Synthanorma Sequencer

Schnuffi

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Synthanorma Sequencer

Fangen wir vorne an:

Ich lernte durch mein Engagement für EMS-Synthesizer den Bonner Mathe-Studenten Hajo Wiechers kennen, der sich für Synthesizer interessierte, sich aber keinen leisten konnte (ich hatte einen EMS Synthi A, einen EMS Synth AKS, einen ARP 2600 und einen Moog 15 bei mir) offensichtlich mit dem Lötkolben umgehen konnte und mir im Ohr lag, selber einen Sequencer konstruieren zu wollen.

Ich nahm ihn in meinem Auto mit zur Frankfurter Musikmesse. Auf einem Gang kam uns Klaus Schulze entgegen, den ich schon kannte und um das leidige Thema Sequencer zu beerdigen, fragte ich ihn im Gehen, was er von einem Sequencer halte. Er war interessiert, erteilte einen Auftrag und Wiechers fing an, auf dem Küchentisch seiner Mutter einen Sequencer zu entwickeln. Auf mein BWL-Studium in Köln hatte ich keine Lust, so saß ich dann neben ihm und begleitete fast 1 Jahr bei seinem Versuch & Irrtum, bis ein Prototyp soweit fertiggestellt war, dass wir ihn gemeinsam in meinem VW Käfer zu Klaus Schulze nach Berlin liefern konnten. In direkter Nachbarschaft lebte Edgar Froese, es ergab sich ein kurzes Gespräch, er wollte auch einen.

Weitere Geräte gingen an meine Freunde Frank Schwidetzy und Kurt Mill, mit denen ich ab und zu mit Synthesizern und Sequencern improvisierte und sogar auftrat. Keine Glanzleistung. Ein weiteres Modell dann an David Johnson, Universitat Bern, dem früheren Assistenten von Karlheinz Stockhausen und Gründungsmitglied der Gruppe CAN.

Wiechers meinte, ich solle doch Kraftwerk einen Sequencer „verkaufen“, dieser Ausdruck und was das bedeutete, war für mich regelrecht abstoßend, denn ich war ja kein Teppichhändler oder Schuhverkäufer. Richtig eklig und mich schüttel's noch heute. Später habe ich das in meiner Firma quasi als Performance selbstironisch dargestellt, kam gut an.

Ralf Hütter und Florian Schneider, beide kannte ich schon lange und wir waren befreundet, besuchten mich in Bonn im Haus meiner Eltern und ich stellte ihnen meine Idee vor, die auf dem Prinzip der sogenannten „Conductory Philosophy“ beruhte. Eigentlich so, wie ich mir vorstellte, selber als „Maschinist“ und nicht als Keyboarder (wie unangenehm) zu agieren. Das überzeugte, Ralf Hütter dache ein paar Tage nach und bestellte dann ein Gerät, das wurde geliefert.

Kraftwerk bestritt damit Auftritte in England. Danach meinte Ralf Hütter, eine Abfolge von 12 Tönen, der Sequencer hatte 12 Stufen, passe nicht in seine Musik, er wollte halt keinen Walzer machen, gab das ursprüngliche Gerät zurück und bestellte eine Version mit 16 Stufen (4/4 Takt). Gleichzeitig merkte er an, dass das genaue Einstellen von Tonhöhen an stufenlosen Drehpotis beschwerlich sei, schließlich bräuchte er ja pro Oktave nur 12 Halbtöne und nichts dazwischen. Das wurde dann durch eine Einheit mit entsprechenden Stufenschaltern umgesetzt, dem Intervallomat.

Gutes ist gut, doppelt ist besser, also bestellte er einen zweiten Sequencer. Damit wurden dann Trans Europa Express und die folgenden Alben produziert. Ralf Hütter legt bis heute Wert darauf, dass der Sequencer zu seinem Teil der Ausrüstung gehört und er allein für die Bedienung, sprich Kreation der Sequenzen, zuständig war.

Zusammenfassung

Wiechers hatte zwar die Idee, einen Sequencer zu bauen (das Ideal als Hobbybastler), Sequencer gab es schon lange vorher von diversen Firmen, die Quantisierung der Steuerspannungen, einstellbar an Stufenschaltern war jedoch die Idee von Ralf Hütter.

Mein Part war die Vermittlung der zugrunde liegenden Philosophie, die von da ab Stilmittel bei Kraftwerk war und bis heute als Live PA in der DJ Kultur gepflegt wird.

Warum Kraftwerk nicht schon vorher auf die Idee gekommen waren, Sequencer als tragendes Element in ihrer Musik einzusetzen? Keine Ahnung. Wahrscheinlich brauchte es mehr als eine Kiste mit ein paar Knöppen und Schaltern.

