Mein blinder Fleck (?): Philip Glass

Otterl

Otterl

zwangserleuchtet
Für mich ist es ein Phänomen: ich scheine so ziemlich der Einzigste zu sein, der
Philip Glass absolut gar nichts abgewinnen kann. Seine Musik wird weltweit hochgelobt,
bepreist, geliebt.

Der Reihe nach: ich bin in der Lage, so ziemlich jede Musik, die sich zeitgenössisch
nennt, anzuhören (was nicht bedeutet, das ich sie auch lieben muß); desgleichen gilt für
alte klassische Musik, Jazz, hausgemachte elektronische Musik usw.
Die musikalische Mülltrennung klappt für mich ganz gut und hoffentlich einigermaßen
objektiv. Und über Geschmack streiten bringt ohnehin nix.

Früher mochte ich Minimal Music a la Steve Reich oder Terry Riley. Den langsamen
Verschiebungen (Violin Phase!) kann ich durchaus was abgewinnen. Die Musik
von Glass würde ich NICHT als Minimal Music bezeichnen, dazu ist sie zu „maximal“,
zu grob. Das Filigrane der o. g. Urminimalisten suche ich dort vergebens.

Und für „richtige“ klassische Musik (Immerhin instrumentiert er großzügig) ist
einfach zu wenig Substanz da. Es sind oft nur simple Arpeggien, die mit hohem Aufwand im
klassischen Gewand daherkommen. Vielleicht wäre es mir lieber, wenn die Instrumentierung
bescheidener wäre, was die Inhaltslosigkeit offenbaren würde? Gegen einfache Musik
ist ja nix einzuwenden.
Da wird wenig Inhalt ordentlich verdickt. Andererseits vermute ich in Glass keinen Blender,
er scheint ja sein Handwerk gelernt zu haben. D. h. das ist alles Absicht.

Mein Einstieg war damals natürlich Koyaanisqatsi. Anfangs schöne Bilder mit Ökomessage,
dann der „Zivilisationsteil“, schnell, schneller am schnellsten. Die Message hat man nach
spätestens fünf Minuten verstanden … aber es rattert noch ewig vor sich hin und nervt und nervt.

Werke wie Echnaton oder Einstein on the Beach probiert: Verpackung besser, aber …

Da ich noch nie ernsthafte Kritik zu Glass Werken hörte (traut sich keiner?), muß der Fehler also
bei mir liegen. Fehlt mir ein Glass-Gen? Wie schaffen es die Fans dem Dauergedudel
etwas abzugewinnen? Ich bin in der Lage mir dumpfe Musik, wie z. B. Techno anzuhören oder
mal ein paar Bollywood-Songs mitzunehmen oder „anständige“ Neue Musik zu ertragen.

Bei Glass stehe ich jedoch einem Phänomen gegenüber: es stößt mich ab.
Interessanterweise habe ich gegen den Komponisten selbst überhaupt nichts.
Fand ihn aus einigen Interviews sogar sympathisch.

Und nun? Ich weiß: Finger weg lassen von der Musik. Gerne. Klappt auch. Dennoch bleibt
das Gefühl, dass ich da was nicht verstanden habe. Geht mir bei keiner anderen Musik so.

Zur Verklardeutlichung: an Glass-Bashing bin ich nicht interessiert.

Wo ist mein blinder Fleck, so es einer ist?
Gibt es Menschen, denen es ähnlich geht?
Gibt es objektiv einen Grund sich mit PG zu beschäftigen?
 
Gibt es objektiv einen Grund sich mit PG zu beschäftigen?
Mir geht es im Grunde auch so. Obwohl prominetester Vertreter des Genres, ist er mir auch der am wenigsten zusagende.
Koyaanisqatsi war auch meine erste Berührung und im Grunde ist sein Oeuvre davon nicht zu unterscheiden. Kennt mein eins, kennt man alles. Möglich dass er überschätzt ist. Immerhin ganz empfehlenswert bzw. hörenswert ist seine Adaption von Bowies Low und Heroes. Ist eine Doppel CD. Aber ansonsten "vermisse" ich ihn auch nicht in meinem Ohr.
Abstoßend finde ich ihn aber nicht. Nur nicht anziehend..

https://www.deutschlandfunk.de/phil...ekt-brutal.691.de.html?dram:article_id=448535

Es ist eine radikal antidiskursive Musik, eine Musik, die nicht argumentiert, sondern die eher vorsprachliche Schichten berührt. Am besten ist Glass da, wo er diesen Stimmungen vertraut, wie in „Low“. Sobald er anfängt, etwas sagen zu wollen, kann es auch banal und kitschig werden. Das passiert an einigen Stellen in „Heroes“.
 
