mit Songideen wuchsen und es machte unheimlich Spaß mit diesen begrenzten Mitteln.

Bis rund 1998 (da war das Studium fertig und ich musste/durfte ab da Arbeiten) drehte sich eigentlich mit immer steigendem „Fuhrpark“ alles nur um die Musik.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ende der 1970er begann ich die ersten "Tracks" mit meiner Bontempi-Orgel aufzunehmen.
Dabei versuchte ich irgendwie, sämtliche single und Hidden-Sounds aus der Orgel zu triggern, wie z.B.
SD, HH, oder Bässe, die eine Okt. tiefer waren, als dies jeder Begleit-Style im Preset lieferte.
Die "Mehrspur"-PingPong-Aufnahme erfolgte mit einem sauteuren Philips Doppel-Cassetten-Apparat in mono.
Nach jeder Aufnahme / "Spur" wurde die Gesamt-Aufnahme nat. schlechter.

Aber: mir fehlte gefühlt nichts, da ich weder Sequenzer kannte oder mir noch weitere Synthesizer bewusst waren.
Minimoog kannte ich nicht, die gab es ja nicht in den Bestell-Katalogen.

Danach kam meine "Life"-/Bühnen-/ Entertainer-Zeit mit Koffer-Orgel, 1986 dann mit Begleit-Keyboard JVC KB-800.
Und immer keimte der Wunsch, Tracks zu machen. Und nicht Schneewalzer und Ententanz auf den Gartenfesten oder Hochzeiten.

Doch GEAR war Mitter der 1980 extremst teuer.
Deshalb machte nun Tracks (übergangsweise) mit meinem JVC KB 800 (!).
Dieses verdammte Ding hatte kein Crash-Cymbal, ich litt regelrecht dadrunter,
Wie sehr hätte ich doch ein Crash, ein echt klingendes Piano und ein Orchester-Hit gehabt.
Diesen Hit hatte doch tatsächlich mein Kollege in seinem günstigeren fucking Techniks-Begleit-Keyboard, sogar als Quarte abfeuerbar, Wahnsinn.

Dann kaufte ich mir ein Casio SK-5 für 348,00 DM mit Netzteil, weil der mit seinen 4 gepufferten Samples scheinbar mehr konnte, als ein viel teurerer S-612,
Und ich konnte nun diesen Orchester-Hit chromatisch selbst spielen, klang etwas muffig, aber ein Träumchen ging damit in Erfüllung.
An weitere Orchester-Hits kam ich nirgends ran, es gab ja keine Librarys und Off-Records von Classic-Platten waren mir fremd.

Dann 1987 einen Ensoniq ESQ-1 gekauft und mit 3150,- DM richtig überschuldet.
ich habe mir Orchester-Hits darauf mittels multi-multi-Layern selbst gebastelt, ging sogar.
Als die Finanzen wieder schwarze Zahlen brachten, kam eine TR-626 ins Haus und somit endlich ein echtes Chrash-Cymbal !!!

Nun träumte ich von einem realistischem Chor, also sparte ich für einen richtigen Sampler, gebraucht natürlich.
Da kam der sensationelle U-110 ins Land und lieferte plötzlich Klavier, Chor, und weitere ac. Instrumente.
Der Sommer war heiß, und das versprochene Lieferdatum wurde immer weiter nach hinten verschoben.
Es hieß, Roland käme mit der Produktion kaum hinterher, so groß war die Nachfrage.
Ich habe mein U-110 geliebt und verehrt, er lieferte genau das, wovon ich jahrelang träumte, sogar ein tolles Crash.

Ein Sampler musste folglich trotzdem her, es wurde ein (defekter) Dynacord ADS für utopische 3300,- DM. der brachte mir nicht wirklich Spaß und die erhoffte Freiheit.
Auch nicht auf maximale 8 MB aufgerüstet (nochmal 4-stellige Summe investiert).
Richtig teuer wurde es aber, als ich ASR-10R und S2800i nagelneu aus dem Laden meines Vertrauens schleppte.
Der eine sollte als Drum-Sampler, der andere als General-Sampler dienen, völliger Mumpits aus heutiger Sicht, ich weiß nicht, was mich da geritten hatte, GEAR halt.
5000 DM für ein Sampler war halt mittlerweile ziemlich "günstig", andere hatten sich halt ein neues Auto gekauft.

Ab da ging die Preiskurve (Anf. der 1990er) für fast alles immer weiter in die Keller, und irgendwann konnte ich mir vieles kaufen, was mir all die Jahre immer verwehrt wurde.
Entweder weil es das nicht gab, oder ich von der Existenz nicht wusste, oder weil es halt viel zu teuer war.
So, entstand bei mir auch GEAR nach Instrumenten (haupts.Synth und Sampler).

Heute bin ich fast ergraut und auch irgendwie dankbar, diese (später erfüllten) Träume aufgrund von jahrelanger Unerreichbarkeit, Limitiertheit, und techn. Begrenztheit durchlebt zu haben.
Welche Träume hat ein heute junger Synth-Interessierte, der nebst Rechner nach DAW-Einkauf mit Synthesizern tausende Hits, Crash, GB-Pianos für unter 1000 Euro zur Verfügung hat.
Schon gewaltig alles, auf der Zeitleiste ein regelrechter Schuss, was da alles technisch möglich geworden ist.

Vielleicht auch spannend, von anderen zu lesen, die mit ihrem ungewollten Wenigen und unerfüllbarem GEAR ursprünglich maximale Musik machten.
Grüße

Limitations force you to be creative. (Brian Eno)

Stephen
 


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