Synthesizerspieler waren mal eine komische kleine Laune der Natur, die ab Mitte der Achtziger in den Mainstream verschoben wurde, weil plötzlich Klavier und Geigen synthetisch ein bisschen authentisch klangen. Das wurde perfektioniert, und seitdem hat man die Coverbands, was früher Tanzkapelle hieß, ganz gut im Sack, denn insbesondere die waren es schon immer, die das sehr notwendige Geld in die Kasse gespült haben. Dass es solche auch als sich ganz allein unterhaltende Kellergeister gibt, ist eine andere Geschichte.
Auch der Minimoog ist 1970 von Dave van Koevering schon an Mucker vermarktet worden – noch dazu erfolgreich. Gut, zum einen hatten sie damals sonst noch keine große Auswahl, der Minimoog war der erste und damals einzige komplett unmodulare Synth am Markt. Und zum anderen gab es sonst niemanden, der an dem Ding hätte interessiert sein können. Rein elektronische Musiker gab es im Jahr 2 nach
Switched-On Bach noch fast gar nicht, vermutlich in Florida keinen einzigen. Und Forschungs- und Bildungseinrichtungen waren eher interessiert an Modularsystemen, die sie nicht zum Musizieren, sondern zum Experimentieren brauchten.
Schon der zweite Kompaktsynth von Moog, der Satellite, wurde ausdrücklich für Livekeyboarder entwickelt und gebaut – genau wie der ARP ProSoloist, der auch nicht Tony Banks auf den Leib geschneidert worden war (Banks wollte eigentlich einen Minimoog, konnte sich aber nicht mal einen Odyssey leisten). Die Livekeyboarder waren es auch, die Speicherplätze und Polyphonie wollten – und die Entwicklung der ganzen Polyschlachtschiffe der späten 70er und frühen 80er rechtfertigten. Damals trieben sie die Innovation noch voran, dann die Verfügbarkeit des "Synthesizers für den kleinen Mann" (als der Korg Polysix die Konkurrenz preislich unterbot).
Ende der 80er mit der Korg M1 brachten sie dann aber die Innovation praktisch zum Stillstand. Der Rompler mit Brot-und-Butter-Presets war genau das, was sie immer haben wollten. Für den Livekeyboarder war der Synthesizer im Grunde "fertig", und jegliche Weiterentwicklung war eigentlich nur qualitative Verbesserung und zahlenmäßige Vergrößerung des bereits Vorhandenen. The same, but more. Weil die gesamte Riege der US-Hersteller futsch war bis auf Samplerfabrikanten und alle anderen auf Rompler umstellten, diktierten die Livekeyboarder über Jahre die Entwicklung des Synthesizers.
Insofern war es schon verwunderlich, daß Roland befand, daß die Leute zuviele Presets nutzten, und als Gegenmittel den JD-800 raushaute – vielleicht auch, um damals schon die Nerds zu ködern. Aber mit einem Synth, der zwar Regler hatte, aber immer noch ein Rompler war und obendrein teurer als ein Minimoog und eine 303 zusammen, konnten sie nicht punkten. Gut, es gab damals Elektroniker, die nicht mit MIDIlosen "Museumsstücken" (oder generell Gebrauchtgear) arbeiten wollten, so daß nicht wenige Produktionen komplett mit samplebasierten Geräten gefahren worden sein dürften, weil's was anderes nicht mehr gab (und ich meine nicht mal die Sampler-Panzerschlachten, die in England Acid House hießen).
Mitte der 90er waren ja sowieso eine komische Zeit. Japanische Rompler für die Bandkeyboarder-Fraktion gingen wie geschnitten Brot. Italien rannte hinterher, Südkorea preschte vorweg und baute Workstations, die einigen Nerds feuchte Träume bescherten, aber spätestens die K2500 war unbezahlbar. Während Roland damals noch vorsichtiger war als Yamaha vor den Refaces, lieferten sich Yamaha und Korg ein kleines Synthese-Wettrüsten. Yamaha versuchte, einen Vorsprung zu erzielen mit Physical Modeling, wohl im Glauben, daß das die Synthese sein wird, die mal den Rompler beerben wird – und dann hätten sie das als erste gehabt. Aber die Nerds wollten keine Natursounds, und für die Bandfraktion klang der VL1 noch zu unecht und war pro Stimme zu teuer. Korg spielte derweil Kurzweil mit Multisynthesewaffen. Aber Prophecy und Z1 waren wieder für beide Fraktionen uninteressant, und obwohl die Trinity eigentlich richtig geil war, vor allem mit entsprechenden Optionen, schoß auch sie am Bedarf vorbei – die Keyboarder wollten ein weniger nerdiges Gerät und einfach ihre Brot-und-Butter-Sounds, und die Nerds wollten keine Workstation, sondern Moog, 303, fette, schmatzende, blubbernde Analogsounds und OKOF.
Einer der ersten Hersteller, die darauf reagierten, kam aus Schweden und baute ehedem nur elektronische Drums. Leider hat auch Clavia inzwischen die Nerds als Kundschaft fallengelassen und bedient jetzt fast nur noch Keyboarder in Rockbands. Den Nord Lead gibt's eigentlich nur noch, weil's immer ein Selbstgänger war, und mit dem A1 gab es sogar schon einen Spinoff für Nichtnerds, also in die umgekehrte Richtung des Nord Modular. Die Modellzyklen sind aber gerade beim Nord Lead immer länger geworden, speziell, wenn man bedenkt, daß der 2X länger lief als der Minimoog. Und ob es noch einen Nord Lead 5 geben wird – wo man zu dem Preis zum einen inzwischen echtanaloge Polysynths und zum anderen richtig leistungsfähige VAs kriegt –, ist fraglich, denn für Clavias Kundschaft ist der eingebaute Magersynth im Nord Stage meistens allemal genug.
Andererseits sollte man Yamaha nie unterschätzen. Die haben die Stirn, eine Reface Serie rauszubringen, die es tatsächlich zu einem gewissen Stellenwert gebracht hat - auch zu meiner Überraschung. Da ist also noch Luft nach oben, und ich traue denen zu, es sich plötzlich anders zu überlegen und dann doch mal einen "puren" Synthesizer rauszubringen. Vielleicht einen mit Physical Models, der zusätzlich FM-X2 bietet, Design by Franz von Holzhausen.
Wenn Yamaha sich nicht an Romplern vom Homekeyboard über das Entertainer-Flaggschiff Nr. 1 und Digitalpianos bis zu hochpreisigem Bandkeyboarder-Besteck dumm und dusselig verkaufen würde – und an überhaupt nicht elektronischen Instrumenten –, dann wären sie angesichts der Konkurrenz durch Roland und Korg, wie wir sie heute kennen, regelrecht dazu gezwungen.
*lol* FM mit Vollbeknopfung find ich total unübersichtlich, Reface DX (mein kleines Sommerkeyboard) find ich vom Ansatz nicht so schlecht, aber es fehlen die Copy/Paste Funktionen die man von den alten FM-Synths kennt.
Wie würde denn die optimale Bedienung für 8OP-FM plus X idealerweise aussehen? Direktzugriff auf die Parameter, aber mit Mehrfachbelegung (z. B.
Oszillator Operatorsektion à la Novation) und Endlosencodern mit Las-Vegas-LED-Kränzen (weil Abholen und Springen bei exzessiver Mehrfachbelegung beide doof sind), "Makros", die den Klangcharakter in bestimmte Richtungen verschieben, oder das Vorgaukeln einer subtraktiven Kette wie beim Korg DS-8?