Das ist schon lange kein Neuland mehr und Angst ist es längst auch nicht mehr, da wir das wohin es führt seit 15-20 Jahren deutlich sehen können.
Die nächsten Jahre werden Musik nochmal deutlich entwerten. Entweder rennt man in diesem Hamsterrad mit, in dem man nur verlieren kann - oder man besinnt sich auf altbewertes, was auch Stillstand bedeuten kann, denn analog gibts selten was wirklich Neues.
Vlt muss man sich auch eingestehen, dass musikalisch alles erzählt wurde oder der Mensch schlichtweg nichts mehr zu erzählen hat.
Ich sehe woher der Pessimismus kommt, aber ich war gestern am lokalen Jugendkulturfestival unterwegs – neun Bühnen, davon sechs musikalisch bespielt – und ich habe den Eindruck es stirbt überhaupt nicht, vielmehr lebt es.
Gut, wir alten Säcke (und ich zähle mich mal dazu) sind da natürlich aussen vor, da ist jetzt eine neue Generation am Drücker. Aber wenn man ihnen nur schon die Bühne gibt (deren spärliches Vorhandensein halte ich für das viel grössere Problem), ist da Kreativität und Rezeption noch und nöcher vorhanden. Nur schon vor zehn Jahren (jawoll, das liberale 2015) hätte nie und nimmer eine Metalcore (fast schon Mathcore) - Instrumentalband die eine Bühne headlinen können und davor noch so ein diverser Pulk am Pöbel (vom Bandshirt bis zur Prideflag) stehen und moshen. Zwei Bühnen weiter dann eins von unzähligen Sängerin+Elektroniker-Duos, daneben die Auswüchse der Soundcloud-Welle, noch eine Bühne weiter ein Melancholiker am Klavier mit zwei Freunden an Bass und Gitarre und hinter der Kirche lauter DJ-Kollektive und B2B-Sets. Das war weiland geschlossen Indie-Sosse, jetzt ist es an allen und Ecken Innovation (wenn auch zuweilen ziemlich unhörbare) und auch wenn sich einige davon vom traurigen Blueser in der Eckkneipe nur durch die Tattoos unterscheiden (damals Kunstwerke, heute Collegeblock), ist da ziemlich viel handgemacht und auf Augenhöhe.
Was natürlich stimmt; dass nichts davon in den grossen popkulturellen Phalanx dringen wird – da wurden die Weichen in den 2010ern ziemlich unausweichlich gestellt und das ganze Konzept "Musikindustrie" muss sich jetzt selbst einmal gepflegt an die Wand fahren.
Die Analogthese kann ich insofern voll und ganz nachvollziehen, auch wenn sie das digitale Mitmachen natürlich nicht obsolet macht. Aber wir können uns in einer positiven Auslegung (und man soll ja Hoffnung haben) schon mal drauf freuen, dass in Zukunft Algorythmen all das blöde Marketing übernehmen und wir uns nicht mehr live on Tiktok zum Release unserer Single besaufen müssen, um überhaupt Aufmerksamkeit zu erregen (und mit "wir" meine ich den Populärmusiker ab Lockdown, die vorher hattens deutlich einfacher). Gut, da kann man natürlich auch von ausgehen, dass die digitale Welt einfach für ihren selbstgenerierten Schrott vermarktet. Spotify kriegt das ja schon ganz gut hin und zwischen all den AI-Loops to study/bumfuck to springen auch noch genügend Mäuse für Waffen heraus...
Ich würde die Analogthese allerdings noch um die Anwesenheitsthese ergänzen (falls
@Nick Name sich nicht sowieso inhärent darauf bezieht). Auf DIY-Digitalzines wie dem fast schon kultigen "hotstuff productions" sehe ich eine fluide Genre-Sosse an Bands in den abgewracktesten Locations auftreten, mit Namen die einem nichts sagen, vor Publikum, dem man ins Gesicht brüllen möchte dass es Gott braucht. Aber von "entwerteter Musik" kann da nicht die Rede sein, Generation Lockdown drängt aktuell in Scharen nach draussen, jedenfalls in die Räume, die man ihnen überhaupt noch lässt, und macht Output, den man (manchmal durchaus zurecht) furchtbar finden kann, aber der zweifellos Output ist. Was uns angeht, verweise ich da mal ein paar Threads weiter... (ohne jetzt irgendwen verpflichten zu wollen).
Ich sehe das Problem eher im digitalen Konsum der so gebaut ist, dass es maximale Aufmerksamkeit mit maximaler Beliebigkeit bindet und man gar nicht mehr zum produzieren kommt.
So ziemlich das. Ich war fast geschockt, wie produktiv ich war, als ich neulich mal auf einem Gerät aus all meinen Online-Accounts flog...