Ehemaliges Studio für Elektronische Musik des WDR

Ich bin interessiert und habe schon ziemlich viele state of the art Mehrkanal-Surround-Systeme gehört. Atmos, HOA, WFS usw... Mich würde interessieren, was da nicht darstellbar sein soll. Gibt's vielleicht technische Infos zu dem Kugelraum in Osaka?

es dürfte ja klar sein, dass die ideale darstellung der positionierung einer klangquelle im raum idealerweise durch lautsprecher erfolgt, die tatsächlich frei im raum positioniert werden können, also z.b. auch direkt unter oder über dem zuhörer.

das kugelding war von daher einfach nur ein sehr konsequentes konzept, um das ziel zu erreichen. wenn auch zu radikal für den alltagsgebrauch, weil nicht jeder in einer kugel wohnt.

für gewöhnliche räume eignen sich zweidimensionale anordnungen viel besser (bzw. es geht halt nix anderes), und die bearbeitung der signale mit filtern oder in der phase und lautstärke ist letztlich nur eine abkürzung und simulation des "originals".
 


Selbst aufwändigere Dolby-Atmos-Systeme bieten keine „mehrstöckige“ Anordnung über dem Hörer. Da ist bei einer Ebene über dem Publikum („Voice of God“) Schluß. Zudem erlaubt die Vielzahl der Lautsprecher den Verzicht auf Lokalisierung durch Phantomschallquellen.

Aufwändigere Atmos Systeme haben mehrere Arrays von Speakern an der Decke, die von vorne bis hinten reichen, nicht nur *einen* zentralen Deckenlautsprecher (der klassische "VOG").

Bei der Größe des Raumes ist ne gleichmäßige Ausleuchtung aller Sitzplätze kaum möglich, auch mit 650 Lautsprechern nicht.
Ein Problem, das IMAX Kinos z.B. auch haben (die Deckenlautsprecher sind einfach viel zu weit weg vom Publikum). Obendrein sieht das Regiepult nicht danach aus, dass man wirklich jeden Lautsprecher separat ansteuern könnte, mir scheint es wurde in Gruppen gearbeitet.
Bei aktuellen Objektbasierten (Dolby Atmos, MPEG SAOC) wie auch kanalbasierten verfahren (WFS, HOA) Ist das der Fall.

Sorry, ich bin nach Durchsicht der technischen Daten nicht überzeugt, dass deine Aussage stand hält.
Leider gibt's den Raum nicht mehr, sonst würde ich mal probehören. Osaka steht ohnehin auf Plan.
 
Bei der Größe des Raumes ist ne gleichmäßige Ausleuchtung aller Sitzplätze kaum möglich, auch mit 650 Lautsprechern nicht.

ist das denn das ziel? im kugeldings klingt eine quelle, die sich ganz unten befindet nach ganz unten und eine die sich ganz oben befindet nach ganz oben. dass es dann ein wenig anders klingt, wenn man ganz am rand sitzt, liegt in der natur der sache, und die richtungen passen dann vor allem auch immer noch zu dem, was man sieht.

simuliert man positionierung hingegen nur, funktioniert der eindruck nur in der idealen hörposition und eine ortung ist kaum mehr möglich, wenn man sich selbst an den rand des raumes begibt.

und es geht zwar technisch, aber wo sonst wurde schon mal eine klangquelle tatsächlich unter dir platziert? auch mit hoa oder atmos behilft man sich da mit IR transfer funktionen, die bekanntermaßen nur in kontext und relation funktionieren, z.b. wenn sich der immer gleiche klang hin und her bewegt...
 
