Müde Ohren: Wie setzt man sein Gehör zurück auf null?

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Anonymous

Guest
Das Thema scheint mir am ehesten in die Musikproduktion und den Studioalltag zu passen.

Ich bin jetzt schon diverse Male über die Aussage gestolpert, dass man nach einer längeren Zeit des Anhörens von seinem WIP-Projekt irgendwann seine Wahrnehmung gänzlich verstellt hat. Ich bemerke das vor allem dann, wenn ich nach einem fleißigen und produktiven Abend am nächsten Morgen wieder anfangen möchte und mir dann erst mal die Kinnlade runter fällt und ich mir denke: "Ach du grüne Neune, das kann man ja keinem vorspielen!"

Zu diesem Zeitpunkt ist diese Erkenntnis nur dummerweise zu spät. Wie gehe ich am besten vor? Z.B. Referenz-CD erstellen oder mir 5 Minuten lang leise weißes Rauschen anhören oder gar gleich Duschen und mir Wasser auf den Kopf fallen lassen?

Was ist da produktiv und vor allem effektiv?
 
Kann mich da meinen Vorrednern nur anschliessen.
Wenns nicht eilt, am besten n paar Tage/Wochen Pause machen und den Song GAR NICHT anhören.

Du wirst überrascht sein, welche Details du plötzlich warnehmen kannst.
 
Neben den schon erwähnten Pausen hilft mir Musik, die sich von dem, was ich gerade mache, besonders abhebt. Wenn ich zum Beispiel an einem Ambient Stück sitze höre ich zwischendurch eher mal ne Black Metal Platte, als meine Referenz-Ambient Platte. Oder was symphonisches.
 
ich mache zwischendurch immer mal eine kleine Pause, fahre ne halbe Stunde mit dem Fahrrad durch den Wald, koche was oder tue mal einfach nix. Heute war ich rund 12 Stunden im Studio, mit den Unterbrechungen habe ich davon 9 Stunden produziert und das funktioniert bei mir so ganz gut.
 
es empfiehlt sich ganz einfach alle 50 minuten 10 minuten pause zu machen - ohne musik.

was ich auch sehr wichtg finde: über einen längeren arbeitstag hinweg sollte man die abhöre LEISER stellen, nie lauter.

wenn man die ermüdung mit lautstärke "bekämpft" ist das ein totaler trugschluss.

früher habe ich laut gearbeitet und am ende klang es oft schlecht.

heute regle ich über mehrere etappen so leise, dass ich mich manchmal wundere wie leise man eigentlich arbeiten kann.

man braucht aber lautsprecher einer gewissen güte die auch bei geringem pegel noch die linearität die sie bei höheren lautstärken haben beibehalten.

aber auch bei teuren boxen kann das individuell anders sein: bei meinen frühen genelecs musste ich tatsächlich lauter werden - aktuell bei dynaudio bm15 a als hauptmonitore geht das zum glück umgekehrt...
 
tom f schrieb:
es empfiehlt sich ganz einfach alle 50 minuten 10 minuten pause zu machen - ohne musik.

was ich auch sehr wichtg finde: über einen längeren arbeitstag hinweg sollte man die abhöre LEISER stellen, nie lauter.

wenn man die ermüdung mit lautstärke "bekämpft" ist das ein totaler trugschluss.

Da bin ich zu 100% bei dir.
Ich wechsle zwischendurch auch mal die Aufgaben im Studio und schneide mal ein paar Samples oder bereite etwas anderes vor und stelle dafür die Geräte auf. Bei mir ändert sich das ja fast täglich, so das ich ständig Geräte umräumen muss, ist halt das bekannte Platzproblem. Ich habe meistens drei bis vier verschiedene Arbeitsplätze gleichzeitig eingerichtet und wandere dann so durchs Studio. Mal stecke ich in der Modular-/Analogecke, mal am aktuellen Liveset oder am Rechner ...
 
Ich habe oft meine geschlossenen Kopfhörer auf, ohne Musik drauf.
Dann ist alles schön gedämpft und jeder neue Ton eine Offenbarung.
 
