"Deutschrock?" 2x im TV (wdr).. der Talk

Na, ich verstehe dich ja auch.
Ich bin eben nur ein Gelegenheits-Musiker, der ab und zu mal ein paar Tracks nach seinem Gusto zusammenkomponiert. Und mich beeindruckt dieses Selbstverständnis mit der Technik, dieses "Ich weiß genau, welches Knöpfchen was macht", eben die Beherrschung der Situation. Ich habe bis heute nicht rausgefunden, wie KS einmal eine Taste drückt, aber der Synthi dann endlos neue variirte Sounds produziert (was man bei Barry Graves gut sehen kann). TD war/ist mir persönlich zusehr auf Rhythmus und Gitarrenzeug fokussiert, dass sagt mir weniger zu.
Zu der Eintönigkeit auf lange Zeit bei manchen KS-Tracks gebe ich dir Recht. Die Tracks auf Body Love sind alle zu lang, weil die Sequenz da wirklich 15 Minuten duchlullert. Aber wenn sie anfängt, dann kriege ich immer noch Gänsenhaut. Zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass ich erst seit knapp 5 Jahren dieses Musikstil höre, bin also nicht damit groß geworden und wahrscheinlich deutlich weniger "verschlissen". Daher woll auch meine Faszination. Ich habe noch nie einen Minimoog oder Moog Modular in real gesehen. Mir fehlt viel an technischen Details. Ich mache meine Ambient Sachen aus dem Bauch heraus ohne viel technisches Verständnis. Das hat Vor- und Nachteile. Wie dem auch sei. Ich bin dankbar für viele gute Stücke von KS und für deren Pioniergeist (Cluster sei hier auch genannt).
 
ppg360 schrieb:
Bestes Beispiel ist das Stück "Schwanensee 2" von der Historic Edition von KS... absolut fantastischer Einstieg, super Aufbau, hervorragende Sequenzen, die tief von unten hochfahren und Gas geben... und dann ist der Höhepunkt erreicht und es bleibt für die restlichen 20 Minuten da oben, ein paar Mal wird die Sequenz transponiert, und das war´s dann, keine Steigerung mehr, nichts. Das ist mir persönlich zu wenig, da muß mehr Dramaturgie ins Spiel kommen, zumindest von meinem heutigen Empfinden her.

Zusatzfrage:
Welcher Artist wird denn deinem Anspruch gerecht?
Ich würde gerne mal was davon höre, um vergleichen zu können.
Ein wirklich fundamentales Stück in Sachen Dramaturgie ist für mich immer noch "Cube" von Kubusschnitt. Die wechseln in dem 20 minütigen Stück mehrmals das Thema, aber wie. Wirklich beeindruckend die Jungs.
 
Sicher ist Klaus Schulze nicht weltbewegend im Vergleich zu - sagen wir Karlheinz Stockhausen, John Cage oder Iannis Xenakis, aber an Pop- und Rockmaßstäben gemessen ist er für meine Begriffe ziemlich weit vorne.

Gruß,
Markus
 
mon0 schrieb:
ppg360 schrieb:
Bestes Beispiel ist das Stück "Schwanensee 2" von der Historic Edition von KS... absolut fantastischer Einstieg, super Aufbau, hervorragende Sequenzen, die tief von unten hochfahren und Gas geben... und dann ist der Höhepunkt erreicht und es bleibt für die restlichen 20 Minuten da oben, ein paar Mal wird die Sequenz transponiert, und das war´s dann, keine Steigerung mehr, nichts. Das ist mir persönlich zu wenig, da muß mehr Dramaturgie ins Spiel kommen, zumindest von meinem heutigen Empfinden her.

Zusatzfrage:
Welcher Artist wird denn deinem Anspruch gerecht?
Ich würde gerne mal was davon höre, um vergleichen zu können.
Ein wirklich fundamentales Stück in Sachen Dramaturgie ist für mich immer noch "Cube" von Kubusschnitt. Die wechseln in dem 20 minütigen Stück mehrmals das Thema, aber wie. Wirklich beeindruckend die Jungs.

Erstmal eine Korrektur, es ist "Schwanensee 1", nicht Teil 2.

Soso, Kubusschnitt. Jaja, der Jense hat auch mal bei uns mitgespielt :) .