Zuletzt bearbeitet:
Für mich ist es ein Phänomen: ich scheine so ziemlich der Einzigste zu sein, der
Philip Glass absolut gar nichts abgewinnen kann. Seine Musik wird weltweit hochgelobt,
bepreist, geliebt.

Ich kann auch mit seiner Musik nix anfangen.

Und tröste Dich: Da gibt es mehrere. Auf clavio gab es neulich einen Fred:
"Die Minimal Music ist in die Jahre gekommen - Same Procedure As Every Year, Mister Glass?"

Dennoch bleibt das Gefühl, dass ich da was nicht verstanden habe. Geht mir bei keiner anderen Musik so.

Damit kann man umgehen. ich kann auch mit dem meisten Sachen von Mozart nichts anfangen.

Vor einiger Zeit: Ich fahre im Auto, etwas Frequenzsurfen, da hatte ich einen Sender gefunden: klassische Musik, Klavier solo. Ich habe mir die verbleibenden paar Minunten angehört und dachte bei mir: Für mich nichtssagend, harmlos, plätscher, kann ich halt nix mit anfangen. Hm, könnte Mozert sein. Nachher wurde aufgelöst: Es war Mozart.

Ich komme vom klassischen Klavier und da gab es das (für mich: berüchtigte) "Sonatinenalbum". Voll von Musik, die man auch hätte zu Tante Ernas Kaffeeklatsch spielen können. Für mich war das nix.

Bach, Hindemith: ja.
Wiener Klassik: Nee, eher nicht.

Man muss nicht alles mögen.
Und es gibt Musik, die man versteht (oder verstehen könnte), aber nicht mag.
<sozialarbeiter>Da kann auch auf 'ne Art mit umgehen, Du.</sozailarbeiter>

Gibt es Menschen, denen es ähnlich geht?

Ja!

Gibt es objektiv einen Grund sich mit PG zu beschäftigen?

Nein.

Oder, besser gesagt: Musik muss etwas in mir anrühren. Und damit meine ich nicht das Schlafzentrum.

Grüße
Omega Minus
 
@Otteri: Dann hört Dir mal MOONDOG an! (Sein geistiger vater)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Moondog is not the issue here..
Nur Spaß.
Ist zwar erstens, was komplett anderes und zweitens wirklich sehr interessant, aber das kann man auch nicht allzu lange aushalten. My Madel Edelweiß, oder so... Puh...
Aber da ist schon was, das sehr interessant ist.
 
Ich mag bestimmte Werke von Philip Glass sehr. Diesen hypnotischen Effekt der schnelleren Stücke mit den Sequenzen/Arpeggios die sich immer mal wieder von Takt zu Takt ändern.
Aber von seinen Orchesterwerken mag ich die Opern wegen dem Gesang nicht. Wenn die Stimme aber nur als Instrument oder Klang eingesetzt wird (Koyaanisqatsi, Knee Play 1), so stört sie mich nicht. Ich höre eigentlich nur im Autoradio Musik mit Gesang, sonst nur instrumental. Ausnahme: Kraftwerk.

Aber zurück zu PG. Ich mag seine Ensemble Sachen auch mehr als seine Klavierstücke. Und die für mich schönsten Werke hat er Ende der Siebziger bis Mitte der Achtziger gemacht.

Aber ich denke, man muss sich nicht rechtfertigen warum man was mag oder nicht. Ich habe nie Zugang zu Mozart gefunden. Aber sehr wohl aber zu J.S. Bach.

Und nur weil Millionen Modern Talking oder Kastelruther Spatzen hören, muss man sich nicht komisch fühlen, wenn man dass nicht tut.
 
Philip Glass ist in der Musik (für mich!) was (mir) Thomas Mann in der Literatur.
Obwohl lesebegeistert und interessiert an deutschsprachigen Literatur, wird mich Thomas Mann auf ewig langweilen. (Entgegen aller Lobeshymnen, finde ich keinen Zugang)
 
...

Bach, Hindemith: ja.
Wiener Klassik: Nee, eher nicht.

Man muss nicht alles mögen.
Und es gibt Musik, die man versteht (oder verstehen könnte), aber nicht mag.
<sozialarbeiter>Da kann auch auf 'ne Art mit umgehen, Du.</sozailarbeiter>
...
In die Jahre gekommen => das Alter macht mir wiederum nichts aus.
Bach, Hindemith => Das ist die Sache mit dem Geschmack: Ich kann aber dennoch
Mozarts Leistungen anerkennen.
 
Mir geht's ähnlich. Glass verhält sich zu Steve Reich wie Green Day zu den Sex Pistols.

Und über allem thronen natürlich Terry Riley bzw. die Stooges.
 
