Klangfarbenkomposition

Je populärer die Musik strukturiert ist, desto mehr würde ich das so annehmen. Für gänzlich neue rein elektronische Musik mag das ggf. anders sein, parallelen zur Produktion mit mehreren Kanälen sind da auch herstellbar. In Teilen.
 
Im Buch „Analog Days“
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bin ich auf diese Passage gestoßen:

By Wendy (Carlos) own estimate, there were only about „half a dozen basic sounds“ available in analog instruments. So how could she possibly manufacture the varied tonal nuances of Switched-On Bach? Bypassing the Moogs voice limitations, Wendy developed her rich musical range by learning how to rapidly „jump from timbre to timbre“, so that, according to Wendy, listeners (including Bob) imagined they heard „greater timbral resources than really existed“ in the machine itself...

Würde vielleicht auch in Moogulators Thread „Kann analog noch überraschen“ passen
viewtopic.php?f=2&t=9970&p=478567&hilit=kann+analog+%C3%BCberraschen#p478567
 
Carlos' Klänge haben mich pers. allerdings nicht besonders erstaunt. Habe das erst gehört als ich bereits selbst einen Synthesizer besaß und dachte - Ooookay, das ginge aber jetzt auch radikaler, fetter, sonstwas. Da hat Tomita schon im vergleichbaren Genre durchaus mehr "huch" Faktor. Nur so subjektiv gesagt…
Das ist ja eh subjektiv insgesamt. Auch die Abteilung "hab ich noch nie gehört". Hab wohl auch das Pech nicht mehr Kind zu sein.

Das umstellen der Timbres ist eins, das dynamische verändern hier und da ein anderes. Das ist in der Tat der wichtige Teil beim Sound. Wenn's statisch ist, dann ist meist ein Player am Werk, dem der Klang ggf. nicht so wichtig erscheint? Heute klingt ja vieles relativ schon ganz gut, deshalb ist das durchaus auch eine Art Stagnation die passieren kann. Siehe Jupiter 80 Thread - Die Konstruktion eines Instruments unterstellt rel. bald Prioritäten.
 
Moogulator schrieb:
Carlos' Klänge haben mich pers. allerdings nicht besonders erstaunt...

Nee, richtig erstaunt - nicht wirklich. Viel "normale" Cross-Modulations.

Die Arbeitsweise war wohl klangfarbentechnisch verblüffend einfach:
mit wenigen Klängen auszukommen, indem man sie immer wieder abwechselte,
statt neue zu verbraten. Klang stand ja bei der SOBach-Umsetzung nicht wirklich im Vordergrund, sondern eben Bach. Dennoch: für damalige Zeiten... :nihao:
 
Nicht vergessen, Walter hatte damals jede einzelne Stimme mit Händen und Füssen live eingespielt.
Das zusammengemischte Ergebnis ist mir tatsächlich etwas zu sehr ensemble-mässig verschwommen.
Aber wer hatte damals schon eine Vorstellung, wie ein Mix mehrerer, stark artikulierter Moog-Spuren klingen wird?
 
mc4 schrieb:
Nicht vergessen, Walter hatte damals jede einzelne Stimme mit Händen und Füssen live eingespielt.

Zum Teil auch viel Bandschnipselgefummel und auch mit halber
Geschwindigkeit eingespielt (deswegen die teils slapstickartige
Wirkung :)
 
Lt. Carlos wurde das alles per Hand gespielt. Das ist durchaus eine respektable Lösung. Klare Sache. Möchte ich nicht schmälern, wenn man etwas gut vom Blatt oder frei spielen kann. Gebe zu, dass mein Schwerpunkt eher nicht bei Interpretationen liegt. Die damaligen Rock-Interpretationen div. Klassik und Romantik-Werke waren nicht so meins. Aber mit Fusion und Prog-Rock hat man das quasi durchaus interessant wieder versucht zu re-integrieren in die Popmusik.
 
Moogulator schrieb:
Die damaligen Rock-Interpretationen div. Klassik und Romantik-Werke.....
Die eigenen Sachen wie "Timesteps" oder spätere Werke zeigen eher, was sie drauf hatte.
Auch wenn es um andere Tonskalen ging.
 
Wendy Carlos machte ernsthafte Interpretationen von Bach und anderen, halt nur mit Synthesizer.
Da wurde nichts wie bei Tomita nach Gutdünken weggelassen oder hinzugefügt.
Und es ging auch nicht darum, mit knalligen Sounds irgendjemanden zu beeindrucken.

