Warum hört man Harmonien wo keine sind

Re: Warum hoert man Harmonien wo keine sind

Trigger schrieb:
Ha das nicht auch was mit obertönen zu tun ?
Pro angeschagene gitarrensaite entstehen mehrere teiltöne die mit dem grundton mitschwingen und eben das obertonspektrum darstellen, oder so ähnlich.
Wenn man jetzt zwei saiten oder mehrere nacheinander anschlägt und mal ausklingen lässt, dann wird dem intervall der zwei angeschlagenen saiten ensprechend (grundton) mehrere teilkänge übereinandergeschichtet, die man gemäss der stimmung ( chromatisch in der regel) einer skala zuzuordnen kann, einer tonleiter..

:supi: Ich denke es geht wohl in diese Richtung.

Es gibt ein bekanntes Phänomen, wenn zwei Töne in bestimmten Intervallen zuneinander sind, dass man dann einen dritten Ton hört, der eigentlich nicht vorhanden ist, der aber vom Gehirn ergänzt wird.

Hab das mal bei einem Tuba-Spieler gehört: der hat einen Ton geblasen, den zweiten "in die Tuba gesungen" und konnte so vermeintliche "Dreiklänge" spielen :shock:

Könnte evtl. ein ähnliches Phänomen hier sein...
 
ZH schrieb:
Sehr gut zu hoeren ab 2:39 - dort spielt Gitarre und Bass quasi das gleiche, und es gibt kein weiteres Instrument ausser dem Schlagzeug, also sind die Harmonien eigentlich nicht vorhanden. Trotzdem glaubt man, sie zu hoeren.
Die Gitarre spielt doch viel mehr, quasi Ghostnotes, die dann die von dir implizierte Harmonik erzeugen.
 
Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Effekt der gleiche waere, wenn die Gitarre fehlen wuerde. Auch wenn man sich das Solo anhoert - der Bass spielt munter Tonleitern hoch und runter, und die Gitarre spielt keine Harmonien sondern ein Solo (welches logischerweise sich innerhalb der Harmonie bewegt - aber auch nur zum Teil, und auch keine Akkorde), trotzdem hoert man ganz klar ab welchem Takt welche Harmonie "gilt", und zwar schon ab dem ersten Ton. Vielleicht ist es auch hier Gewohnheit, weil diese Musikrichtung eh sehr stark bestimmten Schemata folgt; vielleicht ist es auch die Betonung des Grundtons... auf der anderen Seite habe ich ja gerade deshalb mein eigenes Beispiel aufgenommen, da es hier keine Betonung gibt, weil es mit einem Synthesizer gespielt wurde und alle Toene den gleichen Anschlag besitzen. Die Betonung erfolt hier also wenn dann nur noch ueber die Zaehlzeit. Vielleicht ist am Ende auch das ausschlaggebend.
 
ZH schrieb:
Beim Aufstieg hoert man den Grund-Akkord (Stufe I), beim Abstief hoert man vermeintlich die Stufe V.
Zunächst: Ich "höre" die vermeintliche Dominante/Stufe V bei der absteigenden Basslinie nicht. Immer nur Tonika/Stufe I. ("Hören" schreib ich in Anführungszeichen, weil es ja eigentlich ein "sich dazudenken" ist). Ich schätze, was man da "hört", das ist dann ganz persönliche Erwartungshaltung.

Grundsätzlich: fast alle unserer Sinneswahrnehmungen arbeiten mit "sich dazudenken". Das einfachste Beispiel ist das "Sehen" von kontinuierlichen Bewegungen beim Film, obgleich es sich um separate Bilder handelt (dass das Gehirn grundsätzlich auch den Film als separate Bilder wahrnimmt, hat man durch Forschung zu Epilepsie-Anfälligkeiten herausgefunden).
Beim Gehör gilt das zB für das Erkennen eine Grundfrequenz aus einem Obertonspektrum, obgleich der Klang eigentlich die Grundfrequenz als Sinus-Partialschwingung nicht enthält. Das kann jeder mit einem Additiv-Synth ausprobieren.

Ich vermute, dass das Ergänzen von Teilwahrnehmungen zu einem Gesamteindruck ein evolutiver Vorteil war - nach dem Motto: übler Mundgeruch plus Geknackse im Gebüsch plus einer der fünf Enkel fehlt: das muss ein Säbelzahntiger sein. Nix wie weg... :agent:
 
Das "dazudenken" passiert meist schon auf einer sehr tiefen neuronalen bzw Signalverarbeitungsebene.

zB bei der Erkennung von Pitch obwohl der Grundton fehlt, das passiert schon bei den ersten Verarbeitungsstufen.
"Unmusikalisch", noch bevor der Klang ins weitere Gehirn kommt.

Im Ohr funktioniert es zwar anders aber man kann es vergleichen mit dem Cepstrum, dem Spektrum des Spektrums:

Die Obertöne bilden im Spektrum ja Peaks mit dem selben Frequenzabstand, wie eine Kammfilterresponse
Das Spektrum davon (vom Spektrum), sog Cepstrum, ist ein einzelner Peak der die Frequenz des Abstands der Peaks angibt.

Da ist egal ob der Grundton oder ein paar Harmonsiche mehr fehlen, das Ergebnis ist immer gleich nur die Höhe des Peaks anders.

Im Gehör erfolgt das auf einer mehr zeitlichen Skala über Korrelation, aber vergleichbar.
 
Es gab da auch mal einen grausamen Versuch, bei dem einer Eule Elektroden ins Gehirn gesetzt wurden. Bestimmte Areale im Hörzentrum sind genau bestimmten Frequenzen zugeordnet und man konnte zeigen, dass entsprechende Areale für so einen nicht vorhandenen Grundton trotzdem aktiv werden.
 


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