Ob die Obertöne von einem schwingenden System aus Holz, Bogen, Saiten etc. erzeugt werden oder aus einem Lautsprecher kommen, ist für das Hörerlebnis letztlich völlig egal. Aus diesem Grund vertrete ich schon seit geraumer Zeit die Meinung, dass im Bau elektronischer Instrumente nichts Neues mehr kommen kann. Wir haben heute bereits die Kontrolle über jeden Oberton - mehr geht aus physikalischen Gründen einfach nicht.
Das Problem ist allerdings, dass Schallereignisse "natürlichen" Ursprungs sehr komplex moduliert sind. Die Kunst besteht darin, digitale Klanggebilde mit einer vergleichbaren Komplexität zu erschaffen und die dann noch kontrollierbar zu halten. Wenn ich den Klang während des Spiels nicht ändern kann, habe ich kein Instrument vor mir.
Die Herausforderung der Zukunft liegt im Bau vernünftiger Mensch-Maschine-Interfaces. Da sind Tasten und Wheels ausgesprochen unvollkommene Ansätze (auch, wenn man wie etwa beim Prophecy viele Wheels hat). Ich denke, dass man mit Breath-Controller, Pedalen und Beam-Sensoren heute schon sehr lebendige Klänge schaffen kann, die von der Ausdruckskraft her mit natürlichen Instrumenten mithalten können.
Wenig Sinn macht es dagegen aus meiner Sicht, Geigen etc. digital "nachbauen" zu wollen. Welches Interesse sollte man daran haben, eine Stradivari zu simulieren? Man müsste einen ungeheuren Kopfstand machen, nicht um deren Sound zu imitieren, sondern deren Ausdruckskraft. Ich muss da immer an ein Beispiel aus den 80ern denken: Ich glaube, Soft Cell (oder wars OMD?) wollte mal einen Klarinettenklang in einem Stück haben; man hat da stundenlang probiert, den aus einem Synth zu holen, bis einem der Studioassistenten einfiel, dass er jemanden kennt, der Klarinette spielt. Bingo! Hat man eben das Original genommen.
Darum ist ja auch physical Modelling im Sande verlaufen, weil man zwar halbwegs realistische Blasinstrumente da rausholen konnte, aber nur, wenn man vollverkabelt vor dem Instrument saß. Bei vollsynthetischen Klängen sieht das schon wieder anders aus, weil man da nicht versuchen muss, das Verhalten eines realen Instruments zu imitieren.
Viel gute Musik noch
S