Infos zum Gerät unter Synthanorma
 
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Synthanorma SQ312 Sequencer – AMSynths


Synthanorma Modell 316

Doppel-SchrittSequenzer mit Intervallomat
Variabler Funktionsgenerator

Spezialanfertigung für Kraftwerk
Ausführung 2 von 2

Hersteller: Fa. Matten + Wiechers, Bonn
Herstellungsjahr: 1976
Einsatz ab Kling Klang Produkt "Trans Europa Express"
Sequenzer Operator: Ralf Hütter

Abbildung 2: Synthanorma Modell 316, 2 von 2
Abbildung 3: Schritt-Sequenzer mit Mixtur-Sequenzer - Einheit oben
Abbildung 4: Schritt-Sequenzer mit Taktgeber, Spannungs- und Impulsausgänge - Einheit unten

Beschreibung

Schritt-Sequenzer
Zwei Einheiten mit je 8 Schritten. Der Sequenzer liefert Gleichspannungen von 0 bis 10 Volt, vorzugsweise zur Ansteuerung von spannungsgesteuerten Analog-Synthesizern. In jeder der acht Spalten befinden sich die folgenden Regler bzw. Schalter:
Intervallomat: Stufenschalter, 12-stufig, 1/12 Volt-Schritte, hochpräzise digital erzeugt zur Einstellung der Tonhöhe in Halbtonschritten
Intervallomat: Stufenschalter; 10-stufig, 1 Volt-Schritte, hochpräzise digital erzeugt zur Einstellung der Tonhöhe in Oktavschritten
Potentiometer, stufenlos, 0 – 10 Volt, zur Ansteuerung z.B. der Filtergrenzfrequenz
Potentiometer, stufenlos, 0 – 10 Volt, zur Ansteuerung z.B. der Verstärkerabschwächung
Potentiometer, stufenlos, 0 – 10 Volt, zur Ansteuerung z.B. der Gate-Länge des internen Taktoszillators (Ton-/Pausenverhältnis)
Stufenschalter, 3-stufig, Funktionen "Fin" (Sequenz-Ende), "Shift“ (Weiterschaltung), "Skip" (Überspringen)
Taster "Set" zum manuellen Aufrufen der Spalte
Schalter "Stop", Sequenz endet an dieser Position

Mix-Sequenzer
3 Schritte mit gleicher o.g. Logik zur <a href="https://www.sequencer.de/specials/sequencer.html">Sequencer</a>uentiellen Abfolge der Reihen 3, 4 und 5
2 wählbare Transpositionen für den Intervallomaten mit Slew-Funktion
Logic-Expander, Zuordnung des Mix-Sequenzers zu Einheit 1, Einheit 2, Einheit 1 und 2

Taktgeber, Spannungs- und Impulsausgänge
Stufenschalter, 3-stufig, zur Verkopplung von 2 DoppelSequenzern, 16/16, 2 x 16, 1 x 32 Schritte
Bereichsschalter "Lo/Hi" für die Frequenz des Taktgebers
Potentiometer, stufenlos, zur Einstellung der Taktfrequenz (Schrittgeschwindigkeit) Bei Gerät 1 befindet sich hier ein aufgesetztes Präzisionspotentiometer mit Feintrieb und Werteanzeige von 000 bis 999.
Wahlschlter für Doppeltriggerimpuls
Pulsweitenregler des Taktgebers
Abschwächungsregler für den Steuerspannungseingang "Frequenz" des Taktgebers
Abschwächungsregler für den Steuerspannungseingang "Pulsweite" des Taktgebers
Start- und Stop-Schalter
Schalter "Pulsweitenmodulation intern/extern"
diverse Ein- und Ausgänge für Steuerspannungen und Schaltimpulse

Besonderheiten
Der Synthanorma Sequenzer 316 verfügt mit der Einheit "Intervallomat" als erster Sequenzer über die Möglichkeit, Halbtonschritte über den gesamten musikalischen Bereich per Stufenschalter mit Zahlenanzeige einzustellen.
Sync-to-Tape: Mit dieser Funktion ist es möglich, per generiertem Impulssignal die Sequenzer mit einer Mehrspurbandmaschine zu synchronisieren, um somit die musikalischen Möglichkeiten zu vervielfachen.
Variabler Funktionsgenerator: Der Synthanorma Sequenzer 316 kann als eigenständiger Klangerzeuger verwendet werden. Die Reihen 3, 4 und 5 dienen zur Einstellung der Schwingungsform. Der Taktgeber kann bis in den Bereich von 70 kHz per externer Spannung gesteuert werden, wobei die 24-stufige Schwingungsform dann einen Bereich bis 2.916 Hz durchfahren kann.
 
Wäre ja auch ein schönes Cover für ein Buch. Werde ja regelmäßig danach gefragt.
Ich möchte in Zukunft vorzugsweise mit „Ihro Großartigkeit“ angesprochen werden.
 
