Stockhausen Helikopter Quartett

Jörg

Jörg

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Es ist zwar keine elektronische Musik, aber ich poste das hier trotzdem mal.
Ich glaube es gibt durchaus ein paar Leute, die sich für Stockhausen interessieren. Und irgendwie ist "Maschinenkunst" auch ganz passend. ;-)

Mir wurde zugetragen, dass in Kürze in Braunschweig das "Helikopter Quartett" zur deutschen Erstaufführung gelangt.
Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich das cool oder beknackt finden soll, aber irgendwie hat die Idee was. Rotorengeräusche werden "live" in Musik eingebunden.
Infos:
http://www.braunschweig.de/rat_verwaltu ... opter.html
 
Toll!

Mein Lieblingsensemble ist Cello, Hubschrauber und runterfallender Kühlschrank, da kommt Stockhausen gut. Es gab mal einen Ausschnitt im TV zu sehen. Für meine Begriffe ist das radikale Punk-Kunst oder so. Quasi die gängigen Strukturen komplett niedergerissen, ohne jede Rücksicht. G_itarren on stage zerdeppern ist dagegen Kindergarten :D
 
"runterfallender Kühlschrank"? :lol:

Hat er auch "jaulende Katze" (was an den Schwanz gebunden) im Repertoir? :rofl:
 
Habe mir soeben Karten für Sonntag gekauft. Es gibt drei Aufführungen: um 15 Uhr, 17 Uhr und 19 Uhr.
Ich bin bei der ersten dabei.
Kommt sonst noch jemand aus dem Forum? Würde mich freuen.
Es ist wirklich ein außergewöhnliches Ereignis, das auch nur selten stattfindet (wie Jörg bereits sagte, ist es in Deutschland die erste Aufführung), da die technische Umsetzung recht komplex ist.
Vier Hubschrauber mit jeweils einem Musiker. Die Musiker sind untereinander mit Kopfhörern über Funk synchronisiert. Die von ihnen produzierten Klänge (Streichinstrumente plus Stimme) werden ebenfalls per Funk zur Erde übertragen. Ebenso die Geräusche der Rotoren. Unten auf dem Flugplatz läuft alles in einem Mischpult zusammen, von dem aus Stockhausen die Klänge auf vier Lautsprechergruppen räumlich verteilt. Ebenso befindet sich dort eine Videowand, auf der die Hubschrauber zu sehen sind.
In jedem Hubschrauber befinden sich also neben dem Musiker und dem Piloten auch Techniker und Kameraleute.
Die Rotorengeräusche sind integraler Bestandteil der Komposition. Die zu wählenden Drehzahlen sowie die Flugrichtungen und -konstellationen sind dementsprechend in der Partitur vorgeschrieben, d.h. die Piloten sind bei diesem Stück auch Künstler.
Wie Ihr seht, eine höchstinteressante Angelegenheit.
Also - wer die Möglichkeit hat, sollte es sich nicht entgehen lassen.

Gruß,
Markus
 
Wenn man ein angesehener Musikprofessor ist, kann man ja auch wirklich jeden Scheiß verkaufen. Irgendwie bewundere ich solche Leute, auch für den außergewöhnlichen Mut, sowas durchzuziehen.
 
Ich schrieb ja schon oben, dass ich mir nicht ganz sicher bin, ob das nicht total beknackt ist. ;-)
Aber andererseits: Die Integration von originalen Maschinengeräuschen in einen musikalischen Kontext - ist das nicht total spannend?
Samples von Maschinengeräuschen sind seit Depeche Mode fast schon Klischee, aber die Maschinen selber miteinzubeziehen, das find ich als Idee erst mal gar nicht doof.
Stockhausens Experimente mit Sinusgeneratoren u.ä. sind jetzt vielleicht auch nicht die pure Schönheit :lol: aber dessen Bedeutung wird doch weitgehend anerkannt. :dunno:
 
Stockhausen hat mit mit Sinustönen nicht experimentiert - er hatte ganz konkrete Vorstellungen, die dann an Hand einer grafischen Partitur mit Zahlenangaben im Studio realisiert wurden.

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Die Zusammenstellung und innere Zusammensetzung des Klangmaterials geht also bereits einen Schritt weiter, als bei den bis dahin bekannten Beispielen; die Unterwerfung des Materials unter die ordnende Vorstellung des Komponisten und die Anpassung eines gegebenen Materials an die neuen Forderungen musikalischer Form könnten das Unheil abwehren, daß umgekehrt der Komponist von den Bedingungen des Materials beherrscht würde und aus den Widersprüchen von Material und Kompositionsmethode der ersten Jahrhunderthälfte nicht mehr herausfände.

