Mein Weg zum (klaren) Mix

borg029un03

Elektronisiert
Inspiriert durch diesen Thread hier:

dachte ich mir das machen eigentlich viel zu wenige Leute (zugegeben ist auch ne Menge Arbeit) und präsentieren einfach mal die eigenen Methoden zum Mix. Das ist jetzt keine Schablone für jeden Song, aber ich versuch nach stehend zu erklären was ich mir dabei gedacht hab und vielleicht ist für den einen oder anderen was mit dabei. (Klaren) Mix hab ich jetzt auch erstmal ausgeklammert, weil ich nicht immer den Anspruch auf etwas klares hab. Als Vorlage und für die nachfolgenden Screenshots, diente folgender Track (der ist irgendwo Mainstreamiger ;-) ):


https://soundcloud.com/sunexplosion-records/m-brauer-port-ruighe


Noch ein paar Vorworte:
Ich produziere Elektronische Musik und einige der Prozesse finden schon während der Produktion statt und werden kontinuierlich verbessert, bis das Projekt abgeschlossen ist.
Einige Bouncen auch alles um quasi Produktion von Mix abzugrenzen, kann man machen und ist vielleicht auch sinnig wenn man zu jenen Perfektionisten gehört, die sonst ewig an allem rumschrauben würden, so dass der Track nicht fertig wird. Ich gehöre nicht dazu, bei mir zählt minimaler Aufwand zu größt möglichem Effekt ;-)
Ich benutze Ableton und Mixe darin auch alles und für den Großteil dieses Prozesses reicht mir auch der Hausinterne Stuff.

Ok wo fangen wir an? Ganz klassisch bei der Lautstärke. Es ist, sag ich mal, das Intensivste Werkzeug mit dem man das Soundbild gestalten kann (im Mix nicht Produktion) und so bin ich bemüht ein homogenes Bild zu schaffen, so dass alle Elemente eine gewisse Präsenz haben. Jetzt ist unser Gehör dummerweise ein Arschloch und hört nicht linear. Bässe hören wir schlecht, im Sprachspektrum ist es ein krudes Auf und Ab und in den Höhen hören wir zu viel, bis wir älter werden, dann hören wir da tendenziell nichts mehr. Für diesen und die meisten anderen Tracks strebe ich im groben folgende Kennlinie an:

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Für das gröbste reicht der Spectral Analyzer aus Ableton, wer sich aber RMS oder andere über "Zeit-Kennlinien" anschauen möchte, denen empfehle ich den Hofa Analyzer, der kostet aber auch nicht wenig und besser wird der Sound dadurch erstmal auch nicht ;-)
Die Ansicht eines Spektographen hilft Lücken in einem Song zu finden, die man ggf. wegen der Überlagerung oder des Gewöhnungseffekts überhört, ersetzt aber keineswegs ein geschultes Gehör, also üben, üben, üben.

Ist das getan fängt man normalerweise aa ein Bühnenbild auf zu bauen und die Stereobreite aus zu nutzen, da ich aber Club Musik produziere bin ich da tendenziell eher vorsichtig. Gar kein Stereo ist nicht so bralle und zuviel auch nicht, also ein gesunder Mittelweg ist gefragt, zur Not hilft die Mono Taste im Master um zu prüfen ob das ganze auch noch funktioniert.

Danach fang ich mit dem EQen der Spuren an, ich benutze dafür den EQ8. Der macht was er soll: Sachen wegnehmen und nicht Klingen.
Das meiste Perkussive Material wird bei mir um die tieferen Anteile gekürzt, da sie meist dort keinen Musikalischen Mehrwert bringen. Ich Unterscheide dabei zwischen Sounds die noch irgendeinen Charakter in dem Bereich haben und jene die dort nur noch irgendeinen Frequenzmüll haben.
Erste Kategorie senke ich entweder mit einem Shelf- oder einem Lowcut-Band ab, wobei letzteres eine niedrige Flankensteilheit aufweißt, wie hier bei den LowToms:
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Besagte mit dem Frequenzmüll, was meist diverse Highhats, Rimshots oder ähnliches betrifft cutte ich mit hoher Flankensteilheit:
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Da ich bei Synths nicht so viel Spielraum habe was die Stereobreite angeht, bin ich darauf angewiesen dem ganzen im Frequenzspectrum Platz zu machen, daher benutze ich dort einen leichten Bell um mir Platz zu schaffen. Seit kurzem bin ich über das Plugin Trackspacer gestolpert, welches ein Ducking verursacht beim eingestellten Frequenzbereich und dabei nicht pumpt. Das werde ich in Zukunft mehr nutzen, weil spart Zeit und ist auch noch Effektiver. Aber wieder zurück zu diesem Track:

