Digitales Filter - Flankensteilheit quasi unendlich möglich?

du hast das "durch null teilen" ins spiel gebracht und sonst niemand. und ich fand es unverständlich, weil ich nicht sehe, wo man eine division überhaupt bräuchte beim filterdesign.

Weil diese Division in der Natur der Flankensteilheit liegt. Sie ist in dem Verhältnis von Dezibel (logarithmische Zahlenskala) zu Oktave (Intervall zwischen Frequenz f und f*2) [->dB/Okt] begründet bzw. im Verhältnis von Spannung (in Volt) zu Zeit (in Mikrosekunden) [->V/μs]. Das ist die ganz reale Physik hinter der Flankensteilheit. Lässt man die Physik außen vor, weil man diese Zusammenhänge durch einen Computer in virtueller Weise abarbeiten lassen möchte, dann MUSS man mittels der Mathematik an die Sache herangehen.

Um die Frage, die im Threadtitel steht (Digitales Filter - Flankensteilheit quasi unendlich möglich?) auf den Punkt genau beantworten zu können, muss man die Mathematik verstanden haben, die nun mal Grundlegend für die Flankensteilheit ist. Und wenn man sich diese Verhältnisse anschaut, dann kann eine (quasi) unendliche Flankensteilheit dann, und nur dann, erreicht werden, wenn man letztendlich eine mathematische Grundrechenregel bricht. Weil eine Größer werdende Flankensteilheit aus einer Grenzwertbetrachtung ersichtlich wird, wenn man den Nenner gegen null laufen lässt. Null selbst geht aber arithmetisch einfach nicht. Darum ist grundsätzlich nur eine endliche Flankensteilheit möglich.

Das kann man alles prima aus diesen Verhältnissen zwischen dB/Okt und V/μs herleiten.
 
Es gibt übrigens Filter mit Nullstellen. Die lassen an genau einer Frequenz nichts vom Eingangssignal durch.

Im echten Leben ist die Dämpfung natürlich nicht unendlich, generell ist Analog-Technik ja erbärmlich schlecht, was die Umsetzung der theoretischen Vorgabe angeht.
Vor allem wenn sie bei bei Raumtemperatur (also ohne Stickstoffkühlung) betrieben wird, rauscht sie wie ein Wasserfall. Was diverse DAW-Kiddies dann ja auch immer mal wieder "ist mein (neues Analog-)Gerät defekt" fragen lässt, nur weil es nicht mal 100dB Rauschabstand hat...

An so einer Nullstelle ist die Asymptote des Frequenzganges ein senkrechter Strich, die Steilheit also "unendlich". Oberhalb der Nullstelle steigt das Ausgangssignal aber wieder an, insofern keine "Flankensteilheit". ( ... euer Problem mit "durch Null kann nicht" tritt also auch schon bei ganz realen Filtern auf...)

Früher waren (analoge) Anti-Aliasing-Filter oft solche Filter mit Nullstellen ("elliptische Filter").
Heute ist die Antialiasing-Filterung ja komplizierter, da hat man ein minimales analoges Filter, tastet "viel zu hoch" ab, und das eigentliche, steile Anti-Aliasing für die niedrige Ziel-Sample-Rate ist digital implementiert. Durch ein zweckmäßig gewähltes Quantisierungsrauschen filtert das Filter dann auch noch das meiste davon wieder raus, so dass man in "echt analog" nur ein paar Bit braucht um die Brutto 24 Bit zu bekommen, die ausgegeben werden. (Der reale Störabstand sind so um 100 bis 120dB, entsprechen also bis zu 20Bit ...)

Übrigens ist die Flankensteilheit immer ein ganzes Vielfaches von 6dB/Oktave (genauer: log10(2)*20). Es gibt keine Filter, die eine Flankensteilheit von 3, 7 oder 71dB/Oktave haben. Ein Weißes-zu-Rosa-Rauschen-Filter nähert seine -3dB/Oktave über einen gewissen Frequenzbereich an, für die Flankensteilheit, das ist die Asymptote für "Frequenz geht gegen unendlich", muss das auch immer ein ganzzahliges Vielfaches von 6dB/Oct sein. ( ... praktisch also, je nachdem ob das Rosa-Filter mit einer Nullstelle(selten) oder einem Pol(meist) aufhört 0 oder -6dB/Oct.)

