Hallo polysix,
ich versuche hier mal einen umfassenden Überblick zu schaffen, natürlich sehr subjektiv. Ich vermute, deine Frage bezieht sich auf den Kraftzwerg MK I, der ja seit einiger Zeit nicht mehr hergestellt wird. Second Hand taucht er aber immer wieder bei eBay oder eBay Kleinanzeigen auf und geht zwischen 350 € und 400 € weg.
Ich habe meinen Kraftzwerg (MK I) erst seit ein paar Wochen, habe aber seit über 10 Jahren viele MFB Geräte besessen (einige wieder verkauft), kann dir also (denke ich) gut Auskunft über die Qualität des Kraftzwergs und MFB im Allgemeinen geben.
Allgemein:
Der Kraftzwerg MK I wurde bei Einführung als semi-modulare Version des Synth II angekündigt. Jedoch finden sich einige gravierende Unterschiede zum Synth II. Dieser hat nämlich Speicherplätze, einen internen Step-Sequencer, umfassendere MIDI-Implementation und bis auf Audioeingang und CV-Gate-Eingänge (CV für VCO oder VCF) keine modularen Einbindungsmöglichkeiten. Außerdem hatte der Synth II in der ersten Revision große Schwierigkeiten mit der Stimmstabilität. Ich selbst hatte diese Version und habe sie letztendlich wegen dieses Problems verkauft. Erst später habe ich erfahren, dass der Synth II später in dieser Hinsicht verbessert worden war.
Oszillatoren:
Die VCOs des Kraftzwerg MK I sind wesentlich stimmstabiler. Ich vermute, dass sie temperaturkompensiert sind. Nach dem Einschalten dauert es jedenfalls nur einen kurzen Moment, bis die VCOs auf Linie sind. Die immer wieder zu lesende Meinung, dass die Kraftzwerg-Oszillatoren schwierig zu stimmen sind, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Die Leute, die das behaupten, hatten wohl noch nie den Synth II in der Hand!
Klar, die Potis zum Stimmen der VCOs sind empfindlich und haben weite Reglerwege, aber wenn man sie eingestellt hat, bleiben sie in der angewählten Oktavlage stabil. Das kann sich zwar ändern, wenn man die Oktavlage verändert, aber dann muss man eben kurz nachregeln. Im Übrigen kann man sowohl die Stimmung als auch das Tracking aller 3 VCOs über Trimm-Potis im Inneren des Gerätes justieren.
Alle 3 VCOs können separat über CV-Eingänge transponiert und über weitere CV-Eingänge in Pulsweite oder Pitch moduliert werden. VCO 1 und 2 teilen sich einen gemeinsamen Modulationsregler, das ist ein Kompromiss aus Platzgründen. Über externe CV-Mischer bzw -Abschwächer lässt sich diese Hürde ja umgehen.
Alle 3 VCOs haben eigene Audio-Ausgänge. Meistens benutze ich jedoch den eingebauten Mischer, bei dem man auch weißes Rauschen hinzumischen kann. Das Rauschen hat leider keinen Einzelausgang. Der Ringmodulator ist digital aufgebaut und klingt krass / geräuschhaft. Bin ich nicht so ein Fan von, aber vielleicht kann man den ja als Krachquelle gut verwenden.
Der Klang der VCOs ist äußerst warm, elektrisch, vintage-artig. Gefällt mir sehr gut und muss sich nicht hinter den VCOs von analogen Klassikern verstecken. Da kommt ordentlich Druck raus.
Filter:
Das Filter ist ein 24dB-Lowpass mit 2 Audioeingängen, 2 CV-Modulationseingängen für VCF-Frequenz, jeweils mit Abschwächer, was mordspraktisch ist, sowie mit manuell und CV-regelbarer Resonanz.
Das Filter gibt dem Kraftzwerg den typischen MFB-Klang. Für mich unverwechselbar und ein wirklich gelungenes Design. Die Resonanz packt gut zu und kann von subtil bis beißen alles abdecken, wass man sich wünscht. Im Bassbereich wird mit steigender Resonant etwas ausgedünnt, da muss man mit leben. Jedoch klingt das Filter wirklich in allen Lagen musikalisch. Interessant ist der Input 1 Regler, der bei nicht gestecktem Eingang den Filter-Ausgang zurück in den Filter-Eingang routet, also ein Feedback erzeugt. Das gibt "Fattness" und eine Bass-Anhebung, außerdem ändert sich das Verhalten der Resonanz erheblich (diese nimmt ab, je mehr man das Feedback aufdreht). Interessante Möglichkeiten. Ich finde allerdings, dass das Filter schnell übersteuert. Man muss also sehr aufpassen mit dem Eingangspegel.
