Zufällige Doppelschöpfung

Gestern ist es mir passiert, der Alptraum eines jeden Songwriters bzw. Komponisten...

Vorgeschichte:
Am Montag habe ich mit den Aufnahmen für *den* Song angefangen, der eigentlich der Haupttitel meines nächsten Albums werden soll(te).
Nichts an dem Song ist irgendwie ersetzbar, alles ist aufeinander abgestimmt, Aufbau, Stimmung, usw.

Gestern dann folgende Situation:
Ich gehe nichtsahnend im Plattenladen meines Vertrauens umher und plötzlich höre ich da einen Song über die Lautsprecher, bei dem teilweise Melodie und Harmonien exakt dem ersten Strophenteil meines erwähnten Songs gleichen, mit kleinen Abweichungen, aber die prägnante Kernidee ist dieselbe.
Dabei handelt es sich um 4 (wiederkehrende) Takte, in meinem Song macht dieses Motiv von seiner Bedeutung her ungefähr 30 bis 40 Prozent des Songs und seiner emotionalen Aussage aus.
Dass ich gestern abend ziemlich angepisst war, weiß wohl jeder, der schon einmal in so einer Situation war.

An den besagten Noten und Harmonien lässt sich eigentlich gar nix ändern, ohne die Gesamtatmosphäre des Stücks zu ruinieren.
Jetzt weiß ich nicht ob die geringfügigen Abweichungen zu geringfügig oder groß genug sind, um den Song legitim als meine Eigenschöpfung zu betrachten bzw. später evtl. zu veröffentlichen.
Denn es ist ja so, dass der Sänger des Stücks (wenn ich ihn richtig identifiziert habe - zum Nachfragen war ich zu sehr in Rage...) ein weltbekannter Über-Singer/Songwriter ist und ich wäre froh wenn wenigstens ein paar Hansele mal ne Scheibe von mir privat kaufen würden oder sich meine Musik sonstwie irgendwann mal anhören würden.
Er Goliath, ich kaum was.
Ich hatte gestern den Eindruck, das Lied zum allerersten Mal gehört zu haben, wobei man ja nie ausschließen kann, ob man ein Lied nicht doch schon einmal unbewusst wahrgenommen hat.

Was soll ich tun?
Von der technischen Seite her gäbe es zwei Möglichkeiten:
Das Stück, das mir sehr am Herzen liegt in die Tonne kloppen?
Es aufnehmen und nochmal genau gucken ob die Abweichungen groß genug sind (und falls nicht es dann in die Tonne kloppen)?

Die moralische Seite ist wieder ne andere. Selbst wenn der Song legal und legitim durchgeht... Werde ich mit dem Song noch glücklich, wenn ich weiß, dass es zum Teil eine wohl zufällige Doppelschöpfung ist? Habt Ihr da Erfahrungen mit?
 
Würde ich mich nicht dran stören. Da es ja offensichtlich kein Plagiat ist, sind diese Ähnlichkeiten zufällig, das kommt schon mal vor. Selbst Atmosphären von Stücken können sich geradezu gleichen. Klar, es irritiert insbesondere Dich als Komponisten, aber ist definitiv kein Einzelfall. Falls Du selber den Anspruch auf Unikate hast, dann kannst Du die Gelegenheit nutzen für kleinere Änderungen vorzunehmen, die den Songcharakter und seine Emotion beibehalten und sich damit ersten von diesem anderen Stück zu distanzieren und zweitens zu lernen, worauf es bei Deinem Song ankommt, und welche Sachen vielleicht etwas unwichtiger sind und geändert werden können. Wenn es jetzt nicht zufällig die exakt gleiche Tonart, Kadenzen, BPM etc. ist, dann kann man doch wunderbar mit leben.
 
Ja vermutlich schon... zumindest BPM und Tonart kann man ja gut ändern. Bin grade dabei, eine alternative Idee auszuarbeiten, wobei mir die ursprüngliche doch lieber wäre... doch jetzt hab ich auch noch Ähnlichkeiten mit noch einem anderen - ziemlich bekannten Song aus den frühen 80ern -gefunden den ich verdrängt habe weil ich ihn zum :blerk: finde...

aber das zeigt mir dann auch dass es dieses Motiv, diese Folge, diese Form... noch öfters gibt. Nem Freund von mir erinnert dieser Part an nochmal ein anderes Lied... wobei ich der Meinung bin dass es sich bei meinem Lied - obwohl es auch eine Ballade ist - um einen deutlich anderen Musikstil als bei den bekannten Songs handelt. Ist zwar alles Pop, aber ich glaub mein Song ist hoffentlich etwas unkitschiger als die anderen.
Mal sehn!
 
alles kein problem, warte ein jahr mit der veroeffentlichung, dann kann sich sowieso niemand mehr an die andere nummer erinnern und du wirst beruehmt...
 
