Microtuning

ich finde es noch interessant, verschiedene Skalen zu verwenden. Bisher eher so aus Spass und zum Ausprobieren, jetzt aber doch etwas ernsthafter. Es ist vor allem Wendy Carlos' Meisterwerk "Beauty In The Beast" von 1986, das mich dazu trieb, nicht wohltemperierte Skalen zu verwenden für gewisse Zwecke. Synthesizer und DAWs sollten vom Prinzip her alle möglichen Microtunings mit Leichtigkeit ermöglichen, aber überraschenderweise ist das nicht der Fall. Z.B. mit Cubase kann man für die internen Synths mit einem MIDI-Plugin eine andere Stimmung wählen, doch bei 3rd Party Synths geht das seltsamerweise nicht.

Da das Thema immer noch recht neu für mich ist, wollte ich fragen, wie ihr das macht. Gibt es überhaupt eine "zentrale" Lösung mit der DAW? Oder muss man das ausschliesslich im VSTi machen? Welche zusätzliche Software ist notwendig? Scala, LMSO? Welches Dateien? gly, tun, scl?

Bisher kann ich mit Diva und FM8 zusammenspielen. Diva kann scl laden, und beim FM8 kann man mit Hilfe von Scala die Stimmung angleichen. Mit Kontakt auch, und mit Abynth sollte es auch gehen, habe ich aber noch nicht ausprobiert. Wie macht man es mit analogen Synths über MIDI-CV-Interface? Wahrscheinlich nicht ganz einfach, oder?
 
da mittlerweile schon etwas Zeit vergangen ist, und die technischen Probleme weitgehend gelöst sind, möchte ich ein paar Gedanken zu den musikalischen Aspekten anfügen:

Beim Testen diverser mikrotonalen Skalen stellte ich immer wieder fest, dass sie die Basis darstellen für ein Musikstück. Wenn man Noten schon eingespielt hat oder vorgefertigte MIDI-Dateien nimmt, und das dann mikrotonal verstimmt, kommt in der Regel nichts gescheites raus. Das heisst, man muss sich erst eingehend mit einer Skala beschäftigen, die verschiedenen Intervalle kennen bzw. wissen, welche Akkorde funktionieren und welche nicht (konsonant - dissonant). Dann erst sollte man sich mit Melodien und Komposition beschäftigen.

Wichtig ist auch der Klang an sich. Es kommt also, wenn es um Synthesiser geht, auf den Soundpatch an, wie gut das Tonsystem klingt. Es sind also drei Parameter, die voneinander abhängig sind und sich gegenseitig beeinflussen: Skala, Melodie, und Klang (Timbre). Gut, Rhythmik müsste man natürlich auch noch miteinbeziehen, aber das versteht sich ja von selbst, und ist auch in der gleichstufigen 12-er Aufteilung der Oktave gültig.

Ich denke, dass ich in den nächsten Jahren noch weitere und vor allem interessantere Beiträge hier schreiben kann. Ich stehe auch heute eigentlich immer noch vor einem riesigen Berg. Aber zumindest habe ich den Anfang des Wanderwegs nach oben gefunden, das ist schon mal was.
 
Habe schon oft damit experimentiert, auch alles Mögliche an verschiedenen Skalen ausprobiert. Bleibe dann aber doch immer wieder am üblichen Standard hängen. Irgendwie klingt es dann aber für mich nicht mehr angenehm und ich habe immer das Gefühl, das ich das Tuning ändern muss. Wahrscheinlich habe ich mich auch nur zu sehr an das übliche gewöhnt.
 
@Phil999:
Dann sind wir anscheinend schon zwei hier im Forum. Ich mache auch extrem viel in dem Bereich. Gibt einiges an spannender Lektüre ("Tuning In" von Wilkinson kennst du vielleicht -- geht exakt um unser Thema: Synths und Mikrotonalität). Ein gewisses pädagogisches Sendungsbewusstsein hab ich in der Sache auch, aber es mangelt bei diesem Thema natürlich ein wenig an »Abnehmern« :agent:

