Deutsche Texte in der Musik

Was die für mich positiven Beispiele alle vereint; sie wissen um die Eigenheiten der Sprache. Da kann der Sound noch so international sein, der Text zeigt den Native-Speaker sofort. Sehr gutes Beispiel hier (und ich vermute wir alle wissen auf welchen Begriff ich hinauswill).




Gibt auch ein schönes Interview auf laut.de von Mikael Äkerfeld anlässlich des letzten Opeth-Albums. Da singt er zwar nicht auf Deutsch, aber auf Schwedisch, und musste das komplett neu angehen.

"Durch das Schwedisch wurden die Texte moderner. Ich hatte keine coolen Wörter mehr, hinter denen ich mich verstecken konnte. Besonders im Metal will man immer coole Wörter hören. 'Twilight' zu Beispiel. Auf Schwedisch heißt das ... verdammt, was heißt das denn?"

(Interviewer): Jedenfalls klingen solche Wörter oft scheiße, wenn man sie in die eigene Sprache übersetzt.

Genau. Als ich auf Schwedisch geschrieben habe, fand ich kein Wort schöner als das andere. Aber im Englischen finde ich alle Wörter schön. Früher habe ich komplette Texte auf einem schönen Wort aufgebaut. Jetzt habe ich nichts davon, und plötzlich schreibe ich zeitgemäßere Lyrics. Aber so wirklich politisch sind sie auch nicht. Zumindest nicht im Sinne, dass ich eine klare Meinung äußere. Ich mag Widersprüche und Scheinheiligkeit. Das passiert in Schweden gerade ziemlich oft. Ich schätze, in der ganzen Welt. Was ist erlaubt zu sagen, was ist gut, zu sagen und zu denken – was schlecht?

Ich bin Sozialdemokrat. Deswegen hört man auch Olof Palme (ehemaliger Ministerpräsident Schwedens, der 1986 ermordet wurde; Anm. d. Red.) auf dem Album. Es gibt nicht viele Menschen, die dem folgen, was sie predigen. Hinter der sauberen goldenen Fassade steckt in der Politik immer etwas Hässliches. Das finde ich interessant. Und Leute, die an etwas glauben – Protestierende zum Beispiel. Ich singe von "barricades of wealthy youth". Privilegierte protestieren gegen etwas und dann kehren sie zurück in ihr nettes Zuhause, zu ihrer netten Erziehung, zu ihren netten Eltern. Fair enough! So sollte es sein, aber es gibt dabei trotzdem einen Konflikt. Das finde ich interessant. Normalerweise scheue ich vor sowas eher zurück. Ich bin meist nicht sehr meinungsgetrieben. Ich vertraue meistens auf den Flow. Aber es ist interessant zu sehen, wie sich die Lyrics entwickelt haben – bloß aufgrund der schwedischen Sprache. Ich benutze moderne Wörter wie "algorithm"!

"Online" gehst du auch einmal.

(lacht) Das ist verdammt nochmal nicht Opeth! Der Shitstorm ist vorprgrammiert. "Sing lieber über einen Wald!".
 
Die Bandversion als Video ist ein billiger Badass-Kinderschreck ohne einen Hauch von Relevanz – live mag das vielleicht wieder anders sein?

Nö.

Auf Albumtour 2001 - erster Song - hat Till sich einen rot glühenden Scheinwerfer und eine Nebelmaschine ins Kostüm einbauen lassen und einen Pyro in der Hand gehalten, den er dann später quasi "rausgerissen" hat. Hatte schon Imposanz in der sehr dunklen Bühnenshow und unter dem Aspekt, dass ab der dritten Reihe niemand mehr eine Ahnung hatte was da von sich ging.

Auf den späteren Touren war das logistisch aufgrund der Setposition nicht mehr zu realisieren, also gabs nur noch ein albernes Blinke-Herzchen unterm Kostüm. Wirkt so peinlich wie es sich liest.
 
Ich glaub gerade, wir alle (also eigentlich meine ich vor allem mich damit) müssen noch millionenmal öfter Musik mit deutschen Texten hören. Das passiert alleine schon statistisch vieeeeeeeel zu wenig.

d.h.auch selber schreiben, singen, rappen, verpoppen etc, und zwar keine mit "guten" oder "schlechten" Texten sondern wahrhaftigen, auch ambivalenten, rätselhaften,m langweiligen, betörenden, kitschige, süssen/sauren/bitteren/blöden etc etc etc – egal, Hautsache nicht geheuchelt, Musik-Stil auch egal: Damit wir vor lauter Masse gar keine Lust mehr haben jedes deutsche Wort und jeden klaren, deutlich zu verstehenden Gedanken in der Musik auf die Goldwaage zu legen. Der Englischsprachler trainiert das "einfach nur Da sein" von Texten in der Musik seit 100 Jahren.

