Musik für Kleinkinder

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Markus Berzborn

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Diese Woche stieß ich im Buch von Karlheinz Stockhausen "Texte zur Musik, Band 4" zufällig auf folgende bemerkenswerte Textstelle:

Man muß schon von Anfang an in der Nähe des Kindes Musik haben. Musik, die zum Beispiel sehr harmonisch ist. Man soll keine Musik verwenden, die zu schockierend ist, zu widersprüchlich, zu komplex, zu kompliziert oder zu materialistisch. Das braucht man erst später. [...] und ich sage wieder: unter den allerbesten akustischen Voraussetzungen. Die Umgebung muss sehr ruhig sein. Keine Nebengeräusche dürfen die Musik unterbrechen. Ich weiß, daß das heutzutage fast unmöglich ist, aber man braucht zuerst Stille, absolute Stille.
Man soll das Kind möglichst ganz nahe an die Natur heranbringen, damit die Töne der Natur sich mit der Musik mischen. Das Kind muß sehr gute Musik hören, und nach und nach fügt man etwas Neues hinzu, nach einer Periode von drei Monaten, sechs Monaten - so wie man die Nahrung allmählich reicher macht. [...]
Und in diesem Sinne soll die musikalische Erziehung immer eine geistige Therapie sein. Ich sehe eine Zukunft, in der man sogar die meisten Krankheiten mit Musik heilen kann.

Das interessiert mich im Moment besonders, weil wir im Januar ein Kind erwarten. Das heißt, das Buch kenne ich natürlich schon seit Jahren, aber jetzt bin ich auf diese Passage besonders aufmerksam geworden. Hier sind ja so einige Eltern im Forum, deswegen würde ich gerne mal wissen, wie es bei denen praktisch so aussah. Habt Ihr Euch um solche Dinge überhaupt Gedanken gemacht und wie steht Ihr dazu?

Gruß,
Markus
 
Ich hab als ganz kleiner Bub (also im Vorschulalter) immer ganz andächtig gelauscht, wenn mein Onkel seine Scheiben hörte. Stones und Black Sabbath.
Das eine Stück von Sabbath hieß "Paranoid" - schätze, das erklärt einiges. :klemmgrins:
 
Schon, aber hier geht es ja anscheinend mehr um die ersten Monate oder sagen wir die ersten zwei Jahre.
Also dass man bewusst etwas auswählt, was sich positiv oder negativ auswirken kann.
Es gibt ja auch Theorien, man soll in der ersten Zeit keine Personen zu nahe an das Kind lassen, die "bad vibes" ausstrahlen.

Gruß,
Markus
 
Das mit der Therapie und "mit Musik heilen" kannste grad mal vergessen, das ist esoterischer Stuss, Schwamm drüber.
Dem Rest kann ich zustimmen.
Wobei man Kindern mehr zutrauen kann als nur Rolf Zukowski. Auch Front Line Assembly können Kinder mitsingen, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. :lol: Es gibt natürlich große Unterschiede zwischen den Altersstufen, keine Frage.

Kinder möglichst früh mit Musik zu konfrontieren kann jedenfalls nicht schaden, und dann sollte - meiner Meinung nach - auch halbwegs gute Musik sein (*). Was die in den ersten paar Jahren mitkriegen nehmen sie ihr Leben lang mit.

(*) Was gut ist sei man dahingestellt, aber Kinder mit DJ Ötzi zu füttern wird jedenfalls einen musikalischen Analphabeten hervorbringen. Das ist meine nicht beweisbare Überzeugung. ;-)
 
Jörg schrieb:
Was die in den ersten paar Jahren mitkriegen nehmen sie ihr Leben lang mit.

Das ist ja gerade der Punkt. Der dann halt auch eine gewisse Verantwortung mit sich bringt, wenn man das ernst nimmt.

