Besuch Elektronisches Studio WDR, Köln (19.2.2011)

Drei Dinge haben mir geholfen, mich auf den Besuch vorzubereiten:

• Das "Studio für Elektronische Musik" ist kein Synthesizermuseum.
• Die ausgestellten Gerätschäften waren nur Mittel, bestimmten musikalische Ziele zu erreichen.
• Der Leiter des Studios berichtet aus erster Hand, wie welche Mittel zur Erreichung welcher Ziele eingesetzt worden sind.

Daher habe ich versucht, für die Dauer des Besuches meine musikalischen Vorlieben und meinen Synthesizerfetischismus mal über Bord zu schmeissen.
Hat mich selbst überrascht, wie einfach das war, und wie sehr das den Genuss erhöhte.
 
Ich wollte mich auch nochmals für den überaus interessanten Nachmittag und die angenehme Gesellschaft bedanken. Wie ich schon Herrn Müller sagte: Wären alle Seminare an der Uni so interessant gewesen, ich wäre begeisterter Student gewesen.

Jeder, der die Möglichkeit hat, eine Führung mitzumachen, sollte das auch tun.

Stephen
 
Elektrokamerad schrieb:
Richtig ist, dass einige wenige Teilnehmer, die sich hier bisher nicht geäußert haben, am letzten Samstag von den "Frequenzen" der musikalischen Vorführung genervt waren, da sie ihnen offensichtlich zu laut und unangenehm erschienen. Daher scheint es mir Voraussetzung zu sein, dass man sich vor einem Besuch intensiv mit der Ästhetik der Elektronischen Musik in der Praxis beschäftigt, denn es soll ja keine Qual werden. Auch der Vortrag von Stockhausen "Die vier Kriterien ...", nachzulesen auf meiner Homepage, ist wichtig, damit man überhaupt weiß, was Sache ist....

Um mal dem Ausdruck genervt etwas Vorschub zu leisten: Ich möchte dieses Attribut im Zusammenhang mit dem von mir Erlebten nicht in Verbindung bringen.
Aber ich fange vorne an. Der Besuch des elektronischen Studios des WDR war eine hochinteressante Sache, die auch mir die Augen öffnete, wie akribisch und zeitaufwändig gearbeitet wurde, um zu diesen damals neuen klanglichen Ergebnissen zu kommen. Und vor so etwas habe ich Hochachtung. Verschiedene Techniken wurden uns von Hr.Müller in verständlicher Weise erklärt und vorgeführt, die Dokumentationen zu diversen Werken zeigten uns, mit welchen Ansätzen die Komponisten damals zu Werke gingen.
Insofern wird dieser Besuch bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Dass ich bestimmte Töne und Klänge (als Beispiel sei hier das ständige Glissando aus Hymnen genannt) als unangenehm empfand, tut dem Gesamteindruck des Ganzen bei mir keinen Abbruch. Das ist mir auch an anderer Stelle schon so ergangen, auch zu Hause, auch bei TD und Schulze u.a. Hat auch wenig mit Lautstärke zu tun. Es gab auch genug Sachen, die ich sehr gut und sehr einnehmend fand, eigentlich sogar den wesentlich überwiegenden Teil.
Diese meine persönliche Wahrnehmung würde auch ein 12-semestriges Studium nicht ändern, ist doch das ästhetische Empfinden bei jedem Menschen anders. Da Musik von jedem Hörer individuell empfunden wird, muss man das Analysierte und das emotional Wahrgenommene differenziert betrachten und so bin ich durchaus in der Lage, meinen Hut vor Arbeiten wie denen des Herrn Stockhausen zu ziehen, auch wenn ich bestimmte Sachen seines mir bekannten Universums nicht mag.
Verständnis und erfolgte Einführung in das Werk sind zwar mit besserer Zugänglichkeit und treffender Analyse für Abläufe verknüpft, ändern aber nichts am ästhetischen Empfinden. Ist auch weder eine Alters- noch eine Bildungsfrage.
Also: Respekt, Wertschätzung und Anerkennung sind vorhanden, mein Körper und mein Geist sind jedoch eine Einheit geblieben.
 
phaedra schrieb:
... mein Körper und mein Geist sind jedoch eine Einheit geblieben.
Das verstehe ich jetzt nicht, aber vielleicht kannst du das einmal erklären. Offensichtlich beziehst du dich mit deiner Bemerkung auf die Schilderung von Wolfgang, der von seinem Erlebnis beim Stockhauen Konzert von Cosmic Pulses in Aachen berichtete. Hast du etwas vermisst?
 
Was soll ich vermisst haben? Das Abheben? Nein, das ist in einem solchen Rahmen für mich nicht möglich.
In der Tat bezieht sich die von Dir zitierte Bemerkung auf die genannte Schilderung.
Vielleicht hätte ich das in Unkenntnis des Werkes nicht in diesem Zusammenhang bringen sollen, aber ich wollte damit auch eher meiner schon noch vorhandenen Distanz zu dem Gehörtem Rechnung tragen.
 