Lasst uns Goldwaagen verpacken, irgendwo im Keller der Dichter und Denker verstauen und Musik mit deutschen Texten machen.

Danke Casetti/notreallydubstep.
Bitte mehr aktuelle Hörbeispiele. Ich hör die alle an. Was ich in den letzten 10 Minuten schon wieder gelernt hab!!!
Wo findet ihr das alles? Ich hab gar nicht die Zeit zum Suchen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mein Lieblingssongschreiber mit deutschen Texten ist mit Abstand Bodenski (Michael Boden), es ist selten zu flach, klingt einfach verdammt schön und rund und
hat inhaltlich und lyrisch ein gutes Niveau, aber eben noch so, dass es mit eingängiger Musik funktioniert.
Das hat über Jahre hinweg Subway to Sally geprägt und ist auch bei etwas gefälligeren Projekten wie Bannkreis.
Und man findet da eigentlich kaum Texte über Beziehungsgedöns, und wenn dann eher anspruchsvoll.
Hat aber auch sicher mit der langjährigen Arbeit mit Sänger Eric Fish zu tun, da kennt man sich und weiß was funktioniert.

 
auch wenn die Gruppe bei vielen als fishy gilt, finde ich einige Sachen von ASP textlich auch nicht schlecht.

z.B. mag ich als alter Krabat-Fan dieses Album:



Und diese Kollegen machen es natürlich auch nicht immer schlecht:



 
So und dann noch sehr poppig, geradezu naiv und geradeheraus, aber irgendwie schön gedichtet finde ich die Texte vom Duo Berge.
Eigentlich ist mir sowas schon zu übetrieben lieb und nett, aber ich kauf das denen auch ab und es spricht irgendwie einen weichen Kern in mir an :D



 
"Das Lied von der belebenden Wirkung des Geldes"
Text: Bertolt Brecht
Musik: Hanns Eisler
Geschrieben 1934, hier in einer Interpretation von Tschernek/Mauerhofer/Bittmann

P.S. Hier vom Komponisten selbst interpretiert zu hören.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sofia Portanet sieht toll aus, singt in mehreren Sprachen - vor allem deutsch, und hat ne tolle Band und die Musik ist auch gut.
Mehrsprachig, da sie halbe Spanierin ist und ihre Kindheit zumindest zum Teil in Frankreich verbracht hat.
Letztes Jahr dann live gesehen, hat mir sehr gefallen.

Auf ihrem ersten Album war teilweise der Ansatz bekannte oder klassische deutsche Lyrik ins Popsong Format zu bringen. Dabei kommen durchaus originelle Stücke raus finde ich.
Und sie ist fernab von Betroffenheitstexten, und macht auch nicht so einen auf Erklärbär*in "ich erklär dir jetzt mal ganz emotional und einfach, wie das Leben so ist in der Großstadt an einem Dienstag um halb 10 wenn ich gerade auf die nächste Strassenbahn warte, und ein Vogel an mir vorbeifliegt." usw.





 
mit das lustigste deutschsprachige Lied was ich in den letzten Jahren kennengelernt habe ist das hier von Lil Kleine & Ronnie Flex - Stoff & Schnaps. Ich erinner mich dass es im Original von der gleichen Band (oder Rapper) auf niederländisch gesungen wurde. Kommt bei mir so rüber, dass der Song sich selber nicht ernst nimmt, und dass es die Quintessenz aller deutschspachigen Lieder ist: Sex und Party. Und ohne Betroffenheitsdingsda.

 
deutsche Texte find ich meistens nicht so pralle, Betroffenheitstexte und Erklärbärtexte mag ich gar nicht. Ja, bei englischen Songs funktioniert das besser, weil es nicht die Muttersprache ist.
Originelle Texte und gute Texte machen oder machten mMn. Fehlfarben, Neubauten, und teilweise Spliff. Die Texte von DAF waren auch gut. Die alten Sachen von Kunze find ich teilweise ganz gut, aber nicht alles. Ich mag es wenn deutsche Texte originell oder witzig originell sind. Die ganz alten Songs von Udo Lindenberg sind originell, wie bereits jemand erwähnt hat. Ebenfalls die ganz alten Songs von Marius-Müller Westernhagen haben was.>
Joachim Witts alte Songs hatten auch originelle Texte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Thema Brecht, kann ich noch diese schöne Mona Mur / En Ensch - Interpretation von "Ballade vom Ertrunkenen Mädchen" beisteuern. Brecht kann unkitschig wie kein Zweiter.

