WDR 3 Studio Elektronische Musik - Allgemeines & Zukunft des historischen Studios

Ich finde es schwierig, das so zu formulieren, dass es nicht verletztend oder anmaßend wirkt, denn beides liegt mir, das kann ich Dir wirklich & wahrhaftig versichern, vollkommen fern – aber dennoch: Sagt das Obige nicht mehr über Dich als über die Musik von Stockhausen aus?

Und in die Runde gefragt: Besteht vielleicht die Möglichkeit, dass die eigenen Schwierigkeiten mit Stockhausens Musik als Indiz dafür umgedeutet werden, dass all diejenigen, die mit Stockhausens Musik "etwas anfangen" können, dies nur zu empfinden glauben, weil sie dem Irrglauben verfallen sind, dass man Stockhausen nun einmal toll zu finden habe, um dadurch eine Art sozialer Statuserhöhung zu erfahren – während man selber dies alles als Lug & Trug und eitles Gehabe durchschaut zu haben glaubt?

Twist the plot. lol.
 
Ich finde es schwierig, das so zu formulieren, dass es nicht verletztend oder anmaßend wirkt, denn beides liegt mir, das kann ich Dir wirklich & wahrhaftig versichern, vollkommen fern – aber dennoch: Sagt das Obige nicht mehr über Dich als über die Musik von Stockhausen aus?

selbstverständlich liegt es immer auch am betrachter ob bei ihm was ankommt oder nicht, die frage stellt sich doch gar nicht, aber entlastet das den schöpfer des werkes wirklich vom vorwurf, sein werk enthielte zuwenig gehalt, so dass es eben auch schwer ist, etwas zu empfinden? *)

und das ist nicht damit zu verwechseln welchen verstand oder welchen geschmack man so hat.

schlager sagt mir ja auch wenig, weil er mir nicht zusagt. aber man kann da trotzdem sofort erkennen, warum und dass es emotionen auslöst. man versteht die musikalische struktur, den text, die stimmung die rüber kommen soll. sie gefällt halt nur nicht (jedem.)
und, was noch wichtiger ist: die stimmung kommt auch an, wenn man nicht versteht warum und schlager nur unbewusst im hintergrund laufen hört.


bei musique concrete ist das ungleich schwieriger.

da kommt nicht nur bei mir nichts an, sondern ich kenne auch fast niemanden, bei dem was ankommt. (im gegensatz zu schlager: schlagerparties sind meistens ausgebucht und viele stehen drauf)

es scheint mir teilweise fast so, als ob bei solchen werken gar nichts ankommen soll. als ob ganz bewusst auf größen wie eine spannungskurve verzichtet wurde, damit man noch besser hören kann, dass es sich um eine bloße aneinanderreihung von geräuschen zum selbstzweck handelt:



natürlich kann man das jetzt im kontext sehen, und berücksichtigen, dass der schöpfer dieser aufnahme einer der ersten war, der sowas überhaupt gemacht hat. und dass man es wertschätzen sollte, dass sich jemand die mühe gemacht hat, das alles wissenschaftlich zu erforschen, ob das so nicht vielleicht auch was wird. und das so manches, was ich heute mache, ein bischen auch darauf beruht.

aber davon löst es eben noch keine gefühle aus, wenn man es sich anhört.

ein experiment ist noch kein künstlerisches werk. die sinnstiftung von schallwellen dieser art geschieht doch ausschließlich durch die mitgelieferte bedienungsanleitung, wo man dann lernen kann, dass der schöpfer ein pionier war und das bundesverdienstkreuz dafür bekommen hat, dass er es geschafft hat, berühmt zu werden.

es frage sich mal ein jeder selbst, welche stimmung in ihm aufkommt, welche bilder er sieht, wenn er sich jetzt hinsetzt und sich 57 minuten lang drones anhört.

wobei ich meinen arsch drauf verwetten würde, dass nicht mal diejenigen, die behaupten, da sei nennenswerter gehalt drin, sich das jetzt 57 minuten lang antun. es ist einfach zu langweilig. :)

*)
bleibt also abschließend nur noch die frage zu klären, welches die wichtigere verbindung eines werkes ist; die zu seinem schöpfer oder die zu seinem betrachter. ich habe das - aus naheliegenden gründen - für mich schon lange beantwortet.
 
