Maschinenmusik - Muß ein Musiker von Hand spielen (können)

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mc4

..
Ich habe gerade eine hochinteressante Diskussion per PM und möchte das Thema hier einmal öffentlich stellen
punky40 schrieb:
am schluss wird man einfach wieder von Hand spielen müssen.
Da wird nichts helfen ;-)

Wichtiger als die Hand des Musikers ist sein Ohr und ob er in der Lage ist seine geistige Vorstellung in ein gleichwertiges Artefakt zu spiegeln.
Dabei kann es helfen Klavier zu spielen, ich selbst bin dazu glücklicherweise in der Lage.
Meine Einschätzung erlaubt hierbei aber auch höhere Werkzeuge zu benutzen, auch komplexe wie Sequenzer oder andere Musikautomaten.

Worauf es bei der Erschaffung eines eigenen Werkes ankommt, ist, ob das Resultat den ursprünglichen Vorstellungen der inneren Stimme entspricht, oder ob man sich auf ein Zahnrad einer selbstlaufenden Maschinerie reduziert.
Es sei denn das künstlerische Produkt soll genau diesen Prozeß als Stilmittel hervorheben.
 
Also da es bei mir, was das Handwerk anbelangt, sehr schlecht aussieht, bin ich natürlich geneigt zu nein zu sagen. Ich weiß aber, das ich ohne die wenn auch geringen spielerischen Fähigkeiten eher Schrott produzieren würde als etwas halbwegs annehmbares.

Kurzum ich denke nicht das es ganz ohne irgendeinen backround geht, aber das kann natürlich auch ein Trugschluss sein, da ich ja irgendwann mal angefangen habe Musik zu machen und sooo schlecht war das alles nicht, es hat sich damals aber hauptsächlich um Lärm gehandelt (Amiga Oktalyzer und co.). Ich glaube mal das ein gewisser backround (spielerische Fähigkeiten) halt auch zu einer bestimmten Musik gehört, da sie ja ohne nicht möglich ist, wenn man nicht gerade ganze gesamplete Passagen als basis verwendet.

Kommt halt ganz auf die Musik an was man braucht und was nicht. Ich mache ja momentan Drone-Tracks, oder Drones, da ist es der Sound bzw. die geschickte Automation die den "Track", also das Klangeschehen ausmacht. Ich arbeite jedenfalls nach Gehör und das hat bis jetzt auch immer gereicht, zumindest was meine musikalischen Vorstellungen, bzw. meinen eigenen Anspruch anbelangt.
 
Re: Maschinenmusik - Muß ein Musiker von Hand spielen (könne

mc4 schrieb:
Ich habe gerade eine hochinteressante Diskussion per PM und möchte das Thema hier einmal öffentlich stellen
punky40 schrieb:
am schluss wird man einfach wieder von Hand spielen müssen.
Da wird nichts helfen ;-)

Wichtiger als die Hand des Musikers ist sein Ohr und ob er in der Lage ist seine geistige Vorstellung in ein gleichwertiges Artefakt zu spiegeln.
Dabei kann es helfen Klavier zu spielen, ich selbst bin dazu glücklicherweise in der Lage.
Meine Einschätzung erlaubt hierbei aber auch höhere Werkzeuge zu benutzen, auch komplexe wie Sequenzer oder andere Musikautomaten.

Worauf es bei der Erschaffung eines eigenen Werkes ankommt, ist, ob das Resultat den ursprünglichen Vorstellungen der inneren Stimme entspricht, oder ob man sich auf ein Zahnrad einer selbstlaufenden Maschinerie reduziert.
Es sei denn das künstlerische Produkt soll genau diesen Prozeß als Stilmittel hervorheben.


Da gibt es einfach mehrere Wahrheiten, nicht nur eine, und die hat dann zu 100% mit dem Einzelnen zu tun. Und gilt dann, ohne wenn und aber.

Geht es um die Umsetzung der geistigen Idee in ein Werk, dann ist es das, was zählt und die Bandbreite der Realisierung reicht von Trommeln auf der Blechbüchse bis zum Dirigieren einen Orchesters und alles zwischendrin selbstredend auch. Darunter fallen dann auch sämtliche Maschinen und deren Bedienung. Ob man das von Personal erledigen lässt oder alles selber bedient und spielt ist dann in der Regel wohl zweitrangig. Und hat einen ganzen Schwung an Aspekten zu bieten, wie, ob und warum das dann geht. Oder auch nicht.

Die spielerische Fertigkeit auf einem oder mehreren Instrumenten ist ein ganz eigener Aspekt. Wenn ich jetzt mal von mir ausgehe, dann hat das was mit Umsetzungsfähigkeit von Ideen zu tun, d.h. wenn ich ein lausiger Klavierspieler bin, dann kriege ich komplexe und flotte Klavierarrangements nicht hin und muss mit der Diskrepanz zwischen Idee und meiner Fähigkeit leben. Man gerät dann an persönliche Grenzen und berührt auch das Thema eigene Ansprüche. Instrumentale Fähigkeiten haben aber auch Auswirkung auf Arrangements. D.h. wenn ich selber mehrere Instrumente spiele, dann "denke" ich gelegentlich kompositorisch "durch die Brille" dieses Instrumentes und das hat Einfluss auf das Resultat. Einen Kompositionsprozess mit der G_itarre entworfen kann anders verlaufen als wenn das mit dem Klavier passiert. Und auch Synths haben Auswirkungen, wenn die Basis beim Entstehungsprozess sind.