Wer weiß, was aus mir noch geworden wäre, hätte ich in den ersten zwei Jahren mehr interessante Musik gehört. :lol:

Gruß,
Markus
 
"Interessante Musik" ist relativ. Es sollte halt nicht der Megascheiß sein.
Wobei ich glaube, wenn du deinem Kind irgendwie vermittelst dass doof sein doch scheiße ist und schlau sein manchmal auch ganz cool ist, dann kann nix schiefgehen in Sachen Musikgeschmack. ;-)

Übrigens, Kinder können auch Sequencer-Linien von Tangerine Dream mitsummen. :lol:
 
Ich hab mal gehört, dass Musik Kinder bereits im Mutterleib auf irgendeine Art und Weise prägt. Und ich bin mir sicher, dass da was dran ist.

Es dürfte eine große Rolle spielen, wie die Musik von den Bezugspersonen selbst empfunden wird.
 
Es geht ja nicht um einen Musikgeschmack, den man mehr oder weniger selbst gut findet.
Sondern um Persönlichkeitsentwicklung durch Musik.

Gruß,
Markus
 
salz schrieb:
Ich hab mal gehört, dass Musik Kinder bereits im Mutterleib auf irgendeine Art und Weise prägt. Und ich bin mir sicher, dass da was dran ist.

Ja, denke ich auch. Wäre ja auch nur logisch, oder?

Gruß,
Markus
 
Jörg schrieb:
Das mit der Therapie und "mit Musik heilen" kannste grad mal vergessen, das ist esoterischer Stuss, Schwamm drüber.
Da bin ich mir nicht sicher. Natürlich kann Musik keine körperlichen Schaden heilen (Ey, Alda, gestern ein Bein gebrochen, ey - 3h Slayer gehört, dann wars wieder heile, ey!"). Aber bei psychischen Problemen hilft Musik ganz gewiss, wenn du den nötigen Bezug dazu hast.
 
Markus Berzborn schrieb:
Nö, denke ich nicht. Musik muss ja jeder selbst hören.
Ja, aber die Leidenschaft! Die kann die auch mit Musik vermittelt werden die man selber später überhaupt nicht leiden kann.
Wie gesagt, solllte halt bloß kein dümmlicher Sch**ß sein.
 
Dümmlichen Scheiß gibt's sowieso nicht bei uns im Haushalt. :lol:

Außer es bringt jemand solchen mit. Oder jemand schaltet Fernseher oder Radio ein.

Was ich aber auch sehr interessant finde an dem Zitat, ist die Bedeutung der Stille und der Natur. Das kann ich schon nachvollziehen. Ich denke, es ist für die Vorschulzeit schon ein Privileg, in einer ruhigen ländlichen Gegend aufzuwachsen. Später kann es dann in mancherlei Hinsicht wiederum von Nachteil sein.

Gruß,
Markus
 
Markus Berzborn schrieb:
Es gibt ja auch Theorien, man soll in der ersten Zeit keine Personen zu nahe an das Kind lassen, die "bad vibes" ausstrahlen.
Ich hab zwar keine Kinder, aber wenn ich welche hätte, würde ich Leute mit Bad Vibes auch nicht in deren Nähe lassen, wenn sie längst in die Schule gehen. Zumindest, so lange sich das verhindern lässt.

Auch hier kommt's drauf an, wie man das verhindert. Das eigene Zweifeln, eigene Ängste kriegen sie meist besser mit als man selbst.
 
Markus:
Wenn du deinem Kurzem (respektive: deiner Kurzen) vorlebst dass Musik etwas Tolles ist, dann kann schon fast nix mehr schiefgehen.
Hm.
Viele Kindern singen gern. Da sind aber einfache Melodien sinnig. Bist du bereit deinem Kind was vorzusingen?

Thema Natur: Jajaja! Du weißt, ich bin ein absoluter Verechter des Stadtlebens, aber für Kinder ist es mMn superwichtig, die Natur kennenzulernen.
 
Klar, Singen ist wichtig. War bei uns früher in der Familie noch selbstverständlich.
Meine Mutter sang sowieso ständig auch bei der Hausarbeit, daran kann ich mich noch gut erinnern. Auch wenn keiner zuhörte, einfach so aus Spaß.

