Hallo,
ich finde Kraftwerk nicht überbewertet. Ich habe mal irgendwo gelesen, sie hätten die alte Idee einer Band, die in der modernen Musik seit dem Jazz kursiert, durch ein Design ersetzt - und dieser Schritt sei überfällig gewesen. Ich weiß jetzt leider nicht mehr wo das stand, aber es hat einen wahren Kern.
Die Band war ein Zusammenschluss von Musikern, der nötig war um die vielen verschiedenen Klänge und Stimmen gleichzeitig erklingen zu lassen. Man brauchte einen Trompeter, einen Organisten, einen an der Gitarre, einen Trommler usw. Die Bedienung dieser Instrumente erfordert spezielle und sehr verschiedene Fähigkeiten. Mit dem Synthesizer änderte sich das. Man konnte mit der Klaviatur allein alle Klänge erzeugen, die für populäre Musik nötig sind. Dazu kann man einen guten Teil davon mit Sequencern automatisieren. Wozu noch eine Band?
Kraftwerk haben das erkennt und richtig ernst damit gemacht und nach und nach diese Idee des musizierenden Robotoerkollektives entwickelt. Damit haben sie das Konzept Band ironisch bis zur Brechung erhöht, weil die Individualität der Musiker getilgt wurde. In der Überhöhung liegt aber auch der Bruch mit dem Konzept. Weil beim Roboterkollektiv, beim Maschinenmusikanten gar nicht mehr klar war, wo die Grenze zwischen Musikinstrument und Maschine liegt. Damit haben sie - das kann man schon so sehen - die elektronische Musik vom alten Paradigma der Band befreit.
Natürlich gab es virtuosere Musiker als Kraftwerk und bessere Arrangeure (The Art Of Noise - die hier noch gar nicht erwähnt wurden) , aber die entscheidende Beschränkung zu erkennen und aufzubrechen ist nicht so leicht, wie der Blick aus der Zukunft in die Vergangenheit einem glauben macht. Gewohnte Denkmuster zu durchbrechen ist fast das Schwierigste, was es gibt.
Abgsehen davon, haben Kraftwerk verdammt viele Ohrwürmer geschrieben. Aber die wären wohl auch auf Trompeten, Orgeln, Gitarren und Trommeln Hits geworden.
Viele Grüße
Martin