Grundsätzlich bin ich großer Freund von kreativem Umgang mit der deutschen Sprache und kann auf intellektueller Ebene sogar nachvollziehen, weswegen Lyrics von Haftbefehl etc.pp. als "große Kunst" gefeiert werden so sehr ich die Musik auch hasse, wenn man überlegt, wie sehr Pop Sprache prägt und andersherum.

Es gibt wahnsinnig viele Reim-dich-oder-ich-fress-dich-Künstler, da ist mir in der Regel zu viel Style over Substance. Die deutsche Sprache und ihre Konventionen / Historie muss kein eiserner Käfig der Goethologen sein, sondern kann im Sinne Borchards gerne hart zertrümmert werden, da habe ich mehr Respekt vor Knochenfabrik, EA80, Die Strafe und teilweise sogar Die Ärzte als einigen Kitschbomben, die mir aus Gründen höchstpersönlichen Geschmacks nicht nachvollziehbar als "gut" bezeichnet werden.

Wer sonst als @Casetti nannte Blumfeld, dass Verstärker nicht genannt wurde, hol ich fix nach (der Text als Ich-Erzähler? Gimme!). Böhmermann wurde ausgegraben? Dann hau ich das hier mit rein, ich verachte Deutschpop.

 
Die letzten Beispiele von @Cosmo Profit und @virtualant sind so Sachen die eigentlich schön sind, ich aber nicht dauernd hören (müssen) möchte. Weil man versteht jedes Wort und muss da mit durchgehen. Ist dann manchmal wie Belästigung, obwohl es schöne Texte sind.
 

Finger weg von meiner Paranoia - Element of Crime​


Text



Siehst du, wie die Brocken unserer Heimaterde dort
Wo die Straße eine Biege macht nach Ost
Schwalbengleich im Tiefflug links und rechts
Dem großen Loch entfliehen?
Wer den deutschen Tiefbau kennt, kann nicht die Frechheit übersehen
Mit der die Lüge sich hier eine Schneise fräst
Sag', dass ich mich irre und ich weiß auf wessen Seite du jetzt stehst



Finger weg von meiner Paranoia
Die war mir immer lieb und teuer
Nie ließ sie mich so kalt im Stich wie du
Einer hält den Spaten und zwei schau'n ihm beim Halten zu


Noch Fragen???
 

Finger weg von meiner Paranoia - Element of Crime​


Text



Siehst du, wie die Brocken unserer Heimaterde dort
Wo die Straße eine Biege macht nach Ost
Schwalbengleich im Tiefflug links und rechts
Dem großen Loch entfliehen?
Wer den deutschen Tiefbau kennt, kann nicht die Frechheit übersehen
Mit der die Lüge sich hier eine Schneise fräst
Sag', dass ich mich irre und ich weiß auf wessen Seite du jetzt stehst



Finger weg von meiner Paranoia
Die war mir immer lieb und teuer
Nie ließ sie mich so kalt im Stich wie du
Einer hält den Spaten und zwei schau'n ihm beim Halten zu


Noch Fragen???
gar nicht mein Ding so ein Text. Wirkt künstlich konstruiert, um das Maximum an Kantigkeit zu erreichen, damit es vor allem verworren und nie mit einer klaren Aussage rüberkommt. Man soll sich gefälligst Mühe geben und den tieferen Sinn erkennen, dafür muss man sich anstrengen und den ganzen Text bitteschön mehrmals lesen, um all seine Feinheiten zu erkennen. Dadrunter macht er's nicht, der Sven, oder wer auch immer diesen Text geschrieben hat.
Will man einen paranoiden depressiven Zustand beschreiben, muss da mindestens Tiefbau, Briefträger und Zeitungsmann rein, vielleicht noch Mettwurst und bunte Bettlaken, oder Tischlampe? Irgendwo muss aber "Tränen" rein, das kommt immer gut.
Wir würfeln uns einen Text zusammen, fragen 5 verschiedene Leute welcher Begriff Ihnen gerade durch den Kopf geht, und daraus konstruieren wir einen verworrenen Text, der am Ende nicht wirklich was aussagt.
Aber Hauptsache man versteht ihn nicht sofort.