Also von meiner Warte aus gibt es da objektiv kaum besser oder schlechter, d.h. wenn jemand mit Maschinen gut klarkommt um seine Ideen zu realisieren, dann kann man der Person nur gratulieren. Für mich war das nix, ich treibe am Instrument Sport und lebe auch sehr bewusst meine Emotionen damit aus, da geht das schlecht ohne körperlichen Einsatz. Ich muss mich da deutlich spüren und das funktioniert sehr gut, wenn ich vehement in die Tasten haue. Allerdings gebe ich den Hybridtypen, d.h. ich finde auch sehr viel Gefallen an Maschinen und deren kreative Möglichkeiten. Da braucht es dann eher intellektuellen Einsatz und wenn ich dringend auf das draufkloppen muss, dann ist die Maschine nicht das richtige Ziel, es sein denn es werden robuste Schlagflächen geboten :D

Meiner Erfahrung nach kommen aber die Leute, die nicht so dolle handwerklichen Fähigkeiten haben, recht schnell an Grenzen bei ihrem Ideenumsetzungen. Die könnten ja dann anderen Musikern, die das besser drauf haben, dann erklären, was sie wollen und die spielen das dann ein. Das Vermitteln der eigenen Ideen muss man aber auch lernen, es sei denn der angeheuerte Instrumentalist ist im Nebenberuf auch Hellseher oder Gedankenleser. So haben lausige Handwerker oft so einen gewissen leichten Frust, dass sie mangels der Spieltechnik nicht so recht vorwärtskommen. Das nagt dann, und sowas ist ja auch nicht so schön. Also zeigt sich unterm Strich dann schon, dass sich Fähigkeiten aneignen fast nie ein Fehler ist. Also ich kenne keinen der sagt: Menno, jetzt kann ich geil Klavier spielen, finds aber scheiße und brauch das nicht. Also verlern ich das lieber mal wieder :D

Was ein Eigentor ist: Maschinen als Heilsbringer anzusehen. Lernen sie Heimorgel in nur 10 Tagen, mit dem Spruch hat man in den 60er Kunden geködert und das Spiel wird mit aktuellen Tools auch getrieben. Des werd nix, soviel ist klar.
 
Wenn man sehr gut die Musiktheroie kennt, kann man sicherlich die Kopfmelodie direkt "programmieren", allen anderen bleibt wohl nur die Möglichkeit über das Handspiel eine Kopfmelodie zu verwirklichen.
Ich versuche mich in der zweiten Kategorie. ;-)
 
Ja, es ist fein, wenn man zumindest ein bisschen Handwerk kann. Mir geht es jedenfalls besser, wenn ich was hinbekomme, das durch viel Übung entsteht und im Lauf der Zeit verbessert und verfeinert wurde.
Das gilt sogar für statische Musik oder Drones. Je weniger Automatik, desto mehr Mensch kommt durch - und damit auch die eigene Handschrift, das Individuelle.

Ich bin kein Virtuose in der Unterhose - aber ich spiele Musik gern per Hand.

Das heißt aber nicht, dass maschinelle Musik weder individuell noch schön/interessant wäre. Programmieren ist fein, wenn Erfahrung und Geschmack mit am Start ist.
 
Drums und Percussion programmier ich lieber direkt am Sequencer, Melodien unw am liebsten mit Hand einspielen. Bin zwar nicht ganz so gut darin, aber trotzdem weitaus kreativer.
 
ich wurde etwas knapp zitiert.

Ich z.bsp. sehe den Kern des musikmachens darin sich auszudrücken !
Ihr schriebt hier grad vom Aspekt der Idee die umgesetzt wird.
Ich schliesse das nicht aus wenn ich von "sich ausdrücken" rede, meinen aber eher was anderes.
Genau: wenn man die vorhandenen Ideen ausdrücken will dann muss man das Handwerk beherrschen.
Da spielen verschiedene faktoren mit rein. Harmonie und kopositionslehre usw.

d.h. man muss schon recht weit sein und einiges an erfahrung haben um musik so umzusetzen.
nun, jetzt gibts aber den bösen Teufel.... ;-)
und das ist der kopf !
Alle genannten sachen findne im kopf statt..........


und musikmachen ist für mich eben in erster linie das sich ausdrücken über das Gefühl !
Das Problem an der Geschihcte ist dass die Allermeisten Leute, IMHO, die fähigkeit sich selber auszudrücken verlieren,
währendem sie ne musikhochschule durchlaufen.


umgekehrt sieht man es grad bei Gittaristen oftmals sehr schön wievile ausdruck die in ihr spiel bringen.
Ok, hier gehts dann oft auch um den Funk im anschlag.
aber auch bei einfachsten Akkordwendungen im Beatles und Bob Dylan style brillieren oftmasl anfänger oder fortgeschrittene,
währenddem bei guten musikern was fehlt im ausdruck.
und der kommt nunmals einfach vom Gefühl



Es ist ne grosse kunst den ganzen schulungsweg zu durchlaufen und dann alles wieder zu vergessen.