Andererseits vermute ich in Glass keinen Blender, er scheint ja sein Handwerk gelernt zu haben. D. h. das ist alles Absicht.
Wie es Dir mit Philip Glass geht, geht es mir mit Tangerine Dream. Auch die haben sicher in gewisser Weise Ihr Handwerk gelernt. Ich denke, dass mit zunehmender Begeisterungsdistanz einfach der "Danke, ich habs jetzt nach dem dritten Stück verstanden"-Effekt einsetzt. Je weniger positiv-voreingenommen ich bin, um so eher fällt mir das Fehlen von Fortschritt und Tiefe auf. Das gleiche kann man sicher für sehr viele Künstler oder gar Genres sagen.

(Und natürlich gilt das auch für Künstler und Genres bei denen ich begeisterter Fan bin.)
 
Gibt es objektiv einen Grund sich mit PG zu beschäftigen?
Meine subjektive Antwort ist ganz klar "Nein, da gibt es nu wirklich gar keinen Grund".
Mir stellt sich allerdings die Frage, was dich so reitet, dass Du der Musik von Philip Glass, die dich anscheinend gar nicht so recht berührt, einen dermaßen ausführlichen Beitrag widmest. ???
 
Mir stellt sich allerdings die Frage, was dich so reitet, dass Du der Musik von Philip Glass, die dich anscheinend gar nicht so recht berührt, einen dermaßen ausführlichen Beitrag widmest. ???
Endlich stellt mal jemand diese Frage! :weich:

Bin letztens wieder auf seine Musik gestoßen (in Trumann Story); und ich stoße immer wieder drauf,
seit Jahrzehnten. Wen wunderts, bei DER Popularität. Und wenn ich das immer noch nicht nachvollziehen
kann, obwohl man ja selbst einige (musikalische Hör-)Kehrtwendungen in seinem Leben gemacht hat,
dann ist ein Realitätscheck ("wo steh ich") ganz ok.

Könnte auch sagen (wir sind ja hier unter vier Augen): Glass interessiert mich in diesem Fall
weniger, als meine Einstellung/Vorgänge im Inneren etc.
 
Übrigens: Als Filmmusik ist Glass gar nicht so übel. Anima Mundi z.B. Das passt auf jeden Fall!
Den habe ich damals, als er rauskam, in Italien im Kino gesehen.

https://vimeo.com/22788593
 
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Phillip Glass versuchte oft derzeitige Grenzen zu überwinden: Er ließ Musiker- und SängerInnnen lange Töne halten, sehr lange ... vermutlich als jeder zuvor und wohl längere Bandaufnahmen als derzeit technischer Standard. Also ich glaube seine Werke mit Hintergrund und Kontext sind oft aufschlussreicher als nur das Ergebnis.
 
Zuletzt bearbeitet:
Woher kommt die Intension Phillip Glass zu mögen? Es ist und bleibt Musik. Wenn die Emotionen nicht überspringen, dann quäle dich nicht damit sondern höre etwas, was dir Freude bringt.
 
Der Name sagt mir überhaupt nichts, habe eben mal bei Spotify gehört, was der so macht. Klassik oder so das typische Soundtrack-Piano aber irgendwie eher "einfach", soweit ich das als Nicht-Pianist sagen darf.
Wobei, wenn ich so gucke scheint Opening von Glassworks schon von 1981 zu sein, dann wäre er eher gewesen, als der typische Sound in den ich das einordnen würde.

Bin letztens wieder auf seine Musik gestoßen (in Trumann Story)

Ahh, Truman Show, jetzt weiß ich, woher ich die Musik doch kenne.
 
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Für mich ist es ein Phänomen: ich scheine so ziemlich der Einzigste zu sein, der
Philip Glass absolut gar nichts abgewinnen kann. Seine Musik wird weltweit hochgelobt,
bepreist, geliebt.


vieles ist sehr formalistisch und gleichzeitig ist er ein hoffnungsloser romantiker.

ich mag nur weniges von ihm wirklich, und die minimalistisch-serialistischen strukturen nur dort, wo sehr viel bewegung drin ist, was leider eher selten vorkommt.


es gibt im nirvana ein dreieck aus glass, reich, und hardin - die sich kannten, teilweise zusammen gearbeitet und sogar zusammen gewohnt haben.

hardin ist in diesem dreieck fürs herz zuständig, reich für den kopf.

welche tiefere bedeutung das lebenswerk von glass haben soll, habe ich bislang noch nicht herausgefunden.


interessanter und wichtiger als hip hop ist er allemal.
 
Zuletzt bearbeitet:
Berührt hat mich der Soundtrack zu „Candyman“, seitdem habe ich Philip Glass eher in die „gut“-Schublade reingetan. Aber zugegebenermaßen kenne ich sonst fast nichts von ihm.
 
