Modulare Kompetenz

island schrieb:
Ahnung von seinem Instruemnt hat ein Musiker, wenn er bewusst Klänge damit erzeugen und reproduzieren kann, je komplexer um so mehr, ob er von Musik Ahnung hat entscheidet der Zuhöhrer (für sich).
Für ein normales Musikinstrument würde ich Dir recht geben (das Argument der Fähigkeit zur Klangreproduktion ist ja schon genannt worden). Aber beim Modularsystem gibts eben auch das Ding: "ich hänge zwei unterschiedlich rhythmisierte Sequenzen zusammen und setz drüber unterschiedliche Modulationen, und das ganze ergibt was Interessantes. Aber(!) was es genau ergeben wird, das kann ich Dir jetzt noch nicht sagen". Da ist also nur partiell bewusstes und reproduzierbares Klangerzeugen im Spiel, aber trotzdem "Modulare Kompetenz". Das 7thdansound-Beispiel, ist eben genau sowas.
 
florian_anwander schrieb:
island schrieb:
Ahnung von seinem Instruemnt hat ein Musiker, wenn er bewusst Klänge damit erzeugen und reproduzieren kann, je komplexer um so mehr, ob er von Musik Ahnung hat entscheidet der Zuhöhrer (für sich).
Für ein normales Musikinstrument würde ich Dir recht geben (das Argument der Fähigkeit zur Klangreproduktion ist ja schon genannt worden). Aber beim Modularsystem gibts eben auch das Ding: "ich hänge zwei unterschiedlich rhythmisierte Sequenzen zusammen und setz drüber unterschiedliche Modulationen, und das ganze ergibt was Interessantes. Aber(!) was es genau ergeben wird, das kann ich Dir jetzt noch nicht sagen". Da ist also nur partiell bewusstes und reproduzierbares Klangerzeugen im Spiel, aber trotzdem "Modulare Kompetenz". Das 7thdansound-Beispiel, ist eben genau sowas.
Ok, das ist zweifellos richtig, und doch stekt ein Plan und Wissen dahinter, was, sicher in Grenzen, das Ergebnis vorhersagen lässt.
 
Wenn ich ein Beispiel für "Modulare Kompetenz" nennen muß, würde ich "Planetary Unfolding" von Michael Stearns empfehlen, welches komplett auf einem von Kevin Braheny erdachten Patch für den Serge Modular beruht. Im gleichen Fahrwasser würde ich die Alben von Christopher MacDonald aka "Telomere" nennen: Hochkomplexe, mehrdimensionale Klangschichten, die sich ständig weiterentwickeln.

Ein anderes Beispiel, das wesentlich weniger eingängig ist, wäre das MOTM-Album "Bestiary" von Robert Rich. Auch hier komplexe Patches, die ineinandergreifende Klang- und Rhythmusstrukturen erzeugen.

Gute Patches sind für mich die, die ein Eigenleben entwickeln, weil viele Funktionen einander modulieren und eine Art organisches Kontinuum erzeugen. Eine Emerson-Nummer im Sinne von "Mini Moog auf dem IIIc" finde ich, offengestanden, lächerlich. Dafür braucht man kein Modulsystem.

Stephen
 
Interessante Beiträge.
Und ein schönes Wort: "Modularbetreuer". :)

Zotterl's Frage, worum es mir geht, also die zwei Ebenen a) der Technik und b) des daraus resultierenden Schallereignisses/der Musik, möchte ich erstmal so beantworten: Ich habe den Eindruck, dass bei einem modularen System das akustische Ergebnis und die Beschaffenheit des erzeugenden Mediums (=der Synth) i.d.R. sehr eng beieinander stehen. Ein Modularsystem ist zwar standardisierbar, aber eben auch komplett frei gestaltbar. Mitunter aus diesem Grund ist die damit erzeugte Musik selten reproduzierbar, teils weil sich baugleiche Module doch in ihrer Charakteristik voneinander unterscheiden (banal, ich weiß). Kompositionen für ein Tasteninstrument können teils beliebig auf andere Medien übertragen werden (s. z.B. J.S. Bach), die Struktur der Komposition kann bestenfalls das sie transportierende Medium "transzendieren".