Dazwischen gibts ne riesenwelt.
Worauf ich beim PM verkehrt mit Frank hinaus wollte ist auch:
spielt man nun mit diesem gefühlsausdruck, dann spielt nebst der Dynamik die Zeit ne riesengrosse rolle.
Tempi und quantisierungsraster, bzw. eben das spiel dass an nichts gebunden ist..............

das zitierte Zitat war dann eben der abschluss:
d.h. man wird nicht alles in maschienen packen können,
bzw. die bedienung wird am schluss komplexer sein als es einfach schnell zu spielen................
siehe Drumbeatprogrammierung :!:
Drum also: am schluss wird man wieder von Hand spielen



klar, präzise Maschinenmusik hat ihre berechtigung und nen besonderen Reiz nebst der fehelrhaften Menschenmusik.
Wenn man aber NUR noch maschienmusik hat ( und heutige produktionen/aufnahmetechniken zwingen auch das menschliche spiel in die gersterte maschinenecke ) dann wirds irgendwann zuvile, und die entwicklung muss kippen.

und genau darauf wollte ich eben hinaus.
man wird wieder von Hand spielen.
M;an wird wieder Kammermusik machen zuhause in der familie.....................eines Tages



eben, viele wollen das was zuerst im kpopf ist umsetzen,
aber kennt ihr den zustand wenn das gefühl im moment entsteht ?
da ist ne lehre, man spielt einfach.
oder es ist langeweile, und man nimmt den Bass, die gitarre oder das klavier.
Erst dudelt man blöd, dann verwächst man mit dem moment.
Energien fliessen.................


Das ergibt die vile hochwertigere musik wie wenn zuerst der Kopf da ist, und dann das werk.
Was glaubt ihr wie die giute klassiche musik entstanden ist ?
( btw. ich meinen dass der anteil an müll der in sich nicht stimmig ist beim klassischen ähnlich gross ist wei bei moderneren genres.... ) ( aber ok, anderes thema ;-) )

ok, lange, schnell geschrieben, geht aber doch ab.........
 
Re: Maschinenmusik - Muß ein Musiker von Hand spielen (könne

kpr schrieb:
...Meiner Erfahrung nach kommen aber die Leute, die nicht so dolle handwerklichen Fähigkeiten haben, recht schnell an Grenzen bei ihrem Ideenumsetzungen...
Da hast du aber den berühmten Nagel-auf-den-Kopf-getroffen. Leider habe ich keine wirklich brauchbaren Fähigkeiten des Klavierspielens und so komme ich manchmal in die Lage, dass ich die Idee im Kopf einfach nicht so umsetzten kann wie ich mir das Wünschen würde. Aber dank Sequenzer und Co. komme ich doch Alles in Allem ganz gut über die Runden. Auf der anderen Seite fehlt mir halt so der Druck vielleicht doch mal Klavierunterricht nehmen zu müssen.

Vielleicht würde ich ja dann ganz andere Musik machen?

Grüsse
Frank
 
das im kopf umzusetzen ist ja schoen und gut, aber ist das oft nicht auch wieder sich grenzen setzen. ich seh das so dass man eventuell das umsetzt aber auf dem weg zum ziel nicht weiter verfeinert oder halt nicht wieder ganz umkrempelt. im kopf kanns sich schoen anhoeren, aber ist das nun auch tauglich fuer den raum.
es kommt halt auch darauf an wann man sich zufrieden mit dem gibt was man gemacht hat und das beinhaltet wiederum das gefuehl.
wollte ich zb. ein schoens klavierstueckchen spielen, oder wuerde das schnelle und improvisierte "klimpern" brauchen, dann wuerde mich kein weg an klavierstunden vorbeifuehren.

meine tracks und so nenn ich sie gerne denn es sind nun mal keine kompositionen entstehen beim austesten der geraete.

man muesste auch mal definieren was per handspielen, und das handwerk eigentlich bedeutet, denn wenn man live was in zb. ne esx reinhaut ist das auch handspielen oder ist hier nur das beherrschen des klavierspielens gemeint.

eine idee zu haben ist gut, das waer halt ein rezept fuer ein lekkeres gericht, aber wenn das steak ueber dem kochen anbratet sollte man es besser nicht servieren. da kommt man auch nicht dran vorbei wenn man sein handwerk sehr gut beherrscht. es kann ja immer was dazwischen kommen.
 
punky40, sorry, weil ich Dich nur knapp zitiert hatte. Das Thema scheint viele zu berühren. Interessanterweise scheint Gefühl bei Dir sehr stark mit Spontanität verknüpft zu sein. Bauch und Kopf sind aber nicht wirklich getrennt. Gefühl definiere ich als unscharfes Wissen, welches man nicht erklären kann und muß. Entscheidungen aus dem Gefühl heraus sind daher meist schnell und richtig.

Wenn ich am Klavier sitze und ohne nachzudenken meine Finger über die Tastatur gleiten lasse entstehen spontane musikalische Muster, quasi aus dem Bauch heraus. Trotzdem bin ich Opfer des Erinnerungsvermögens meiner Finger (das was ich oft gespielt habe fließt hier physikalisch leichter ein). Zudem werde ich nach dem Hören des Gespielten widerum mit bereits erfahrenen Mustern antworten, auch wenn mein Kopf dies nicht analysiert.