Hier überlagern sich Chords und Low-Mid-Bass in den Bereichen 200Hz-1khz, wobei die Bässe ihren Charakter im Niedrigen Bereich haben und die Chords im hohen Bereich. Ich nehme dort ein Bell-Band und senke bei den Chords, bei 200Hz ein paar db ab und vice versa bei den Bässen:
Bass:
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Chords:
1581687370896.png

Das tut den Sounds keinen Abbruch aber beides ist dadurch besser wahrnehmbar.
Bei der Kick findet sich hin und wieder auch etwas unnötiges Frequenzmaterial, was ich aber wirklich erst bei sehr niedrigen Werten wegcutte:
1581688118670.png
In dem Bereich passiert schon nix mehr und alles was unter 15Hz ist brauch ich definitiv nicht mehr.


Einige fangen jetzt ggf. noch an wild zu komprimieren wenn sie einzelne Spuren bearbeiten, aber meist bringt das keinen großen Vorteil und zerstört eher die Dynamik, als dass dort ein besserer Sound bei raus kommt. Die Dynamik Reduktion ist auch eher schwankenden Lautstärke Verhältnissen geschuldet, was bei elektonischer Musik eher seltener der Fall ist. Wohlgemerkt sprech ich hier nicht von Kompression im Sinne eines Stilmittels (aka: Pump out the Shit!) sondern nur als Mix Instrument. Auch Sidechaining ist jetzt nicht immer das Mittel der Wahl um mir Platz im Mix zu verschaffen (Trackspacer mal ausgenommen ;-) ), aber manchmal ist es notwendig um Kick und Subbass in Balance zu bringen oder so. Ich verbuche das aber auch mal als Stilmittel, wobei ich da eher sogenannte Sidechain Tools bevorzuge, wie das LFO Tool, Volume Shaper oder ähnliches. Der Autopan vermag ähnliches, wenn auch weniger genau, aber für den schmalen Geldbeutel ein kleiner Tip:
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Ich will jetzt nicht sagen das ich gar nicht komprimiere aus Mixtechnischen Gründen, dies passiert aber meist auf Gruppen. Ich Gruppiere Vorzugsweise Kick+Bass (Bass definiert sich durch Präsenz Berechtigung unter 100Hz), Hohe Percussions, Tiefe Percussions, Synths und FX. Manchmal gibts noch Sonstiges, aber passiert nicht so häufig. Gelegentlich gibt es noch bei Vocals oder akustischem Material den Bedarf an weiteren Subgruppen, gibt da aber keine Faustregel. Da Perkussions meist sehr dynamisch sind, landet hier öfters ein Compressor drauf, der dafür sorgt, dass alles ein wenig mit einander verschmolzen wird und sich auf einem ähnlichen Level befindet. Das meiste wird mit der Lautstärke reguliert, aber die eine oder andere längere Soundfahne will man dann doch noch behalten und da hilft der Kompressor ungemein. Der Clue Compressor ist dort meist meine erste Wahl, da dieser schön dezent arbeitet, hier kam allerdings der Super Charger von NI zum Einsatz, vermutlich um noch etwas Drive rein zu bringen (also eigentlich das Gegenteil von dem was ich normalerweise mache, hat aber besser gepasst ;-) ).

1581688574669.png

Hier hab ich die Percussions auch ordentlich gepushed, was aber am Ausgangsmaterial lag, dass war nicht so knorke.