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was damit versucht war gemeint zu sein war ... eh... "unten" kannst du beim besten willen nicht realisieren, wenn unten ein betonfussboden ist. das geht dann nur mit einem auralfilter.

oder kennst du ein kino mit gitterrost als fussboden und speakern von unten? kann man natürlich theoretisch machen.

ambisonics ist per definitionem immer nur virtual reality, egal ob nun mit 2 oder mit 50 speakern.

die stockhausenkugel hingegen ist real, und man plazierte dort die lautsprecher wie einen "instrumentalisten" tatsächlich physisch so im raum, wie man ihn halt haben wollte.

deswegen ist der vergleich zwischen diesen beiden ideen ein bischen schwer.

das einzige, was ambisonics und die stockikugel miteinander gemeinsam haben, ist, dass beide systeme stark abhängig vom faktor direktschall sind. von außerhalb des raumes ist beides mist. :)
 
Aufwändigere Atmos Systeme haben mehrere Arrays von Speakern an der Decke, die von vorne bis hinten reichen, nicht nur *einen* zentralen Deckenlautsprecher (der klassische "VOG").
Eben, die Dinger sitzen an der Decke, plan auf einer Ebene. Mit dieser einen zusätzlichen Ebene können keine so präzisen Höheninformationen dargestellt werden, wie dies bei einer Kugelanordnung der Lautsprecher um den Hörer herum in einem Kugelauditorium möglich ist. Bitte wirf einen Blick auf diese Zeichnung (aus dem ersten Link meiner vorherigen Post):
bild.jpg

(Quelle: "Musik..., verwandelt. Das Elektronische Studio der TU Berlin 1953-1995", hg. von Frank Gertich, Julia Gerlach und Golo Föllmer, Hofheim 1996)

Es gibt sieben Ebenen (= Lautsprecherringe A bis G) für die Höheninformation, deren einzelne Lautsprecher wiederum konzentrisch um die Hörer angeordnet sind. Drei Ringe befinden sich zudem unterhalb der Hörer. Welches aktuelle System bietet eine ähnliche detaillierte Raumauflösung?

Bei der Größe des Raumes ist ne gleichmäßige Ausleuchtung aller Sitzplätze kaum möglich, auch mit 650 Lautsprechern nicht. Ein Problem, das IMAX Kinos z.B. auch haben (die Deckenlautsprecher sind einfach viel zu weit weg vom Publikum).
Das Verständnisproblem beginnt schon dabei, dass unsere aktuellen Mehrkanalsysteme samt und sonders für die Verwendung im Kino gedacht sind: Das zweidimensionale Bild kommt von vorne, eine Art Dreidimensionalität soll der Ton beisteuern, aber bitte so, dass es auf jedem Sitzplatz in dem riesigen rechteckigen Schuhkarton möglichst gleich klingt. Darauf sind geschätzt 99% Prozent der installierten Systeme optimiert, das restliche Prozent sind Multikanalsysteme in Vergnügungsparks, die dort aber eben auch zur Unterstützung von Bewegtbildern bzw. Themenfahrten verwendet werden, dazu kommt eine noch kleinere Anzahl an Forschungsanlagen.

Ein System, dass sich hingegen einzig auf die möglichst detaillierte (= mit möglichst wenig Phantomschallquellen auskommende) Darstellung räumlicher Prozesse konzentriert, muss dagegen nicht die Gegebenheiten der Bildprojektion vor dem Hörer (Kino) bzw. des sich durch Attraktionen bewegenden Hörers (= Themenfahrt) berücksichtigen, sondern kann die Hörer so positionieren, wie es für eine möglichst umfassende und genaue Kontrolle der Schallpositionierung notwendig ist: in die Mitte des nun rein akustischen Geschehens, das sich gleichberechtigt auf allen drei Ebenen um den Hörer herum entfalten kann.

Durch den Wegfall des Blickrichtungszwnags (= was vorne sichtbar ist, muss auch von vorne zu hören sein) bei einem auf reine Musikreproduktion ausgerichteten System wie dem Kugelauditorium, ist zudem die absolute, statische Positionierung eines Klanges vernachlässigbar geworden, vielmehr liegt der Fokus nun auf den relativen Positionen der Klänge zueinander und ihren dynamischen Bewegungen im Raum: Die "gleichmäßige Ausleuchtung aller Sitzplätze" ist dann eben keine Rahmenbedingung mehr, die es einzuhalten gilt.

Erst seit zwei, drei Jahren beginnen reine Musikproduktionen im Dolby-Atmos-Format veröffentlicht zu werden. Bei diesen liegt der Fokus aber hörbar darauf, die Musikproduktion besser durchhörbar zu machen und den Zuhörer gleichsam in die Mitte der Band bzw. des Aufnahmeraums zu rücken. Hier scheinen sich die Musikproduktionfirmen aber vor allem an der Aufarbeitung ihrer "Back Catalogues" abzuarbeiten, sprich: Klassiker der Musikgeschäfts werden – in Dolby Atmos abgemischt – erneut auf den Markt gebracht, zur Zweit-, Dritt- oder gar Viertauswertung.