Das sind die Vor-und Nachteile von musterverarbeitenden Systemen und Lebewesen. Um aus diesen Reflexen auszubrechen hilft es manchmal ein neues unbekanntes Instrument zu spielen oder auch mal seine Tastatur umzupolen, so daß die tiefsten Töne oben liegen.:)

Edit:
Und flaaps, ja, ein Instrument zu spielen soll hier so weit wie möglich verstanden werden. Spontan spielen heißt auch eine Hüllkurve mit 4 Slidern und Fingern gleichzeitig zu kneten oder ein Modular-Patch zu formen.
 
Es kann helfen diese oder jene Fähigkeit zu besitzen. Es ist erstmal wertfrei. Ob und wie man sich dann entscheidet, hängt letzlich von anderen Faktoren ab.

Am Klavier kann man sicher gut Melodien entwickeln, die auch ohne "Sounds" funktionieren. Es kann aber sein, dass man elektronische Musik spielen will und viel mit dem Klang machen will, aber auch hier kann man von Hand spielen oder eben auch den Sequencer spielen.

Das sollte man alles eher neutral sehen und anpassen an den Song, den man grade bauen und aufführen will. Und hier gibts nochwas: Wie der gemacht wurde interessiert keine Sau. Stockhausen hat seine Werke auch nie "gespielt", lediglich abgespielt. Sie werden auch nicht schlechter von dieser Art von Darbietung. Man kann aber meist eher verlieren, wenn man sich dogmatisiert. In beide Richungen.
 
Viele Wege führen ins ROM

Bei mir persönlich bin ich froh, seitdem ich denken kann mit Livemusik konfrontiert worden zu sein und diese auch sehr schnell selber gemacht zu haben. Hab da auch einen nicht zu unterschätzenden Druck von oben bekommen viel zu üben. Damals wars oft ätzend. Heute bin ich gottfroh drüber denn in meiner Pupertät hätte ich sicher aufgehört mit üben.

allerdings kenne ich leute die nur maschinell an die sache gehen und das nicht schlechter ist.

für mich allerdings ist mit der wichtigste aspekt das Musizieren, das SPIELEN.

Man kann das bei Kindern beobachten: die Ernsthaftigkeit im Spiel, wo es nichts wichtigeres gibt als die spontane Sturheit im Rahmen der Regeln auszuleben. Musizieren ist IMO zum großen Teil Handwerk. Ob dieses jetzt ausgeÜBT wird indem Maschinen bedient oder Akustische Intrumente gespielt werden ist zweitrangig. Das Bedienen von Maschinen kann jedoch schnell zum Experimentieren werden. Was gut und wichtig ist, doch erfordert jedes Experiment eine lange Zeit der Auswertung damit es in den Ideenfundus des Musikers einzug finden kann.

Hier ist schon viel richtiges geschrieben worden.

Vor allem: Es geht darum die Ideen zu verwirklichen sonst stellt sich (bei mir) über kurz oder lang eine Unzufriedenheit ein. Diese Ideen können aus den verschiedensten Ecken kommen.

Die Synthesizertechnik steht IMHO immernoch am Anfang. Bei vielen Maschinen habe ich den Eindruck, dass die Entwickleringenieure sich eher fragen was cool klingt wenn man auf Play drückt. Deswegen interessiert mich auch kein Fertigsynthesizer mehr. Was ich brauche gibt es auf dem Markt nicht.

Meine Gitarre steht in der Zimmerecke. Wenn ich sie spielen will muss ich keinen Powerknopf drücken. Ich muss mir auch keine Gedanken über Verkabelung und Verstärkung machen. Sie klingt ungefähr so wie sie klang als ich sie in die Ecke gestellt habe. Wenn ich den Sound in einer Bestimmten weise phrasieren will muss ich keinen Modulator programmieren. Ich muss sogar nicht einmal darüber nachdenken wie ich diese Phrasierung hinkriege, sondern mach sie einfach. Das sind Stärken die elektronische Instrumente (noch) nicht haben. Diese haben allerdings andere Stärken.

Um auf die Threadfrage zurückzukommen: Nein. Ein Musiker muss nicht von Hand spielen können. Wenn ers doch kann hat er gewisse Möglichkeiten und wird Musik machen die teilweise aud diese Fähigkeit beruht. Wenn nicht, dann erreicht er sein Ziel auf andere Weise.

Das alleinige rein- und rausdrehen von sounds und effekten erschöpft sich recht schnell. Ich schätze es, wenn eine gewisse Dramarturgie in der Musik herrscht. Diese kann mit wenigen Mitteln eine unglaubliche Energie erzeugen. Musiker die Erfahrung im SPIELEN haben erzeugen diese Dramarturgie oft ganz intuitiv, weil sie die verschiedenen Elemente nicht nur zusammensetzen, sondern die Musik während der Praxis auch erleben. Auch ist es oft schwer während des programmieren sich selbst zuzuhören, was IMHO eine ganz wichtige Sache beim Musizieren ist.
 