//Nachtrag: naja, obiges ist vielleicht auch Kappes, hehe. Muss ich nochmal überdenken.

Insofern war es wohl auch so gesehen unfair, dass ich bei den meisten Beispielen nur die Audio-Spur reingestellt habe (?).

Denn andererseits vermute ich hinter der Begeisterung der Leute für "modulares Kratzgeräusch" die Ästhetik des Patches und des dahin führenden Prozesses, das Schallereignis ist vielleicht sogar nachrangig (?). Das Problem nur ist m.E. oft, dass sich der (unerfahrene?) Schaffende in eine Raum-Zeit-Blase begibt, in der andere Gesetze herrschen und er somit den Zuhörer "vergisst" (Modularer Solipsismus). ;-) Bzw., die Nachvollziebarkeit ist erschwert und erfordert großes Background-Wissen (s. islands Beitrag, womit wir wieder beim Elektrokamerad wären).

Vielleicht überschneiden sich meine Gedanken auch mit den Beiträgen von Florian Anwander. Danke auch für die bessere Formulierung meiner Frage, denn das meinte ich. Was du auch noch ins Spiel bringst, ist das geübte Ohr für diese Klänge, was wohl auch zu dieser "musikalischen Bildung" gehört, und ich versuche insofern seit ein paar Monaten, mich weiter zu bilden.

P.S.: ppg360, danke für die Anregungen, ich werde sie mir beizeiten besorgen und zu Gemüte führen!
 
Das mit dem "geübten Ohr" ist eine feine Sache: je mehr man bewusst gehört und verdaut hat - egal ob Modularmusik oder "moderne Klassik" oder andere "Schwierige Dinge": der Spaß nimmt zu, weil man komplexe(re) Ereignisse genießen kann, die vorher eher nach "hmm, Chaos, oder was?" geklungen hatten. Ob der Modularbetreuer dafür kompetent sein muss? Vielleicht ist das nicht so sehr in einem "handwerklichen" Sinne wichtig, sondern eher die Fähigkeit, mit den Kisten etwas Interessantes und anspruchsvolles zu erzeugen (wie auch immer das dann konkret gemacht wird ist eher egal: konzipiert und "durchdacht" oder ganz spontan hingedudelt). Insofern liegt ein guter Teil der Arbeit an einem guten Musikstück beim Zuhörer :selfhammer:
Ansonsten habe ich persönlich grad sehr sehr viel Spaß an den modularen Erzeugnissen der Herren Klirrfaktor, verstaerker oder weinglas (ohne Anspruch auf Vollständigkeit!) :phat:
Andreas
 
kann es sein dass es nicht ganz fair ist zu denken dass wenn jemand musik ins netz stellt,
der das auch mit dem anspruch macht, gute musik gemacht zu haben ?

es hat lange gedauert bis ich verstanden hatte dass die ganzen modulardemos wohl gar nicht mit dem anspruch gemacht sind gute musik abzuliefern.
ganz wenige.
die meisten wollen einfach ihre freude teilen, worin auch immer die grad gelegen hat.
oftmals wohl einfach darin dass man sich grad wieder was neues ins system geschraubt hat.
oder man grad den noch grüsseren nonsens am dudeln hat wie sonst.
einfach überrascht ist vom klang, wieso auch immer, etc.

hat alles einfach so viele blickwinkel aus denen heraus man es batrachten kann.
und modular hat noch ein paar mehr :peace:
 
die könner sind die die ein gutes gefühl für musik haben,
genau wie bei allen anderen instrumenten.
wie schnell man sich einen runteholen kann auf der gitarre, dem piano, oder der geige, interessiert zumindest mich nicht.
auch interessieren mich nicht irgendwelche hochkomplexen akkordprogressuionen oder kompositionen wenns an der musik selber vorbeigeht,
einzig das gefühl für die musik und den moment zählt.
Die leute die das haben, sind die könner, oder zumindest die die mich interessieren
finde beim modular ist das genauso
 
@AndreasKrebs: Vielen Dank für die Blumen ;-)

MinorThree schrieb:
Meine Frage als jemand, der auf diesem Feld sowohl ein ungeübtes Ohr hat als auch auf der Ebene des Sachverstands und der eigenen Praxis bezüglich "Modular" nicht reich beschenkt ist, ist folgende: An welchen Kriterien erkennt man den "Könner" am Modularsystem, also damit auch einen guten, womöglich gar von Zufällen befreiten Patch? ...