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Das ist genau so, wenn man vom Kriech erzählt. Habe offenbar mein Ziel erreicht. Gut beobachtet und mit drei Wörtern auf den Punkt gebracht. Ich sehe das als ganz großes Kompliment von dir, lieber Bernie. Meisterleistung.
Und gerne erinnere ich mich daran, dass ich dir in Fischbach anlässlich deines Geburtstags die Focusrite Rackblende mit der eingravierten Null überreicht habe. Das war lustig.
 
Zuletzt bearbeitet:

Bei einer solchen Ausdrucksweise würde ich persönlich, wäre ich ein Opa, Arschtritte verteilen.
Allerdings ist der obige Text eine sehr interessante Geschichte. Für mich jedenfalls.

Das PDF findet mein Webbrowser allerdings auch nicht, vermutlich, weil es nicht auf dem Webserver existiert.

Und zum Thema „alles doppelt erzählen“: Manche sagen, die Jugend von heute könne sich nichts mehr merken. Vielleicht ist das also einfach nur ein Resultat der äußeren Umstände?
 

Manche Menschen rennen irgendwelchen leicht bekleideten bis halb- oder noch weniger bekleideten Damen im Netz hinterher, völlig ahnungslos, dass da draußen in den Weiten des Netzes auch ganz andere, sehr subtile Gefahren lauern, die so viel verheißungsvoller und gleichzeitig auch so voller Erlösung sind: Gearporn.

Ach, wie gerne wäre ich in dieser Entdecker-Zeit dabei gewesen, doch leider konnte ich mir zu der Zeit vermutlich allerhöchstens die Windeln unrhythmisch vollkacken.
 
Danke, Dirk, fürs Erzählen!

Falls ich das richtig verstanden habe, waren die damaligen Alleinstellungsmerkmale des Synthanorma die Quantisierbarkeit, die mögliche Synchronisation mit Tonbändern und die extrem schnelle Taktung und somit Verwendbarkeit als graphischer Oszillator.
Noch was?

Die ersten beiden Punkte sind heutzutage Standard, aber Letzteres scheint mir immer noch ein seltenes Feature zu sein, richtig?
Welche heutigen Sequencer können denn das?
Ich meine, von Marienberg gab's das mal, aber sonst wüsste ich nichts (hab aber auch nie ernsthaft recherchiert).

War der Name nicht damals an eine Art, äh, räusper, hüstel, Erfrischungsgetränk auf der Basis von Yohimberinde angelehnt, oder habe ich das falsch in Erinnerung?

Schöne Grüße
Bert
 
@Schnuffi: Danke für die Schöne Geschichte. Bin langsam im dem Alter, wo man sich über eine Neuauflage sehr freut. Gerne mehr Stories, bitte.
Ansonsten würde ich mich als einfacher Forumsteilnehmer über einen freundlicheren Umgang hier freuen.
Viele Grüße
 
Danke, Dirk, fürs Erzählen!

Falls ich das richtig verstanden habe, waren die damaligen Alleinstellungsmerkmale des Synthanorma die Quantisierbarkeit, die mögliche Synchronisation mit Tonbändern und die extrem schnelle Taktung und somit Verwendbarkeit als graphischer Oszillator.
Noch was?

Die ersten beiden Punkte sind heutzutage Standard, aber Letzteres scheint mir immer noch ein seltenes Feature zu sein, richtig?
Welche heutigen Sequencer können denn das?
Ich meine, von Marienberg gab's das mal, aber sonst wüsste ich nichts (hab aber auch nie ernsthaft recherchiert).

War der Name nicht damals an eine Art, äh, räusper, hüstel, Erfrischungsgetränk auf der Basis von Yohimberinde angelehnt, oder habe ich das falsch in Erinnerung?

Schöne Grüße
Bert
Der ARP Sequencer hatte quantisierte Gleichspannungsausgänge, diese jedoch nicht per Stufenschalter einstellbar. Wiechers suchte sich den Namen aus und bezog sich auf Werbung in Schmuddelheftchen: Sexanorma als Potenzmittel. Ich fand den Namen doof. Die schnelle Taktung war in dem Frequenzbereich des Taktoszillators, ein zugekauftes VCO-Modul aus dem ARP 2600, begründet. Brauchte Ralf Hütter nicht, ließ Wiechers im Badezimmerspiegelm größer und wichtiger erscheinen.
 
@Schnuffi: Danke für die Schöne Geschichte. Bin langsam im dem Alter, wo man sich über eine Neuauflage sehr freut. Gerne mehr Stories, bitte.
Ansonsten würde ich mich als einfacher Forumsteilnehmer über einen freundlicheren Umgang hier freuen.
Viele Grüße
Ich hatte die Anzahl meiner Beitträge von vielen Jahren schon stark reduziert und meine eigene Facebook-Seite in Angriff genommen. Da bin ich Admin und kann entscheiden, wer kommentiert.
 


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