Es gibt doch soooo viele Leute, die überhaupt nicht Keyboard spielen können und dennoch phantastische Musik hervorbringen.
Besonders heute, wo es so viele tolle neue Controller gibt, tritt das echte Handwerk doch immer mehr in den Hintergrund. Als Beispiel möchte ich da nur mal das Tenori-On oder das Monome nennen.
Wenn jemand musikalisch kreativ ist, dann ist das handwerkliche Können eher zweitrangig. Jemand, der ein gewisses Gefühl für Tonhöhe, Harmonie und Rhythmus hat, der baut einen geilen groovigen Song auch mit der Mouse am Computer-Sequenzer.
Es gibt Leute, die klopfen nur mit den Fingern auf dem Tisch und es ist einfach klasse.
Vielleicht hilft es ja ein bischen, wenn man Spielen kann und über ein bisserl Grundwissen verfügt, zwingend erforderlich ist es heute nicht mehr.

Ich selber spiele gerne noch selbst an den Tasten, mir macht das einfach super viel Spaß und ich wäre froh, wenn ich technisch noch mehr drauf hätte.
 
osaka_70_1.jpg


Moogulator schrieb:
Stockhausen hat seine Werke auch nie "gespielt", lediglich abgespielt.

Es sollte sich rumgesprochen haben, dass Herr Stockhausen in erster Linie Komponist war. Die Realisation seiner elektronischen Werke wurde idR von Assistenten ausgeführt. Bei den Aufführungen übernahm Herr Stockhausen die Klangregie.
 
Re: Maschinenmusik - Muß ein Musiker von Hand spielen (könne

mc4 schrieb:
Worauf es bei der Erschaffung eines eigenen Werkes ankommt, ist, ob das Resultat den ursprünglichen Vorstellungen der inneren Stimme entspricht
Also, zuerst ist da die "innere Stimme", und dann kommt es darauf an, diese im Nachhinein abzubilden?

Kann man so machen. Ich habe aber eher selten Stimmen im Kopf. ;-)
Musikmachen ist für mich ein Prozess, der in Wechselwirkung mit dem Instrument stattfindet. Daher fühle ich mich auch besser, wenn ich auf meinen popeligen DX7 einprügele als wenn ich Klötzchen auf einem Monitor schiebe. Das ist also etwas, das passiert und nicht etwas, das da ist.
Musik ist in meinem Falle auch sehr vergänglich. Ich spiele so vor mich hin, und wenn ich es nett finde nehm ich es auf. Meistens tu ich das aber nicht, und die Musik ist dann für immer futsch. Macht nix. :)

Aber das ist selbstverständlich nur eine Herangehensweise unter vielen. Ich habe kein Problem mit durchkonstruierter Musik. Ich höre sie gerne, ich habe nur keine Geduld, sie selber auch zu machen.
 
Ich erinnere da an meine elektronische Komposition "Rimper" vom Februar 2004 (ausführlich im Keyboards Forum diskutiert), die eine konkrete Anweisung an den technischen Assistenten Herrn Jungkunst darstellte. Besonderheit und Weltneuheit dieses eindrucksvollen Werks ist, dass Komponist und technischer Assistent als Ausführender das musikalische Ergebnis weder im Entstehungsprozess noch nach Fertigstellung hören durften. Diese Anweisung gehörte ebenfalls zur Komposition. Habe ich mir alles während der Fahrt zur Arbeit im Auto ausgedacht.
http://forum1.keyboards.de/archiv/04/02/11/r026/72327.html
 
Ich erinnere mich dunkel!
Sensationell, wahrhaftig!!! :mrgreen:

Anna_Lüse schrieb:
Besonderheit und Weltneuheit dieses eindrucksvollen Werks ist, dass Komponist und technischer Assistent als Ausführender das musikalische Ergebnis weder im Entstehungsprozess noch nach Fertigstellung hören durften.
So ein bisschen wie Malen mit verbundenen Augen, nur dass man das Werk auch nach Fertigstellung nicht zu Gesicht bekommt.

Ich werde den technischen Assistenten mal fragen, ob er sich wirklich an diese Anweisung gehalten hat! :mrgreen:
 
Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Nein, muss er nicht. Aber es erleichtert einiges.

In der Kunst gibt es große Maler, die über keine nennenswerten malerischen Fähigkeiten im traditionellen Sinne verfügten: Vincent van Gogh, Jackson Pollock, Mark Rothko... Picasso, der ein malerisches Wunderkind war, äußerte, dass er Jahre gebraucht habe, um seine technische Meisterschaft abzulegen und so zu SEINER EIGENEN (abstrahierten) Bildsprache zu gelangen. Anyway: Dennoch braucht jeder Künstler ein Gespür für Proportionen, Farben, Strukturen, Ideen...

Dasselbe gilt auch für den Musiker: Der braucht PRIMÄR einen Sinn für Harmonien, Melodien, Rhythmen, Strukturen etc. Dennoch: Handwerkliche Fähigkeiten erleichtern ihm einiges... Mozart hatte beides.
 
Re: Maschinenmusik - Muß ein Musiker von Hand spielen (könne

Hellrider schrieb:
kpr schrieb:
...Meiner Erfahrung nach kommen aber die Leute, die nicht so dolle handwerklichen Fähigkeiten haben, recht schnell an Grenzen bei ihrem Ideenumsetzungen...
Da hast du aber den berühmten Nagel-auf-den-Kopf-getroffen. Leider habe ich keine wirklich brauchbaren Fähigkeiten des Klavierspielens und so komme ich manchmal in die Lage, dass ich die Idee im Kopf einfach nicht so umsetzten kann wie ich mir das Wünschen würde. Aber dank Sequenzer und Co. komme ich doch Alles in Allem ganz gut über die Runden. Auf der anderen Seite fehlt mir halt so der Druck vielleicht doch mal Klavierunterricht nehmen zu müssen.

