Im Gegensatz zu dir habe ich nie professionell Musik gemacht, einfach weil ich da nicht gut genug für bin und das alles nur ein Hobby ist. Aber auch ich habe gemerkt, dass nie Gear/Plugins daran schuld waren dass mein Stück "Musik" nicht gut geworden ist.
Ich stelle mir das immer als ein Kuchendiagramm vor: 95% hat mein Können Einfluss auf den Track, die restlichen 5% sind dann meine Wahl an Gear und/oder Plugins. Deswegen eigentlich sehr witzig dass sich viel um die letzten 5% dreht. Das kann ich bei Leuten verstehen die die 95% wirklich drauf haben, also Vollprofis. Bei uns Hobbyleuten spielen die 5% auf ewig überhaupt keine Rolle meiner Meinung nach.
Das könnte man auch gut mal zeigen: Man setzt einen Hobbyisten in ein Profistudio mit allen superduber-vintage-hastenichtgesehen Gear und lässt den einen Track machen. Auf der anderen Seite gibt man einem Vollprofi Reaper und ein paar Freeware Plugins und lässt den machen. Dreimal darf man raten wo der bessere Track bei raus kommt.
Die Frage die sich mir dann stellt: Bist du wirklich so gut in der Musikproduktion dass dein Gear den Unterschied macht?
Soweit der rationale Teil, dann gibt es bei mir aber auch der emotionale, der einfach den neusten geilen Scheiß haben und ausprobieren möchte. Ich vermute das trifft auf viele Hobbyleute zu, also man möchte sich mit der neuen Technik an sich beschäftigen und damit mal etwas rumdudeln. Das Ziel, ein fertiges Stück Musik, steht dabei nicht unbedingt im Vordergrund.
Mir machen dies Vergleiche zwischen Plugin X und Y und zwischen Hard- und Software auch Spaß. Ich weiß aber auch das diese Jagd nach ansich unwichtigen Nuancen meine Musik nie besser machen wird.
Weißt Du, ich würde mich nie als Profi bezeichnen, weil ich immer auch genau sehen, was ich vieles nicht kann und beherrsche. Ein Freund von mir macht mit sehr einfachen Mitteln wirklich filmreife Musik, wo ich einfach passen muss. Dafür kann ich aber einen guten Mix für ihn machen oder was mastern. Ich kenne mich halt mit den Dingen aus, die für mich wichtig sind und waren. Insofern würde ich nur als jemand bezeichnen, der viel Erfahrung hat und diese auch gern mit anderen teilt. Dadurch, dass ich Großteils keinen kommerziellen Background mehr habe, konnte ich mir Musik als etwas Besonderes bewahren - etwas, dass ich ohne Druck und Zwang tun darf. Die schönste Leidenschaft wird zum Zwang, wenn man irgendetwas MUSS.
Über die Jahre hat sich viel Gear angesammelt. Einige Geräte habe ich restauriert, midifziert oder CustomROMs eingebaut. Natürlich schätze ich auch den Klang dieser Geräte, aber im Vordergrund steht immer der Charme bei der Arbeit damit. Den Unterschied zwischen dem SH-101, dem System-1 oder dem Softube-Plugin würde ich nicht hören - schon gar nicht im Mix. Mein Minimax ist ein super Ersatz für einen Minimoog, den ich weder bezahlen könnte, noch einsetzen würde wollen. Ich bin Musikerin, keine Akustik-Physikerin.
Mittlerweile bin ich also sehr entspannt bei dem Thema. Drüben im Studio steht ein Marshall JCM800 - ich liebe wirklich diesen Amp. Aber mein Helix-Modeller kommt da so geil ran, dass ich mir das zum Recorden deutlich einfacher machen kann oder wenn man mal irgendwo zum Jammen zusammen kommt. Aktuell bin ich sogar auf der Suche nach alten Transistor-Amps, wie dem Peavey Musician o.ä. - m.M.n. hat man das Thema Tubeamp so geflutet, dass zumindest ich schon wieder nach Dingen suche, die halt nicht jeder nutzt.
Genauso finde ich den Markt analoger Synths völlig übersättigt und streckenweise nahezu belanglos. Ich suche Dinge, die mich inspirieren und da sind wir wieder bei den 5%. Dann und wann hatte ich mal solche Themen hier angeschnitten, aber viele reden lieber über Hardware, als übers Musikmachen. Auch finde ich, dass neues Gear nur bedingt als Inspiration dienen kann. Vielleicht die ersten Tage, aber irgendwann stellt sich bei jedem Gerät/Plugin eine Routine ein. Insofern stimme ich Dir in jedem Fall zu.
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P.S. Im übrigen ist Reaper eine richtig gute DAW. Damals bin ich von Cubase auf Reaper umgestiegen, weil ich nicht eingesehen habe etliche Hundert Euro für Stock-Plugins zu bezahlen, die ich nie genutzt habe. Zugegeben muss man da schon ein wenig nerdig drauf sein, aber der Funktionsumfang ist gewaltig, bei minimaler CPU-Auslastung. Reaper nutze ich, neben Bitwig, seit Jahren.