Bei digitalen Filtern tritt ein weiterer Effekt auf. Grundsätzlich haben analoge Filter ja eine 1:1 Entsprechung im Digitalen. Da kommt, für "kleine" Frequenzen, wenn man also weit unter der Nyquist-Frequenz (=halbe Samplerate) bleibt, das gleiche raus wie für Analog. Bei höheren Frequenzen "verbeult" sich der Frequenzgang aber, die Nyquist-Frequenz entspricht unendlicher Frequenz. Da hat ein Tiefpass also immer eine Nullstelle.
Digitale Tiefpassfilter, die in der Nähe der Nyquist-Frequenz liegen, sind also steiler im Abfall als ihre analogen Entsprechungen.

Außerdem kann man digital Filter sehr hoher Ordnung bauen. Die dann praktisch durchaus als "Brickwall" betrachtet werden können. Vor allem wenn man das zum anhören haben will. Denn das Gehör kann ja auch nicht beliebige Filtersteilheiten raus hören, da setzt die Mathematik der Physik des Ohres klare Grenzen. (Die "Filter" im Ohr, mit denen das Schall analysiert wird, können ja auch nicht unendlich schmal sein, wenn wir in diesem Leben das Schallereignis auch noch mal auswerten wollen... )
 
Übrigens ist die Flankensteilheit immer ein ganzes Vielfaches von 6dB/Oktave (genauer: log10(2)*20). Es gibt keine Filter, die eine Flankensteilheit von 3, 7 oder 71dB/Oktave haben.

Ich habe mal gelernt, dass jeder Pol eines Filters 6 dB/Oktave entsprechen. Ein Zwei-Pol-Filter hat demnach eine Dämpfung von 12 dB/Oktave, ein Vier-Pol-Filter 24 dB/Oktave.

Der "EnigeersFilter", den ich anfangs ins Spiel gebracht habe, schafft laut Programmierer "20 Order". Ich übersetze das mit "20 Polen" - sofern ich das richtig verstehe - und damit wären das 120 dB/Oktave.

Weshalb der MSK 007 Leapfrog VCF (oben erwähnt) eine Dämpfung von "61dB/octave at the least steep part of the main cutoff slope" (laut Herstellerseite) schafft, ist mir unklar.
 
Das wird gemessen sein, also was das Filter real macht.
Seine "nominelle" Steilheit muss ein echtes Filter ja nirgends "sichtbar" raushängen lassen.
 
Übrigens ist die Flankensteilheit immer ein ganzes Vielfaches von 6dB/Oktave (genauer: log10(2)*20). Es gibt keine Filter, die eine Flankensteilheit von 3, 7 oder 71dB/Oktave haben.

natürlich gibt es filter mit -3db, es geht sogar mit poles and zeros. wenn auch etwas umständlich.

und mit der richtigen kombination aus kaskadieren, versetzen und parallel laufen lassen kann man thereotisch jede beliebige kurve nachzeichnen, inclusive einer halbwegs linearen absenkung von n.

es wäre auch müßig hier zwischen perfekter und nur ungefähr linearer flankensteilheit zu unterscheiden, da du perfektion eh nie hast, nicht mal digital. es gibt dutzende verschiender möglichkeiten so einen filter zu berechnen und sie haben alle andere reponse curves.

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zum schluss noch eine denksportaufgabe für uns alle:

kann man nicht evtl doch einen idealen tiefpassfilter digital bauen, nämlich wenn das audio nur mit 1 bit aufgelöst ist? und wenn ja, wann? wenn wir diese bits als 0 und +1 interpretieren, oder muss es bipolar sein?
 
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Um die Frage, die im Threadtitel steht (Digitales Filter - Flankensteilheit quasi unendlich möglich?) auf den Punkt genau beantworten zu können, muss man die Mathematik verstanden haben, die nun mal Grundlegend für die Flankensteilheit ist.

nein, man muss mal im wörterbuch nachschlagen, was "quasi" bedeutet.
 
