Neue innovative Musik mit Gesang und Synthesizer

Wie meinst Du das mit Wittgenstein? Könntest Du das mal etwas näher ausführen?

Gruß,
Markus
 
war nur n joke aus ner alten titanic geklaut, phrasen, die man drauf haben soll, wenn man sich als depp unter sog. "künstler" mischen muss.

ich finde mathematisch berechnete musik nicht so dolle, auch mit jazz kann ich wenig anfangen (ganz schlimm bei jazzkonzerten: das publikum klatscht nach den solis).
 
Jörg schrieb:
Wer das Handwerk nicht beherrscht, der macht eben einen auf "experimentell"

Das finde ich garnicht.
Für viele Musiker aus der experimentellen Ecke, ist eine "normale" Komposition einfach nur zu langweilig. Sehr viele phantastische Musiker haben sich in Avantegarde Bereichen ausgetobt und manchmal dabei auch recht geile Sachen gemacht. Man sollte sich jedoch vorher instensiv damit auseinandersetzen, um zu verstehen, was sich der Künstler dabei gedacht hat, das macht einiges leichter.
Ich mag viele kranke Sachen von Holger Czukay, Brian Eno, Wolfgang Dauner, Eberhard Schöne, Curd Duca (und überhaupt die ganze Electric Ladyland Scene...) und auch Stocki, um nur einige zu nennen aber das ist nicht unbedingt die Musik, die ich dann am Sonntag beim Frühstück bevorzuge.
 
motone schrieb:
Jörg schrieb:
Wer das Handwerk nicht beherrscht, der macht eben einen auf "experimentell". ;-)
Wer "richtige" Instrumente nicht beherrscht, benutzt <a href=www.Sequencer.de/specials/sequencer.html>Sequencer</a> und macht elektronische Musik. :twisted:
Das ist ja völliger Blödsinn, denn nicht wenige kommen aus der Klassik und sind ausgebildete Orchstermusiker.
Übrigends ist es nicht immer ganz so einfach und erfordert einiges an Wissen, um einen Sequenzer richtig gut zu programmieren.
 
Mr.Lobo schrieb:
(ganz schlimm bei jazzkonzerten: das publikum klatscht nach den solis).

Das hat sich wohl irgendwie so eingebürgert im Lauf der Jahre.
Ich weiß auch nicht, ob ich das so toll finden soll, aber wahrscheinlich wäre der jeweilige Musiker andererseits auch irritiert, wenn jetzt auf einmal KEINER mehr klatscht nach seinem Solo. :lol:

Gruß,
Markus
 
Herbert Brün

Über Musik und zum Computer


Verlag G. Braun Karlsruhe, 1971


bruen.jpg



Kapitel 7: Probleme der Verständigung

Selbst noch der leugnende Scherz hat stets etwas unleugbar Vorhandenes zum Gegenstand. Während eines Konzertes machte ein Zuhörer über ein für ihn neues Musikstück die abfällig gemeinte Bemerkung, daß ihn diese Klänge und Geräusche an den Lärm der Bauarbeitein erinnerten, die ihn des Morgens aus dem Schlafe reißen. Wenige Tage später mußte er an einer Straßenecke ein Gespräch unterbrechen, da in nächster Nähe, an einer Baustelle, mit ohrenbetäubendem Krachen ein Lastwagen seine eiserne oder steinerne Ladung auf den Arbeitsplatz schüttete. In die folgende kurze und relative Stille drängte der im Sprechen unterbrochene Zuhörer die scherzhaft bagatellisierende Meinung, daß das Ärgernis ihn an die neue Musik erinnere, die wohl auch nur so zu verstehen sei. Sowohl im Konzertsaal wie auch an der Straßenecke werden hier gedankliche Assoziationsvorgänge für erwähnenswert gehalten, deren private Formulierung für Kritik gehalten werden soll. Der Inhalt ist die Voraussetzung, daß Arbeitslärm und Musik sich voneinander unterscheiden. Die Deutung ist die Beobachtung, daß Arbeitslärm und neue Musik sich nicht voneinander unterscheiden. Der Scherz und sein Niveau aber werden von folgender Überlegung bestimmt: Komponisten wollen sicherlich keinen Arbeitslärm, sondern Musik machen. Wie lächerlich also muß die Musik dem Komponisten mißlungen sein, wenn der Zuhörer beim Hören dieser Musik an Arbeitslärm, und wenn der gleiche Zuhörer beim Hören von Arbeitslärm an diese Musik denken kann. Der Scherz leugnet, daß unter solchen Umständen noch von Musik ernsthaft die Rede sei, und beweist damit, daß der Zuhörer unleugbar vorhanden ist. Der Scherz würde sich gegen den Scherzenden richten, wenn man ihn umgekehrt interpretierte und verstehen würde, daß der Scherz beweise, wie Musik und Arbeitslärm unleugbar vorhanden seien, von einem Zuhörer jedoch unter solchen Umständen nicht ernsthaft die Rede sein könnte. So einfach ist es aber nicht. Auch ließe das Niveau des Scherzes sich derart nicht wesentlich heben. Vorausgreifend läßt sich nämlich absehen, wie das glossierende Talent den Zuhörer ins Absurde befördert und ihn verärgert scherzend reflektieren läßt, wie mißlungen doch den Arbeitern ihr Lärm sein muß, wenn der Zuhörer dabei an Musik denken kann. Daß überall hier und dort der Ernsthaftigkeit hämische Fallen auflauern, liegt in der Natur jeglicher Meinungsbildung, die an der Deutung mehr als am Gedeuteten interessiert ist. Und ein Scherz, der in die Fallen geht, die der Ernsthaftigkeit gestellt wurden, verfällt dem Spott. Dafür ein einfaches, allen Konzertbesuchern, Radiohörern und Schallplattenfreunden geläufiges Beispiel: Die fünfte Sinfonie von Beethoven.
Ein sehr populär gewordener Kommentar zu diesem Werk, besonders auf den Beginn gemünzt, lautet: „So pocht das Schicksal an die Pforte.“ Daher denn auch die Sinfonie oft „Schicksalssinfonie“ genannt wird. Man folge nun bitte zwei Gedankengängen. Nehmen wir an, daß der Satz vom an die Pforte pochenden Schicksal einst jemandem einfiel, als er unter dem gewaltigen Eindruck, den die Sinfonie auf ihn gemacht hatte, nach einer entsprechenden Analogie zu diesem Eindruck suchte. Fraglos standen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Die Entscheidung fiel unter dem Einfluß der Gestalt des Hauptmotivs. Das heißt, daß nach dem Erlebnis des ganzen Werkes, in der Erinnerung an den Anfang, dieser sich retroaktiv zu jener gewaltigen Bedeutung entfaltet hat, die man seiner eher primitiven und höchst lapidaren Gestalt an sich und alleine nicht ansehen oder anhören kann und soll. In diesem Sinne darf die Beziehung zwischen gehörtem Erlebnis und gesprochener Analogie als ernsthafte und subjektive Beziehung angesehen werden. Dieser Ernsthaftigkeit wird jedoch alsobald eine hämische Falle gestellt, wenn Hörer und Dirigenten verlangen, daß sogleich mit den ersten Takten der Sinfonie auch das Schicksal an die Pforten poche. Wenn also insinuiert wird, daß die vulgär-dramatische Vorstellung von Schicksalsschlägen durch ebenso pathetische Taktschläge imitiert werden solle. Wer, vor allem nach etwas längerem Leben, noch annimmt, daß so das Schicksal an die Pforte pocht, dessen Ernsthaftigkeit ist in die selbstgestellte Falle der Zitatzutraulichkeit gegangen, worin sie mit leisem Bedauern zu besichtigen ist. Zum Gespött schlechthin aber muß jener werden, der seine Gleichgültigkeit gegenüber der Sinfonie zum Fortschrittsbekenntnis prägen möchte, indem er mit ihm zeitgemäß scheinender und kulturvertrauter Überlegenheit ganz ernsthaft scherzt: „Da pocht mir zuviel Schicksal an die Pforte.“ Hier geht es nicht mehr um die gehörte Sinfonie. Hier wird nur noch das Wort, das über sie fiel, ernstgenommen und mitsamt seinem musikalischen Hintergrund verworfen.
Es existiert ein wesentlicher Unterscheid zwischen der selbsterfundenen Analogie, die einst den Eindruck eines musikalischen Erlebnisses auszusprechen versuchte, einerseits, und der unselbstständigen, von langer Hand erborgten Begriffsvermischung eines unbeeindruckten Hörers andererseits, der mit Musik die Bedeutungslosigkeit assoziiert, die Alltagsgeräusche für ihn haben.
Jedermann weiß, daß Verständnis und Freude nicht stets zusammenfallen, also auch nicht identisch sind. An mancherlei Verstandenem und Erkanntem mag die rechte Freude sich nicht einstellen. Und mancher Freude dürfte es schwer nachzuweisen sein, daß sie an Verstandenem sich entzündet habe. Ein Komponist, der dies – wie jedermann – weiß, ist also bereit, mit relativ ungerührter Liebenswürdigkeit folgende nüchternen Bemerkungen über den Eindruck seines Werkes zu vernehmen: „Habe die Musik verstanden. Auch hat sie mir Freude gemacht.“ –
„Habe die Musik verstanden. Hat mir aber keine Freude gemacht.“ – Habe die Musik nicht verstanden. Hat mir aber Freude gemacht.“ – „Habe die Musik nicht verstanden. Auch hat sie mir keine Freude gemacht.“ –
Mit der, wahrscheinlich mühsam kontrollierten, Liebenswürdigkeit des Komponisten ob so ehrlicher Nüchternheit dürfte es aber schnell ein Ende haben, wenn folgendes Wohlwollen sich nähert: „ Habe Freude an Ihrer Musik gehabt. Da gibt’s nichts zu verstehen.“ – „Habe keine Freude an Ihrer Musik gehabt. Die muß man ja verstehen.“ – „Kann Ihre Musik verstehen. Sie macht ja Freude.“ – „Kann Ihre Musik nicht verstehen. Sie macht ja keine Freude.“ – Der Komponist läßt sich gerne alles über den Zuhörer und seine Eindrücke sagen, solange der Zuhörer nicht von diesen Eindrücken auf die Beschaffenheit der Musik schließt. Wenn die Wohlwollenden also, auf Kosten des Verstandes, ihre privaten Freudegrade zum Maßstab des Kunstwerkes deklarieren wollen, dann müssen sie auch damit rechnen, daß der Komponist sich abrupt in die unzugänglichen Gebiete seiner Kompetenz zurückbegibt, wo er hoffen darf, auch dem wohlwollensten Sprachschatz unverständlich bleiben zu können.
Denn ein Problem der Verständigung ergibt das andere. Zum Beispiel kann ein unbeabsichtigt taktloses Wort den Komponisten wie eine Beleidigung verletzen. Da Taktlosigkeit ja aber auf Unwissenheit beruht, wird die vielleicht heftige Reaktion des Komponisten immer als das erste Glied einer Kette von Unstimmigkeiten betrachtet, obwohl es häufig das zweite war. Die alte Kinderfrage: „Wer hat angefangen?“ taucht hier wieder auf. Nun, es wäre von Fall zu Fall leicht zu klären, wer den Stein des Anstoßes in den Weg gepflegter Konversation geschoben hat, wenn nicht ein großer Teil der aus Unwissenheit gegangenen Taktlosigkeiten zum wortgewordenen Kulturempfinden und zur, als gültig vorausgesetzten, Umgangssprache gehörten. Würde es nicht für feinsinnig und gebildet gelten, in großen Musikwerken „besonders schöne Stellen“ zu bemerken, die man später in Kritik, Gespräch und Erinnerung als Kunstgegenstände anlagern kann, kein Mensch mit Takt und Erziehung würde einem Komponisten mit der Bemerkung nahen: „Ihr Werk enthält einige wunderbare Stellen!“, wenn er damit nicht sagen will, daß er das Werk höchstens stellenweise genießbar fand. Antwortet auf so etwas der Komponist: „Nennen Sie mir die Stellen. Ich schneide sie aus und schick sie Ihnen als Muster ohne Wert!“, so hält man ihn für hochmütig, ungezogen, und findet es schade, daß gerade begabte Künstler so gar keinen gesellschaftlichen Schliff haben. Der Komponist wiederum findet es schade, daß gerade freundlich gesonnene Hörer so gar keinen Geschmack haben und so gar kein Verständnis dafür, daß ohne den ganzen Komponisten und ohne das gesamte Werk die „wunderbaren Stellen“ überhaupt keinen Wert haben.
Einige weitere und unzählige Male sich wiederholende Gelegenheiten, bei denen Probleme der Verständigung beide Partner auf eine harte Geduldprobe stellen, seien in schematischer Vereinfachung und Kürze noch erwähnt.