Ich bin übrigens davon überzeugt, dass es solche Parallel-Erfindungen immer mal geben wird, man ist irgendwo da doch zu global, selbst vor dem Internet passierte das: An ganz unterschiedlichen Stellen wurde das Auto, die Glühbirne und andere Dinge erfunden.. Mit Musik und Sounds ist das auch so, ich würde (wenn dir dein Track gefällt) einfach weitermachen und sehen, was kommt.. ) Nur aufpassen, denn Plagiatsvorwurf könne passieren.. Ich hab damals sehr radikal gedacht und wollte den Klang daher nicht einsetzen, dennoch hab ich sicher Klänge benutzt, die jeder kann (Prodigy: zeig mir einen Sound, den andere damit nicht hinbekämen) ;-)

Am Minimoog hab ich aber sogar einen Katzendarm ziemlich echt hinbekommen.. Hab ein entsprechendes Preset für den Minimax, leider nur keinen Minimax um es abzuspielen ;-)
 
nein, wollte es nur einmal offiziell sagen, ich hab immer ein bisschen das auge auf mögliche missverständnisse seitens der allgemeinheit. quasi als moderator und admin, weniger als "postender".. keine sorge..

ist wie der moderator, der bei fachbegriffen immer ein bisschen schnell erklärt und so,.. nicht weil ich die leute alle für unterbelichtet halte.. ;-)
 
Man sollte noch die gängige Rechtspraxis erwähnen, die so aussieht: Basslinien, Harmoniefolgen/Kadenzen, Rhythmen sind urheberrechtlich als "nicht schützenswert" eingestuft. Ein Plagiat ist nicht nur von daher sehr schwer nachzuweisen. Das gilt besonders in Deutschland, wo solche Fälle durch Gutachter untersucht werden die als Background klassische Musik haben.
Da wird dann eine Melodie meist auf ein Motiv reduziert, dass es dann irgendwann im 18. Jahrhundert bei Komponist XY schon einmal gegeben hat und das über die Verbreitung quasi als geistiges Allgemeingut gilt.
Sollte also Dein Stück nicht die absolut identische Melodie + Text des anderen haben, sehe ich da kein großes rechtliches Problem...bestenfalls ein persönliches ;-)
 
hosh schrieb:
Da wird dann eine Melodie meist auf ein Motiv reduziert, dass es dann irgendwann im 18. Jahrhundert bei Komponist XY schon einmal gegeben hat und das über die Verbreitung quasi als geistiges Allgemeingut gilt.
stimmt, also am besten immer gleich direkt bei vivaldi abkupfern... aeh... gegenchecken... ;-)
 
Hm, jetzt bin ich mir nicht mehr so ganz sicher ob es überhaupt haargenau dieselben Harmonien/Kadenzen waren. Ich glaub ich mach einfach mal.
Vielleicht finde ich den Song ja nochmal irgendwie zum Vergleichen, wobei sich das als schwierig erweisen dürfte, bei der Anzahl die dieser Mensch veröffentlicht hat. Oder wenn er's gar nicht war, dann noch schwieriger....
ich mach einfach mal.

Drückt mir die Daumen :)
 
Ja, sowieso das Beste... man wundert sich eh, wieviele Hits auf den gleichen Kadenzen fußen!
 
snowcrash schrieb:
stimmt, also am besten immer gleich direkt bei vivaldi abkupfern... aeh... gegenchecken... ;-)

Das ist im Prinzip bei vielen Musikstilen der Normalfall. Nicht gerade abkupfern, aber mindestens mal ziemlich inspirieren lassen. Ist auch alles andere als verboten oder verpönt. Speziell bei Filmmusik, wo mit Motiven gearbeitet wird, findet das geradezu im Übermaß statt.

Wenn man sich die wichtigsten Werke von Debussy, Mahler, Grieg und einer Menge anderer ordentlich reinzieht, dann lernt man nicht nur was dabei, sondern bekommt auch massenhaft Inspirationen.

Popmusik ist weit weniger komplex, da fällt es höchstens eher auf, wenn aus Popmusik für Popmusik adapiert wird. Auch gibt es Leute wie Max Martin, die klar kommerziell erfolgreiche Musik für ihre persönlichen Zwecke studieren und dann sind diese Elemente zumindest von der Machart her in deren Werke zu hören. Martin arbeitete unter anderem für Britney Spears und ihren ersten Titeln hörte man Abba-Style deutlich an. Die Komponisten von Tokio Hotel haben sich ganz schön von Münchener Freiheit inspirieren lassen. Der Song "On my way to LA" von Phil Carmen ist vom Aufbau, Groove und Kadenzen sehr nah an einem Song von Earth & Fire, nur besser gemacht!

Man muss sich nicht zu sehr grämen, wenn man mal was macht, was so klingt wie ein anderer Song. Wenn man seine Identität und den persönlichen Ausdruck deutlich reinschafft und nicht gerade eine komplette Chorus-Melodie erkennbar abkupfert, dann ist das voll in Ordnung.

In der Werbung kommt das ebenfalls häufig vor, weil es Vorgaben gibt, die man aber aus urheberrechtlichen Gründen logischerweise nicht 1:1 kopieren darf, der Auftraggeber aber als Nicht-Musiker das Ergebnis nah an der Vorgabe haben will. Dann werden einzelne Noten so geändert, dass es als eigenes Werk problemlos durchgeht, der Charakter aber beibehalten wird.

Bei Filmsoundtrack passiert das andauernd, dass der Temp Score von der Release-Version kaum zu unterscheiden ist und Jeff Rona, Filmmusiccomposer in LA, hat mal gemeint, dass es dann sehr praktisch ist, wenn man auch der Komponist des Temp Score war, weil man sich dann eben selber zitieren darf :)
 


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