Ich hatte das Glück, ein paar solcher Produktionen in erstklassig ausgestatteten Abhörumgebungen zu hören: Das Ziel, die Durchhörbarkeit zu verbessern und den Hörer auf die Bühne/ins Studio zu holen, wird definitiv erreicht, und der dadurch erzielte Gewinn an Musikgenuß war zumindest für mich deutlich größer, als ich es mir in der Theorie gedacht habe. Bei den sich anschließenden Gesprächen mit dem verantwortlichen Toningenieur (der dies erfolgreich auf internationalem Niveau macht) wie auch mit Kunden, die diese Produktionen hören, war der Tenor aber immer wieder, dass Klangbewegungen im Raum als Gimmick verschrien sind und allenfalls als kurzzeitiger Effekt eingesetzt werden.

Das verwundert ja auch nicht, wenn es sich um besagte Aufarbeitung von "Klassikern" dreht. Aber selbst aktuelle Popmusikproduktionen in diesem Format nutzen die technischen Möglichkeiten nur als sporadischen Effekt, nicht aber zur Komposition von Klangraumbewegungen, die eben nicht mehr Mittel zum Zweck sind, sondern gleichberechtigt neben "klassischen" Kompositionsparametern wie der harmonischen Entwicklung stehen.

Mit dem Kugelauditorium waren solche Strukturen das erste Mal einem breiten Publikum vermittelbar – heute, 50 Jahre später, sind seine technischen Möglichkeiten nach wie vor unerreicht. Ich habe einmal das Glück gehabt, Stockhausens "Gruppen" (1955–1957) für drei im Raum verteilte Orchester hören zu können, das war schon geil, aber ob ich jemals das Glück haben werde zu hören, wie ein Klang von oben durch mich durchfällt, um sich dann in Spiralen um mich herum von unten immer schneller werdend wieder aufwärts zu schrauben…?

Mit aktuellen Systemen geht es jedenfalls nicht.

Obendrein sieht das Regiepult nicht danach aus, dass man wirklich jeden Lautsprecher separat ansteuern könnte, mir scheint es wurde in Gruppen gearbeitet.
Viel wirst Du in "Stockhausens erste Skizze zu einer speziell für das Kugelauditorium konzipierten Komposition" nicht erkennen können:
bild.jpg

Erkennbarer findest Du es sicherlich in Karlheinz Stockhausens "Texte zur Musik 1970-1977" (Bd. 4, Köln 1978), das ist aber meines Wissens nur noch antiquarisch erhältlich.
 
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Höhe ist ein theoretisches Konstrukt bei Wiedergabe über Lautsprecher.
Die Ringe sind ja nicht nur unterschiedlich hoch sondern haben eine andere gänzlich andere Position. Du kannst nicht mehr Positionen abdecken, sondern nur andere.

Ich habe Augen, ich kann lesen, ich kenne mich auch mir Mehrkanalton aus (sogar Doppelplusgut), aber ich bin nach wie vor nicht überzeugt.
Gut, dass wir keine Verkäufer auf der CES sind. :)
 
Ok, ich bin dafür, dass das elektronische Musikstudio des WDR in so einem Kugelauditorium ausgestellt wird.
 
Das Kugelauditorium wurde für Live-Elektronische Musik konzipiert. Im derzeitigen Studio für Elektronische Musik kann man die Kompositionen in digital restaurierter Form über ein mehrkanaliges Lautsprechersystem hören. Bedrückend empfand ich es, dass bei meinen 9 Besuchen die Mehrzahl der Teilnehmer meinten, dumm dazwischenquatschen zu müssen oder rausgegangen sind, eine zu rauchen. Perlen vor die Säue.
 
Im Übrigen gibt es das, was du suchst: nennt sich ISF, intermediate spatial format, die kanalbasierte Repräsentation von klang über eine Anzahl von Lautsprechern die auf Ringen angeordnet sind.
Kennst Du ein passendes Auditorium? Mit dem Format allein ist es ja nicht getan.
 