Welcher Anspruch meinem Anspruch da gerecht wird? Du meinst, im Stil Berliner Schule? Hmmmmmmm, schwer. Vieles aus der Abteilung ist halt eben an die strukturellen Vorgaben gebunden, und da nudeln sich die Kollegen (und man selbst auch) gerne tot. Ich versuche mal die zu nennen, die entweder auf den Punkt gebracht sind oder nahe an das Ideal herankommen (nämlich, nicht den Faden zu verlieren):

- Redshift : Nails / Turbine
- Node : Levy / Terminus / Pliers / Alternator
- Michael Hoenig : Hanging Garden Transfer / Departure from the Northern Wasteland
- Radio Massacre International : Drown / Small Frozen North
- Tangerine Dream : Rubycon Pt. 1 / Phaedra
- Klaus Schulze : Sense / Bellistique
- Ashra : Night Dust

Ich weiß auch, was ihr meint mit dem "Sprung ins kalte Wasser". Das haben wir mal bei einem Gig in England gemacht, ohne Proben zu spielen. Das hätte total in die Hose gehen können, aber es ist gutgegangen und das grandioseste Konzert in unserer Bandgeschichte geworden (und unsere beste CD bis dato). Das Risiko, daß es in die Hose geht, war verdammt groß, und ich habe schon Gigs erlebt, wo der Schuß völlig nach hinten losging.

Ich kenne das auch selbst mit dem "sich totnudeln"... das hat mich bei meiner ersten Solo-CD, die mehr nach Ashra und Schulze klang, auch immer so angenervt, daß ich irgendwann die Stücke in ProTools komplett geschnitten und editiert habe. Dabei sind fast 15 Minuten Material unter den Schneidetisch gefallen.

Ich versuche selbst auch immer, den Spannungsbogen zu kriegen, wenn ich solch eine auf Improvisation beruhende Musik mache, aber das ist schon im Studio ziemlich haarig, und live manchmal ein völliger Alptraum (zumal die Technik einem üble Streiche spielen kann). Die Inspiration läßt sich nunmal nicht herbeizwingen, und Drogen sind vielleicht ein Schlüssel, aber viele Türen haben mehr als nur ein Schloß... und ein völlig bedröhntes dreieinhalb Stunden dauerndes Konzert ist auch für´s (nicht bedröhnte) Publikum nur mit viel gutem Willen zu ertragen...

Im ambienten Bereich sind meine Favoriten übrigens Brian Eno und Robert Rich, nur, falls Fragen aufkommen sollten.

Stephen
 
Morgen Stephen,

ich werde mir mal ein paar deiner gelisteten Sachen anhören. Wenns ums reine Ambient geht, dann mag ich die Steve Roach Sachen sehr gerne. Die wimmernden Dronen hören sich klasse an (Z.B. aus Mystic Chords and Sacred Spaces). Eno find ich manchmal auch gut, nur nicht immer. Lustmord geht auch, ist mir aber wieder zu dark ehrlich gesagt.
 
Also Respekt für alle die so respektlos mit den "Göttern" umgehen.
Es gibt ja nicht wenige die diesen "Göttern" huldigen, als sei es die Antwort allen musikalischen seins.

Der Erfolg der Berliner Schule muß man sicherlich auch im Kontext der Zeit sehen bzw. hören, in der die Musik gemacht wurde. Es wurden nie zuvor gehörte Sounds gespielt, alles war neu und es sah fürchterlich beeindruckend aus wenn ein KS. seine Maschinen bediente. Nach heutigem persönlichem Standard, fällt vieles von KS. und anderen doch eher unter das BTM Gesetz wegen sedierender Wirkung. Der "Wooow Effekt" und der übergroße Respekt vor diesen Leuten ist sicherlich weg.

Heute als Insider und mit Audiovisuellen Möglichkeiten von denen wir früher nicht einmal geträumt hätten, relativiert sich das natürlich alles. Es gibt auch einzelne 80er Synthpop Sachen wo ich heute nicht verstehe was ich daran gut fand, obwohl ich das meiste davon immer noch sehr gerne höre und mag.
 
Stephen, ich muss ganz ehrlich sagen, dass mir Deine Argumentation bezüglich "Totnudeln" und Spannungsbögen nicht ganz stringent erscheint, spätestens seitdem Du ausgerechnet mit Sense und Bellistique zwei Schulze-Stücke angeführt hast, die Du für gelungen hältst, aber anhand der von Dir aufgeführten Maßstäbe ebensogut ablehnen könntest, "passiert" doch gerade in diesen beiden Tracks sehr wenig. Da scheint mir doch sehr viel einfaches Gefallen/Nichtgefallen ohne großes theoretisches Fundament mit hereinzuspielen.