1. Ein Komponist wird gebeten seine Komposition zu erläutern. Er tut es. Danach wird ihm vorgeworfen, er habe versucht, Musik zu erklären.


2. Ein Komponist wird gebeten zu erklären, was seine Musik bedeuten oder sagen oder ausdrücken oder beschreiben oder darstellen soll. Lehnt er es ab, wird er als Bewohner eines Vakuums oder eines elfenbeinernen Turmes verachtet. Willfährt er der Bitte, so wird seine Musik, als der Erklärung bedürftige, verachtet.


3. Ein Komponist wird gebeten zu erklären, wie er sein Werk komponiert habe und was das für ihn bedeute. Er erscheint mit einem Manifest, in dem er vorträgt, wie Musik zu komponieren und zu verstehen sei.


4. Ein Komponist wird gebeten, seine Ansichten über die allgemeinen Probleme der zeitgenössischen Musik mitzuteilen. Er erscheint mit einer Analyse seiner eigenen Werke.


5. Ein Komponist wird aufgefordert, anläßlich der bevorstehenden Aufführung seines neuen Werkes einen erläuternden Kommentar für das Programmheft zu verfassen. Erklärt er darin, was, seiner Meinung nach, seine Musik von anderer Musik unterscheidet, so wird die Notiz nicht angenommen, und zwar aus Gründen, die es klar machen, daß von ihm eine Erklärung erwartet wurde, die dartun soll, wie nichts seine Musik von anderer Musik unterscheide.