VCA:
Der VCA hat 3 Audioeingänge (sehr praktisch) sowie als Besonderheit 2 CV-Eingänge mit jew. eigenem Abschwächer. Die Wirkungsweise dieser Parameter solltest Du im Handbuch sowie in Internet-Reviews nachlesen, das ist nämlich etwas tricky.
Praktisch ist, dass der VCA sich dauerhaft öffnet, wenn man den Gain-Regler über die Position 5 hinaus aufdreht. Damit wird der Kraftzwerg zur Drone-Machine.
Zum Verarbeiten von CV-Signalen ist der VCA nicht geeignet, da er nicht gleichspannungsgekoppelt ist. Der VCA ist (wie öfter zu lesen ist) nicht gerade rauscharm, aber für meine Begriffe vom Sound her OK.
ADSR:
Die Hüllkurven können von knackig / perkussiv bis lang alles abdecken (Umschaltung von exponentiell auf linear!). Erwähnenswert ist die Hold-Phase, die zwischen Attack und Decay eingeschoben wird. Bei Filter-Hüllkurven IMO nicht so ergiebig, bei VCA-Hüllkurven aber sehr. Mit dieser Hold-Phase kann man dem Klangverlauf eine interessante Perkussivität verleihen, die mit klassischen ADSR-Hüllkurven so nicht erreichbar wäre.
LFOs:
Ein echtes Zuckerl. Die LFOs können über die CV-Regler cross-moduliert werden, wenn keine Kabel in den CV-Buchsen stecken. Wenn man ausreichend starke CV-Quellen an die CV-Buchsen anschließt, können die LFOs bis zu 3kHz schwingen, also schon im "experimentellen" Bereich. Auch die Sample&Hold-Wellenform im LFO2 ist sehr ergiebig.
Beide LFOs kann man extern resetten. Schrullige Eigenart dieser Resets ist jedoch, dass sie bei negativer Flanke resetten, d.h. man muss bei der Auswahl des Trigger-Impulses auf das Timing der absteigenden Flanke achten, sonst ist der Reset "off-beat".
Ich habe darüber hier etwas ausführlicher geschrieben (in der Mitte des Threads. Achtung, englisch!):
http://www.gearslutz.com/board/elec...g-action-great-demo.html?highlight=kraftzwerg
MIDI-CV/Gate Interface:
Nicht gerade mein Lieblingsthema. Das Interface ist buggy und nimmt es einem sehr übel, wenn man zu viele MIDI-Daten schickt. Dann gibt es nämlich Notenhänger und man muss den Kraftzwerg aus- und wieder einschalten. Es hilft auf jeden Fall, keine überlappenden Noten zu senden, vielleich auch darauf zu achten, dass zwischen dem letzten Note off und dem nächsten Note on eine kleine Pause ist.
MIDI-Clock und ähnliches auch unbedingt rausfiltern.
Dieses Problem ist allgemein bekannt und scheint am Design des MIDI-Interfaces zu liegen.
Bei "analogem" Betrieb, also per CV- und Gate-Ansteuerung ist der Kraftzwerg absolut zuverlässig (jedenfalls meiner).
Modularität:
Der Kraftzwerg besitzt haufenweise Patchbuchsen. Und genau hier geht der Spaß richtig los. Die beiden LFOS und beide AHDSRs bieten schon mal genug Modulationsquellen zum Loslegen. Und man kann natürlich auch die VCOs als Modulationsquellen für Oszillator-FM oder Filter-FM benutzen.
Glücklicherweise bieten die meisten Eingänge einen eigenen Abschwächer, und das ist enorm praktisch. So kann man sehr nuanciert an den Modulationstiefen arbeiten. Da der Kraftzwerg Eurorack-kompatibel ist, lässt er sich wunderbar in ein modulares Setup einbinden.
Verarbeitungsqualität:
Es ist kein Geheimnis, dass die früheren MFB-Geräte (ich meine alles, was bis vor 2-3 Jahren im Plasik-Industriegehäuse daherkam) kostengünstig und mit bedruckten PCBs designt wurden. Das heißt, dass Potis schon mal wackeln können und Audiosignale nicht immer den optimalen Signal-Rauschabstand haben. Wenn man damit kein Problem hat, sind MFB-Geräte ein echter Preis-Leistungs-Kracher. Vor allem, wenn man weiß, was man da eigentlich tut und Lust hat, zu experimentieren und dazuzulernen.
Ich hatte mit meinem Synt II ein Problem und habe ihn an MFB geschickt, und Herr Fricke hat ihn kostenfrei repariert und an mich zurückgeschickt, und das 2 Jahre nach Ablauf der Garantiefrist! Das ist toll. Ich mache mir deswegen auch keine Sorgen bezüglich Gebrauchtkauf von MFB-Geräten. Notfalls lässt man sie halt bei MFB reparieren und bezahlt gegebenenfalls für die Reparatur (viel wird es nicht sein).