Und dann? Ist "quasi unendlich" jetzt eher schon endlich oder doch noch unendlich?
 
zum schluss noch eine denksportaufgabe für uns alle:

kann man nicht evtl doch einen idealen tiefpassfilter digital bauen, nämlich wenn das audio nur mit 1 bit aufgelöst ist? und wenn ja, wann? wenn wir diese bits als 0 und +1 interpretieren, oder muss es bipolar sein?
Wenn man unipolare Signale im Gedankenspiel akzeptiert, wäre es eine Art Glättung der Gleichspannung.
 
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(Die "Filter" im Ohr, mit denen das Schall analysiert wird, können ja auch nicht unendlich schmal sein, wenn wir in diesem Leben das Schallereignis auch noch mal auswerten wollen... )
Man sollte hier besser vom Gehör sprechen, die Signalverarbeitung ab Ohr bis Gehirn gehört ja auch noch dazu. Bei Auswertung von Lautstärke oder Klang löst das Gehör in sog. Frequenzgruppen auf, eine solche hat die Breite von 1 Bark, das sind unter 500 Hz ca. 100 Hz, darüber entspricht 1 Bark ca. einer kleinen Terz. Das entsricht einer Einteilung der Basiliarmembran in Abschnitte zu ca. 1.3 mm.

Die Tonhöhenauflösung hängt von der Dichte der Haarzellen pro Oktave im Corti-Organ ab, das sozusagen die Schwingungen der Basiliarmembran abtastet. Oberhalb von 500 Hz wird eine maximale Auflösung des Gehörs von 3 Cent angegeben. Bei 500 Hz dann 1 Hz.
 
Bei Auswertung von Lautstärke oder Klang löst das Gehör in sog. Frequenzgruppen auf, eine solche hat die Breite von 1 Bark, das sind unter 500 Hz ca. 100 Hz, darüber entspricht 1 Bark ca. einer kleinen Terz.
Und die höchste noch wahrnehmbare Filterflankensteilheit vielleicht entsprechend der Verdeckungskurve? (Spekulier...)
Die hätte nach oben ca. 10,5dB/Bark, nach unten ca. 25,5 dB/Bark. Das läge oberhalb 500Hz also in der einen Richtung etwa in der Größenordnung eines 5-Pol-, in der anderen Richtung eines 12-Pol-Filters.
 
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Und dann? Ist "quasi unendlich" jetzt eher schon endlich oder doch noch unendlich?

naja, ich denke es ist genau ein 1/unendlich weniger als unendlich. auf jedenfall nicht gleich.

Und die höchste noch wahrnehmbare Filterflankensteilheit vielleicht entsprechend der Verdeckungskurve?

auf jeden fall ist das lautheitsempfinden nicht bei jeder frequenz gleich, und der verlauf alles andere als linear. das gleiche gilt für das verhältnis zwischen druck und lautheit (fletcher munson)

welche teile davon das gehrin in welcher situation wieder glättet oder auch nicht, kann niemand mehr messen.

wenn man versucht filter zu kaskadieren, dann denkt man oft wow, eignetlich hört sich -48 db fast genau so an wie -54db.

das liegt aber daran, dass der unterschied natürlich bei jedem schritt immer kleiner wird. wenn man immer verdoppelt (6, 12, 24, 48, 96) bekommt man schon eher das gefühl dafür, dass da auch noch mehr geht (was man dann aber nicht mehr wirklich selbst hören kann)
 
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Ist doch alles super. Hat hier doch sehr viel Austausch zum Thema gegeben und niemand ist persönlich geworden.

War nur spaßig gemeint von mir... :schwachz:

Ich hab hier ne Menge mitgenommen.

Das empfinde ich ebenso. Also mir hat die Diskussion geholfen zu verstehen, dass man nicht einfach so einen digitalen Filter nach meinen anfänglich rudimentären Vorstellungen umsetzen kann. Daher an dieser Stelle einfach mal so ein dickes DANKE an alle Mitwirkenden!! :lieb:
 


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