Derlei ließe sich noch vieles anführen. Es wäre aber recht oberflächlich, würde man von solchen Vorkommnissen nur auf die Leute schließen und nicht auch auf die Sprache, würde man einfach für den einen oder anderen Partei nehmen und das Mittel, das beiden gemeinsam ist und undiskriminierend sich beiden zur Verfügung stellt, nicht einer Prüfung auf seine Gültigkeit in jedem einzelnen Falle unterziehen.
Hier und dort handelt es sich um gestörte Kommunikationsketten. Es sollte interessieren, daß in Meyer-Epplers schon oft zitierten Buch über Informationstheorie nicht nur das elfte Kapitel, worin es um die Sprache geht, mit der Überschrift:“ Die gestörte sprachliche Kommunikation“ versehen ist, sonders daß schon im ersten Kapitel, über die elementaren Kommunikationsketten, der gestörten Kommunikationskette viel Raum gewidmet wird. Es will scheinen, daß die Störung, die beim Laien meist eine unmutig abwinkende Reaktion provoziert, den wissenschaftlich Forschenden eher fasziniert. Das ist einfach zu erklären. Der Wissenschaftler, ja jeder denkende Mensch weiß, daß jegliche Information, also alles unerwartet Neue, oder unerwarteterweise Bestätigte, eine Störung der Selbstverständlichkeit des bis dahin Gewußten ist. Die Umkehrung dieses Satzes ist offenbar ein Risiko. Nicht jeder Störung entpuppt sich bei näherer Untersuchung als Information. Immerhin hat sich laut höchst kompetenter Stellen das Risiko gelohnt. Unter sorgfältig vorbereiteten Versuchsanordnung sind Störungen beinahe immer informationsträchtige Hinweise. Meyer-Eppler formulierte es so: „Ob die vom Expedienten intendierte Mitteilung vom Perzipienten verstanden wird, hängt davon ab, an welchen Stellen und in welchem Ausmaß die verschiedenen Glieder der Kommunikationskette Störeinflüssen ausgesetzt sind. Störungen können sowohl an den zugänglichen wie auch an den unzugänglichen Stellen der Kommunikationskette erscheinen, sowohl im Bereich der Signale wie auch im Bereich der Zeichen auftreten, und so die Beobachtung, die Diagnose oder die sprachliche Verständigung erschweren oder gar verhindern. Alle Maßnahmen, die zu einer Verminderung von Störungseinflüssen beitragen, sollen unter dem Oberbegriff Anpassung zusammengefaßt werden. Bei der sprachlichen Kommunikationskette ist sorgsam zwischen der Signalanpassung und der Zeichenanpassung zu unterscheiden; beide zusammen erst bewirken die möglichst verlustarme Informationsentgegennahme.“
Am Schluß des zitierten Abschnitts findet sich noch eine Mitteilung, daß die Informationstheorie, eine rein mathematische Theorie, Methoden bereitstellt, die gestatten, die Wirkung von Störungen auf den Informationsgehalt, der in der semantischen Sphäre übermittelt werden sollen, quantitativ zu beschreiben, ohne auf Art und Wesen der Störungen eingehen zu müssen. Da aber gerade Art und Wesen der Störungen uns hier mehr angehen als ihre quantitative Beschreibung, verlassen wir wieder die soliden Bahnen Meyer-Epplers und der Wissenschaft, erinnern uns aber, daß alle Maßnahmen, die zu einer Verminderung von Störeinflüssen beitragen, unter dem Oberbegriff „Anpassung“ zusammengefaßt werden sollen.
Wie soll ein Komponist sich also verhalten, wenn er mit viel Mühe und Lust eine Musik komponiert hat, die, wie er hofft, etwas Unerhörtes, Neues, Informatives, kurz: viele Störungen des schon Selbstverständlichen vermittelt und nun die Bestätigung seiner Leistung in Form eines empörten Vorwurfs erfährt? Wie soll zwischen beabsichtigter Störung und erlittener Störung die Anpassung gefunden werden? Es sei nun ein Aspekt des Problems vorgeführt, der zeigen soll, daß die Behauptung, der Hörer habe sich anzupassen, keiner Unverschämtheit des Komponisten das Wort redet, sondern dem Wesen des Problems entspringt.
Würde der Komponist seine Absicht, zu stören, aufgeben, so gelänge ihm nur noch bedeutungslose Musik, das heißt, die Anpassung fände statt, bevor ein störendes Geschehen dafür sorgen konnte, die Kommunikationskette zwischen Hörer und Komponisten beiden, sei es auch als gestörte, ins Bewußtsein zu bringen. Fehlt aber das Bewußtsein von einer musikalischen Kommunikationskette, so gibt es keinen Grund mehr, der vorhandenen Musik irgendwelche weitere oder andere hinzuzufügen Der Beruf des Komponisten würde in solchen Fällen in Ermangelung wahrnehmbarer Berufung eingehen.
Für den Hörer sieht es interessanter aus. Gelingt es ihm, dem Störenden den Stachel dadurch zu nehmen, daß er die Störung als überwindbar durchschaut, so nur deshalb, weil er begreift, daß zeitgenössische Kunst eben nicht aus gestörten Mitteilungen, sondern aus mitteilsamen Störungen bestehen muß. Er kann die Störung als Mitteilung empfangen. Das bedeutet Anpassung, nachdem etwas die Kommunikationskette zwischen Hörer und Komponisten, und sei es auch als gestörte, beiden ins Bewußtsein gebracht hat.
Der Komponist hat nur die Wahl, ob er Komponist sein will oder etwas anderes. Der Hörer kann sich aussuchen, ob oder was er hören will. Er bleibt Hörer, ob er sich dem Nichtgeschehen oder dem Geschehen anpaßt. Der Komponist kann sich nicht anpassen, ohne seine Existenz als Komponist zu opfern, und statt dessen ein tonsetzender Arrangeur zu werden. Er muß, koste es was es wolle, seine Mitteilungsabsicht solchen musikalischen Vorgängen anvertrauen, deren Störungseinfluß bis dahin von möglichst wenig Anpassungsmethoden vermindert wurde. Solche musikalischen Vorgänge sind schwer zu erfinden und schwer zu kombinieren. Darin liegt die Arbeit des Komponierens, wenn es dem Komponisten um eine musikalische Mitteilung geht. Häufig sagen solche professionellen Hörer, die einen guten Komponisten nicht von einem schlechten unterscheiden können, beiden nach, daß sie versucht hätten, um jeden Preis neu zu sein. Offenbar haben beide Werke nicht dem Anpassungsvermögen der Nachsager entsprochen. Tatsächlich versucht ein guter Komponist, eine Musik zu schreiben, die um jeden Preis da ist, und sei der Preis auch der Verzicht auf alles, was, auch von ihm geliebt, schon da war. Was neu gefunden wird, ist oft der Preis, um den es überhaupt gefunden werden kann.
Vor bald 200 Jahren schrieb Mozart an seinen Vater einen Geburtstagsbrief:

„Allerliebster Papa!

Ich kann nicht poetisch schreiben; ich bin kein Dichter. Ich kann die Redensarten nicht so künstlich einteilen, daß sie Schatten und Licht geben; ich bin kein Maler. Ich kann sogar durch Deuten und durch Pantomime meine Gesinnungen und Gedanken nicht ausdrücken; ich bin kein Tänzer. Ich kann es aber durch Töne; ich bin ein Musikus... Nun muß ich mit einer musikalischen Gratulation schließen. Ich wünsch Ihnen, daß Sie so viele Jahre leben möchten, als man Jahre braucht, um gar nichts Neues mehr in der Musik machen zu können.“

So heiter und launig der Brief wohl ist, so schwer dürfte es auch dem gierigsten Ohre sein, darin Schwingen des Genies rauschen zu hören. Der Brief wurde hier zitiert, um zu zeigen, mit welcher Selbstverständlichkeit für Mozart ein Musikus der Mann ist, der Neues in der Musik machen will und kann. Und mit welcher Selbstverständlichkeit Mozart Neues in der Musik erwartet, indem er sie zum Maße der Lebensdauer nimmt, die er seinem Vater wünscht. Derselbe Mozart, auf den sich viele Musikfreunde berufen, die heute in der Musik nichts Neues mehr für möglich und erträglich halten.
Ein brauchbarer Befund, dessen Richtigkeit sorgfältig und geduldig zu prüfen wäre, könnte etwa so lauten: Die wesentlichen Probleme der Verständigung zwischen Hörer und Komponisten sind beabsichtigte und planend durchdachte Störungen einer Kommunikationskette, die bliebe sie ungestört, leerlaufen oder zerreisen würde. Die wesentlichen Probleme der Verständigung verbauen nirgends, auch in der Musik nicht, den Zugang zu beabsichtigten Mitteilungen, sonders sie sind der Zugang selbst. Jede Kultur mißt sich an der Menge und Bedeutung der Probleme der Verständigung, die sie als solche erkennen und lösen konnte. Jede Musik, die ein solches Problem stellt, ermöglicht einen weiteren Akt der Erkenntnis und der Lösung, ermöglicht eine neue und das gegenwärtige Leben betreffenden Verständigung, und somit eine Vermehrung dessen, woran der Gesellschaft es noch allenthalben zu fehlen scheint. Die unwesentlichen Probleme der Verständigung, die mehr privaten und emotionellen, sind lediglich Symptome des Fehlens.