Gruß,
Markus
 
Worum geht es denn in diesem Thread?

Geht es darum irgendjemanden vom imaginären Thron zu stossen?

Geht es darum die Qualität einer "Komposition" und deren Ausführung zu beurteilen.

Oder geht es darum welche Musik gefällt?

Es gibt z.B. qualitativ hochwertige Kompositionen in der Zwölftonmusik, die auch mathematisch interessant oder sogar spannend sind, oder Fugen natürlich mit Dux und Comes, die aber meinem Ohr nicht gefallen. Da kann die Qualität noch so gut sein. Wenn es nicht gefällt, dann gefällt es eben nicht.

Genauso gibt es in der U-Musik Prägungen verschiedenster Ursachen, allerdings oft mit dem Alter korrelierend. ;-) Da hört der eine gerne Pink Floyd, Genesis, Yes und meinetwegen auch KS und TD. Und Andere (meinetwegen Jüngere) können das Zeugs nicht ertragen und hören z.B. lieber Synth-Pop der 80er oder Hip Hop oder was auch immer. Ich denke ein entscheidendes Kriterium ist, dass die Musik dem Ohr schmeichelt. Das kann imo nur schwer losgelöst von der eigentlichen Qualität einer Komposition betrachtet (erlebt) werden.

Es macht mich z.B. immer ein wenig traurig, wenn hier so abfällig über KS geschrieben wird. Es macht mich aber ebenso traurig, wenn ich von ihm etwas aus den letzten 20 Jahren höre. Ich bin halt mit ihm aufgewachsen und habe einen großen Teil seiner Schallplatten aus den 70ern mit Freunden hunderte mal gehört und mag diese heute noch wie am ersten Tag. Es geht dabei in keinster Weise um Personenkult™. Trotzdem macht es mich betroffen zu sehen, wie KS sich äußerlich in den letzten 25 Jahren verändert hat, wobei ich natürlich nicht weiß, wie es in KS Innerem aussieht. Von TD hab ich eh nur einige frühe 70er Platten gemocht, da stört es mich halt nicht so, dass die seit vielen Jahren nur noch - für meine Ohren - doofe Musik produzieren. ;-)

Und Respekt sollte man (fast) immer vor anderen Menschen haben :!:
 
Happy schrieb:
Trotzdem macht es mich betroffen zu sehen, wie KS sich äußerlich in den letzten 25 Jahren verändert hat,

Verstehe ich nicht, die Anmerkung. Siehst Du denn noch so aus wie vor 25 Jahren? Klaus Schulze ist immerhin 59 Jahre alt.

Gruß,
Markus
 
Markus Berzborn schrieb:
Happy schrieb:
Trotzdem macht es mich betroffen zu sehen, wie KS sich äußerlich in den letzten 25 Jahren verändert hat,

Verstehe ich nicht, die Anmerkung. Siehst Du denn noch so aus wie vor 25 Jahren? Klaus Schulze ist immerhin 59 Jahre alt.

Gruß,
Markus

Nee, ich sehe leider auch nicht mehr so aus wie vor 25 Jahren. Aber (zum Glück) wird hier ja nicht über mich geredet. ;-)

Bis nach 1980 hatte der Klausi schöne lange Haare und sah nett und ganz cool aus (seine Klamotten auch). Jetzt sieht er ziemlich fertig (krank?) aus. Das ganze ist selbstverständlich mein subjektiver Eindruck. Und ich mag ihn immer noch.
 
Er war ja auch schwer krank kürzlich.
Und dann denk auch mal an Zigaretten und Alkohol.
Oder vergleiche mit Leuten wie Keith Richards oder Iggy Pop.
Dafür hat er sich doch noch ganz gut gehalten. :lol:

Gruß,
Markus
 
Markus Berzborn schrieb:
Er war ja auch schwer krank kürzlich.

Das wußte ich nicht. Vielleicht erklärt das ja auch seine Frisur.

Aber Du hast mit Deinen Vergleichen schon recht, dass andere gleichaltrige "Rocklegenden" teilweise deutlich fertiger aussehen. Es gibt ja nicht nur Mönche wie Cliff Richard.
 
Er musste ja wegen der Krankheit auch das angekündigte Italien-Konzert absagen, sonst wäre ich vielleicht hingefahren.
Und er hat offenbar auch stark abgenommen dadurch, wenn ich das WDR-Interview mit seinem Auftritt in Osnabrück 2001 vergleiche (war übrigens sehr gut, leider sind die Live-Auftritte ja äußerst selten geworden).

