Hmm.. Der Joystick ist sozusagen nur ein Mixregler zwischen 4 Oszillatoren? Dass man da schon über eine eigene Synthese spricht.
Je nun, die Vector Synthesis im Prophet VS beschränkte sich ja nicht nur auf die überaus einfach (!) zu bedienende dynamische Mischung von vier Oszillatoren, sondern bot darüber hinaus auch einen intuitiven (!) Zugang zur Additiven Synthese: In einer eigenen
EDIT WAVEFORM Betriebsart konnte man
(1) jedem der vier Oszillatoren eine beliebige der 128 digitalen Single-Cycle-Waveforms zuweisen,
(2) jeden der vier Oszillatoren auf eine Harmonische stimmen,
(3) die Mischung der vier Oszillatoren intuitiv mittels Joystick einstellen ( =mit einer Bewegung vier Parameter steuern), und
(4) das derart aus dem Handgelenk gemischte Ergebnis kann auf Tastendruck als eine neue Single-Cycle-Waveform gespeichert werden…
(5) …und steht somit wiederum als Ausgangsmaterial für beliebig viele weitere Runden ab Schritt (1) bereit.
Mit diesem handfesten Zugang zur Additiven Synthese habe ich jede Menge Spaß gehabt, der einzige Wermutstropfen war, dass nur 32 der 128 Waveforms als Speicherplätze für selbsterzeugte Waveforms zur Verfügung standen.
Und da ich meinem Ruf, pingelig zu sein, ja gerecht werden muss: Eine der 128 Waveforms war Rauschen, das in der
EDIT WAVEFORM Betriebsart nicht zur Verfügung stand. Eine weitere Waveform war schlicht Stille.
Aber wie heißt es in der Anleitung des Prophet VS so schön: "
To create waves, throw away theory and listen a lot."
Wenn ich mehrere Klangquellen eines beliebigen Synthies via MIDI oder Automation dynamisch mische, komme ich zum gleichen Ergebnis, ob nun mit oder ohne Joystick (ein externer Joystick oder ein Gamepad lässt sich mittels diversen Software-Tools ja auch zum MIDI-Controller umfunktionieren).
Da ich leider schon lange keinen Prophet VS mehr habe, und dessen Innenleben mittlerweile zum Teil wohl aus Unobtainium zu bestehen scheint, habe ich versucht, dessen Vector Synthesis im Nord Modular nachzubauen: Vier Oszillatoren durch jeweils einen von einer eigenen Hüllkurve gesteuerten VCA leiten, das Ganze mischen, danach Filter, VCA – das Übliche eben.
Ja, damit war es kein Problem, ähnlich dynamische Klangverläufe wie mit dem VS zu erstellen. Aber nein: es hat mit Abstand nicht so viel Spaß gemacht, denn obwohl ich ein deutlich angenehmeres User Interface für das Nord Modular zur Verfügung hatte (Computer-Editor samt frei belegbarer Hardware-Potis), musste ich für jede Änderung der Oszilatormischung vier verfickte Parameter anfassen (jeden Oszillator-Pegel einzeln), während ich beim Prophet VS einfach solange am Joystick rüttelte, bis mir die Mischung gefiel.
Noch augenfälliger wird die eigentliche Essenz der Vector Synthesis, nämich ihre bedientechnische Eleganz & Effizienz bei der Bereitstellung dynamischer Klangverläufe, wenn die Oszillatormischung sich über die Zeit dynamisch verändern soll: Im VS konnte man in der
Mixer Envelope fünf Oszillatormischungen anrühren, zwischen denen mittels vier Zeiten überblendet wurde. Um subtile wie radikale Klangverläufe zu erzeugen, musste man nur fünf Mal rühren und vier Zeiten einstellen: Macht neun Parameter.
Beim Nord-Modular-Nachbau hingegen musste ich für jeden der vier Oszillatoren die neun Parameter der Multi-Stage-Envelope (vier frei einstellbare Pegel plus fünf Zeiten) einstellen: Macht 36 Parameter. Das Ergebnis klang teilweise überraschend ähnlich, machte mir aber einfach keinen Spaß.
Daher gehört nach meiner Erfahrung ein zweidimensionaler Controller, mit dem die Mischungsverhältnisse von vier Klangquellen mit einer Bewegung definiert werden können, ebenso zur Vector Synthesis wie die Möglichkeit, mehrere dieser Mischungsverhältnisse speichern und automatisch mit einstellbaren Zeiten überblenden zu können.