Vielleicht würde ich ja dann ganz andere Musik machen?

Grüsse
Frank


Wahrscheinlich zählt das zu den Lebensrisiken, denn es ist ja unumkehrbar. Wer wird das von außen beurteilen wollen. So denke ich schon, dass es eines jeden eigene Entscheidung ist, wie da vorzugehen ist. Ich kenne studierte Musiker, die jeden intensiven Ausdruck vermissen lassen, aber halt selber mit ihrem Leistungsstand sehr viele 32stel Noten pro Minute in korrektem Timing abzuliefern sehr zufrieden sind. Und Autodidakten, die ebenfalls eine Wahnsinnstechnik drauf haben, aber eben mit soviel persönlichem Engagement und Tiefe ihre Sachen vortragen, dass mir die Tränen kommen. Vor Ergriffenheit. Eine gute Technik trägt einen einzelnen lang angehaltenen Ton so vor, dass er berührt. Kein Mensch interessiert sich, wie der entstanden ist, denn das Resultat genügt sich selbst. Als Selbstzweck.

Was bei Musikmachen nicht geht ist Betrug. Das ist ja das Schöne daran. Ein bisschen Trickserei schon, Kaffee kochen tun wir alle, einige schaffen das mit den gleichen Zutaten irgendwie einen Tick überzeugender und meistens steckt dann ein Trick dahinter. Ist wie beim Zauberer: Man lässt sich lieber davon bezaubern, als zu überlegen, wie der das gemacht hat. Um beim Thema zu bleiben heißt das für meine Perspektive, dass es echt egal ist, wie jemand seine Nummer abzieht, hauptsache sie bringts und ist ehrlich.

Auch Maschinenmusik sollte ehrlich sein und nicht vorgaukeln, es sei handgemacht. Mag sein, dass es Leute unter den Zuhörern gibt, denen man was vormachen kann. Und? Fühlt es sich gut an als Künstler? Ich glaube nicht. Und es muss sich für den Künstler gut anfühlen, Künstler sind tierische Egoisten, die Freude an sich selber haben und das offensichtlich auch brauchen. Ich behaupte mal, dass Fakemusik, die so tut als ob, auch dem Künstler keine wahre Befriedigung verschafft. Das kann allerdings immer nur derjenige selber wissen, ob oder ob nicht. Und weil Künstler wie jeder andere auch sich unter Umständen selber belügen, wissen die das manchmal gar nicht. Pech gehabt :D
 
Maschinenmusik........ mhhhhhhh......... Gibt es das überhaupt? Was ist Maschinenmusik? Zufällig von der Maschine erzeugte Musik? Wer hat der Maschine gezeigt was sie wie zufällig spielen soll? Oder ist die Maschine nur Klangerzeuger und gibt sie das von Menschenhand eingegebene nur immer wie gewünscht und abrufbar wieder?

Ist Maschinenmusik ein Instrument welches von Maschinen hergestellt wurde? Wäre dann eine mittels CAD entwickelte und mit Maschinen z. B. in China gebaute E-Gitarre eine Maschine mit der ich Maschinenmusik machen kann? Oder ist nur eine Maschine, die blinkende Lämpchen hat, eine Maschine die Maschinenmusik machen darf? Darf der Mensch noch Hand anlegen an die Maschine? Wäre es sonst noch Maschinenmusik? Geht das überhaupt, Maschinenmusik ohne Mensch?

Fragen über fragen.........
 
mc4 schrieb:
Wenn ich am Klavier sitze und ohne nachzudenken meine Finger über die Tastatur gleiten lasse entstehen spontane musikalische Muster, quasi aus dem Bauch heraus. Trotzdem bin ich Opfer des Erinnerungsvermögens meiner Finger (das was ich oft gespielt habe fließt hier physikalisch leichter ein). Zudem werde ich nach dem Hören des Gespielten widerum mit bereits erfahrenen Mustern antworten, auch wenn mein Kopf dies nicht analysiert.

Sehr gut beschrieben - das ist wirklich eine Kehrseite.
Natürlich kann man auch mischen.
Transponierung umkehren, einen Bereich verstimmen, mehrere Dinge planlos in den Sequ hacken und gucken, wo interessante Zusammenhänge entstehen. Also Handwerk + Random :)
 
Muß ein Musiker von Hand spielen können ?

Da müßte man erstmal den Begriff Musik definieren, oder was damit vom Threadsteller gemeint ist.

Heutzutage wo irgendwie jeder noch so banale Sound als große Kunst gilt und ein bißchen Pling, Plong aus dem Hardwaresequenzer als die neue musikalische Offenbarung, da braucht man nicht von Hand spielen können.

Zeitlose Musik, wird von anderen gemacht.

Das einprogrammieren hat für mich immer soetwas beamtenhaftes und wenn am Ende auch ein Ergebnis steht, das man als Musik durchgehen lassen kann, so ist es etwas ganz anderes einfach mal zu spielen was man gerade fühlt und es wird noch besser wenn man dieses mit anderen teilt. Um diese Erfahrungen betrügen sich die Knöpfchendreher selbst und das finde ich schade. Das Ergebnis hört man auch.
 