Hymnen -ein absolutes Meisterwerk :)
Langweilig? Nöö.
Dann hat sich ja auf jeden Fall für dich die weite Reise gelohnt, um diese Klanngwelt unter optimalen Abhörbedingungen kennenzulernen. Ich hatte bei meinen Besuchen den Eindruck, dass sich das bei dem Großteil der Besucher so nicht eingestellt hatte. Entweder quatschen sie belangloses Zeug während der Hörsessions, gingen rum oder raus, um eine zu paffen. Die Faszination für diese Musik wurde ganz offensichtlich durch die banalen Vorführungen mit Bandmaschinen und Bandschleifen nicht ausreichend vermittelt.
 
selbstverständlich liegt es immer auch am betrachter ob bei ihm was ankommt oder nicht, die frage stellt sich doch gar nicht, aber entlastet das den schöpfer des werkes wirklich vom vorwurf, sein werk enthielte zuwenig gehalt, so dass es eben auch schwer ist, etwas zu empfinden?
Aber wer beurteilt anhand welcher Kriterien, ob ein "werk zuwenig gehalt enthält"?

Und was macht man in dem Fall, in dem verschiedene Hörer zu verschiedenen Urteilen über den "enthaltenen Gehalt" gelangen?

Bernie findet Hymnen nicht langweilig, Dirk ebensowenig, ich auch nicht. Himmel, ich bin Ende 2005 nach London gereist, weil es dort "Kontakte" und "Oktophonie" zu hören gab, und zwar in Quadrofonie bzw. Oktophonie. Als ich 2011 im ehemaligen "Studio für Elektronische Musik des WDR" einen Ausschnitt aus "Hymnen" gehört habe (Dirk hat ihn weiter oben verlinkt), hat es mich derart gepackt, dass ich am ganzen Körper eine Gänsehaut hatte. Und dieses Jahr habe ich "Gruppen (für drei Orchester)" live hören können, und ein Freund ist aus eigenem (!) Antrieb mitgekommen, und wir haben es beide in vollen Zügen gebossen.

Kurz: Es gibt Menschen, die den Gehalt in diesen Werk wahrnehmen können.

Du vermutest dagegen, wenn ich Dich richtig verstanden habe, das Werk habe einen zu geringen Gehalt, und dass es Dir deshalb schwer fiele, etwas zu empfinden. Wie kann man diese unterschiedlichen Wahrnehmungen erklären?
 
Mit Hymnen wiederum konnte ich noch nie etwas anfangen. Andererseits ging es mir mit den Jünglingen ähnlich: vor Jahrzehnten 0 Zugang. Irgendwann kehrte sich dies dann ins Gegenteil. Will sagen:
Manchmal kommt es auch auf den richtigen Zeitpunkt an.

Serge sprach es schon an: Neue Musik sollte man live erleben. Sehen wie der Klang entsteht, sehen wie das Orchester miteinander agiert. Das bringt mehr wie so manches Gebrabbel.
 
Mal allgemein: Wenn ein Ziel im Leben lohnend erscheint, wird man sicherlich auch einen schweren Weg gehen, dies zu erreichen. Wenn man jedoch von vorne herein keinen Sinn im Erreichen des Ziel sieht, weil man es schon im Vorfeld ablehnt, ohne es ausreichnd zu kennen, dann lässt man es. Ist ja auch viel zu schwer und bringt nichts.
 
Du vermutest dagegen, wenn ich Dich richtig verstanden habe, das Werk habe einen zu geringen Gehalt, und dass es Dir deshalb schwer fiele, etwas zu empfinden. Wie kann man diese unterschiedlichen Wahrnehmungen erklären?
Man muss sich eben Zeit nehmen und diese Musik bewusst hören, was in unserer heutigen hektischen Zeit immer seltener der Fall ist.
Es ist ein ganz allgemeines Problem.
Hymnen berührt mich schon sehr stark, ich bekomme da manchmal ein beklemmendes Gefühl.
Ähnlich passiert mir das auch bei "Der Osten ist rot" von Holger Czuckay.
 
Wie kann man diese unterschiedlichen Wahrnehmungen erklären?
Mit einem Werk das als Kunst versagt weil es als Kommunikat offenbar nicht funktioniert. Wie schon gesagt.

Jemand mag das strukturierte Geräusch der Müllabführ auch als beeindruckende Musik erleben, das macht sie aber noch nicht zur Kunstperformance.

Auch dann nicht wenn einer das auf Quaddrophonie einspielt und eine Bedienungsanleitung dazu veröffentlicht ohne die die Aufnahme unverständlich bleiben soll. Gerade dann nicht.

Es geht auch nicht um einen diffusen nicht fassbaren "Gehalt", sondern um instantane Perzeption mental emotionaler komplexer Zustände
die vom Urheber auch so intendiert waren.
"Gänsehaut" ist da erstmal kein Kriterium, eine Geisterbahn ist noch keine Kunst, auch hier nähern wir uns wieder dem Religiösem,
einer Art Epiphanie, die zwar durchaus bei Kunst vorkommen kann, aber als Merkmal nicht ausreicht.