Jetzt hat man meist schon einen ganz ordentlichen Mix, aber mehr geht immer, dies betrifft dann meist Effekte, dabei gibt es aber wie bei allem auch keine Pauschale Regel, sondern von Track zu Track muss eine eigene Entscheidung her.
Was ich gerne mache ist eine Tiefenstaffelung mittels Reverb, was aber schon am Rande zu Sounddesign ist. Hier wird im Endeffekt so getan, als hätte man echte Instrumente und verteilt diese im Raum, bzw. auf der Bühne. Dazu nutze ich ein Reverb ohne viel Schnickschnack, welches möglichst unauffällig ist. Kleine oder mittlere Räume bieten sich an, aber wer will kann auch anderes ausprobieren. Das Reverb wird in 3 Send/Returns dupliziert und je nach imaginärer Distanz mit einem größeren Pre-Delay versehen:

1581689024672.png

Je näher das Signal ist, desto kürzer das Predelay. In dem Fall hab ich 24, 54 und 74 ms genommen. Damit lässt sich auch super experimentieren. Eines der 3 Reverbs wird dann jedem Sound beigemischt bis es gerade so zu hören ist, an der Stelle kann es schnell mal passieren, dass man zu viel Reverb ergänzt und das ganze breiig wird. Wenn man sich unsicher ist kann man als Faustregel solange rein drehen bis man es hört und dann wieder 2-3db raus nehmen.

Soweit erstmal bis hier hin, ich hoffe das bringt dem einen oder anderen was und ggf. fühlen sich noch weitere dazu motiviert die eigene "Mixtechnik" zu präsentieren, würd mich freuen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank dass Du Deinen Workflow hier an einem Beispiel nachvollziehbar präsentierst! Klasse...
 
Das mit den Reverbs ist ne klasse Idee. Werd ich morgen direkt mal checken. Danke!
 
Interessant. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob deine Angaben zum Predelay so stimmen. Eigentlich müsste das Predalay umso kürzer sein, je weiter die Quelle weg ist, bei ganz großer Entfernung gar kein Predelay, also genau anders herum wie du es beschrieben hast.
 
Interessant. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob deine Angaben zum Predelay so stimmen. Eigentlich müsste das Predalay umso kürzer sein, je weiter die Quelle weg ist, bei ganz großer Entfernung gar kein Predelay, also genau anders herum wie du es beschrieben hast.

:mrgreen: war nur eine Frage der Zeit bis das kommt.
Die Idee hinter der Technik: Man steht als Zuhörer vor der Bühne und durch die Reflexionen im Raum kann man die einzelnen Instrumente orten.

Theoretisch wäre die Distanz zur gedachten Rückwand kürzer je weiter ein Instrument hinten steht, du hättest also vollkommen Recht und eigentlich müsste es genau umgekehrt sein.
Aber ist die Wahrnehmung anders herum. Ist das Pre-Delay kurz nehmen wir die Quelle als sehr nah war, während bei einem größeren Pre-Delay das Objekt durch die "diffusen" Reflexionen als sehr weit weg wahrgenommen wird. Besonders bei Stimmen ist das sehr auffällig.

Unterm Strich ist entscheidend was bei rum kommt, aber bessere Erfahrungen hab ich mit meiner Methodik gemacht. Aber darf jeder gern selbst ausprobieren, einfach Vocal Phrase nehmen Reverb nehmen und Pre-Delay nutzen und prüfen wann man die Stimme als besonders weit weg empfindet.

Oder Hofa-Reverb nutzen, die haben ne kleine Raummatrix, dann muss man sich nicht mehr den Kopf drüber zerbrechen :mrgreen:
 
Der Mix klingt richtig schön satt.

Das liegt aber mMn nicht an den MixSkills,
sondern der gekonnten Soundauswahl/-programmierung.

Wie man da hinkommt? KA. Einfach machen, üben und Talent?
 
Das liegt aber mMn nicht an den MixSkills,
sondern der gekonnten Soundauswahl/-programmierung.