Gruß,
Markus
 
Ich hatte - ich glaube - im Oktober 1980 das Glück ihn zusammen mit Arthur Brown live zu sehen.
Es war damals nicht nur ein tolles Musikerlebnis, der Klaus hat sich im Anschluss an das Konzert auch noch eine Weile mit den "Fans" sehr nett unterhalten und auch über seine damals noch komplett analogen Geräte erzählt.
 
Neo schrieb:
Also Respekt für alle die so respektlos mit den "Göttern" umgehen.
Es gibt ja nicht wenige die diesen "Göttern" huldigen, als sei es die Antwort allen musikalischen seins.

Jemanden zum "Gott" erheben war und ist eh Quatsch, insofern ist Respektlosigkeit angebracht, sofern man das so nennen will. Als Musiker ist Augenhöhe angesagt und auch die "Götter" haben einfach nur ihren Job gemacht. Wenn einer eine Idee begnadeter, raffinierter in der Kompositionsidee und -umsetzung oder was auch immer ist oder war, dann ist es auch OK, den Platz auf dem Treppchen zuzugestehen. Wenn es um Kritik geht, ganz gleich ob an "Göttern" oder Normalsterblichen, dann bestehe ich für meinen Teil auf Kompetenz des Kritisierenden. Und zwar ganz handfest. Quasi: OK, bevor kritisiert wird, muss der Kritiker selber die Hosen runterlassen. Nicht selten ist da nämlich eine kleine Nudel und die ist der Grund für geäußerte Geringschätzung, was nämlich gerne mit Kritik verwechselt wird. Sich einen kleinen Kreis von kompetenten Kritikern anstatt Ja-Sagern im Umfeld zu halten, ist noch immer die beste Idee für einen Künstler und ansonsten weder Rezensionen lesen noch überhaupt ungefragte Kritik an einen ranlassen.
 
Happy schrieb:
Es war damals nicht nur ein tolles Musikerlebnis, der Klaus hat sich im Anschluss an das Konzert auch noch eine Weile mit den "Fans" sehr nett unterhalten und auch über seine damals noch komplett analogen Geräte erzählt.

Hat er in Osnabrück auch gemacht.
Analog waren immerhin noch der Minimoog und der EMS. ;-)
Den Andromeda hatte er ja da noch nicht.

Gruß,
Markus
 
kpr schrieb:
Wenn es um Kritik geht, ganz gleich ob an "Göttern" oder Normalsterblichen, dann bestehe ich für meinen Teil auf Kompetenz des Kritisierenden.

Genau, das ist der entscheidende Punkt.

Gruß,
Markus
 
Happy schrieb:
Markus Berzborn schrieb:
Er war ja auch schwer krank kürzlich.

Das wußte ich nicht. Vielleicht erklärt das ja auch seine Frisur.

Aber Du hast mit Deinen Vergleichen schon recht, dass andere gleichaltrige "Rocklegenden" teilweise deutlich fertiger aussehen. Es gibt ja nicht nur Mönche wie Cliff Richard.

Er hatte Pankreatitis, eine Bauhspeicheldrüsenkrankheit, die ziemlich gefährlich ist. Deswegen der Gewichtsverlust und Haarausfall.
 
mon0 schrieb:
Er hatte Pankreatitis, eine Bauhspeicheldrüsenkrankheit, die ziemlich gefährlich ist. Deswegen der Gewichtsverlust und Haarausfall.

Genau so schauts aus, in den "Elektrobeats" bei Radio Eins dem Radiosender gabs dazu eine Sendung und Interview mit dem Klaus, wer's verpennt hatte, hier mal der link zum anhören der Sendung. Interessant auch im Gespräch über verwendete analoge und digitale Synthesizer:

http://www.radioeins.de/meta/_programm/ ... chulze.ram

;-)
 
mon0 schrieb:
Er hatte Pankreatitis, eine Bauhspeicheldrüsenkrankheit, die ziemlich gefährlich ist. Deswegen der Gewichtsverlust und Haarausfall.

Na zum Glück dann wohl nichts malignes.
Aber was hat denn eine Pankreatitis mit Haarausfall zu tun? Ich könnte mir das höchstens bei einer chron. Pankreatitis im Rahmen einer Malabsorption vorstellen. Das wäre dann aber schon eine "Rarität".
 