http://www.elektropolis.de/ssb_story_bruen.htm
 
Bernie schrieb:
Jörg schrieb:
Wer das Handwerk nicht beherrscht, der macht eben einen auf "experimentell"

Das finde ich garnicht.
Für viele Musiker aus der experimentellen Ecke, ist eine "normale" Komposition einfach nur zu langweilig. Sehr viele phantastische Musiker haben sich in Avantegarde Bereichen ausgetobt und manchmal dabei auch recht geile Sachen gemacht. Man sollte sich jedoch vorher instensiv damit auseinandersetzen, um zu verstehen, was sich der Künstler dabei gedacht hat, das macht einiges leichter.
Ich mag viele kranke Sachen von Holger Czukay, Brian Eno, Wolfgang Dauner, Eberhard Schöne, Curd Duca (und überhaupt die ganze Electric Ladyland Scene...) und auch Stocki, um nur einige zu nennen aber das ist nicht unbedingt die Musik, die ich dann am Sonntag beim Frühstück bevorzuge.

Da würde ich dir keinesfalls widersprechen!!
 
Neo schrieb:
Die Leute die Stockhausen anbeten, halten auch einen Farbklecks von einem Schimpansen für das Werk eines begnadeten Malers.
Das mag sicherlich für einige Leute zutreffen.
Ob man Stockhausen nun mag oder nicht, er hat oftmals in den Belangen der elektronischen Musik echte Pionierarbeit geleistet und das alleine sollte man ihm schon hoch anrechnen.
Stocki hat auch die elektronische Musik insgesamt maßgeblich beeinflußt und es gibt nicht wenige Edgars, die bei ihm gelernt haben.
 
Bernie schrieb:
Neo schrieb:
Die Leute die Stockhausen anbeten, halten auch einen Farbklecks von einem Schimpansen für das Werk eines begnadeten Malers.
Das mag sicherlich für einige Leute zutreffen.
Ob man Stockhausen nun mag oder nicht, er hat oftmals in den Belangen der elektronischen Musik echte Pionierarbeit geleistet und das alleine sollte man ihm schon hoch anrechnen.
Stocki hat auch die elektronische Musik insgesamt maßgeblich beeinflußt und es gibt nicht wenige Edgars, die bei ihm gelernt haben.

Mir geht es weniger um Stockhausen sondern um das ganze brumborium um ihn herum. Und ich bin der Meinung Musik sollte in erster Linie gefühlt werden und nicht verstanden. Dann denke ich genau wie jemand hier der schrieb, wäre der Track von einem Forumsmitglied gekommen, wäre die Reaktion wohl deutlich anders gewesen als wenn Herr Stockhausen seinen Namen darunter setzt. Ich will nicht sagen das experimentelle Musik grundsätzlich schlecht ist, nur wie Jörg schon schrieb, es läßt sich trefflich hinter diesem Begriff verstecken. Ich höre auch mal Brian Eno, aber das was dort von Stockhausen gepostet wurde, ist für mich Eulenspiegellei in Reinkultur, bzw. hat es was von "des Kaisers neuen Kleidern". Wer meine Musik nicht mag, hat keine Ahnung und versteht nicht die Kunst dahinter, das ist ein Totschlagargument. Man müßte sich erstmal einigen, was Musik ist. Ist Musik schon der Vorsatz Geräusche zu erzeugen ? Ich kannte mal jemanden der auf Kommando furzen konnte. War das ein Musiker und Künstler ?
 
Bernie schrieb:
motone schrieb:
Jörg schrieb:
Wer das Handwerk nicht beherrscht, der macht eben einen auf "experimentell". ;-)
Wer "richtige" Instrumente nicht beherrscht, benutzt Sequencer und macht elektronische Musik. :twisted:
Das ist ja völliger Blödsinn, denn nicht wenige kommen aus der Klassik und sind ausgebildete Orchstermusiker.
Übrigends ist es nicht immer ganz so einfach und erfordert einiges an Wissen, um einen Sequenzer richtig gut zu programmieren.
Och Berniiiiiiee, datt war doch nur Ulk™! Verballhornung™! Ironie™! Verarsche™! ...
 
Neo schrieb:
Bernie schrieb:
Neo schrieb:
Die Leute die Stockhausen anbeten, halten auch einen Farbklecks von einem Schimpansen für das Werk eines begnadeten Malers.
Das mag sicherlich für einige Leute zutreffen.
Ob man Stockhausen nun mag oder nicht, er hat oftmals in den Belangen der elektronischen Musik echte Pionierarbeit geleistet und das alleine sollte man ihm schon hoch anrechnen.
Stocki hat auch die elektronische Musik insgesamt maßgeblich beeinflußt und es gibt nicht wenige Edgars, die bei ihm gelernt haben.

