Kompression vs. Nicht Kompression im Mastering Prozess

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Anonymous

Guest
Im Aural Chemtrails Thread hatten wir ne kurze Diskussion pro/contra Kompression.

Ich bin gegen zuviel Kompression. Wo es sinnvoll ist und musikalisch gut klingt, gern, sonst nicht. Ich denke ohne klingts einfach luftiger.

Robert Henke scheint der gleichen Meinung zu sein:

http://www.carosnatch.com/2010/02/monolake-interview-producing-an-album-with-no-compression/

Was meint ihr? Kompression stinkt oder muß unbedingt dick drauf und wenn ja oder nein warum ja oder nein?
 
Ich setze Kompression oft ein. Egal welche Einstellung, da gibt es für mich keine Regeln.
Wenn es gut ist und klingt und man einen Referenzpunkt hat , dann ist es OK.
 
Ich bin für keine Kompression und dann in den Masterlimiter schieben bis es weh tut. Ist billig, kann jeder Idiot - und es klingt kaum schlechter, als das, was die Kommerzheinis abliefern.

Mal im Ernst: Die Frage geht am Problem vorbei. Mit wenig/keiner Kompression und bei ordentlich Pegel klingt jeder Track ordentlich. Je besser er gemixt ist (*mit* Kompression), desto leiser kann man ihn hören.

Die Reduktion des Crestfaktors (üblicher- und fälschlicherweise "Lautmachen" genannt) hat damit sehr wenig zu tun - das kann man ziemlich Transparent machen, erst wenn man fiese Pegel erreichen will, klingt es scheiße.

Man hat im Prinzip drei unterschiedliche Effekte: Makrodynamik, das was über mehrere Takte geht. Wird von den "Kompression ist böse, also lerne ich das mit dem Pegel gar nicht erst" Heinis meist übertrieben (weil zu laut gemixt wird) und generell eher grobschlächtig eingesetzt. Der Aspekt, das der Sound die wahrgenommene Lautstärke beeinflusst wird unterschätzt - wenn ich in einen Zwischenteil weder Vocals noch Katzendarm (o. Soundäquvalent) habe, dann ist es sowieso schon viel leiser, da muss ich nix absenken.

Mikrodynamik - das was in einem Takt passiert. Hier kommt der druckvolle Sound her. Druck *und* Luftig ist hohe Kunst!
Diese beiden Sachen fangen bei der Komposition an. Wenn du keine Instrumente einplanst, die "Wärme" liefern, dann gibt es auch keine solche, wenn keine Substanz da ist, um die Breitwand aufzuziehen, dann kann man das im Mix nicht dazu zaubern. Und wenn schon alles zugekeleistert ist, dann wird es mit der Luftigkeit nix.

Der dritte ist die Crestfaktoreduktion. (Master-Limiter) Je nachdem, was schon in den Spuren/Bussen gemacht wurde, geht da unterschiedlich viel. Speziell Drumgruppen kann man schon mal etwas vorfräsen (entlastet den Masterlimiter, und atonales Zeugs kann man länger Übersteuern). Hier *immer* mit Pegelausgleich (RMS mit/ohne Limiter auf 1/10 gleich) abhören, wenn man einen Unterschied hört ist es zu viel. Übertreiben macht einen Track ganz schnell zu Brei, das hört man aber nicht korrekt, wenn es gleichzeitig lauter wird.
Das dritte ist technisch unsinnig, wird heute aber gefordert. Wenn man es mit Sorgfalt macht, ist die Klangbeeinträchtigung minimal, und man kann immer noch halbwegs ausreichend laute Tracks abliefern.
Die ersten beiden sind *künstlerische* Entscheidungen, das muss man schon selber wissen. Allerdings sollte sich der werte Künstler davon verabschieden, das sein Track nur im Wohnzimmer bei satt Pegel gehört wird. Der Eigenversuch im PKW bei "man kann sich noch Unterhalten" Lautstärke sollte da für Klarheit in Bezug auf Dynamik und Sounddesign sorgen. (Und mit Verlaub: wer seine Musik "für sich" macht, ohne sich um den Hörer zu kümmern, der kann sie auch für sich behalten. Und wer unbedingt die "ich will das aber so" Nummer abziehen will, möge bitte vorher einen Track abliefern, der zeigt, dass das keine faule Ausrede für pure Unfähigkeit ist. )

In Bezug auf die Kompilation finde ich den fehlenden Einigungswillen übrigens auf dem Niveau von "Und, Junge oder Mädchen?" "Ach, das soll es später einmal selbst entscheiden!"

Man kann nämlich mehrere Tracks nicht zusammenbringen, ohne sich um den Pegel zu kümmern , man *muss* sich entscheiden. Die naive Methode, alle Tracks zu normieren ist dabei weit dümmer, als es auf den ersten Blick aussieht: Der Spitzenwert ist psychokaustisch bedeutungslos - den hört man gar nicht. Und damit ist man exakt da, wo man nicht hinwill: beim Pegelrennen. Dann fräst doch schon mal jeder an seinem Track rum, und wehe, man muss den Sound noch etwas EQ-en - dann hat man schnell mal verloren.
 
wahre Worte!
:supi:

In Schriftgrösse 48 ausdrucken, einrahmen und mittig zwischen der Abhöre aufhängen!
 
...und dann bläst Einen The Prodigy oder Goose trotzdem ordentlich amtlich fürstlich WEG, dass die Bassrelexrohre nur so husten ;-)
 
Hm...The Prodigy...ich fand "Music for a jilted Generation" eigenartig dumpf. Die nachfolgenden Alben waren besser abgemischt.