Ein Blick in eine atemberaubende Landschaft macht diese auch nicht zur Kunst, mag sie noch so bewegen.

Es ist wie gesagt ein Randbereich, aber wohl bereits auf der anderen Seite der wie immer gearteten Grenze, und zwar vermutlich der Grenze hin zur Religion, was die Art des Gedankengebäudes beim Urheber und beim Rezipienten an geht.
 
Kunst setzt auch infornationstheoretisch eine Art intuitives komplexes Code Book beim Empfänger voraus
das zB soziokulturelle und tiefenpsychologische Symbole enthält.
Gerade das fehlt dem Werk um das es hier geht ja, es ist idiosynkratisch.
Das kann Kunst sich halt nur in gewissen Grenzen erlauben, indem die Idiosynkrasie entschlüsselbar bleibt
oder eine andere Funktion innerhalb des Werkes einnimmt.
Das ist hier nicht der Fall.
Idiosynkrasie macht alleine macht keine Kunst, nicht mal im, Dada.
 
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Stockhausen hat Schwingungen aus dem All empfangen, nach eigenen Angaben war er ein Radioapparat.
 
Wie gesagt, Schostakowitsch.
Er hatte einen Schrapnellsplitter im Kopf.
Wenn er den Kopf neigte, hörte er Musik, die er dann aufschrieb.
 
Aber wer beurteilt anhand welcher Kriterien, ob ein "werk zuwenig gehalt enthält"?

Und was macht man in dem Fall, in dem verschiedene Hörer zu verschiedenen Urteilen über den "enthaltenen Gehalt" gelangen?

ich denke nicht, dass es ausreicht zur definition der "ausreichenden schöpfungshöhe" drei einzelbeispiele in form von fanboys anzuführen.

und bernie oder dirk sind auch ungeeignete beispiele um mich zu überzeugen, da die sich künstlerisch um einiges weiter weg von stockhausen befinden als ich. :) um nicht zu sagen, um welten!

bernie ist ja außerdem der auffassung, dass nur der wirklich künstler ist, dem es gelingt damit bekannt, berühmt, und reich zu werden, und erkleärt damit die hälfte aller weltbekannten maler und komponisten wörtlich zu "versagern".

und das ist glaube ich in der tat die stelle, an der sich die geister scheiden.

denn wer "stockhausen" derart überhebt, der disrespektiert damit gleichzeitig hunderte andere, die ganz ähnlich obsessiv ganz ähnlich tolle werke geschaffen haben, die nur leider niemand kennt.

weil eben nicht jeder beim WDR arbeiten will oder lust hat, sich als professor an einer hochshcule zu verdingen, weil das beides ja nicht nur möglichkeiten der selbstvermarktung, sondern auch den zwang, künstlerische kompromisse zu machen, mit sich bringt.


im allgemeinen sprachgebrauch ist "künstler", wer werke der kunst schafft und dazu auch eine gewisse kompetenz mitbringt.

und während man über die details sicher streiten kann, muss man an dieser stelle zunächst einmal zugeben, dass das zweifelsfrei auf stockhausen zutrifft.

was die definition im recht und in den wörterbüchern nicht hergibt, ist dabei einfach die zu unterschlagen, die man nicht kennt, und den begriff des "künstlers" auf die topstars und den des "kunstwerkes" auf deren arbeiten zu reduzieren.

es wird immer so getan, als ob die 5 leute, die am bekanntesten sind, die ersten und einzigen wären, die irgendwas erfunden und gemacht und geleistet hätten. tatsächlich haben wohl tausende andere künstler in den fünfzigern genau das gleiche gemacht wie stockhausen, und nein, das kann ich jetzt nicht belegen, weil ja 4995 davon vollkommen unbekannt sind.

Bernie findet Hymnen nicht langweilig, Dirk ebensowenig, ich auch nicht.

es gibt immer unterschiedliche bewertungen und empfindungen, weil die halt immer nur subjektiv sind.

Du vermutest dagegen, wenn ich Dich richtig verstanden habe, das Werk habe einen zu geringen Gehalt, und dass es Dir deshalb schwer fiele, etwas zu empfinden. Wie kann man diese unterschiedlichen Wahrnehmungen erklären?

zunächst bin ich, genau wie ihr fanboys umgekehrt auch, davon beeinflusst, dass ich eine wie auch immere geartete abstrakte oder intellektuelle kritik an schöpfer habe. das heißt, man weiß, dass es von stockhausen ist, und weil man den blöd findet, will man auch seine musik nicht mögen.