Wie bei jedem Song. Der Mix bringt viele Elemente zusammen, so dass sich ein harmonisches Ganzes ergibt. Aber wenn der Gitarrist scheiße ist kann auch der beste Mixskill nix mehr retten (obwohl Melodyne macht ja so manches Möglich ;-) ). Aber ich geh gern nochmal tiefer ins Sounddesign muss mal schaun wann ich dazu komme.
 
was hältst du von mixen gegen pink noise? sollte doch zu der lautstärke verteilung aus dem screenshot führen oder ?

btw es gibt ein freies max4live plugin, dass sich automatisch um gain staging kümmert. das plugin besteht aus 2 teilen. vorne wird die lautstärke ermittelt dann kommt zu bsp der kompresor und am ende platziert man dem 2. teil vom plugin. Teil 1 sagt Teil 2 welche lautstärke es gemessen hat und Teil sorgt dafür dass die lautstärke auch nach dem kompressen automatisch nachgeregelt wird.



https://youtu.be/cM4kDYNs44A?t=4m57s


ml.distance



https://youtu.be/te8aoPhJj9Q?t=0m27s
 
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was hältst du von mixen gegen pink noise? sollte doch zu der lautstärke verteilung aus dem screenshot führen oder ?

btw es gibt ein freies max4live plugin, dass sich automatisch um gain staging kümmert. das plugin besteht aus 2 teilen. vorne wird die lautstärke ermittelt dann kommt zu bsp der kompresor und am ende platziert man dem 2. teil vom plugin. Teil 1 sagt Teil 2 welche lautstärke es gemessen hat und Teil sorgt dafür dass die lautstärke auch nach dem kompressen automatisch nachgeregelt wird.



https://youtu.be/cM4kDYNs44A?t=4m57s


ml.distance



https://youtu.be/te8aoPhJj9Q?t=0m27s


Das RMS Tool ist saustark ist bei mir noch in der "Testphase", aber macht schon nen verdammt guten Eindruck. Wo man früher mit nem Utility da rum gefummelt hat ist was automatisches immer besser und das funktioniert auch noch sehr gut und für Umme, eigentlich nen No-Brainer.

Das Distance Tool überzeugt mich jetzt weniger, weil es zu massiv in den Sound eingreift, auf nach voll ziehbare Weise (weiter weg = Höhen absenken), aber das verorte ich mehr im Sounddesign als im Mix. Ich hab zB noch keine Bühne erlebt die so groß war, dass die Becken des Schlagzeugers nur noch gedämpft ankamen ;-) (vielleicht wenn ich ganz weit weg von der Bühne stehe).
 
Das RMS Tool ist saustark ist bei mir noch in der "Testphase", aber macht schon nen verdammt guten Eindruck. Wo man früher mit nem Utility da rum gefummelt hat ist was automatisches immer besser und das funktioniert auch noch sehr gut und für Umme, eigentlich nen No-Brainer.

Das Distance Tool überzeugt mich jetzt weniger, weil es zu massiv in den Sound eingreift, auf nach voll ziehbare Weise (weiter weg = Höhen absenken), aber das verorte ich mehr im Sounddesign als im Mix. Ich hab zB noch keine Bühne erlebt die so groß war, dass die Becken des Schlagzeugers nur noch gedämpft ankamen ;-) (vielleicht wenn ich ganz weit weg von der Bühne stehe).

Stimmt, eigentlich logisch mit der Backen :)

Der einzige Nachteil vom dem RMS (das kann auch LUFS) plugin, ist dass man nach jeder Änderung am Compressor oder was halt zwischen den beiden Teilen steht, immer etwas warten muss, bis sich die Lautstärke neu engepegelt hat. Also einfach so flüssig über den compressor threshold sweepen geht dann nicht so gut. Ich überlege ob man in einem Intrument Rack zwei oder dreo Kopien vom plugin + compressor auf separate chains verteilt. Verschiedenen Einstellungen pro chain und dann die chain auf solo setzen und sofort den Unterschied hört bei der selben Lautstärke.
 


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