Ich glaube, die Insolvenz von SPV ist weniger ein Zeichen dafür, daß sich der Tonträgermarkt grundlegend ändert -- daß er das in den letzten Jahren getan hat, ist eine allgemein bekannte Tatsache -- oder daß es sich nicht mehr lohnt, CDs zu produzieren, sondern eher dafür, daß es im Nischensegment immer schwerer wird, ein Bein auf die Erde zu bekommen. Oder daß man zu groß für die eigene Nische wird, aber zu schwach für die Expansion nach Außen. Man kann sich auch selbst die Luft zum Atmen abwürgen...
Der Großteil des Marktes ist fest in Majorhand -- die natürlich auch nur rumjammern, wie bescheiden es ihnen gehe und wieviele Künstler sie aussortieren müßten etc. --, und die nehmen natürlich auch Einfluß auf das Kaufverhalten bzw. das Endprodukt, was sich ins Bewußtsein (?) des Konsumenten vorarbeitet. Da steckt unendlich viel mehr an Werbepower und Propagandamitteln hinter als bei einem Klein- oder Kleinstlabel. Leider erhält nunmal eher derjenige alle Aufmerksamkeit, der lauter schreien kann als alle anderen, als derjenige, der wirklich etwas zu sagen hätte.
Nur CDs als Medium laufen nicht mehr so gut wie noch vor zehn Jahren, das ist richtig, also muß man sich der neuen Möglichkeiten bedienen. Macht man halt ein paar Downloadalben für diejenigen, die´s halt unbedingt so haben wollen. Bitte sehr, der Kunde ist König! Bei mir wird eine physische CD allerdings immer mehr zu bieten haben als ein Download (Gestaltung, Inhalt, Spieldauer). Andererseits erlauben einem Downloads wesentlich mehr Möglichkeiten zum Experimentieren: Man riskiert dabei nichts, und am Ende kauft es vielleicht noch jemand, weil man ihm genau das lieferte, was er suchte. Wenn´s keiner kauft... auch gut, zumindest hat man dann nicht 500 CDs in der Küche stehen.
Ein anderes Problem sehe ich darin, daß gerade in kleinen Zirkeln und Szenen die Bereitschaft, noch Tonträger käuflich zu erwerben, deutlich gegen Null strebt. Ich habe es mehrfach erlebt, daß in diesen "familiären Zirkeln", wo jeder jeden kennt, Empörung entsteht, wenn man für seine Arbeit auch noch Geld haben möchte. Ich mußte mich schonmal als "Kapitalistensau" beschimpfen lassen... wie lächerlich ist das bei einer CD-Auflagenstärke von 500 Stück und plusminus Null am Ende, und was liefert das für ein Bild von den Endverbrauchern bzw. deren Attitüde?
Da liegt eher der Hase im Pfeffer: Die Leute wollen für Musik nichts (mehr) bezahlen, weil es ja sowieso keine Arbeit ist, Musik zu machen oder sich die Mittel zum Musikmachen zu beschaffen. Und wenn sie´s dann für lau von irgendwelchen Russenservern ziehen können, scheiß was drauf! Und Qualität? Pah, McDonald´s ist auch lecker!
Wie sagte eine befreundete Galeristen in meinem Wohnort mal so treffend? "Mit unserem Produkt sind wir leider sehr weit am Ende der Luxuskette angesiedelt." Es wird aber immer Leute geben, die sich lieber ein echtes Gemälde an die Wand hängen werden als einen schlechten Kunstdruck aus dem Baumarkt, und genau so sehe ich das mit physischen Tonträgern. Die LP ist vor 15 Jahren für tot erklärt worden; mittlerweile feiert sie fröhliche Urständ als exquisites Sammlermedium. So wird´s auch mit CDs laufen. Nicht heute, nicht morgen, aber irgendwann.
Wie dem auch sei: Ich scheiß drauf und werde weiterhin Musik, die mir persönlich besonders wichtig ist, auf CD veröffentlichen. Es ist ein ganz natürlicher Prozeß, daß es immer wieder rauf- und runtergeht. Jetzt sind wir halt auf dem Weg nach unten, auch wenn das Wirtschaftstechnizisten nicht ins Weltbild paßt... die Bäume wachsen auch nicht ständig in den Himmel. Irgendwann geht´s wieder aufwärts, und wenn nicht... ich hab´ meinen Spaß gehabt.
"Mir doch egal!" (Onkel Hotte)
Stephen