Unterschiede zum Kraftzwerg MK II:
Der MK II ist noch neu erhältlich. Ich vermute jedoch nicht mehr allzu lange. Unterschiede zum MK I sind neben dem stabileren Gehäuse +Holzseitenteile das andere Filterdesign, MIDI-OUT (anscheinend zum Durchschleifen von MIDI-Clock) und MIDI-THRU, ein Audio-Ausgang auf der Gehäuserückseite sowie LFO-One-Shot-Modus sowie LFO-Reset auf der positiven Flanke.
Ich hatte beide Versionen noch nie nebeneinander stehen, habe den MK II allerdings bei Schneidersladen getestet. Ich erinnere mich daran, dass das neue Filter wirklich anders klingt. Ich mag das alte Filterdesign lieber. Vielleicht gefällt dir das neue Design ja besser. Musst du halt mal ausprobieren.
Ich muss gestehen, dass mir die Optik des Kraftzwerg MK I besser gefällt. Ich stehe auf diese PacTec-Industriegehöuse und finde sie auch recht robust.
Einbau ins Eurorack:
Es gab eine Eurorack-Variante des Kraftzwerg MK I mit einigen Unterschieden zum Pultgerät. Man kann theoretisch auch den Pult-Kraftzwerg "eurorackifizieren". Dazu muss man jedoch wissen, dass die Frontplatte der Pultversion einige Millimeter höher ist als der Eurorack-Standard. Man müsste also feilen oder schneiden (ich glaube auf Muffwiggler habe ich Erfahrungsberichte gefunden). Die interne Stromversorgung des Kraftzwerg beruht auf dem selben 12V-Buskabel, das man auch in Doepfer-kompatiblen Eurorack-Gehäusen findet, das heißt man könnte sich auch ein Do-It-Yourself-Case mit leicht abgeänderten Maßen bauen, damit die Kraftzwerg-Frontplatte da rein passt. Ich mache das vielleicht irgendwann mit meinem Kraftzwerg und Megazwerg.
Auf der Stromversorgungsplatine des Kraftzwergs ist auch noch Platz für weitere 12V-Buskabel, obwohl dafür die Pinökel fehlen, die müsste man noch rauflöten.
So. Genug über Technik geredet, jetzt geht es um den...
Klang: Ich finde, der Kraftzwerg ist ein wirklich ausgereifter, herrlich klingender Synthesizer. Von Bässen über klassische Sequenzer-Sounds, Leads und Effekte kann man damit wirklich eine sehr breite Palette wunderschöner, eigenständiger Analog-Sounds abdecken. Der Kraftzwerg klingt für mich sehr vintage, geradezu klassisch, und sehr "elektrisch", also brizzelig, wollig, "fuzzy" halt. Lebendig. Klar gibt es hier und da ein Übersprechen im Mixer, ein Rauschen im Filter und im VCA oder die eine oder andere Eigenheit. Aber das haben analoge Synthies halt (und Geräte von MFB sowieso!).
Zielgruppe:
Der Kraftzwerg scheint bei vielen Leuten gelandet zu sein, die mal "modular ausprobieren wollten". Ich denke, dass einige, die negative Kritiken geschrieben haben, falsche Erwartungen an diesen Synthesizer hatten. Leute, das ist kein Plugin, sonder ein analoger Synthi im Industriegehäuse. Das Ding ist dirty, eigenständig und hat ein paar Schrulligkeiten! Ich denke auch nicht, dass der Kraftzwerg ein Anfängergerät ist. Die Modulationstiefen und CV-Reglerwege sind groß. D.h. da ist kein sofortiger Sweet Spot, sondern Fingerspitzengefühl und Erfahrung mit subtraktiver Synthese und Steuerspannungen sind gefragt. Oder, wenn die Erfahrung noch nicht so groß ist, dann die Lust auf Experimente und "Trial and Error".
Demos:
Es gibt nicht gerade viele "musikalische", d.h. tonale Demos mit dem Kraftzwerg, dafür aber viel Experimentelles im Netz.
Hier ist eine Demo, die ich mit dem Kraftzwerg gemacht habe:
Im Übrigen kann ich nicht oft genug betonen, wie genial die Erweiterung MFB Megazwerg zum Kraftzwerg passt. Den solltest du dir auf JEDEN Fall auch mal anschauen. Auch dazu habe ich eine Demo gemacht (beide Geräte im Verbund):
So, ich habe hier mal einiges reingepackt, was ich selbst an Vorarbeit bei meiner Kraftzwerg-Recherche und bei intensiver Benutzung in den letzten Wochen gelernt habe.
Viel Spaß bei der Suche nach dem richtigen Zwerg!