Es gibt kein Auditorium, was ISF direkt wiedergeben kann. Das ist - wie der Name schon sagt - ein intermediate format, also ein Zwischenformat.

Der Trend geht halt weg davon, dass das Format in dem der Klang festgehalten und das Wiedergabesystem das 1 zu 1 identische Layout haben müssen.
Stockhausen, der Doof (sic!), hatte das noch nicht begriffen, da war we sicherlich Opfer seiner Zeit.
Aber im Jahr 2020 sollte das Standard sein.

Wieso ihr euch alle an der einen Ebene in der Decke so aufreibt verstehe ich auch nicht. Eine Kugel ist ja in der Mitte am Höchsten, wenn ich also den Schall vom höchsten Punkt wiedergeben will, bin ich in X und Y eingeschränkt. Kommt mir jetzt auch nicht flexibler vor als ein Array in einer Ebene.
Zumal der Eindruck der Höhe eines Schallereignisses über dem Kopf nicht von der Absoluten Entfernung zum Lautsprecher abhängt, sondern auch von anderen Parametern (Quellbreite, Reverberance etc. etc. etc.)
Folgte ich deiner Argumentation, @serge, würde ich kritisieren, dass die Lautsprecher an den Wänden ja auch nur in einer Ebene montiert sind.

Wir können das gerne ausdiskutieren, aber wie immer bei komplexen technischen Zusammenhängen: nicht hier.
Sag rechtzeitig bescheid wenn du mal in N bist, vielleicht kann ich dir n Labor zeigen.
 
Karlheinz Stockhausen war Komponist und versuchte, mit den gegebenen Mitteln "Raummelodien" zu erzeugen, d. h. auskomponierte Positionen und Bewegungen der Klänge im Verhälnis zu den anderen musikalischen Parametern. Selbst in der vierkanaligen Anordnung der Lautsprecher gelang es ihm sehr gut, wie ich bei den verschiedendsten Aufführungen seit Anfang der 70er Jahre und im Elektronischen Studio feststellen konnte.
 
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Deutschlandfunk Kultur / Tonart hat nun auch darüber berichtet:

"Alle wollen das Studio, doch es tut sich nichts

Mietfrei und auf unbegrenzte Zeit möchte der Investor und Kunstsammler Hölscher dem WDR die obere Etage eines alten Pferdestall- und Bürogebäudes bei Haus Mödrath zur Verfügung stellen. Auf 450 Quadratmatern Fläche könne das Studio genau eingepasst werden. Die einzige Bedingung: Der WDR kommt für die Renovierungsarbeiten auf, installiert die Technik und beteiligt sich an der Bespielung.

Dazu gibt es bereits ein umfangreiches Konzept. Gemeinsam mit Hochschulen, der Stadt Köln und dem Land Nordrhein-Westfalen sollen Veranstaltungen, Radio-Übertragungen, Artist-in-Residence-Programme organisiert werden. Der WDR nahm Hölschers Angebot vor zwei Jahren dankend an, bewilligte 550.000 Euro zur Renovierung. Und dann tat sich nichts.

Andreas Hölscher sagt: „Das Projekt ist in dieser Form gescheitert, weil sich keine Trägerstruktur finden lässt, um dauerhaft Toningenieure oder eine Organisation zu finanzieren, die dieses Studio betreibt.“

 
Im Übrigen gibt es das, was du suchst: nennt sich ISF, intermediate spatial format, die kanalbasierte Repräsentation von klang über eine Anzahl von Lautsprechern die auf Ringen angeordnet sind.

ja, oder ambisonics. es ist vollkommen egal. der wesentliche unterschied ist, dass du ein fehlendes physikalisches "unten" in einem gewöhnlichen raum nicht durch ein bischen DSP simulieren kannst (bzw. wenn dann nur mit einem auralfilter)

in der mitte einer kugel zu sitzen hat schon ganz spezielle vorteile, selbst wenn man da nur ein 15 lautsprecher array um den zuhörer anordnet.
 
mich würde ja mal interessieren, welche techniken man 1970 eigentlich benutzt hat um in diesem raum quellen zu bewegen.