Mit einer Ausnahme - dem 2. Satz des 3. Brandenburgischen Konzerts, der Raum für Improvisation lässt.
Folgerichtig hat sie diese Ansammlung von Synthesizereffekten, mit der man 1968 sicherlich noch die Zuhörer beeindrucken konnte, bei der späteren Neuauflage auf "Switched-On Brandenburgs", also zu einem Zeitpunkt, als Synthesizer schon weitgehend Allgemeingut waren, konsequent weggelassen.
 
Markus Berzborn schrieb:
...Und es ging auch nicht darum, mit knalligen Sounds irgendjemanden zu beeindrucken.

Damals keimte und gärte der Klangfetischismus noch richtig. Eine Kreuzmodulation war da schon was.
WC hätte die Bach-Sachen auch mit noch mehr Klangvielfalt durchziehen können, beschränkte sich aber
auf relativ wenige Klänge, wechselte dafür mehr ab; DAS fand ich interessant. Also keine inflationären
Klangejakulationen, sondern Reduktion...und dennoch abwechslungsreich.

...Folgerichtig hat sie diese Ansammlung von Synthesizereffekten, mit der man 1968 sicherlich noch die Zuhörer beeindrucken konnte, bei der späteren Neuauflage auf "Switched-On Brandenburgs", also zu einem Zeitpunkt, als Synthesizer schon weitgehend Allgemeingut waren, konsequent weggelassen.

Bei Bach auch noch gut machbar, da das Werk mit seiner klassischen Tonhöhenorientiertheit schon einiges hergibt.
Aktuellere Elektroniksachen oder Ambient etc. - also "unsere" Musik - leben nunmal eher von der Klangvielfalt.
 
Bei diesen Bach-Sachen von Wendy Carlos geht es weniger um Klangvielfalt, als vor allen Dingen um Verdeutlichung von Struktur und Polyphonie durch klangfarbliche Schattierungen, und das klappt wirklich oft ganz hervorragend.
Wenn man sich z.B. ihre Versionen der Brandenburgischen Konzerte anhört, das ist schon ziemlich gekonnt und beeindruckend. Der Aufbau der Kompositionen und das Wechselspiel der einzelnen polyphonen Linien wird einem da oftmals viel deutlicher vor Augen geführt als in der traditionellen Instrumentierung.
Aber wer sich weniger für die Musik von Bach als für Synthesizersounds interessiert, für den ist das wirklich nicht das richtige.
 
Markus Berzborn schrieb:
Bei diesen Bach-Sachen von Wendy Carlos geht es weniger um Klangvielfalt, als vor allen Dingen um Verdeutlichung von Struktur und Polyphonie durch klangfarbliche Schattierungen, und das klappt wirklich oft ganz hervorragend.
Genau DAS fiel mir auf, als ich zum ersten Mal "WC" hörte: die Musik wirkt(e) plastisch und ließ
den Bach "transparent" werden; DANACH konnte ich die Original-Bach-Sachen eher nachvollziehen!

Aber wer sich weniger für die Musik von Bach als für Synthesizersounds interessiert, für den ist das wirklich nicht das richtige.
Jain: Durch WC hat sich mir Bach erst erschlossen.
 
Ich meine, ich höre auch gerne die alten Sachen von Tomita, das ist auf seine Weise schon interessant, er hat halt eine sehr eigene, mit nichts sonst wirklich vergleichbare Klangwelt.
Aber bei Tomita hat man immer das Gefühl, dass er sich gedacht hat: "Ich habe 200 Sounds entwickelt, welche klassische Partitur nehme ich mir jetzt mal, um die zur Geltung zu bringen".
Und bei Wendy Carlos meint man, es war eher umgekehrt.
 
Aus aktuellem Anlaß mal wieder den alten Thread ausgebuddelt *
src: http://soundcloud.com/earthcon/electricanimals1-ausschnitt

Jeder einzelne Ton oder Klang-/Tongruppe in „Electric Animals“ ist wie eine Lebensform
in einem Regenwald. Manchmal ist der Sound weiter „hinten“, später hört man ihn ganz
vorne, scheint direkt davor zu stehen, erschrickt vielleicht sogar.

Sounds sind vom ModularSynth. Das Cello, welches ab ca 3 Min. dazu kommt ist echt.