Mir geht es weniger um Stockhausen sondern um das ganze brumborium um ihn herum. Und ich bin der Meinung Musik sollte in erster Linie gefühlt werden und nicht verstanden. Dann denke ich genau wie jemand hier der schrieb, wäre der Track von einem Forumsmitglied gekommen, wäre die Reaktion wohl deutlich anders gewesen als wenn Herr Stockhausen seinen Namen darunter setzt. Ich will nicht sagen das experimentelle Musik grundsätzlich schlecht ist, nur wie Jörg schon schrieb, es läßt sich trefflich hinter diesem Begriff verstecken. Ich höre auch mal Brian Eno, aber das was dort von Stockhausen gepostet wurde, ist für mich Eulenspiegellei in Reinkultur, bzw. hat es was von "des Kaisers neuen Kleidern". Wer meine Musik nicht mag, hat keine Ahnung und versteht nicht die Kunst dahinter, das ist ein Totschlagargument. Man müßte sich erstmal einigen, was Musik ist. Ist Musik schon der Vorsatz Geräusche zu erzeugen ? Ich kannte mal jemanden der auf Kommando furzen konnte. War das ein Musiker und Künstler ?

Es kommt drauf an wer wann was gemacht hat, Stocki ist definitiv mehr als zufälliges gepiepse. Stockimusik macht vielleicht einsam, aber ob es wirklich immer um "Emotionen wecken" will a la "die schönen Berge" oder "Liebe ist angenehm oder unangenehm" .. Bei Stockhausen gehts halt darum, einen Apfel auf dem Mond zu finden..
 
Neo schrieb:
Dann denke ich genau wie jemand hier der schrieb, wäre der Track von einem Forumsmitglied gekommen, wäre die Reaktion wohl deutlich anders gewesen als wenn Herr Stockhausen seinen Namen darunter setzt.

Nein, keineswegs, Du musst nur in der Lage sein, die kompositorischen Strukturen zu erfassen, dann merkst Du auch sofort den Unterschied.
Und da hilft einem irgendein diffuses "Gefühl" nicht weiter, wenn man die Grundlagen nicht hat.
Ich kann auch eine Fremdsprache nicht verstehen, wenn ich nicht zumindest etwas von ihrem Vokabular und ihrer Grammatik kenne. Jemand kann z.B. einen sinnvollen französischen Satz sprechen und ein anderer irgendeinen Blödsinn, der sich französisch anhört.
Für denjenigen, der die Sprache nicht kennt, klingt beides gleich.

Gruß,
Markus
 
Musik ist bewusste Klangorganisation.

Das wäre aber eigentlich schon einen eigenen Thread wert, denn das gilt ja nicht nur für Stockhausen.

Gruß,
Markus
 
Bernie schrieb:
Stocki hat auch die elektronische Musik insgesamt maßgeblich beeinflußt und es gibt nicht wenige Edgars, die bei ihm gelernt haben.

Ich halte den musikalischen Einfluß von Stockhausen auf Leute wie zB Kraftwerk, Klaus Schulze, Art of Noise, Mouse on Mars und erst recht auf die ganze Techno- und Clubelektronik für definitiv überbewertet. Das sieht man auch daran, dass die Leute aus der elektronischen "U-Musik", die sich naiv mit Stockhausens Namen als ihrem "Ahnen" schmücken, meist weder mit den Begriffen "Darmstädter Schule" oder "serielle Musik" etwas anzufangen wissen noch die Komponisten Olivier Messiaen und Pierre Boulez (die Stockhausen wesentlich beeinflußten) überhaupt namentlich kennen.

Olivier Messiaens Musik mag ich übrigens sehr, zumal das Oratorium "La Transfiguration".
 
EinTon schrieb:
Ich halte den musikalischen Einfluß von Stockhausen auf Leute wie zB Kraftwerk, Klaus Schulze, Art of Noise, Mouse on Mars und erst recht auf die ganze Techno- und Clubelektronik für definitiv überbewertet.

Sehe ich auf jeden Fall auch so.
Diese Leute haben ja auch teilweise gar nicht die musikalischen Fähigkeiten, entsprechende Einflüsse umzusetzen.
Etwas anderes ist es bei den Musikern, die tatsächlich bei Stockhausen studiert haben. Und das sind eine ganze Reihe, wenn sie auch dem großen Publikum nicht so bekannt sind.
Mit die größte Breitenwirkung dürften wohl Holger Czukay und Irmin Schmidt von Can erreicht haben.

Gruß,
Markus
 
EinTon schrieb:
Die haben bei Stockhausen studiert?

Klar, da haben sie sich kennengelernt. Ich dachte, das sei allgemein bekannt.
Irgendwo im Netz findet sich ein Text von Holger Czukay über Stockhausen, müsste ich mal suchen, ob ich den noch finde.