vermutlich stand doch damals außer linearer interpolation mit einem crossfader jeweils immer zwischen 2 nebeneinander- oder übereinanderliegenden lautsprechern noch nichts zur verfügung - und selbst das ist mit "analogmischpult-technik" schon extrem aufwendig zu realisieren.

heute ordnen wir lautsprecher auf dem bildschirm mit der maus (oder gar mit touchscreen gesten) im virtuellen raum an und müssen dabei noch nicht mal auswendig wissen, dass man das equal power panning bei einer kreisanordnung mit

expr pow(((cos((azimuth + azimuth-offset)*0.017455)*0.5)+0.5),((channel-separation*99.99)+0.01))

berechnet - oder wie sich abstandsunterschiede zum zuhörer auf phase, lautstärke und delay auswirken - sondern kann die dinge, die ich vor 20 jahren noch mühevoll von irgendwelchen professoren kopiert habe inzwischen einfach als fertige software im laden kaufen.

p.s.: obige formel ( -> 110.deg2gain für max) brauchst du im prinzip nur quadrieren und du hast eine kugel, auf deren oberfläche (bzw innenfläche) du mit jedem beliebigen array von lautsprechern ein monosignal auf jede beliebige position als virtuelle schallquelle plazieren kannst - inclusive der breite der schallquelle (in einem linearen verteilungsraum - nonlinear wird dann kriminell)
 
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ach ja, und aus was ist eigentlich dei außenhaut? ich würde ja mal vermuten, dass die kugel sinnvollerweise schall halbwegs gut absorbiert, oder?
 
du meinst ich muss mir ein buch für 95,90 euro kaufen nur um rauszufinden ob die stocki kugel aus holz oder aus stoff ist und wie das mischpult aussah?

so etwas ähnliches dachte ich mir schon.

wenn stocki ein richtiger künstler wäre, würde ich ja mal darüber nachdenken, aber so... :freddy:
 
mich würde ja mal interessieren, welche techniken man 1970 eigentlich benutzt hat um in diesem raum quellen zu bewegen.
Ich kann dir zumindest sagen, wie das User Interface dazu aussah: Die wichtigste Möglichkeit war nach meinem Wissen die 'Mühle' – ich nehme an, das Ding, was in den Skizzen rechts unten ("B") zu sehen ist: Da konnte eine Klangquelle per kurbelnder Drehbewegung auf je einen von acht Lautsprecher geschaltet werden. Also, man dreht die Kurbel langsam und dann immer schneller… Ich bin bisher davon ausgegangen, dass die acht Lautsprecher dazu jeweils frei bestimmt werden konnten; wenn ich die Zeichnung des Schaltplans (oben in #309) sehe, bin ich aber gar nicht mehr sicher. Diesen Effekt hat Stockhausen natürlich in jedem Stück einmal ausgenutzt (diese Information hab ich von einem, der dabei war).

[...] "Stockhausens erste Skizze zu einer speziell für das Kugelauditorium konzipierten Komposition" [...]
Steht das so in den Texten? Meines Wissens hat er gar kein Stück ausdrücklich für diesen Raum komponiert; ganz sicher keins, das nur dort aufgeführt werden sollte oder konnte.
 
Du kannst dir das Buch auch in einer Bibliothek ausleihen.

du könntest es mir als gute nacht geschichte vorlesen.

Dort fanden, so wie ich schon geschrieben hatte, live-elektronische Aufführungen statt.

du hast natürlich recht: das setup war sicher nicht immer gleich.

Die wichtigste Möglichkeit war nach meinem Wissen die 'Mühle'

hm, das wäre dann im prinzip schon fast das, was ich oben beschrieben habe, ein linearer, endloser, crossfader. natürlich nur 2d und ohne breite.

bin grad ein bischen enttäuscht, dass die kugel unten nicht ganz rund ist und da auch weniger lautsprecher sind als oben.

auch dass die zuschauer nicht möglichst genau in der mitte plaziert wurden irritiert mich.

dirigenten müssen sich immer so wichtig machen! dabei fuchteln die doch nur mit den armen das nach, was die violinen gerade vorspielen.
 