Meine subjektive Antwort ist ganz klar "Nein, da gibt es nu wirklich gar keinen Grund".
Mir stellt sich allerdings die Frage, was dich so reitet, dass Du der Musik von Philip Glass, die dich anscheinend gar nicht so recht berührt, einen dermaßen ausführlichen Beitrag widmest. ???

Woher kommt die Intention Phillip Glass zu mögen? Es ist und bleibt Musik. Wenn die Emotionen nicht überspringen, dann quäle dich nicht damit sondern höre etwas, was dir Freude bringt.

Das Problem ist hier (auch) ein sozialpsychologisches. Kann halt vorkommen, dass man sich in einem Milieu bewegt, in dem es sich halt gehört, Philip Glass zu mögen. Ist das bei einem selbst nicht der Fall, fängt man halt an, sich Fragen zu stellen.
 
Das Problem ist hier (auch) ein sozialpsychologisches. Kann halt vorkommen, dass man sich in einem Milieu bewegt, in dem es sich halt gehört, Philip Glass zu mögen. Ist das bei einem selbst nicht der Fall, fängt man halt an, sich Fragen zu stellen.
Vielleicht hat mich auch dieser über Jahrzehnte anhaltende Hype verunsichert.
Wenn jemand über solche Klangkörper verfügt... (wir reden ja hier nicht von
einem Synthesizerfuhrpark, sondern über riesige Orchester und Profis)
 
Vielleicht gefällt so manchem hier folgende Version besser ;-)



Philip Glass' Opening from Glassworks on Modular Synthesizer
 
Wenn jemand über solche Klangkörper verfügt... (wir reden ja hier nicht von
einem Synthesizerfuhrpark, sondern über riesige Orchester und Profis)
Ja nu, er KANN über diese Klangkörper verfügen, weil ihm Auftraggeber und Veranstalter das nötige Geld zur Verfügung stellen. Dieses Geld wird in den Staaten zumeist aus privater Hand generiert. Diese Hand wünscht sich nach meinem Empfinden eher was "Schönes" als was "Neues", Musik als wohltemperiertes Wohlfühlbad. Das kann Philip Glass sehr gut bedienen - Musik, die nicht wehtut. Den Kick holt man sich dann eher beim Bungee Jumping...
 
Ich mag bestimmte Werke von Philip Glass sehr. Diesen hypnotischen Effekt der schnelleren Stücke mit den Sequenzen/Arpeggios die sich immer mal wieder von Takt zu Takt ändern.
Aber von seinen Orchesterwerken mag ich die Opern wegen dem Gesang nicht. Wenn die Stimme aber nur als Instrument oder Klang eingesetzt wird (Koyaanisqatsi, Knee Play 1), so stört sie mich nicht. Ich höre eigentlich nur im Autoradio Musik mit Gesang, sonst nur instrumental. Ausnahme: Kraftwerk.

Aber zurück zu PG. Ich mag seine Ensemble Sachen auch mehr als seine Klavierstücke. Und die für mich schönsten Werke hat er Ende der Siebziger bis Mitte der Achtziger gemacht.

Aber ich denke, man muss sich nicht rechtfertigen warum man was mag oder nicht. Ich habe nie Zugang zu Mozart gefunden. Aber sehr wohl aber zu J.S. Bach.
Mir geht es da sehr ähnlich.

Trotzdem hat es Torley hier echt sehr gut auf den Punkt gebracht:


https://www.youtube.com/watch?v=nNiOqa1nWgI


Evtl. ein bißchen gemein aber es trifft doch größtenteils auf seine früheren Werke (welche ich sehr mag) zu.
 
Für mich ist es ein Phänomen: ich scheine so ziemlich der Einzigste zu sein, der
Philip Glass absolut gar nichts abgewinnen kann. Seine Musik wird weltweit hochgelobt,
bepreist, geliebt. [...]

Nein, bist Du nicht.

Ich kann damit auch nichts anfangen -- bei Koyaanisqatsi z. B. drehe ich immer den Ton weg und lege was anderes rein. Mich nervt dieses Gedudel. Ich hatte auch mal ein paar Alben vom Kronos Quartett, die -- so meine ich mich erinnern zu können -- irgendwas von Glass fiedelten.

Gibt mir nichts. Läßt mich kalt. Ist Musik für Bildungsbürger, zu denen ich mich nicht rechne und wofür ich mich auch nicht halte.

Philip Glass hat bis Mitte 40 als Möbelpacker gearbeitet, bevor er von seiner Kunst leben konnte. Das rechne ich ihm an, das beeindruckt mich.

Aber ansonsten?

Stephen
 


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