Merke:

Wie bei vielen Sachen im Leben: Einfach mal ne Nacht drüber schlafen :school:
:mrgreen:

Ansonsten hilft ein 2. Boxenpäärchen oder auch weniger mit Kopfhörer arbeiten.

Und: Meist ist der "First Take" der Frischeste und oft auch derer, wo man den Charakter noch nicht verschlimmbessert hat ;-)
 
Ich kenn das mit ermüdendem Gehör eigentlich nur wenn es ums abmischen geht, insofern verstehe ich die Eingangsfrage nicht ganz.
Mann kann den Mix ja einfach später machen als die Komposition/Aufnahme.

Auch zwischen neuen Abmisch-Versionen lasse ich immer locker ein paar Tage verstreichen. Bei mehreren am Projekt beteiligten Musikern ist es ja eh nicht anders möglich. Mix wird gemacht, Leute geben Feedback, neuer Mix wird gemacht usw. bis es passt.

Ganz wichtig finde ich auch, dass noch jemand anders dran arbeitet, bei mir ist es das Mastering. Kann ich nicht, lasse ich mittlerweile grundsätzlich von anderen machen. Bei kurz mal ins Netz stellen reicht aber auch LANDR, hauptsache ich mache es nicht selbst.
 
darsho schrieb:
...insofern verstehe ich die Eingangsfrage nicht ganz..
Die Abwesenheit von Klangkulissen ist wohl schon so rar geworden, dass man "Leerzeiten"
gar nicht mehr kennt. Also auch mein Tipp: Pinkeln gehen, Kaffee trinken, pofen, ruhen usw.
 
Es wurde ja schon alles gesagt. Leise arbeiten und regelmäßige Pausen.
Ich hab manchmal das Gefühl, dass viel Trinken hilft die Ohren wieder "fit" zu bekommen. Oder andersrum: Ich hab das Gefühl, dass meine Ohren länger K.O. bleiben, wenn ich zu wenig trinke.
 
Also ich sehe das anders als die meisten hier. Ich vermeide absolut Pausen. Die hauen mich raus und oftmals verwurstel ich danach den Song zu einen ganz anderen.
Ich arbeite gerne 8-12 Stunden am Stück und versuche erst zu beenden wenn der Song ziemlich im Kasten ist, weil es das nächste mal sowieso wieder anders klingt.

Ich sehe das wie Dasho.. Es kann ja nur ums Abmischen gehen. Und da hilft es immer mal kurz in einen gekauften Song reinzuzappen damit die Ohren wieder bei 0 sind.
Das mache ich regelmäßig da man sonst mit viel zu viel Höhen oder Bässen (bzw. zu wenig) mischt. Allerdings habe ich den Vorteil, dass ich mir über die Jahre den Blick auf den Analyzer angewöhnt habe, sodass ich das auch so ganz gut einschätzen kann. Sollte man sich vielleicht auch mal überlegen.

Gegen übermüdung im Sinne von keine Konzentration hilft meiner Meinung nach vorher definitiv kein TV zuschauen oder COmputer zu spielen.

Und wie hier öfters erwähnt: leise produzieren. Laut hören puscht nochmal und ist bei diesem "Am nächsten Morgen klingts Scheisse" Phänomen maßgeblich mitbeteiligt :mrgreen:

Laut höre ich eigentlich nur noch wenn ich die Mische nicht mehr antaste und arrangiere.
 
auch wenn man es sich nicht vorstellen kann, mal alles stehen lassen und in die Berge fahren. Ganz bequem mit einer Bergbahn irgendwo rauffahren lassen wo es keinen Skibetrieb gibt.
Von der Bergstation ein Stück weiter laufen und sich an ein schönes Plätzchen mit Fernsicht setzen......... garnichts tun ausser zu schauen und das summen von Insekten oder das "pusten" des Windes zu geniessen.