Ich empfinde, wie geäußert, Stockhausen als zu arty-farty. Gleichwohl empfinde ich ggü. seiner und der anderer Pioniere erbrachten künstlerischen Leistung Respekt und Dankbarkeit, ohne diese Pionierarbeit könnte ich nicht die Musik hören, die ich liebe. Sind wir da einer Meinung?
 
steht im WDR studio eigentlich auch ne 909 ode eine 303? wäre cool.
dann bring ich meine nebelmaschine mit und wir lassen es bissie knarzen.
dem müller geben wir ein xtc. rave on!

:mrgreen:
 
Nachtrag: Bekanntlich gehört Stockhausen sowie die Musik aus dem Elektronischen Studio zur Gattung "Neue Musik" - und das unterscheidet sich gravierend von dem, was wir unter populärerer Tanz-Elektronik, EM à la Winfried Trenkler, Underground, Industrial etc verstehen. Mit dem Wissen und der Einstellung, was einen NICHT erwartet, scheint mir ein Besuch gewinnbringend. Sonst möglicherweise dummes Gesicht.
 
Nach meinem beschränkten Empfinden enthält die Musik von Stockhausen (ich beziehe mich auf mir bekannte Werke, insbes. Hymnen Teil 4, das wir im Studio gehört haben) Tonereignisse, deren Existenz ich mir nur aus dem Grund einer gewollten "Verkunstung" des Werkes erklären kann. Ich habe den Eindruck der Komponist hatte teilweise Angst, man könne die Musik schön finden und geniesen.

Ich gebe zu, dass ich Musik ausschließlich mit dem "Bauch" konsumiere und konsumieren möchte. Kopfmusik empfinde ich als arty-farty.
 
sadnoiss schrieb:
Ich gebe zu, dass ich Musik ausschließlich mit dem "Bauch" konsumiere und konsumieren möchte. Kopfmusik empfinde ich als arty-farty.

Dies ist eine gerne geglaubte illusion, das man nur mit dem "Bauch" hören könnte!

Du hast sicherlich erwartungshaltungen, wenn du musik hörst und die sind sicherlich durch den kopf geprägt!

Oder?

Trotzdem ist das "Bauch" hören (als intension) wichtig, wenn du damit das "reine vorurteilslose (hin)hören" meinst!?

Jm2c, Peter

ps: Musik hören ist ja auch nix passives: Man befragt ja ständig die musik und bekommt ständig antworten: Eher mit Kommunikation vergleichbar.
 
Würde das alles nicht pauschalisieren:
manchmal stehe ich auch auf das, was für manche „Kopfgew…se“ ist.
Neue Musik KANN Spaß machen! Vor allem live erlebt.

Ein andernmal kann ich auf intellektuellen Background verzichten und
gönne mir was Stupides (!). Wichtig finde ich eher, dass man dies be-
wußt tut bzw. weiß, was man hört.
 
sadnoiss schrieb:
Ich gebe zu, dass ich Musik ausschließlich mit dem "Bauch" konsumiere und konsumieren möchte. Kopfmusik empfinde ich als arty-farty.
Muss undedingt ein Rhythmusgerät drunter, damit der Bauch sich freut und die Füße wippen, d.h. wie doof und musikalisch ungebildet ist der Zuhörer, dass er Musik als solche wahrnimmt und genießen kann? Die Parallele zum Musikantenstadl erspare ich mir.
Hausaufgabe bis Donnerstag: http://www.elektropolis.de/ssb_story_bruen.htm

Sicherlich erleichtert die Bereitschaft, sich mit Neuem auseiander zu setzen, den Zugang dazu. Dennoch fand ich Wolfgangs Aussage am Samstag zu Stockhausens Cosmic Pulses vor 2 Jahre in Aaachen sehr beeindruckend, dass er ohne besondere musikalische Vorkenntnisse, jedoch mit einem offenen Ohr für alles Neue in der Musik, einen besonderen seelischen Zustand erreicht hatte, den er vorher noch nicht gekannt hatte. Mehr geht nicht.
 
Elektrokamerad schrieb:
Aber du hast doch mitbekommen, in welche Richtung meine Argumentation geht? Oder ist das so, dass Klaus Schulze und Tangerine Dream Fans über 40 grundsätzlich ein Problem mit den Gehörgängen haben?

ja, das verstehe ich schon.
ist vielleicht ein versuch zu vermitteln.....
 
Elektrokamerad schrieb:
Muss undedingt ein Rhythmusgerät drunter, damit der Bauch sich freut und die Füße wippen,

Ich habe nicht das Fehlen von Rhythmus bemängelt, den halte ich eh' für völlig überschätzt!

Elektrokamerad schrieb:
Dennoch fand ich Wolfgangs Aussage am Samstag zu Stockhausens Cosmic Pulses vor 2 Jahre in Aaachen sehr beeindruckend, dass er ohne besondere musikalische Vorkenntnisse, jedoch mit einem offenen Ohr für alles Neue in der Musik, einen besonderen seelischen Zustand erreicht hatte, den er vorher noch nicht gekannt hatte. Mehr geht nicht.