Gruß,
Markus
 
Siehste, und das dürfte wichtiger gewesen sein als die Frage was da nun gesungen wurde und wie und wann und blubber.
Vermittle, dass Musik schön ist und mach das anhand von halbwegs akzeptabler Musik.
Der Rest kommt von selbst. ;-)
 
Ich meinte halt nur, vielleicht wäre ich ja mit gezielterer "Beschallung" ein besserer Musiker geworden. Oder hätte schon früher angefangen, Klavier zu spielen und nicht erst mit 6 oder 7. ;-)

Damit will ich nicht sagen, dass ich das von meinem Kind oder überhaupt von anderen erwarte, das wäre ja auch anmaßend.
Ich meine nur, vielleicht könnte ich heute mehr. Man weiß es halt nicht.

Gruß,
Markus
 
Wie wär's mit Mozart ("Jupiter"- & Co.?) Oder Beethovens Klavierkonzerte? Ein wenig Orff?

Oder Bert Kaempfert? Henry Mancini?

Wenn ich Kinder hätte (vielleicht hab ich ja welche? ;-)) bekämen die sowas zu hören. Ich finde übrigens z.B. auch Schlager nicht unwichtig (bin da durch "Die-ZDF-Hitparade-mit-Dieter-Thomas-Heck" sozialisiert worden, soweit ich mich erinnern kann) - sowas prägt sich am ehesten ein und bringt die Kinder an's Singen: "Schöne Maid, hast Du für mich Zeit - HO JA HOH JAH HOH" (rapp-zapp-rappzappzapp) ;-)

P.S.: Warum versuchst Du übrigens das akustische Hörerleben Deines zukünftigen Kindes krampfhaft durch den theoretischen Rückgriff auf Stockhausen abstrahieren zu wollen? Klar willst Du ja nur das Beste, aber ...

(die Kinder meiner Freundin sind übrigens z.B. mit Monster Magnet, The Strokes und diversen Kompakt-Klangerzeugnissen groß geworden - und haben bisher keine bleibende Schäden davon getragen ... ;-))
 
audiotrainer schrieb:
P.S.: Warum versuchst Du übrigens das akustische Hörerleben Deines zukünftigen Kindes krampfhaft durch den theoretischen Rückgriff auf Stockhausen abstrahieren zu wollen? Klar willst Du ja nur das Beste, aber ...

Reiner Zufall, da gibt es keinen theoretischen Rückgriff, schon gar keinen krampfhaften.
Ich habe in dem Buch was ganz anderes gesucht und bin dann zufällig auf diese Stelle gestoßen. Als wenn jemand gewollt hätte, dass ich genau dies lese.

Und dann fielen mir auf einmal auch in einer Assoziationskette andere Sachen ein, die ich vielleicht vor zwanzig Jahren mal gelesen habe, die aber damals für mich keine praktische Relevanz hatten. Zum Beispiel Hazrat Inayat Khan mit seiner Überzeugung, das wichtigste, was man einem Kleinkind beibringen könne, sei Rhythmus.
Das werde ich noch mal nachlesen in den nächsten Tagen.

Gruß,
Markus
 
Na ja, die Dinge, die gefunden werden wollen (weil sie müssen), finden sich auf wunderbare Weise eben manchmal "zufällig" ein - warum auch immer ... :shock:
 
Wenn ich Kinder hätte würde ich glaub ich genau das hören worauf ich Lust habe. Ich schätze mal, dass wenn man Kinder hat sich da ein Bauchgefühl entwickelt und man selber vielleicht eher Harmonische und nicht aggressive Sachen hören will. Und mit der Zeit eben progressiv den "Anspruch" erhöhen und immer mehr "delikates" einstreuen. Denn zu sehr in Watte packen mit Dingeldong und Hü Hott Musik ist sicher auch falsch. Ich hab schon mit 5 Jährigen Kindern Radiosendungen gemacht und denen ist teilweise unglaublich viel zuzutrauen was anspruchsvolle Musik betrifft. Die können sich da meist besser reinfallen lassen als Erwachsene.

Bei uns zuhause war sehr viel Klassik von Barok bis Romantik + Jazz und Livemusik.

Die Livemusik hat mich natürlich am meisten geprägt. so dass ich tatsächlich mit 5 Jahren Klavier angefangen hab und seit dem nie aufgehört habe Musik zu machen.
 