Gruß,
Markus
 
Jörg schrieb:
Wer das Handwerk nicht beherrscht, der macht eben einen auf "experimentell". ;-)

Wobei ich das nicht auf Stockhausen bezogen haben möchte. Der ist ziemlich an mir vorübergegangen - vielleicht sollte ich da mal was nachholen.

Ich gebe mal zu bedenken, dass einige sehr interessante Styles in der Musik in den letzten Jahrzehnten von Leuten angestossen wurden, welche Ihr Handwerk nicht richtig beherrschten.
 
Bernie schrieb:
Jörg schrieb:
Wer das Handwerk nicht beherrscht, der macht eben einen auf "experimentell"

Das finde ich garnicht.
Für viele Musiker aus der experimentellen Ecke, ist eine "normale" Komposition einfach nur zu langweilig. Sehr viele phantastische Musiker haben sich in Avantegarde Bereichen ausgetobt und manchmal dabei auch recht geile Sachen gemacht. Man sollte sich jedoch vorher instensiv damit auseinandersetzen, um zu verstehen, was sich der Künstler dabei gedacht hat, das macht einiges leichter.
Ich mag viele kranke Sachen von Holger Czukay, Brian Eno, Wolfgang Dauner, Eberhard Schöne, Curd Duca (und überhaupt die ganze Electric Ladyland Scene...) und auch Stocki, um nur einige zu nennen aber das ist nicht unbedingt die Musik, die ich dann am Sonntag beim Frühstück bevorzuge.

100% Zustimmung. Man sollte sich jedoch vorher intensiv damit auseinandersetzen, um zu verstehen, was sich der Künstler dabei gedacht hat, das macht einiges leichter.. -> Dies setzt klarerweise eine differente Herangehensweise voraus, die mehr E als U ist. Wobei ich nicht werten will.

lacroix
 
Ich gebe mal zu bedenken, dass einige sehr interessante Styles in der Musik in den letzten Jahrzehnten von Leuten angestossen wurden, welche Ihr Handwerk nicht richtig beherrschten.

Ich gebe aber auch mal zu bedenken das eine große Masse an Mittelmaß und schlicht Schund von erheblich mehr Leuten aus der selben Ecke kam. Selbst Knöpfchen drehen will gelernt sein und man kann mit dem Attribut "experimentell" wirklich jede audiophile Menschenrechtsverletzung, als Kunst deklarieren. Wobei die Anhänger von Experimenteller Musik oft schlimmer sind, als die Macher selbst. So unterscheidet sich das kritiklose anhimmeln von Stockhausen Anhängern und Tokyo Hotel Fans, nur marginal. :blerk:
 
Neo schrieb:
Ich gebe aber auch mal zu bedenken das eine große Masse an Mittelmaß und schlicht Schund von erheblich mehr Leuten aus der selben Ecke kam.

Das stimmt. Aber in allen Musikgenres ist das weitaus meiste Mittelmaß und Schund. Das ist völlig normal.

Gruß,
Markus
 
Markus Berzborn schrieb:
Das stimmt. Aber in allen Musikgenres ist das weitaus meiste Mittelmaß ...

Ähm.. ist das nicht sowas wie 'die Mitte ist immer in der Mitte'? (...oder für die Eingeweihten: "Wohin auch immer du gehst. Dort bist du")
 
Ähm.. ist das nicht sowas wie 'die Mitte ist immer in der Mitte'? (...oder für die Eingeweihten: "Wohin auch immer du gehst. Dort bist du")

Das ist kunstszenen Jargon, das verstehst du nicht. ;-)
(Was nur für dich spricht) :)
 
lacroix schrieb:
Jörg schrieb:
Wer das Handwerk nicht beherrscht, der macht eben einen auf "experimentell". ;-)

Wobei ich das nicht auf Stockhausen bezogen haben möchte. Der ist ziemlich an mir vorübergegangen - vielleicht sollte ich da mal was nachholen.

Ich gebe mal zu bedenken, dass einige sehr interessante Styles in der Musik in den letzten Jahrzehnten von Leuten angestossen wurden, welche Ihr Handwerk nicht richtig beherrschten.

Welche denn?
 
Sehr viel aus den 80ern, von Neubauten bis New Wave ist sehr oft von "Dilletanten" gemacht worden. Klasse!! Da kam was raus.. Auf "dadada" wäre ein Hubert Kah auch nie gekommen.. Ganz einfach.. Autodidakten können auch zu coolen Musikern werden mit neuen Ideen.. Das haste heute in den Charts und nahe dabei garnicht mehr..
 
Mag sein, dass auch ein Nixkönner mal zufällig eine gute Idee hat. ;-)

Aber handwerkliche Unfähigkeit halte ich trotzdem nicht für eine erstrebenswerte Eigenschaft für einen Musiker. ;-)
 


Neueste Beiträge

News

Zurück
Oben