Vielleicht sprichst Du da einer der sehr wichtigen Themen an:
Bei all dem Rationalismus und Fokussierung auf Steigerung der Produktivität muss man natürlich hinterfragen, wohin wir als Gesellschaft eigentlich wollen. In den letzten 120 Jahren ging es stets nur darum den Output zu erhöhen. Schon in den 1950er Jahren haben Soziopsychologen darauf aufmerksam gemacht, dass das Menschen krank und unzufrieden macht. Während ein kleiner Teil der oberen 10% übermäßig davon profitiert, sorgen 60% der Bevölkerung dafür, dass diese Gesellschaft am Laufen gehalten wird. Die enorme Gewinnmaximierung wird seit Dekaden auch nur dadurch erreicht, dass man Arbeiter in Drittstaaten für Hungerlöhne ausbeutet.
Die KI wird definitiv nicht dazu beitragen, dass die Menschen an psychischem Wohl gewinnen. Sie hat natürlich die Möglichkeiten eine gewisse Dialogfunktion für Betroffene zu übernehmen, in der Breite wird KI aber - wie sollte es auch anders sein - zum Maximierung des Profits genutzt werden. Wir hatten in den letzten Jahrzehnten schon so viele tolle neue Errungenschaften, aber sie wurden nie zum Wohle der Menschen eingesetzt, sondern immer nur um damit Geschäfte zu machen.
Die elektronische Patientenakte kommt jetzt nach 25 Jahren ... das hätte man schon vor 15 Jahren einführen können. Alles, was kein Profit bringt, bleibt auf der Strecke. Und so ist es mit allen anderen Dingen auch. Der Mensch wird zu Wettbewerbs- und Konsummaschine erzogen. Wenn ich mir die Kinder heute anschaue, werde ich nachdenklich. Die Kinderzimmer sind bis unter die Decke voll mit Spielzeug und kaum ein Kind hat gelernt etwas davon zu schätzen.
Das, was wir Normalität nennen, ist ein Hamsterrad, dass wir uns selbst erschaffen haben.
Wir haben uns als Spezies völlig von uns selbst entfremdet und funktionieren nur noch im Takt der Maschinen, nicht in unserem. Die Leute kennen sich gar nicht mehr, sondern nur noch ihre künstlich erzeugten Begehrlichkeiten. "Ich konsumieren, also bin ich." Niemand muss auf einen Bauernhof ziehen, um mal einen gewissen Abstand davon zu gewinnen. Dennoch ist eine Entkopplung wichtig und das ist heute schwierig geworden.
Ich hätte ehrlich gesagt nicht vor 100, 200 oder gar 1000 Jahren leben wollen.
Damals hat man sich sicherlich nicht gefragt ob die Work-Life-Balance ausgewogen ist
oder die Ernährung im Einklang mit Körper und Geist.
Gab auch sicherlich keine "ich geh nur 3 1/2 Tage die Woche arbeiten um mich den Rest der Zeit meiner Familie/Jim/Insta/Synths whatever zu widmen
und erst Recht kein "ich bin heisser, der Doc schreibt mich sicherlich 1 Woche krank - geht ja eh nicht vom Lohn ab".
Prio hatte wohl eher nicht zu verhungern oder an einer Zahninfektion zu sterben.
Wir jammern heute auf verdammt hohem Niveau.
Wir haben Krankenversicherung, Strom, Internet, relative Freiheit und Wahlmöglichkeiten in vielerlei Hinsicht
aber reden gleichzeitig davon wie krank uns Fortschritt macht.
Kapitalismus -egal wie man dazu steht- hat mehr Menschen aus der Armut geholt als jedes andere System.
Fortschritt entsteht durch Wettbewerb und auch Gewinnmaximierung, nicht durch kollektives Wohlfühlmanagement
Konsum ist mMn nicht das Problem - auch das gehört zur Freiheit
Er bedeutet Auswahl, Komfort, Lebensqualität und individuelle Entfaltung
Bezüglich "Hamsterrad":
Niemand zwingt uns ständig mehr zu wollen – wir entscheiden uns selbstständig was und ob wir mehr wollen.
Man kann es auch verlassen, wenn man bereit ist auf manche Annehmlichkeiten zu verzichten
Und wer beruflich kürzer treten möchte kann es in vielen Fällen doch tun.
Seit Corona ist es doch einfacher als zuvor: Home-Office, Teilzeit, Sabbathical...
Jeder macht was er macht doch idR nur für sich und seine Familie
... und gegebenenfalls für seine Freunde oder Angestellte.
Wem das nicht reicht kann für gute Zwecke spenden oder arbeitet ehrenamtlich um
seinen eigenen Beitrag zum Wohle der Menschheit zu leisten.
Vielleicht ist das eigentliche Problem nicht das "System"
Vielleicht ist es unsere Erwartung, dass jemand anders/KI/neue Errungenschaften die Welt für uns verbessern soll.