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  • HaHa
M.i.a.u.: oli
Für Kreis-, Spiral- und andere periodische Bewegungsformen verwendete ich eine >Rotationsmühle<. Irgendein Mikrophon oder ein Gemisch von Mikrophonen konnte man auf den Eingang einer solchen Mühle legen (Stockhausen zeichnet das Schema der Rotationsmühle an die Tafel); die Mühle hatte zehn elektrische Ausgänge, die man mit beliebigen 10 der 50 Lautsprecherkanäle verbinden konnte, und wenn man mit der Hand den Steuerhebel wie eine Kaffeemühle links oder rechts herum drehte, bewegte sich der Klang entsprechend im Raum. Die höchste Geschwindigkeit betrug ungefähr fünf Perioden pro Sekunde. Mit Drucktastenknöpfen konnte man dann noch das Klanggemisch während der Bewegung ändern. Wenn also zum Beispiel ein Sänger auf diese Weise über Lautsprecher projiziert wurde, war es, als wenn sich ein Mensch unsichtbar im Raum bewegt.

 
das ist ganz schön prosaisch für eine beschreibung eines technischen aufbaus.

aber ich hab jetzt irgendwas von "mikrophon" gehört. das erklärt einiges.
 
SPIRAL für einen Solisten (1968)
(geschrieben Januar 1970)


In SPIRAL werden Ereignisse, die ein Solist mit einem Kurzwellenradio empfängt, imitiert, transformiert und transzendiert.

Außer dem Radio kann er ein beliebiges Instrument, mehrere Instrumente, Instrument und Stimme, oder nur die Stimme benutzen.

Zur räumlichen Projektion und Verstärkung von Instrument, Stimme und Kurzwellenklängen benötigt er Mikrophone und wenigstens zwei Lautsprecher.

Die Lautsprecher können von einem Assistenten geregelt werden, um das Verhältnis von Direktklang und Lautsprecherklang musikalisch zu gestalten.

SPIRAL ist eine Folge von Ereignissen, die durch verschieden lange Pausen getrennt werden. Ein Ereignis wird entweder gleichzeitig mit KW-Empfänger UND Instrument/Stimme realisiert, oder NUR mit Instrument/Stimme. Das erste Ereignis muß mit KW-Empfänger und Instrument/Stimme realisiert werden. Seine Dauer, Lage, Lautstärke, rhythmische Gliederung sind relativ frei.

Einem KW-Ereignis soll sich das gleichzeitige Instrumentale/Vokale so angleichen, daß es mit ihm verschmilzt.

Vom zweiten Ereignis ab ist der Wechsel von Ereignissen mit oder ohne KW-Empfänger frei; es soll jedoch ein ausgewogenes Verhältnis der Ereignisse mit und ohne KW-Empfang angestrebt werden.

Für das zweite und jedes weitere Ereignis bestimmt der Solist Dauer, Lage, Lautstärke und rhythmische Gliederung gemäß der fortlaufenden Reihenfolge von Transformationszeichen, die in einer Partitur notiert sind.

Alle anderen Eigenschaften - Klangfarbe, Proportionen der rhythmischen Glieder, Melodik, Harmonik, vertikale Schichtung usw. -, die sich aus einem KW-Ereignis ergeben, sollen mit Instrument/Stimme so genau wie möglich imitiert werden; sie werden von Ereignis zu Ereignis möglichst beibehalten, bis sie sich durch ein neu gewähltes KW -Ereignis erneuern. Beim Suchen eines Kurzwellenereignisses soll man leise von Sender zu Sender wechseln, bis man etwas gefunden hat, was den notierten Verhältnissen der Tonhöhenlagen entspricht. Darüber hinaus aber ist für die Wahl entscheidend, daß der Solist eine möglichst breite Skala zwischen konkreten und abstrakten Klangereignissen in einer Interpretation anstrebt und sich immer der nächsten Transformation bewußt ist, die er mit diesem Ereignis durchzuführen hat. Er soll bei einzelnen Sendern verschieden lange verweilen, und auch das Suchen sollte immer musikalisch artikuliert sein.