Happy schrieb:
mon0 schrieb:
Er hatte Pankreatitis, eine Bauhspeicheldrüsenkrankheit, die ziemlich gefährlich ist. Deswegen der Gewichtsverlust und Haarausfall.

Na zum Glück dann wohl nichts malignes.
Aber was hat denn eine Pankreatitis mit Haarausfall zu tun? Ich könnte mir das höchstens bei einer chron. Pankreatitis im Rahmen einer Malabsorption vorstellen. Das wäre dann aber schon eine "Rarität".

Wenn du nicht mehr vernünftig essen kannst, dann gehts massiv bergab. KS raucht ja auch seit Jahrzehnten. Arzt bin ich aber auch nicht, deswegen vermute ich das alles nur.
2005 sah er wirklich schlimm aus:

http://klaus-schulze.com/pics/photos/a502.jpg

Angeblich solls aber wieder bergauf gehen.
 
Mir geht es um den Personenkult der um diese Leute, nicht nur KS. gemacht wird bzw. wurde und der ist mir nun mal zuwider.
Mit Respekt habe ich natürlich den Respekt vor der Musik gemeint der so nicht mehr vorhanden ist und nicht den Respekt vor dem Menschen Klaus Schulze.

Mir ist nun mal Vangelis näher als KS., aber das ist reine Geschmacksache. Es gibt auch nicht wenige Gitarristen die nicht begreifen können wie jemand Jimi Hendrix für einen guten Gitarrhero hält.
 
Markus Berzborn schrieb:
Stephen, ich muss ganz ehrlich sagen, dass mir Deine Argumentation bezüglich "Totnudeln" und Spannungsbögen nicht ganz stringent erscheint, spätestens seitdem Du ausgerechnet mit Sense und Bellistique zwei Schulze-Stücke angeführt hast, die Du für gelungen hältst, aber anhand der von Dir aufgeführten Maßstäbe ebensogut ablehnen könntest, "passiert" doch gerade in diesen beiden Tracks sehr wenig. Da scheint mir doch sehr viel einfaches Gefallen/Nichtgefallen ohne großes theoretisches Fundament mit hereinzuspielen.

Gruß,
Markus

Ich könnte Dir recht geben, Markus, aber...

Ich denke, diesen beiden Stücke haben das, was vielen anderen Liveimpros von KS abgeht, nämlich Drive. Sie haben immer noch ihre Längen, aber sie bewegen sich von einem Punkt zum nächsten, hier gibt´s nicht sowas wie ´ne Warteschleife oder überlange Totpunkte, sondern Aufbau-Höhepunkt 1-Überleitung-Höhepunkt 2- usw. sowie Wendungen, die nicht unbedingt von vornherein absehbar waren (ich sage nur das Finale von Bellistique). Das wirkt sehr inspiriert und intensiv, was man von vielem, was auf den Megaboxsets von KS zu finden war (oder auf zahllosen TD-Bootlegs aus derselben Epoche) nicht immer behaupten kann; auch nicht von den Studioaufnahmen aus der Zeit (PTO und Stardancer rennen sich genauso tot wie viele Stücke von der X, von der Dig It oder der Trancefer mal ganz zu schweigen). Die Stücke, die ich anführte, sind m. E. ein gute Beispiele dafür, daß es funktionieren kann; "Barry Graves" und "Barock 3" waren mehr Beispiele dafür, wie es klingt, wenn die Sache in die Sackgasse improvisiert wird und die spontane Inspiration heute zuhause bleibt.

Natürlich könnte ich -- sollte ich sie im Studio nachproduzieren -- noch gut zehn Minuten Ballast aus jedem Stück entfernen, wenn nicht sogar mehr, aber im Vergleich zu anderen Tracks von KS habe ich hier nicht das Bedürfnis, vorzuspulen oder einen anderen Tonträger einzulegen.

Daß der Geschmack auch noch eine Rolle spielt, ist nicht zu leugnen, und das habe ich ja auch nicht, gelle ;-) ? Schließlich vertrete ich hier *meine* Meinung, die ich so gut wie möglich argumentativ untermauern kann; den Anspruch, nachzvollziehbar oder universell anwendbar zu sein, erhebt sie nicht.