Alternativ:
an einem menschenleeren Strand, wie man ihn z.B. ausserhalb der Saison in Süditalien oder auf den griechischen findet, ein schönes Plätzchen suchen, sich ausstrecken, Wind und Brandung geniessen.
Ab und an mal ins Wasser gehen und ohne große Anstrengung im Uferbereich mit Taucherbrille und Schnorchel herumdümpeln

RUHE ist für angestengte Ohren nicht so gut, eher regelmäßige Geräusche natürlicher Herkunft. Kein elektronisches Gefiepe, keine Handys, keinen Motorenlärm, kein Geschrei. Die Sinne aud Reisen schicken, mit geschlossenen Augen die akustische Welt wahrnehmen.... Das "erdet",
 
Auch das Gehör kann übermüden. Je höher die Lautstärke, desto schneller ermüden die Haarzellen in der Cochlea. Dann funktioniert die Geräuschwahrnehmung nicht mehr korrekt, sprich: Du kannst Frequenzen nicht mehr korrekt bewerten.
Dann brauchst du eine längere Pause, bis die Haarzellen sich erholen.

Dem beugt man vor, indem man überwiegend in niedriger Lautstärke abhört, und nur kurz und selten auf hoher Lautstärke, und danach kurze Pausen macht, in denen möglichst Stille hat.

In diesem Zusammenhang noch einmal erwähnt:
Es gibt die Schmerzschwelle, Schädigungsschwelle und Komfortschwelle. Die Schmerzschwelle liegt über der Schädigungsschwelle (bei längerer Beschallung). Man merkt also nicht unmittelbar, dass man sein Gehör schädigt. Deswegen ist die Komfortschwelle wichtig: Bei erhöhten Lautstärken fühlt man sich nicht mehr "wohl". Wenn das konzentrierte Hören über längere Zeit sehr anstrengend ist, hört man vermutlich bei Lautstärke über der Komfortschwelle. Das ist dann ein Indiz dafür, dass man etwas leiser machen sollte, und auch mal eine Pause.
 
psicolor schrieb:
Es wurde ja schon alles gesagt. Leise arbeiten und regelmäßige Pausen.
Ich hab manchmal das Gefühl, dass viel Trinken hilft die Ohren wieder "fit" zu bekommen. Oder andersrum: Ich hab das Gefühl, dass meine Ohren länger K.O. bleiben, wenn ich zu wenig trinke.


Wenn man einen Hörsturz hat bzw Tinitus: bekommt man auch Infusionen :floet:
 
Ach nochmal ein ganz anderen Einfwurf:

Ich bin ein großer Fan davon absolut keine Lüfter im Studio haben. Ich finde es ist echt so extrem viel angenehmer wenn man keine Mischpulte, Sampler oder vorallem Rechner dauernd sirren. Auch beim Musikmachen gibt es immer mal Stop/Pause wo soetwas (unbewußt?) dann auffällt.
 
Neben dem Mix gibt es aber auch die Möglichkeit, sich bei der Kompositon, Klang-und Melodieauswahl zu täuschen und schnell hab ich mir den Loop schöngehört. Da heißt es natürlich auch Pause oder was anderes hören...
 
Kann aber auch - wie gesagt - erstmal probieren kurz in einen anderen Song zu zappen. 10-60 Sekunden können da manchmal schön für eine Erdung reichen :mrgreen:
 
Ich denke, es unterscheidet einfach den Profi vom Amateur, dass der Profi jederzeit in Lage ist, sein eigenes Werk mit einer gewissen Distanz zu betrachten. Dazu gehören natürlich auch technische Vorgehensweise wie "leise Hören" oder "in fremde Stücke reinzappen".
Ein Kernpunkt ist hier sicher die Lautstärke: Ein Beat, der mich nicht zum Mitwippen anregt, wenn ich ihn aus dem zufällig rumliegenden Kopfhörer rüberzischeln höre, der kann nicht gut sein.
 