Diese Erlebnisse hatte ich durchaus schon bei ungehörter neuer Musik. War aber halt andere neue Musik.
 
sadnoiss schrieb:
Nach meinem beschränkten Empfinden enthält die Musik von Stockhausen (ich beziehe mich auf mir bekannte Werke, insbes. Hymnen Teil 4, das wir im Studio gehört haben) Tonereignisse, deren Existenz ich mir nur aus dem Grund einer gewollten "Verkunstung" des Werkes erklären kann. Ich habe den Eindruck der Komponist hatte teilweise Angst, man könne die Musik schön finden und geniesen.

Ich gebe zu, dass ich Musik ausschließlich mit dem "Bauch" konsumiere und konsumieren möchte. Kopfmusik empfinde ich als arty-farty.

ich verstehe genau was du meist - aber wir betreten hier ein äußerst schwieriges Gebiet, das der Musik-Soziologie.

ich selbst habe eine große Affinität zur Neuen Musik und komme von meiner persönlichen Geschichte aus dem Industrial.
das sind zwei Paar Schuhe - das hier im Forum auseinander zu bröselen ist fast nicht möglich.
Ich befürchte das endet nur in einer großen Streiterei.
 
serge schrieb:
Drei Dinge haben mir geholfen, mich auf den Besuch vorzubereiten:

• Das "Studio für Elektronische Musik" ist kein Synthesizermuseum.
• Die ausgestellten Gerätschäften waren nur Mittel, bestimmten musikalische Ziele zu erreichen.
• Der Leiter des Studios berichtet aus erster Hand, wie welche Mittel zur Erreichung welcher Ziele eingesetzt worden sind.

Daher habe ich versucht, für die Dauer des Besuches meine musikalischen Vorlieben und meinen Synthesizerfetischismus mal über Bord zu schmeissen.
Hat mich selbst überrascht, wie einfach das war, und wie sehr das den Genuss erhöhte.
:supi:
 
sadnoiss schrieb:
Diese Erlebnisse hatte ich durchaus schon bei ungehörter neuer Musik. War aber halt andere neue Musik.

Welche elektronische Komposition aus dem Bereich Neue Musik kennst du, und bei welchem dieser Stücke hat sich bei dir der von Wolfgang beschriebene Zustand ohne Einnahme von stimulierenden Mitteln eingestellt?
 
Bisher war das nach dieser Defintion von "Neuer Musik" http://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Musik(blöde Schublade, wofür brauchst Du die?) bei Werken der Vertreter der Minimal Music insbes. Philip Glass der Fall. Neue Musik wird aber nicht nur von Akademikern gemacht. Als ich das erste mal einen längeren Dubstep-Mix gehört habe hat mich das auch "einen besonderen seelischen Zustand" erreichen lassen.

Denke, wir sollten die Diskussion aber hier abbrechen, führt zu keiner Einigung.
 
Hauptsache die Diskussion geht weiter. Wo ist mir egal.
Die Abspaltung des Themas finde ich ok - hatte ich ja auch vorgeschlagen.
Wollte hier nicht reinpfuschen.
Ein neuer Thread kostet ja nix.
 
Elektrokamerad schrieb:
Welche elektronische Komposition aus dem Bereich Neue Musik kennst du, und bei welchem dieser Stücke hat sich bei dir der von Wolfgang beschriebene Zustand ohne Einnahme von stimulierenden Mitteln eingestellt?

sadnoiss schrieb:
Bisher war das nach dieser Defintion von "Neuer Musik" http://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Musik(blöde Schublade, wofür brauchst Du die?) bei Werken der Vertreter der Minimal Music insbes. Philip Glass der Fall. Neue Musik wird aber nicht nur von Akademikern gemacht. Als ich das erste mal einen längeren Dubstep-Mix gehört habe hat mich das auch "einen besonderen seelischen Zustand" erreichen lassen.

Denke, wir sollten die Diskussion aber hier abbrechen, führt zu keiner Einigung.

Ich hatte nach einer elektronischen Komposition aus dem Bereich Neue Musik gefragt. Die mir bekannten Vertreter der erwähnten Minimal Music arbeiten vorwiegend instrumental, d.h. das sind dann keine elektronischen Kompositionen. Daher stelle ich gerne meine Frage noch einmal. Ob Dub-Step der Musikgattung Neue Musik zuzurechnen ist, halte ich auf jeden Fall für fragwürdig - Elektronische Musik, so wie sie uns in Köln vermittelt wurde, ist es sicherlich auch nicht. Ich suche noch elektronische Stücke aus dem Bereich Neue Musik, wo sich mein Geist vom Körper trennen kann, denn das halte ich für einen erstrebenswerten Zustand beim Hören von Musik. Andere Musik zum Trennen habe ich massenweise.
 


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