Und um Respektlosigkeiten oder Leute vom Thrönchen schubsen geht´s hier auch nicht, immerhin tragen diese Leute in gewissem Sinne Mitschuld daran, daß Du und ich -- und sicherlich zahlreiche andere -- uns hier heute in diesem Forum zusammengefunden haben. Es sollte nur klargestellt werden, daß mit ein wenig Distanz betrachtet viele Glanzleistungen nicht mehr so glänzend sind, sondern von vielen günstigen Faktoren profitiert haben, die zu dieser Zeit die Wahrnehmung bestimmten. Schade eigentlich, daß sich das Medium "Synthesizer" so demystifiziert hat.

Und es geht allenfalls darum, zu zeigen, daß die Jungs damals auch nur mit Wasser gekocht haben, welches bei 100°C den Siedepunkt erreicht hatte. Heute noch Schulze und Froese in Niederwerfungen entgegenzustreben ist sicherlich ehrenwert für die alten Herren, aber man sollte schon irgendwie auf dem Teppich bleiben. Selbiges gilt für alle Götter, heißen sie nun KS, TD, Schneider, Hütter, Jarre, Papathanassiou... hey, es sind nur Menschen, die auch bloß auf´s Klo gehen, das sollte man nie vergessen. Schlimm für sie selbst, wenn sie´s getan haben.

"Wie schlecht Schulze heute aussieht"... ja Gott, wir werden alle älter, und -- wie Tyler Durden in dem Film "Fight Club" so schön sagte -- selbst die Mona Lisa verfällt. Ich war aber auch ein wenig geschockt, muß ich zugeben, denn als ich ihn zum letzten Mal traf, hatte er noch locker 30 Pfund mehr drauf...

Alle Klarheiten beseitigt?

Stephen
 
Danke für die Erläuterungen, Stephen. Ich habe aber jetzt wirklich verstanden, dass es tatsächlich eine persönliche Sache ist, empfinde ich doch bei den Stücken, die Du genannt hast, ganz anders. Und "Drive" ist für mich definitiv kein Kriterium.
Aber ich glaube, wir kommen da sowieso nicht auf einen Nenner, habe ich doch z.B. Morton Feldmans "For Christian Wolff" öffentlich aufgeführt (was so gut wie nie gemacht wird - daher kam auch ein "Fan" extra aus London angereist) - über 3,5 Stunden isolierte Flöten-, Celesta- und Klavierklänge im Pianissimo fast an der Hörschwelle sowie letzten April sogar Saties Vexations komplett: 21 Stunden 840 mal die gleiche Phrase ohne jegliche Unterbrechung.
Also nichts für ungut. ;-)

Gruß,
Markus
 
"Drive" ist nur dann ein Kriterium, wenn man rhythmische Musik macht. Für mein Empfinden ist nichts schlimmer, als irgendwie so schülerbandmäßig vor sich hinzudaddeln, ohne der Musik Biß zu geben. Ansonsten ist "Intensität" (wie auch immer diese Größe besetzt ist) ein wichtiges Kriterium, sonst fände ich ambiente Musik von Robert Rich (meinem persönlichen Favoriten), Brian Eno, Steve Roach, Lustmord oder ähnlichen unerträglich.

Daß die Wahrnehmung subjektiv durchgefärbt ist, dürfte jedem klar sein.

Stephen
 
Neo schrieb:
...Der Erfolg der Berliner Schule muß man sicherlich auch im Kontext der Zeit sehen bzw. hören, in der die Musik gemacht wurde. Es wurden nie zuvor gehörte Sounds gespielt, alles war neu und es sah fürchterlich beeindruckend aus wenn ein KS. seine Maschinen bediente. Nach heutigem persönlichem Standard, fällt vieles von KS. und anderen doch eher unter das BTM Gesetz wegen sedierender Wirkung. Der "Wooow Effekt" und der übergroße Respekt vor diesen Leuten ist sicherlich weg....
die elektronik war vorallem neu, unbekannt und faszinierend. fast jedes geduddel konnte man unter geeigneten bedingungen als *sphärenmusik* selbst an die leute bringen, die eigentlich nix am hut mit so sachen hatten. wenn man heute ähnliches machen würde und die leute nicht vorher warnt "du hörma.... das is experimental"... "achja *gähn*" ...könnte man gleich einpacken

früher war alles elektronische absolut exotisch (auch das grottenschlechte). heute im zeitalter der klingeltöne muss man schon ne nukleare detonation samplen, die man dann letztendlich mit garageband & co verwurschtelt und in einer namenlosen ecke des www ablegt. heute ist alles elektronische gewöhnlich und wird als mp3 getauscht....... :roll:
 


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