fanwander schrieb:
Ich denke, es unterscheidet einfach den Profi vom Amateur, dass der Profi jederzeit in Lage ist, sein eigenes Werk mit einer gewissen Distanz zu betrachten.
Das glaube ich nicht. Das fängt schon beim Sound beurteilen an, nach wenigen Sekunden hat sich das Gehör schon an was gewöhnt und hört manche Sachen gar nicht mehr so differenziert. Da macht es keinen Unterschied ob Profi oder nicht. Das meiste bei solchen Unsinnsreden ist doch eh nicht beweisbar und rein esoterischer Natur. Wenn man weiß was alles das Gehör beeinflusst was nicht mit dem wirklich Gehörten zu tun hat, dann ist sehr sehr wenig vom Musik machen wirklich objektiv. Bei einem guten Stück Musik sind 99% Kreativität und 1% Equipment und das halten an irgendwelche Regeln. Was die Leute aber in dieses eine Prozent für Geld und Zeit investieren ist unglaublich(blöd).

Da wird mehr Geld mit Unsinn verdient als in der Esoterik.

Was hat man schon für tolle Profisprüche gehört und im Hintergrund ein tolles Studio mit Super-Studiolegenden gesehen und dann hört man sich an was der "Musiker" so abliefert und kommt aus dem Lachen nicht mehr raus.
 
haesslich schrieb:
chain schrieb:
Wenn man einen Hörsturz hat bzw Tinitus: bekommt man auch Infusionen :floet:

Cortison.
Das ist schon eine andere Hausnummer als "viel Trinken" (was natürlich quasi niemals verkehrt ist).

Cortison sollte man nur geben wenn es darum geht, Entzündungen zu unterdrücken. Wenn der Verdacht besteht, dass ein Hörsturz oder Tinnitus auf einer Durchblutungstörung beruht, gibt man blutverdünnende Mittel (immer vorausgesetzt, es spricht keine andere Erkrankung oder der Allgemeinzustand des Patienten dagegen). Viel Flüssigkeit z.B. in Form von Kochsalzlösung per Tropf ist da grundsätzlich nicht verkehrt.
Wenns nur so einfach wäre aber sowohl Hörsturz wie auch Tinnitus können sehr unterschiedliche Ursachen haben und die Mehrheit davon liegt im seelischen Bereich. Überlastung, Selbstüberforderung, Disstress usw) Wer hat sich nicht schon mal beklagt, gesagt oder gedacht "ich kann's nicht mehr hören"... Tja und wenn's zu viel wird, fliegt die Sicherung raus. Egal was die Ursachen sind, in beiden Fällen sollte man sich unbedingt therapieren lassen wenn sowas länger als eine Nacht oder einen Tag andauert.
Manchmal sind es auch nur einfach die Eustach'schen Tuben die durch Schleim verstopft sind und man in Folge ein Druckgefühl hat, schlecht hören kann usw. Mir passiert sowas öfter aber ich habe da eine sichere Lösung: mein Frau setzt mir an der betreffenden Seite 2 Dauernadeln hintern dem Ohr. Machmal ist alles schon nach 2 Stunde wieder gut
 
Sinusoid schrieb:
fanwander schrieb:
Ich denke, es unterscheidet einfach den Profi vom Amateur, dass der Profi jederzeit in Lage ist, sein eigenes Werk mit einer gewissen Distanz zu betrachten.
Das glaube ich nicht. Das fängt schon beim Sound beurteilen an, nach wenigen Sekunden hat sich das Gehör schon an was gewöhnt und hört manche Sachen gar nicht mehr so differenziert.
Das kannst Du schon glauben. Kein Pilot dürfte in ein Flugzeug, wenn er Fliegen immer "geil" finden würde (remember die Reklame "Ich mach Euch den Loooping"?)

Bei einem guten Stück Musik sind 99% Kreativität und 1% Equipment
Das mit der Kreativität ist ein von Amateuren gerne gehypter Mythos. Bei einem guten Stück Musik sind 1% Kreativität, 1% Equipment, und die restlichen 102% sind solides Handwerk. Und dazu gehört die eben die Selbstdistanz. Sorry.
 
Sagen wir mal so, ohne Kreativität hilft das Handwerk auch nicht weiter. Aber ohne solides Handwerk oder Erfahrung und Selbstdisziplin ist die Kreativität andern meist nicht zuzumuten :lollo:
 


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