In meinem eigenen musikalischen Gewurstel ist fast immer irgendwas mikrotonales im Spiel. Bei jedem meiner Synths, der irgendwelche Fähigkeiten in der Richtung hat, nutze ich sie auch. Meine FM-Synths sind meist auf eine selbstgebraute Variante einer mitteltönigen Temperatur gestimmt. Da sind dann die Abweichungen vom 12TET (in den ›einfachen‹ Tonarten) eher subtil, sodass es zu keinen großen Konflikten kommt mit nicht stimmbaren Synths, ich aber trotzdem noch die üblichen Vorteile habe (unterschiedliche ›Farben‹ der Tonarten etc.). Bei manchen Synths lässt sich auch ›inoffiziell‹ viel machen. ESQ-1 und AN1X z.B. können eigentlich kein Microtuning, aber bei beiden kann man das Keytracking als Mod-Quelle nochmal zusätzlich auf den Osc-Pitch draufmappen, d.h. die Intervalle gegenüber dem 100-cent-Standard verkleinern oder vergrößern, und damit alle möglichen anderen gleichstufigen Stimmungen umsetzen. 7, 19, 31 mache ich recht viel mit derzeit.

Ja, sehr weites Feld, das Ganze. Wird nie langweilig...
 
Habt ihr mal Beispiele, wie so etwas klingt bzw. klingen soll.
 
Habt ihr mal Beispiele, wie so etwas klingt bzw. klingen soll.

klar, hier mal vier etwas zugänglichere Sachen, alles eher so die Klassiker, alles mit akustischen Instrumenten.


Lou Harrison: Piano Concerto


https://www.youtube.com/watch?v=TmgWeioQoTU

Terry Riley: The Harp of New Albion


Michael Harrison: Revelation


https://www.youtube.com/watch?v=sfWV4rNB6KE

LMY: Well-Tuned Piano

Nr. 2-4 sind verschiedene Umsetzungen einer »reinen Stimmung«, d.h. einer Stimmung, in der alle Intervalle durch einfache Bruchzahlen dargestellt sind, z.B. die Quinte als 3/2, die kleine Septime als 7/4 usw. Nr. 1 ist eine der »wohltemperierten Stimmungen«, hier Kirnberger. Da ist der Unterschied zur heutigen Konvention kaum noch wahrnehmbar, höchstens in der Reinheit einiger weniger der zweimal 12 Terzen.

Eine exotischere Runde kann ich nachher auch noch zusammenstellen.
 
Zuletzt bearbeitet:
@phil999 and NickLimegrove

Auf gutes Gelingen! Werde den thread gerne verfolgen, spannende Thematik, jenseits meiner üblichen Hörgewohnheiten.

Alles Gute
 
monoklinke schrieb:
Habt ihr mal Beispiele, wie so etwas klingt bzw. klingen soll.
da müsste ich passen, da ich praktisch alle avantgardistischen Kompositionen mit Mikrotonalität ziemlich schrecklich finde. Es gibt auch Metalbands die so arbeiten, für meine Ohren genauso scheusslich. Dabei habe ich schon längere Zeit versucht, den Anschluss zu finden, lese auch immer wieder mal in Webseiten wie diesen:

http://xen-arts.net/
http://sevish.com/blog/
http://www.warrenburt.com/

aber es will mir einfach nicht gefallen. Das hat einerseits mit der Gewöhnung an das heute gängige Tonsystem zu tun (ein psychologisches Phänomen, das erst nach einer Weile weggeht), aber meiner Meinung nach eher mit der Musik an sich. Also z.B. mag ich Klavierkonzerte meistens nicht, egal in welchem Tonsystem. Oder Streichquartette wo nur gekratzt wird.

Was mir gefällt bzw. wo ich richtig mitgehe ist alte Musik und alte Instrumente. Und da eigentlich eher einfache Musik, z.B. Tanzmusik mit Trommeln und wenigen, 1-3 Stimmen (Schalmei, Sackpfeife u.ä.). Da habe ich einige Aufnahmen, die ich aber weil selbstgemacht wegen Urheberrecht und so nicht einfach hochladen darf. Gibt aber schon einige Beispiele im Netz, kenne aber keine Links dazu. Manchmal findet man gute Sachen wenn man bei Youtube nach "microtonal guitar" sucht, doch gerade jetzt finde ich gerade nichts was mir gefällt. Oder Oud ist auch ein guter Suchbegriff, weil diese Laute keine Bünde hat. Mir gefällt eigentlich recht viel was im Osten gespielt wird (Balkan, Türkei, Orient, Indien), kenne allerdings nur sehr wenig.
 
Ui.
Nummer 4 ist echt harter Tobak.

Sekim schrieb:
... jenseits meiner üblichen Hörgewohnheiten.
... finde ich noch sehr elegant formuliert.

Das ziehe ich mir morgen im Büro mal in voller Länge rein.

Aua. :roll:
 


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