Markus Berzborn schrieb:
Ich meinte halt nur, vielleicht wäre ich ja mit gezielterer "Beschallung" ein besserer Musiker geworden. Oder hätte schon früher angefangen, Klavier zu spielen und nicht erst mit 6 oder 7. ;-)

Damit will ich nicht sagen, dass ich das von meinem Kind oder überhaupt von anderen erwarte, das wäre ja auch anmaßend.
Ich meine nur, vielleicht könnte ich heute mehr. Man weiß es halt nicht.

Gruß,
Markus

Das wirkt ja fast schon weinerlich. Dein Einstiegsalter ist schon absolut früh genug. Jüngeren Kindern allzu viel gezielt beizubringen ist sehr schwer, auf die 2 Jahre in denen vielleicht vorher schon was drin gewesen wäre, kommt es dabei auch nicht an. Kinder wie dieser 4/5 Jährige polnische Jazz-Drummer Knirps, welcher neulich bei matrixsynth zu sehen war, sind da Ausnahmetalente.

Ansonsten ist es schwer zu sagen, wie Kinder Musik verarbeiten, vielleicht könnte man sie gezielt mit mikrotonaler oder einfach nur anders temperierter Musik beschallen und sie würden ein ganz anderes Musikverständnis entwickeln, wer weiß.

Auf jeden Fall kann es bestimmt nicht schaden, Kinder mit (handwerklich) guter Musik zu beschallen, ich persönlich finde es aber wichtiger, Kinder schon möglichst früh Musik machen zu lassen, sobald dies möglich ist.

Kinder werden so schnell aktiv, wollen spielen und erkunden, auch Menschenkinder lernen durchs Spielen und spielen ist keine passive Sache. Sobald das Kind aktiv wird und anfängt seine Umwelt zu entdecken, sollten musikalische Spielzeuge schon längst da sein, die es erforschen, ausprobieren und erleben kann.
Das plus qualitativ gute Beschallung, sind mit Sicherheit eine sehr gute Basis, wobei ich aber den passiven teil in jedem Fall als zweitrangig, trotzdem wichtig, abstemple.

Natürlich bleibt aber immer noch die Möglichkeit, dass ein Kind sich später nicht sehr für Musik interessiert, ich kenne da einen Fall, in dem haben Eltern ihre Tochter praktisch mit Instrumenten "zugemüllt", von Klavier bis Geige und Querflöte, dabei war sie eine viel begeistertere Malerin und in diesem Gebiet auch wesentlich talentierter. Das wurde dann doch noch rechtzeitig von den Eltern erkannt und gefördert aber sie nötigen sie praktisch immer noch zu Geigenstunden, obwohl es einfach nicht ihr Ding ist. Da ist es am wichtigsten zu erkennen, welche Interessen Kinder selber entwickeln und nicht voll elterlichem Eifer die Zeichen zu übersehen.
 
ja und die von stockhausen angesprochene Stille ist sicher sehr wichtig. Ich find den zitierten Text sehr gut. Typisch Stockhausen, radikal aber zutreffend.
 
Markus Berzborn schrieb:
Damit will ich nicht sagen, dass ich das von meinem Kind oder überhaupt von anderen erwarte, das wäre ja auch anmaßend.

Hallo Markus,

aber gerade das ist dann auch unwahrscheinlich schwierig einzuhalten, weiß ich.
Gerne wird zu früh zu viel versucht, das Kind packt es noch nicht und lehnt dann die Sachen ab, unbewußt aber konsequent.

Denke, wenn Du mit ruhigen Sachen (Pärt-Alina o.ä.) anfängst und dabei gut hinschaust, wirst Du erkennen, was gefällt.
Ich denke, daß man dabei noch keine Musikrichtung prägt (weder gut noch schlecht, wie immer man das interpretiert), wohl aber ein Musikverständnis.
Später (zwei-drei Jahre) dann kannst Du ja mal mit Orrf probieren, aber dann das Kind aktiv werden lassen.
Immer dann auch das zeigen, anhören, zu- lassen, was aus der Linie tanzt.

Was aus dem Kind später wird, steht in den Sternen, Du mußt sie ihm aber wenigstens zeigen.


Viele Grüße
 


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