Ich habe jetzt in den letzten 3 Jahren mein "Studio" aufgebaut. Was ursprünglich aus Corona-Langeweile begann (und seinen Ursprung in den 90ern hatte, als ich das erste Mal mit Synths sehr viel Spaß hatte) ist inzwischen "fast fertig". Dabei habe ich zwei Erfahrungen gemacht:
1. Nicht alles, was auf Youtube toll klingt bei professionellen Musikern mit 20 Jahren Erfahrung (z.B. "Mylarmelodies", aber selbst "Blush Response", obwohl Joey noch sehr jung aussieht) ist auch "meins".
Das Kabelwirrwarr bei Eurorack würde mich irre machen und ich hasse es, wenn ich keine Presets speichern kann oder etwas nicht über MIDI mit meinem Sequencer ansteuern kann. Um das festzustellen, habe ich z.B. einen Make Noise O-Coast gekauft und wieder verkauft, einen Eowave Quadrantid Swarm wieder zurückgeschickt oder mich von einem Modal Argon 8M getrennt. Manche Dinge brauchen auch eine kleine Evolution – so ist der Polyend Seq Sequencer total toll für Anfänger, weil er echt in 2 Minuten komplett zu erlernen ist. Später bin ich aber auf den Squarp Hapax gewechselt, der viel mehr kann, aber auch eine andere Denke und Erfahrung erfordert, um all seine Fähigkeiten zu verstehen und zu benutzen. Der Non-Linear Labs C15 klingt bombastisch, ist mir aber zu sehr "Hans-Zimmer-Soundtrack". Ich liebe die dreckigen Sounds, die der PWM Mantis, der Norand Mono oder auch der Sequential Prophet 6 fabriziert und ich habe mir ein paar Vintage Synths aus den 90ern zugelegt weil … die klingen halt wie die Neunziger und die Musik, mit der ich großgeworden bin, die ich mag und die ich machen will.
Also Fazit 1: Musik - auch elektronische - ist Individualgeschmack. Es gibt kein "One Size Fits All" sondern Du musst - genau wie bei Deiner Traumfrau - mit der Zeit selbst herausfinden, was Du liebst und was Dich ankotzt.
2. Mit das Schwierigste ist das Erlernen eines neuen Workflows. Ich habe ursprünglich einen Synth mit der 1010 Blackbox gesampelt und dann mit dem Sequencer aus 16 Samples einen "Song" zusammengebaut, das dauerte keine 10 Stunden. Inzwischen habe ich 12 Synths, kann nicht nur Samples, sondern live Maschinen ansteuern (und dann z.B. Low Pass / High Pass und 1 Million andere Dinge ändern, um den Sound lebendig zu halten). Aber dafür habe ich nicht nur komplett andere Technik gebraucht (z.B. einen 32-Kanal-Summing Mixer), sondern auch einen anderen Workflow. Wo ich Stück für Stück rausfinden musste, wie ich da am besten rangehe und welche Arbeitsweise sich für mich gut anfühlt (z.B. sitze ich den ganzen Tag beruflich vorm Computer und möchte abends keinen mehr sehen). Mein Studio ist zwar jetzt so organisiert und dokumentiert, dass ich auch nach 4 Wochen Schaffenspause damit klarkomme. Aber einen Anfänger würde ich damit innerhalb von 10 Sekunden komplett überfordern und in die Flucht treiben.
Fazit 2: Lernkurven können auch bei intuitivem, benutzerfreundlichem Equipment zu steil sein und den Spaß am Einstieg verderben.
Und das sind die beiden Gründe, warum es keine schlüsselfertigen Synthstudios gibt. Also, ich könnte jetzt mit meiner Erfahrung jemand so ein Studio hinstellen. Aber dann würde der meckern und mich ständig anrufen "das geeeeeeeeeht nicht" (geht doch, Du bist nur zu blöd dazu) oder "das gefällt mir nicht, kann ich nicht was ganz Anderes haben" (ja, aber das kostet nochmal genauso viel und macht auch nochmal 3 Tage Arbeit) und dann gäb's irgendwann juristischen Ärger ("Typ in Midlifecrisis mit viel, viel Kohle zahlt 100.000 Euro für ein schlüsselfertiges Symth-System und ist komischerweise NIE wunschlos glücklich – aus demselben Grund hat er sich auch von seiner 26-jährigen Freundin getrennt, einem kolumbianischen Supermodel"). Und darauf hat einfach keiner Bock.