Ich habe eher das Problem diese Muster aufzubrechen. Manchmal sehne ich mich da schon nach maschineller Unterstützung. Kreativität in Richtung Komponieren ist so gut wie weg. Alles schon gehört, alles schon bekannt - man kopiert hier und da.....Dabei versuche ich schon, fast keine Musik mehr zu hören.
 
Im Grunde ist es doch ganz einfach: Wenn jemand ein Musikstück hervorgebracht hat, das dem entspricht, was er vorhatte, KANN er sein Instrument spielen. Ob das nun ein Klavier, Nanoloop oder ein Kopfkonstrukt wie im Fall "Rimper" ist.
Und wenn erfolgreiche Musiker wie Vince Clarke sagen "Hihi, eigentlich kann ich das ja gar nicht!", dann kokettieren sie. Herr Clarke mag vielleicht nicht besonders virtuos Klavier spielen können, aber er ist ja auch kein Pianist. Was er macht, kann er, kein Zweifel.

Aber ich glaube, das geht ein bisschen an der ursprünglichen Fragestellung vorbei.
Ich selbst kann ein bisschen Klavier spielen, und bei einigen Sachen hilft mir das. Bei einigen Sachen ist es mir aber auch definitiv im Weg, weil ich fast immer nur spielbare Sequenzen auswürge, nichts richtig Abgefahrenes (Ausnahme: Nanoloop). "Tracks" als Gegenstück zu "Songs" kriege ich schon überhaupt nicht hin, weil ich viel zu fest an Songstrukturen klebe.

Ein Freund von mir (halb so alt wie ich) und ich planen, uns gegenseitig Unterricht in dem zu geben, was wir gut können - er kriegt von mir Keyboard- und Harmonielehre-Unterricht, und er zeigt mir Cubase-Tricks und technoide Arrangements.
Ganz allgemein: Wenn ihr meint, euch fehlen bestimmte Fähigkeiten, um eure Musik voranzubringen, DANN NEHMT UNTERRICHT! Völlig Wurscht, ob das Klavierstunden oder Synthesizer-Workshops oder Songwriting-Lehrgänge sind. Dümmer wird man davon nicht!

Schöne Grüße,
Bert
 
Wenn ihr meint, euch fehlen bestimmte Fähigkeiten, um eure Musik voranzubringen, DANN NEHMT UNTERRICHT! Völlig Wurscht, ob das Klavierstunden oder Synthesizer-Workshops oder Songwriting-Lehrgänge sind. Dümmer wird man davon nicht!

Mein reden, nur der Zeitgeist sagt: "Ich will jetzt und zwar alles und bitte ohne jede Anstrengung".

Ich bedaure jedenfalls das ich nicht mehr so spielen kann wie früher mal, auch wenn das noch halbwegs mit programmieren und so geht.
 
SPIRAL für einen Solisten (1968)

(geschrieben Januar 1970)

In SPIRAL werden Ereignisse, die ein Solist mit einem Kurzwellenradio empfängt, imitiert, transformiert und transzendiert.
Außer dem Radio kann er ein beliebiges Instrument, mehrere Instrumente, Instrument und Stimme, oder nur die Stimme benutzen.
Zur räumlichen Projektion und Verstärkung von Instrument, Stimme und Kurzwellenklängen benötigt er Mikrophone und wenigstens zwei Lautsprecher.
Die Lautsprecher können von einem Assistenten geregelt werden, um das Verhältnis von Direktklang und Lautsprecherklang musikalisch zu gestalten.
SPIRAL ist eine Folge von Ereignissen, die durch verschieden lange Pausen getrennt werden. Ein Ereignis wird entweder gleichzeitig mit KW-Empfänger UND Instrument/Stimme realisiert, oder NUR mit Instrument/Stimme. Das erste Ereignis muß mit KW-Empfänger und Instrument/Stimme realisiert werden. Seine Dauer, Lage, Lautstärke, rhythmische Gliederung sind relativ frei.
Einem KW-Ereignis soll sich das gleichzeitige Instrumentale/Vokale so angleichen, daß es mit ihm verschmilzt.
Vom zweiten Ereignis ab ist der Wechsel von Ereignissen mit oder ohne KW-Empfänger frei; es soll jedoch ein ausgewogenes Verhältnis der Ereignisse mit und ohne KW-Empfang angestrebt werden.
Für das zweite und jedes weitere Ereignis bestimmt der Solist Dauer, Lage, Lautstärke und rhythmische Gliederung gemäß der fortlaufenden Reihenfolge von Transformationszeichen, die in einer Partitur notiert sind.
Alle anderen Eigenschaften - Klangfarbe, Proportionen der rhythmischen Glieder, Melodik, Harmonik, vertikale Schichtung usw. -, die sich aus einem KW-Ereignis ergeben, sollen mit Instrument/Stimme so genau wie möglich imitiert werden; sie werden von Ereignis zu Ereignis möglichst beibehalten, bis sie sich durch ein neu gewähltes KW -Ereignis erneuern. Beim Suchen eines Kurzwellenereignisses soll man leise von Sender zu Sender wechseln, bis man etwas gefunden hat, was den notierten Verhältnissen der Tonhöhenlagen entspricht. Darüber hinaus aber ist für die Wahl entscheidend, daß der Solist eine möglichst breite Skala zwischen konkreten und abstrakten Klangereignissen in einer Interpretation anstrebt und sich immer der nächsten Transformation bewußt ist, die er mit diesem Ereignis durchzuführen hat. Er soll bei einzelnen Sendern verschieden lange verweilen, und auch das Suchen sollte immer musikalisch artikuliert sein.
Außer einfachen Transpositionen (wie höher - tiefer, länger - kürzer, leiser - lauter, mehr Glieder - weniger Glieder) gibt es noch besondere Transformationen: Ornamentierung, polyphone Artikulation, periodische Gliederung, Echos, 'Erinnerungen', 'Ankündigungen', Permutation von Gliedern, lange bandförmige Verdichtungen von Elementen, akkordische Raffungen, Spreizungen, Stauchungen.
Ab und zu kommt eine Transformation vor, die dieser Prozeß-Komposition den Namen SPIRAL gab:

»Wiederhole das vorige Ereignis mehrmals,
transponiere es jedesmal in allen Bereichen
und transzendiere es über die Grenzen
deiner bisherigen Spiel-/Gesangstechnik
und dann auch über die Begrenzungen
deines Instrumentes/deiner Stimme
hinaus.
Hierbei sind auch alle visuellen, theatralischen
Möglichkeiten angesprochen.
Behalte von nun an, was du in der
Erweiterung deiner Grenzen erfahren
hast, und verwende es in dieser und
allen zukünftigen Aufführungen von SPIRAL.«

Besitzt nicht nahezu jeder einen Kurzwellenempfänger? Und hat nicht jeder eine Stimme?
Wäre es nicht für jeden eine künstlerische Lebensform, das Unvorhergesehene, das man aus einem Kurzwellenradio empfangen kann, in neue Musik zu verwandeln, das heißt, in einen bewußt gestalteten Klangprozeß, der alle intuitiven, denkerischen, sensiblen und gestalterischen Fähigkeiten wachruft und schöpferisch werden läßt, auf daß sich dieses Bewußtsein und diese Fähigkeiten spiralförmig steigern?!

SPIRAL ist im September 1968 in Madison/Connecticut entstanden. Michael Lorimer, ein junger amerikanischer Gitarrist, kam im August 68 nach Darmstadt. Er hatte mich schon des öfteren um eine Komposition für Gitarre gebeten und wollte mir alle Möglichkeiten des Gitarrespiels und der bereits vorhandenen Kompositionen für Gitarre zeigen. Ich begann im September mit einer Komposition für Gitarre, kam aber einfach nicht voran, da ich nicht den nötigen Enthusiasmus hatte, bei jedem Akkord, bei jeder Passage die Fingerstellungen auszuprobieren. Endlich legte ich die Arbeit beiseite und begann mit der Komposition SPIRAL, die an die früheren Prozeß-Kompositionen PROZESSION und vor allem KURZWELLEN anknüpfte, und die sich - nach den Erfahrungen der ersten Aufführungen der Textkompositionen AUS DEN SIEBEN TAGEN - in den Anforderungen des Spiralzeichens an den Spieler auf metamusikalische Erfahrungen richtete.
Lorimer kam dann nach Madison, war höchst überrascht über das Resultat und auch wohl ein wenig enttäuscht, da er nach mehreren Tagen intensiven Übens das Stück "viel zu schwer" fand und , "lieber etwas Leichteres" gehabt hätte.
Die erste Aufführung spielte der Oboist Reinz Rolliger auf der Biennale in Zagreb im Mai 1969, und im Juni 1969 machte Michael Vetter (elektrische Blockflöte) die ersten Schallplattenaufnahmen.

Ergänzung Ende 1970:
Während der Weltausstellung EXPO 70 in Osaka, Japan, wurden täglich von 15.30 bis ca. 21.00 Uhr Werke Stockhausens von 20 Musikern im Kugelauditorium des Deutschen Pavillons für über 1 Million Zuhörer live aufgeführt.
Eines dieser Werke war SPIRAL, das mehr als 1300mal vom 14. März bis zum 14. September 1970 täglich in verschiedenen Versionen gespielt oder gesungen wurde.


Karlheinz Stockhausen – Texte zur Musik
Band 3, 1963-1970
 
mc4 wird die Frage nicht ohne Bezug zur aktuellen Ambition gepostet haben. Da geht es um den Z8 und der scheint ne Menge Potential zu haben, wenn er mal fertig ist. Auch welches, dass es jemandem erlaubt, komplexe Tonfolgen und Dynamikartikulationen wiederzugeben.

Falls ich mit meiner Annahme richtig liege: Wenn das Ding die gleiche Sprache spricht, wie der Musiker, der das Teil unter den Fingern hat, dann ist die gemeinsame Wellenlänge da und darauf kommt es bei einer Maschine genauso an, wie bei Mitmusikern innerhalb eines Ensembles. Reden Maschine und Musiker dagegen aneinander vorbei, dann hat man sich getroffen, sagt freundlich tschüss und das wars dann. Das ist genauso im Studio oder Proberaum: Der Drummer guckt ungläubig, wenn sich Musical Director und Composer über Harmoniedetails und Tonsatz sowie beabsichtigter Stimmführung unterhalten, weiß aber sehr genau was Groove ist und vor allem, was er zu tun hat, damit der von seiner Seite aus da ist. Genau so ist das mit ner Maschine auch.
 


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