* Hatte ich im "kompressorfreien"-Thread, paßt aber auch zum Thema Klangfarbenkompositionen.
 
Sehr interessante Tierchen! Ich hab mich spontan gefragt, was wohl passieren würde, wenn auch die Rhythmik noch "tierischer" werden würde. Da klingen ja noch einige Dinge "im Takt", oder? (wobei es das ja bei Tieren gar nicht selten gibt, Grillen z.B. oder ein Specht, usw.) Aber so ein wilder hektischer Tumult mittendrin wäre lustig!
Andreas
 
AndreasKrebs schrieb:
Sehr interessante Tierchen! Ich hab mich spontan gefragt, was wohl passieren würde, wenn auch die Rhythmik noch "tierischer" werden würde. Da klingen ja noch einige Dinge "im Takt", oder? (wobei es das ja bei Tieren gar nicht selten gibt, Grillen z.B. oder ein Specht, usw.) Aber so ein wilder hektischer Tumult mittendrin wäre lustig!
Andreas
Bin tatsächlich nicht ganz taktlos ;-)
U. a. laufen da 3 NICHT synchronisierte Step-Sequencer;
asynchron, um den Wald "natürlicher" klingen zu lassen,
Step-Sequencer, um - wie Du richtig erkannt hast - einen "natürlichen" Rhyhtmus
drin zu haben. MEHR Rhyhtmik wollte ich nicht drin haben.

Edit: eher noch ein paar "zufällig" gesetzte Tiere dazu - eine Verdichtung...
 
Der Vollständigkeit halber: In einem Parallelthread gibt’s was zum Lesen zum Thema.
Natürlich stockhausenlastig, da von ElektroDirk gepostet, aber dennoch lesenswert + passend:
viewtopic.php?f=31&t=71172&start=25#p746586

(Der letzte Teil – Arbeitsbericht - wurde bereits anfangs hier im Thread gepostet)
 
A mess in the mass is better than a pain in the ass.

*
Edit: bevor zuviel reingedichtet wird:
wenns der Wahrheitsfindung dient
und uns Musiker dem höheren Ziel näher bringt, nämlich uns als Mensch und Musikschaffende
zu erleuchten und endlich bei der hübschen Nachbarin zu landen, die momentan nicht allzuviel
anhat, verweise ich gerne auch auf Beiträge anderer Forumsteilnehmer.
:nihao:
 
Der Vollständigkeit halber sei der Komponist Haas auch in diesem Thread* genannt, geht es doch um "Spektralmusik":

Aus Wiki: http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Friedrich_Haas
Georg Friedrich Haas gilt als Vertreter der Spektralmusik. Seine Werke zeichnen sich vor allem durch klangliche Experimente aus, die oft auf ein Aufbrechen des zwölftönigen Systems zur intensiven Nutzung der Mikrointervallik und Panchromatik sowie spezieller Obertonreihen zurückgehen. Haas' Ästhetik ist von der Überzeugung getragen, Musik vermöge "Emotionen und seelische Zustände von Menschen so zu formulieren, daß sie auch von anderen Menschen als die ihren angenommen werden können"[2]. So hat Haas mit dem Intellektualismus mancher Strömungen der musikalischen Avantgarde (z.B. des Dekonstruktivismus) gebrochen

* Für (m. E.) „homöopathische“ Klangbeispiele der NM siehe auch diesen Thread:
viewtopic.php?t=81356#p882450
 
Und bald geht´s weiter in diesem thread...
Stichwort!
Anlass um das Forum zusspammen!

und zwar mit machine step

View: https://soundcloud.com/traumlos-kalt/time-breaks-everything

und spacecore

View: https://soundcloud.com/traumlos_kalt/music-for-mars-i


beides Kompositionen bei denen die Klangfarbenmodulation etwa so wichtig ist wie die harmonische Komposition
mit anderen Klängen wird es zu einem anderen Stück

Wie viele habe ich früher habe ich oft mit der Klangfarbe angefangen, dh mit einem Klang der mich inspiriert hat
Inzwischen ist das ganz anders, das meiste wird mit Klavier komponiert oder einem neutralem Sound und die Klangfarbe kommt erst später

Die Klangefarbe ist jedenfalls sehr wichtig, ähnlich wie in der Sprache, wo die Klangfarben den Laut und Vokal ausmachen
und die Tonhöhe nur eine untergeordnete Rolle spielt
 


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