Außer einfachen Transpositionen (wie höher - tiefer, länger - kürzer, leiser - lauter, mehr Glieder - weniger Glieder) gibt es noch besondere Transformationen: Ornamentierung, polyphone Artikulation, periodische Gliederung, Echos, 'Erinnerungen', 'Ankündigungen', Permutation von Gliedern, lange bandförmige Verdichtungen von Elementen, akkordische Raffungen, Spreizungen, Stauchungen.

Ab und zu kommt eine Transformation vor, die dieser Prozeß-Komposition den Namen SPIRAL gab:



»Wiederhole das vorige Ereignis mehrmals,

transponiere es jedesmal in allen Bereichen

und transzendiere es über die Grenzen

deiner bisherigen Spiel-/Gesangstechnik

und dann auch über die Begrenzungen

deines Instrumentes/deiner Stimme

hinaus.

Hierbei sind auch alle visuellen, theatralischen

Möglichkeiten angesprochen.

Behalte von nun an, was du in der

Erweiterung deiner Grenzen erfahren

hast, und verwende es in dieser und

allen zukünftigen Aufführungen von SPIRAL.«



Besitzt nicht nahezu jeder einen Kurzwellenempfänger? Und hat nicht jeder eine Stimme?

Wäre es nicht für jeden eine künstlerische Lebensform, das Unvorhergesehene, das man aus einem Kurzwellenradio empfangen kann, in neue Musik zu verwandeln, das heißt, in einen bewußt gestalteten Klangprozeß, der alle intuitiven, denkerischen, sensiblen und gestalterischen Fähigkeiten wachruft und schöpferisch werden läßt, auf daß sich dieses Bewußtsein und diese Fähigkeiten spiralförmig steigern?!


SPIRAL ist im September 1968 in Madison/Connecticut entstanden. Michael Lorimer, ein junger amerikanischer Gitarrist, kam im August 68 nach Darmstadt. Er hatte mich schon des öfteren um eine Komposition für Gitarre gebeten und wollte mir alle Möglichkeiten des Gitarrespiels und der bereits vorhandenen Kompositionen für Gitarre zeigen. Ich begann im September mit einer Komposition für Gitarre, kam aber einfach nicht voran, da ich nicht den nötigen Enthusiasmus hatte, bei jedem Akkord, bei jeder Passage die Fingerstellungen auszuprobieren. Endlich legte ich die Arbeit beiseite und begann mit der Komposition SPIRAL, die an die früheren Prozeß-Kompositionen PROZESSION und vor allem KURZWELLEN anknüpfte, und die sich - nach den Erfahrungen der ersten Aufführungen der Textkompositionen AUS DEN SIEBEN TAGEN - in den Anforderungen des Spiralzeichens an den Spieler auf metamusikalische Erfahrungen richtete.

Lorimer kam dann nach Madison, war höchst überrascht über das Resultat und auch wohl ein wenig enttäuscht, da er nach mehreren Tagen intensiven Übens das Stück "viel zu schwer" fand und , "lieber etwas Leichteres" gehabt hätte.

Die erste Aufführung spielte der Oboist Reinz Rolliger auf der Biennale in Zagreb im Mai 1969, und im Juni 1969 machte Michael Vetter (elektrische Blockflöte) die ersten Schallplattenaufnahmen.


Ergänzung Ende 1970:

Während der Weltausstellung EXPO 70 in Osaka, Japan, wurden täglich von 15.30 bis ca. 21.00 Uhr Werke Stockhausens von 20 Musikern im Kugelauditorium des Deutschen Pavillons für über 1 Million Zuhörer live aufgeführt.

Eines dieser Werke war SPIRAL, das mehr als 1300mal vom 14. März bis zum 14. September 1970 täglich in verschiedenen Versionen gespielt oder gesungen wurde.

Karlheinz Stockhausen – Texte zur Musik
Band 3, 1963-1970
 
anstatt die mikrophone im raum zu drehen könnte man natürlich auch einfach die mikrophone fest aufstellen und den cellisten zirkulieren lassen.

nimmt man einen kunstkopf dafür, hat man auch gleich die auralfilterversion für den späteren genuss unter dem kopfhörer.


fraustock.jpg

Frau Stockhausen zeigt dem Cellisten seinen neuen Arbeitsplatz.


202511-bad-bond.jpg

Hauptsache das Mikrophon wird geschont.
 


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