Prinzipiell geht es überhaupt nicht um die Verwendung ungewohnter, unbedingt neuer Klänge - derart modische Chocs verbrauchen sich sehr schnell-, sondern darum, daß die musikalische Ordnung in die Schwingungsstruktur der Schallvorgänge hinein getrieben wird, daß die Schallereignisse in einer Komposition integraler Bestandteil dieses und nur dieses Stückes sind und aus seinen Baugesetzen hervorgehen: Textur des Materials und Struktur des Werkes sollen eins werden; mikrotonale und makrotonale Form müssen gemäß der Formidee für jedes Werk wieder neu in Übereinstimmung gebracht werden.
Dabei sind die bisherigen Vorstellungen von musikalisch >tauglichen< Schallvorgängen zu revidieren: Jeder überhaupt nur vorstellbare Schall kann, wenn er aus der komponierten Struktur eines Werkes notwendig hervorgeht, musikalisch verwendet werden. Klänge, Geräusche - wie immer sie beschaffen sein mögen - sind zunächst bloßes Material, und nichts veranlaßt dazu, gewisse Schallvorgänge von vorneherein für den musikalischen Prozeß auszuschalten.

Karlheinz Stockhausen - Arbeitsbericht 1952/53: Orientierung, Seite 35 unten
 
Bernie schrieb:
Wenn man ein angesehener Musikprofessor ist, kann man ja auch wirklich jeden Scheiß verkaufen. Irgendwie bewundere ich solche Leute, auch für den außergewöhnlichen Mut, sowas durchzuziehen.

es gibt in der kunst schon so gewisse unterschiede zwischen können und wollen. kunst kommt von können - käme sie von wollen, wäre es wulst.

um das ganze noch ein wenig zu steigern, würde ich empfehlen, das cockpit und die maschine des hubi vollständig mit altem heftpflaster vollzupappen und den katzendärmler mit alter ranziger butter einzuschmieren, ein filzhut obendrauf würde auch noch passen. wenn die aktion dann noch wie geplant steigt... also der hubi hebt ab und der fiedler fiedelt sein ding.... erst erst dann isses kunst.

;-)
 
KlangRaum schrieb:
kunst kommt von können - käme sie von wollen, wäre es wulst.

KANNST Du das spielen - auch wenn Du WOLLTEST?

MSIC5.gif


Gruß,
Markus
 
Markus Berzborn schrieb:
Wieso, was findest Du daran Scheiß?

Gruß,
Markus
Ich weiß ja auch nicht, was ich davon halten soll, meine Gefühle sind da eher gemischt. Ich bin bestimmt auch kein großer Kunstkenner.
Ich würde mich jetzt nicht trauen, so etwas extrem Ungewöhnliches zu machen, auch wenn ich die technischen / finanziellen Möglichkeiten dazu hätte.

Zumindest ist es ein wirklich neues musikalisches Experiment, ein Werk, das bestimmt sehr polarisieren wird.
Einige werden es sehr lieben, andere um so mehr hassen.
Das ist ähnlich, wie bei den Arbeiten von Joseph Beuys.
 
Dieses Stück ist schon seit vielen Jahren mein absoluter Liebling unter den Stockhausen-Werken, auch wenn ich bisher nur die Partitur bewundern konnte. Leider muss ich am Wochenende in Brüssel spielen, weswegen ich nicht zu den Aufführungen kommen kann.
 
So, bin seit etwa zweieinhalb Stunden wieder zu Hause.
Waren ja für mich immerhin ca. 870 km Autofahrt an einem Tag.
Hat sich aber unbedingt gelohnt.
Wenn die Fotos (analog) fertig sind, setze ich vielleicht mal was rein.

Gruß,
Markus
 
So, hier die versprochenen Bilder des Konzerts. Ich übernehme das mal größtenteils aus einem Beitrag, den ich in einem anderen Forum geschrieben habe.
Das werdet ihr mir sicher nicht übelnehmen, zumal da meines Wissens kaum jemand von den Leuten hier angemeldet ist.

Verteilung der Klänge der vier Streicher und der vier Hubschrauberrotoren auf vier Lautsprecher

Klangregisseur.jpg


Ständige Kommunikation mit den vier Helikoptern. Für den Fall, dass die Funkverbindung ausfällt (was aber nicht passiert ist), stand eine Aufnahme der Probe bereit.

Kommunikation.jpg


Hier der Regie-Arbeitsplatz von hinten gesehen etwa eine halbe Stunde vor dem Konzert:

Regieplatz.jpg


Zwei der Hubschrauberpiloten geben noch kurz Interviews.

Piloten.jpg


Eine der Botschaften vom Mittwoch

Mittwoch.jpg


Nach einem kurzen Einführungsvortrag spielt das Quartett zur Demonstration einen Ausschnitt des Stücks "am Boden".

Quartettdemo.jpg


Die vier Musiker auf dem Weg zu ihren Hubschraubern.

Abflug.jpg


Der erste Helikopter hebt ab.

Abflug1.jpg


Und bald darauf ist der zweite in der Luft.

Abflug2.jpg


Synchrone Übertragung von Bildern der Musiker aus den Hubschraubern in Echtzeit auf vier Bildschirme bzw. Leinwände

Screens1.jpg


Screens2.jpg


Screens3.jpg


Die Hubschrauber kehren zurück.

Landeanflug.jpg


Musiker, Techniker und Piloten auf dem Weg zurück zur Halle, wo sie ihren wohlverdienten Applaus entgegennehmen.

Rueckkehr.jpg


Gruß,
Markus
 


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