(es gibt auch sachen von ihm, die ich mag, das per zufall gefundene video, was ich oben verlinkt haben, finde ich aber wirklich grottenlangweilig)

in bezug auf die schöpfungshöhe, wenn du dir mal anschaust, was "schöpfungshöhe" dort, wo es nicht scherzhaft gemeint ist, bedeutet, dann wünsche ich dir viel spass dabei zu versuchen, eine aneinanderreihung von 9 drones und 5 sprechstimmenschnipsel bei der gema als partitur einzureichen um es als E musik registrieren zu lassen.

probiere es doch mal selbst aus die verschiedenen drones in dem obigen stück in der reihenfolge zu verändern. dann bleibt es das gleiche lied! :) wie bei vielen pop- und techno produktionen auch. wo ist da der fortschritt und die neuartigkeit, die sich stockhausen in dem interview zitat von oben selbst zuschreibt?
 
Zuletzt bearbeitet:
ja ja, ich widerspreche deiner idee nicht grundlegend, ich habs nur einfach auch mal nur formal und "von außen" betrachtet.

denn meine frage, welche beziehung zum werk denn wichtiger sei, die des rezipienten oder die des schöpfers, hat serge ja nicht beantworten wollen oder können.
 
:fressen:

Kommt mir vor wie in der Zeitschleife hier... bin fast sicher, den exakt selben Thread 1998 im Keyboards-Forum schonmal gelesen zu haben. Vielleicht täusche ich mich auch.
 
ich denke nicht, dass es ausreicht zur definition der "ausreichenden schöpfungshöhe" drei einzelbeispiele in form von fanboys anzuführen.
und bernie oder dirk sind auch ungeeignete beispiele um mich zu überzeugen, da die sich künstlerisch um einiges weiter weg von stockhausen befinden als ich. :) um nicht zu sagen, um welten!
Ich würde mich nicht als "Fanboy" von Stockhausen bezeichnen, finde aber einige seiner Kompositionen schon sehr bewundernswert.

ist ja außerdem der auffassung, dass nur der wirklich künstler ist, dem es gelingt damit bekannt, berühmt, und reich zu werden, und erkleärt damit die hälfte aller weltbekannten maler und komponisten wörtlich zu "versagern".
Das habe ich an keiner Stelle so geschrieben. Außerdem sind deine, ich zitiere: "weltbekannten maler und komponisten" ja bekannt und berühmt und somit keine Versager.
Ich bin lediglich der Meinung, das jemand noch lange kein Künstler ist, nur weil er das selbst von sich behauptet, sondern das die Gesellschaft das entscheidet.

denn wer "stockhausen" derart überhebt, der disrespektiert damit gleichzeitig hunderte andere, die ganz ähnlich obsessiv ganz ähnlich tolle werke geschaffen haben, die nur leider niemand kennt.

weil eben nicht jeder beim WDR arbeiten will oder lust hat, sich als professor an einer hochshcule zu verdingen, weil das beides ja nicht nur möglichkeiten der selbstvermarktung, sondern auch den zwang, künstlerische kompromisse zu machen, mit sich bringt.
Stockhausen war ja nicht der einzige Komponist, der dort gearbeitet hat, da gab es ganz viele großartige Künstler.
Stockhausen war aber in vielen Dingen unbestritten ein Wegbereiter in der neuen Musik.


in bezug auf die schöpfungshöhe, wenn du dir mal anschaust, was "schöpfungshöhe" dort, wo es nicht scherzhaft gemeint ist, bedeutet, dann wünsche ich dir viel spass dabei zu versuchen, eine aneinanderreihung von 9 drones und 5 sprechstimmenschnipsel bei der gema als partitur einzureichen um es als E musik registrieren zu lassen.
Das kann eigentlich nur einer schreiben, der noch nie auf dem Nagel saß.
 
Das hier wäre ja beim Besuch schön gewesen: Demonstration des Impulsgenerators mit dem Abstimmbaren Anzeigeverstärker.
ftp://ftp.scene.org/pub/music/groups/earlabs/lc12/utrecht7.mp3

Das rockt. Muss man schön laut hören, da lachen die Lautsprecher. Tanze dazu immer gerne abstrakt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kann mir jemand bitte sagen, worauf, also welches Stück da gemeint ist, also falls das hier irgendwo verlinkt ist. Würde ich nämlich gerne mal hören. Oder ist das nur eine Anmerkung?
ich glaube das die Hymnen damit gemeint waren.
Es war für mich ein echtes Erlebnis, als ich das über Mehrkanalton hören konnte und da war ich nicht der Einzige, dem dabei die Kinnlade herunterfiel.
Wie die Einzelklänge der Stimmen im Raum angeordnet sind, sich manchmal verlieren aber dann wiederfinden um dann nur so um einen herumzufliegen -Wahnsinn...
Das ist schon ein richtiges großes Meisterwerk und hat mit ein paar Samples zusammenkleben wirklich nichts gemeinsam.
 



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