So mein Eindruck ;-)
 
Danke @virtualant, jetzt weiß ich warum ich Element of Crime nie mochte.
 
Kulttracks 309

Englisch / US : 201
Deutsch : 93
Französisch : 2
Indisch : 1
Niederländisch : 1
Spanisch : 2
Türkisch : 1
Instumental : 8
 
Den Text zu "Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin" von Element of Crime finde ich überaus charmant:

Der ist auch einer meiner Lieblingstexte von Sven, auch der einzige EoC-Song, der es in meine All-Time-Favorites-Playlist geschafft hat, aber auch oder vor allem wegen der wunderschönen Gitarrenlinie.

Ansonsten ist da auch viel Zeug dabei, das eher an mir vorbeigeht. Teils weil ich nichts mit dem Thema anfangen kann, teils, weil es mir gleichzeitig zu billig und zu bemüht artsyfartsy ist. Eine EoC-Platte wirft im Schnitt drei-vier schöne Tracks ab (und welche das sind, ist, aus Erfahrung, bis auf ganz wenige Ausnahmen immer vom Hörer abhängig).
 
Man soll sich gefälligst Mühe geben und den tieferen Sinn erkennen, dafür muss man sich anstrengen und den ganzen Text bitteschön mehrmals lesen, um all seine Feinheiten zu erkennen. Dadrunter macht er's nicht, der Sven, oder wer auch immer diesen Text geschrieben hat.
Er sagt was er sieht und umschreibt was er meint. Das ist die hohe Kunst des Liederschreibens und der Grund weshalb ich mir die Songs von EoC gern anhöre. Obwohl man Manches sehr oft gehört hat, kann man immer wieder neue Kleinigkeiten entdecken, die man zuvor nicht bemerkte.

Ansonsten ist da auch viel Zeug dabei, das eher an mir vorbeigeht. Teils weil ich nichts mit dem Thema anfangen kann, teils, weil es mir gleichzeitig zu billig und zu bemüht artsyfartsy ist. Eine EoC-Platte wirft im Schnitt drei-vier schöne Tracks ab (und welche das sind, ist, aus Erfahrung, bis auf ganz wenige Ausnahmen immer vom Hörer abhängig).
Drei, vier Songs stechen vielleicht heraus, aber ich kann mir alle deren deutschsprachigen Alben vollständig anhören, ohne einen Song zu überspringen.

Weißes Papier finde ich schön und sehr mächtig geschrieben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier wurde jetzt viel mit Anspruch und zum zuhören gezeigt. Gibt es aktuelle trallala-Pop Sachen, mit ohne großen Anspruch? Nicht unbedingt albern oder blöd provozierend, sondern normal für nebenbei, zur (guten) Unterhaltung?

Beispiel von früher
 
Hier wurde jetzt viel mit Anspruch und zum zuhören gezeigt. Gibt es aktuelle trallala-Pop Sachen, mit ohne großen Anspruch? Nicht unbedingt albern oder blöd provozierend, sondern normal für nebenbei, zur (guten) Unterhaltung?

Beispiel von früher
Interessant, dass Du ausgerechnet ein Stück von Peter Licht als Beispiel für "trallala-Pop" anführst, da ich grade seine Arbeiten eher als das genaue Gegenteil empfunden habe:

"Hallo Hallo (Dies ist der Tag)"
(2006)


"Wir sind jung und machen uns Sorgen über unsere Chancen auf dem Arbeitsmarkt"
(2001)
 
wusste nicht, dass der trallala-pop mit Anspruch macht. Kannte nur Sonnendeck. Hab es als Beispiel genommen, weil es total easy ist.
 
... aber dieser Typ ist ein gutes Beispiel wie man schöne Texte macht, die locker flockig sind. Sozialkritik und Weltprobleme unangestrengt rübergebracht. Man kann das leicht konsumieren und bei Bedarf genauer darüber nachdenken. Ist aber auch schon 17 Jahre alt. Wie geht es weiter?
 


News

Zurück
Oben