Ein "Könner" (betrifft jetzt Musiker!) ist für mich jemand (egal ob modular, halbmodular, digital, softwaregelöst oder auf Ziegenfelle klopfend), der es mit dem vorhandenen System schafft, seine musikalischen Ideen möglichst gut umzusetzen.

Reproduzierbarkeit sehe ich da eher als untergeordnetes Kriterium, zumal es m.E. Patches gibt die aufgrund der schieren Anzahl an modulierenden Faktoren quasi nicht reproduzierbar sind (ganz abgesehen davon, daß manchmal minimale Reglerbewegungen riesige Auswirkungen haben).

Kontrollierbarkeit ist auch so ein Thema. Wenn man z.B. keine Möglichkeit hat, einen LFO zu syncen (digital oder softwaremäßig Standard), ist man der verkabelten Modulation im Laufe eines Tracks halt einfach ausgeliefert, wobei wir dann schon beim Zufall wären :D :

Sobald man Module wie Wogglebug, NoiseRing o.ä. verwendet, spielt in einem gewissen Sinne der (Pseudo-)Zufall mit. Gleiches gilt allerdings u.U. schon für ein simples S&H. I.d.R. benutzt man dies aber in gewollten Grenzen.

So oder so ist die Modulardiskussion rel. müßig, da es genausoviele Gründe, eine Modularsystem zu benutzen gibt wie Modularschrauber.

Meine Intention z.B. ist nicht etwa die größere Flexibilität des Systems (was bei meinem System im Vergleich zu dem ganzen WeichwarenStuff, den ich aufm Rechner habe auch einfach schlichter Unsinn ist) sondern die Konzentration auf einen Track/ein Patch. Am Rechner ist schnell ein Track zusammengeschraubt und abgespeichert, dann gleich ne neue Idee etc...
Am Modular zieht man halt nicht einfach mal so alle Kabel raus, sondern arbeitet an einer Idee bis sie umgesetzt ist (zumindest mach ich das so).
Hinzu kommt (leider) die Beschränkung auf die vorhandenen Module und was wünsche ich mir fast jedes Mal mehr und flexiblere Sequencer, noch ein paar VCOs, VCFs, VCAs, ADSRs, LFOs - eigentlich alles :D
Technisch bedingte Beschränkung als Weg sozusagen (gilt jetzt wie alles Gesagte für mich persönlich).

Von der "Kompetenz" mal ganz abgesehen, macht es einfach unglaublich viel Spaß, an nem Modular zu schrauben oder einfach nur ne Kippe zu rauchen, ein Bier zu trinken und ein fett verkabeltes Patch anzuschauen :D
Das hat bei mir bisher noch kein Waldorf Wave, kein Lexicon 480L, kein E-MU- oder AKAI-Sampler, geschweigedenn ein Rechner ausgelöst. Und wenn ich schon kein Geld mit Musik verdiene, dann wenigstens mit Freude ^^

Wasn Aufsatz - bin ich eig. noch beim Thema? Egal :mrgreen:
 
seltsame frage! kompetenz am instrument erkennen - kompetenz hat nix damit zu tun ob dich der output berührt oder nicht. egal wie simple oder komplex das patch ist und egal ob da jetzt ein 3 step pattern spielt oder jemand arty jazzakkorde zum besten gibt.
wie oft hast du schon geübten musikern zugehört und gedacht klingt trotzdem scheiße?
patchen ohne zufall ist langweilig, aber wenn du weißt was du machst kannst du den netten zufall dazu bringen geil zu werden weil du weißt wenn ich ich jetzt noch hier das mache und dort das drehe ...
 