Ich glaub auch. Fetz hat das Thema so schön auf den Punkt gebracht...da kann der Thread ja jetzt wieder dichtgemacht werden und "gestickt" werden zum Nachlesen zum Thema Kompression. ;-)
 
Man kann auch per Hand "komprimieren", also nachträglich zu laute Stellen per Automation leiser machen und dann wieder die Gesamtlautstärke ein wenig anheben. Zumindest für meine Ohren klingt das meist um Längen besser und ja, das kostet mehr Zeit als wenn man mal schnell hingeht und das ganze Signal platt bügelt.
 
Illya F. schrieb:
Man kann auch per Hand "komprimieren", also nachträglich zu laute Stellen per Automation leiser machen und dann wieder die Gesamtlautstärke ein wenig anheben. Zumindest für meine Ohren klingt das meist um Längen besser und ja, das kostet mehr Zeit als wenn man mal schnell hingeht und das ganze Signal platt bügelt.

Hab die gleiche Erfahrung gemacht.
Manche sounds hingegen provitieren sehr von Kompression bis hin zu einer Charakteraenderung. Gerade dynamisch eingespielte Akkustik sachen ala E-piano, Katzendarm usw. koennen unter Umstaenden homogener klingen. Man ist diesen Klang auch einfach gewoehnt und setzt ihn vorraus. Ich meine hier die Einzelspurbearbeitung. Summenkompression sollte man nicht "hoeren" koennen, es sei den es wird im Sinne eines Effekts verwendet, dann aber moeglichst nur punktuell verwendet und dezent mit "ich will noch mehr" Charakter. Also dem hoerer nicht ganz das geben, was noch gehen wuerde.
 
henke deutet es in seinem interview auch an... bei rein elektronischer musik kannst du dynamikentscheidungen bereits mit dem sounddesign treffen.
ein eingespielter e-bass zb muß hingegen komprimiert werden, weil er sonst stellenweise zu dominant ist und in anderen passagen untergeht.

die summenbearbeitung ist dann ein anderes thema und auch eher diskussionswürdig... es gibt ja vom tischmeyer diesen dynamic range-messer, da komme ich mit werten bis ca. dr8 gut klar, alles drüber ist schon eher anstrengend zu hören. kommt aber auch teilweise aufs genre an - ne metalplatte soll nicht "luftig" klingen und braucht daher auch kein dr14.
 
@ C0r€

Ja klar, bei einzelnen Instrumenten finde ich Kompression auch gut. Als ich z.B. noch viel mit Drums und Percussion (Samples) an Musik machte, habe ich sehr gerne die Drums per Kompressor geformt, sonst hätte ich das ja über Hüllkurven machen müssen und mir hat das klanglich halt auch gefallen. Bei so Resonator-Krams mache ich das auch, weil es da schon mal zu Ausreißern im Zehnerpack kommen kann, zumindest bei mir. Würde nicht auf Kompression von Einzelsignalen verzichten wollen, aber in der Summe nutze ich das praktisch nicht mehr, weil es dann eben irgendwann alles nur noch laut ist und, wenn nach Laut nicht mal leise kommt, dann geht mir das zu sehr aufs Gehör.
 
Illya F. schrieb:
Man kann auch per Hand "komprimieren", also nachträglich zu laute Stellen per Automation leiser machen und dann wieder die Gesamtlautstärke ein wenig anheben. Zumindest für meine Ohren klingt das meist um Längen besser und ja, das kostet mehr Zeit als wenn man mal schnell hingeht und das ganze Signal platt bügelt.

Meistens mach ich das schon beim einspielen, um das auch als kompositorisches Mittel zu nutzen.
 
Obgleich ich selber nicht an der Kompilation beteiligt bin: Die wichtigen Sätze von Fetz sind:

Fetz schrieb:
In Bezug auf die Kompilation finde ich den fehlenden Einigungswillen übrigens auf dem Niveau von "Und, Junge oder Mädchen?" "Ach, das soll es später einmal selbst entscheiden!"
Man kann nämlich mehrere Tracks nicht zusammenbringen, ohne sich um den Pegel zu kümmern , man *muss* sich entscheiden.
Also einigt Euch ;-)

Mein Tipp: Das komplette Playback (incl Effektreturns!) bis auf die Drums in eine Subgruppe. Diese Subgruppe bekommt einen Kompressor, und dieser Kompressor wiederum wird über die Sidechain von den Drums angesteuert. Damit erzielt man die von Fetz im zweiten Punkt angesprochen Reduktion der Mikrodynamik auf einfach Weise.
Wie bemisst man ob es zuviel oder zu wenig ist? Man hört sich die komprimierte Subgruppe ohne Drums an, und dort darf man die Lautstärkeeinbrüche durch die Kompression während der Haupt-Schläge hören. Dann schaltet man die Drums wieder zur Abhöre dazu und dann darf man die Lautstärkeeinbrüche durch die Kompression nicht mehr hören.

Wenn man sehr prägende Flächen oder langen Hall einsetzt, dann können die Kompressions-"Dellen" bei den Flächensounds stören; dann entweder die Kompressionsration zurücknehmen oder die Flächen/den Hall ganz aus der komprimierten Subgruppe rausnehmen.

Das ganze kann man mit jeder üblichen DAW machen. Und auf analoger Ebene geht das mit jedem Mischpult mit zwei Stereo-Bussen und einem Kompressor mit Sidechain Eingang.
 


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