florian_anwander schrieb:
Aber beim Modularsystem gibts eben auch das Ding: "ich hänge zwei unterschiedlich rhythmisierte Sequenzen zusammen und setz drüber unterschiedliche Modulationen, und das ganze ergibt was Interessantes. Aber(!) was es genau ergeben wird, das kann ich Dir jetzt noch nicht sagen". Da ist also nur partiell bewusstes und reproduzierbares Klangerzeugen im Spiel, aber trotzdem "Modulare Kompetenz".
sorry, aber das ist quatsch.
wenn ich 7 steps gegen 13 steps laufen lasse heißt dass das ich rechnen kann, aber mit modularer kompetenz hat das nix zutun
dass ist also sehr wohl bewusst und auch reproduzierbar, es sei denn einer läuft auf random, wird halt nur schwer zu sagen an welchem punkt das system nach einer minute angekommen ist, aber wenn dass von interesse ist gibts noch taschenrechner (klar da eiert dann noch ne freilaufende modulation drüber und wenn du keine ahnung hast wirst du von dem ergebnis beeindruckt sein, aber das ganze gebilde ist doch dass modular showroom preset ;-) )
dann er so kram wie : wie baue ich ne geile fm snare oder wie bring ich das ding zum singen ohne notch
 
Was mir auch noch als Beispiel für kompetenten Umgang mit modularen Systemen einfällt: Peter Baumann, der zwar sehr simple Klangfarben verwendet, aber die einzelnen Sequenzerlinien sehr schön miteinander verschachtelt und auf diese Weise rhythmisierte Klangstrukturen erzeugt. Und das alles ohne MIDI mit speziell nach seinen Bedürfnissen angefertigten Geräten.

Stephen
 
ppg360 schrieb:
Gute Patches sind für mich die, die ein Eigenleben entwickeln, weil viele Funktionen einander modulieren und eine Art organisches Kontinuum erzeugen.

Stephen

sehe ich genauso, es gibt ja den organischen ansatz, let it flow, und den strukturierten, durchdachten, sounddesigntechnisch sachen auf den punkt

zu bekommen... ich denke, kompetenz tritt dann ein wenn ich diverse module funktionstechnisch "intus" habe und so losgelöst, inspiration umsetze,

wobei weniger durchaus mehr sein kann, bin schon erstaunt wie umfangreich das ganze thema ist und was so einige hier aus ihren systemen rausholen.
 
leedoeslala schrieb:
seltsame frage! kompetenz am instrument erkennen - kompetenz hat nix damit zu tun ob dich der output berührt oder nicht. egal wie simple oder komplex das patch ist und egal ob da jetzt ein 3 step pattern spielt oder jemand arty jazzakkorde zum besten gibt.
wie oft hast du schon geübten musikern zugehört und gedacht klingt trotzdem scheiße?
patchen ohne zufall ist langweilig, aber wenn du weißt was du machst kannst du den netten zufall dazu bringen geil zu werden weil du weißt wenn ich ich jetzt noch hier das mache und dort das drehe ...
hey, das hast du sehr schön gesagt. ( zweiter teil speziell)
genauso isses !
 
lambshain schrieb:
... ich denke, kompetenz tritt dann ein wenn ich diverse module funktionstechnisch "intus" habe und so losgelöst, inspiration umsetze,
auch sehr schön gesagt.


woraus sich eben auch ergibt dass die eigene kompetenz sich an sich selbst misst,
man nicht ein demo gegen das andere halten kann.
messe ich gitarre gegen gitarre ist die technische grundvoraussetzung dieselbe.
Beim modular leben wir alle mit einschränkungen. aber vielelicht nicht jeder mit denselben.
Ein funktionierendes sequenzersetup welches eine gewisse reproduzierbarkeit zulässt
war bis vor nicht allzu langer zeit sehr aufwändig und kostpielig zu realisieren.
ich hatte meine analogen sequenzer nie komplett unter kontrolle, d.h. im sync.
habe ich gestoppt, lief nach dem neustart immer irgendetwas phasenverschoben weiter
Da hörst du dann auf alles planen zu wollen..........und genau an dem punkt fing für mich die sache an zu leben

erst heute, nach 6 jahren und dank nem digitalen sequenzer der mir auch Cvs ausgibt habe ich die synchronisation voll unter kontrolle.
solcher sachen sollte man sich auch bewusst sein wenn man modular "verurteilt."
 


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