Welche Elektronische Musik ist angesagt

Rolo schrieb:
Ui , ich war schon lange nicht auf juno.Ich war oft enttäuscht und oft war es eher Dancemusic in der Kategorie "Electro"
Diese Woche aber kam richtig guter Stoff raus also zumindest eine Platte (die Mikron) gefällt mir wirklich gut.
http://www.juno.co.uk/electro/this-week/
also diejenigen, die ganz oben sind in den juno charts verkaufen schon noch gut.
nur so als kleine nebeninfo ;-)
 
ollo schrieb:
elektronische musik hat einen höheren stellenwert als jemals zuvor denke ich. okay, in den 90ern war es vielleicht in europa noch mehr aber weltweit geht jetzt so viel wie noch nie zuvor, weil die usa mit 20 jahren verspätung auch mal festgestellt haben, das elektronische dance musik wirklich toll sein kann.

Ich denke, Du irrst Dich. Diese Musik mit ihren verwandten Spielarten ist inzwischen 30 Jahre alt und da ein wichtiges Stilmittel die Einfachheit, die stereotype Verwendung ähnlicher oder gar gleicher Klänge usw.. Dann kommt noch dazu dass DJs heute alles mögliche miteinander mischen, kombinieren, anders gesagt: wiederverwerten. Dann schau Dich um und achte mal darauf wer regelmäßig Geld ausgibt um Musik zu kaufen. Wenn Du Dich ständig mit dieser Musik befasst, siehst Du nur noch diese und deshalb schätzt Du das anders ein.
 
Ich weiß nicht. Früher hab ich regelmäßig von Ersparten Cds im gut sortierten Laden gekauft und habe mir tolle neue Sachen von einem Musiknerd zeigen lassen (Amon Tobin war zum Beispiel für mich damals neu), heute mach ich das Digital entweder direkt beim Künstler oder durch diverse Onlineservices. Empfehlungen kommen von Online Magz, Foren wie diesen etc.
Unsere Buchhaltubg hat zum Beispiel ein Spotify Account der monatlich Geld kostet. Sie hat früher die Bravo Hits gekauft. Ich sehe nur eine Verlagerung.
 
ollo schrieb:
[...] weil die usa mit 20 jahren verspätung auch mal festgestellt haben, das elektronische dance musik wirklich toll sein kann.

Ich bin kein Kenner der Materie, aber sind Electro und Techno sowie Acid House nicht ursprünglich aus Detroit und Chicago über England nach Europa geschwappt, wo es erst Ende der 1980er in England und dann im Rest von Kontinentaleuropa (unter Federführung Deutschlands) zur Rave-Bewegung der 1990er ausgeartet ist?

Nur so als blöde Frage, wer wann wo noch nichts gemerkt hat.

Stephen
 
Ich meinte mit hohem Stellenwert allerdings die Beliebtheit für elektronische Mukke generell.Ich glaube in Pop und Rock
haben Synths glaube ich nicht mehr den Stellenwert wie in den Jahrzehnten davor.In den frühen 80ern waren Synthesizer regelrecht modern
und dabei die Massen zu erfassen.Das ist heute denke ich nicht mehr so.Wird auch glaube ich nie wieder so sein.
Oder wenn ich nur an Manfred Mann denke...solche geniale Musik wird doch heute gar nicht mehr produziert oder? Wenn ja würde ich nicht abgeneigt
sein mir Beispiele anzuhören.
 
606 schrieb:
Gibt auch so riesige Festivals, wie "Tomorrowland", da wird ganz schön was aufgefahren in Sachen Show. Suchbegriff "EDM Tomorrowland" bei Youtube spuckt als erstes Ergebnis das hier aus:

Hab selbst von dem Video höchstens 40 sekunden gesehen beim durchskippen, länger halte ich das nicht aus. Für mich ästhetisch nah dran am guten alten Deppen/Kirmestechno der 90er. Geschmacksache halt. Jedenfalls wird da dick Kohle rausgehauen

Schon heftig was die jungen Leute so für Musik aushalten.
 
wow - da wird gefragt was so angesagt ist und es wird hier der guten alten zeit nachgeweint ... uijuijuijui


naja _ reine elektronik wird eher seltener richtig "gut" ohne retro zu sein ... alles was ich so mitbekomme was nicht gleich stutterFXgeshreddr ist, ist doch eher "kombiniert"neu ...


... aber nach der ganzen elektronischen welle hat sich im pop doch deutlich die strukturen bzw. die produktionsmethoden niedergeschlagen. das bringt doch sehr elektronisch anmutende sachen hervor.
 
ist jetzt nicht meine mucke aber n passendes beispiel für das was ich meine mit produktionsmethoden und style ... ist halt hier mehr die hippiefraktion.

 
das hier erinnert ein bisschen an eine stammtischrunde, wo ein paar 60 jährige, die ihre infos aus der bild beziehen über die welt diskutieren.

Rolo schrieb:
Ich lebe hinterm Mond bzw. in der Vergangenheit
wenigstens einer weiss bescheid.
:lol:
 
hertzdonut schrieb:
das hier erinnert ein bisschen an eine stammtischrunde, wo ein paar 60 jährige, die ihre infos aus der bild beziehen über die welt diskutieren.

Rolo schrieb:
Ich lebe hinterm Mond bzw. in der Vergangenheit
wenigstens einer weiss bescheid.
:lol:

Ha Ha , du junger Hüpper hast in den 80ern wahrscheinlich noch gar nicht gelebt ,Anfang 90er hast du noch wahrscheinlich noch in die Windeln geschissen. :lol:
Du hast doch keine Ahnung kleiner. :doof: Die Bild hasse ich übrigens du arroganter kleiner Sack ;-)
 
ich bin wahrscheinlich älter als du. auch gibt es kein problem, ich habe dir ja zugestimmt. wird man jetzt schon als arrogant abgestempelt wenn man leuten bei ihren aussagen zustimmt? geh lieber wieder ein bisschen electro defenden.
 
Ich dachte du wolltest mich ins lächerliche abschieben.Naja ..ich hatte nach meinem frechen post schon die vermutung das ich etwas in den falschen Hals bekommen hatte :peace:
Bist du echt schon so ein alter Sack?Naja dann hast du ja schon einige Jahrzehnte hinter dir gelassen ;-)
Ich habe trotzdem bei dir irgendwie das Gefühl daß du manchmal ein bisschen durch die Blume dissen ,und danach von nix wissen tust.Kann das sein oder täusche ich mich da?
 
Rolo schrieb:
Ich frage mich ob es heutzutage noch Elektronische Musik gibt die angesagt ist, sich gut verkaufen lässt.
Gibt es noch labels die zulassen dass man ihnen demos schickt?
Ich lebe hinterm Mond bzw. in der Vergangenheit und weiss über den heutigen Musikmarkt nichts.
Gibt es überhaupt noch einen Markt?
Hat Elecktronische Musik noch irgendeinen Stellenwert?
Sagt die Mainstream was? Musik ist heute meistens elektronisch oder hat deutliche Einflüsse.
Labels laufen meist unter den Majors Warner, Sony, Universal Group etc...
Electro Pop, Trap, Dubstep, Trance, Schlager, Rock und Metal, Pop, HipHop sind so Hauptkategorien die sehr Populär sind.
Definition von Elektro ist eben schwierig. Ausschließlich elektronisch erzeugte und populäre Musik ohne Gesang ist vermutlich Trance und Dubstep und Techno, aber auch teils Ambient. Man sieht schon das ist nicht so einfach da die Frage schon fast eine Metafrage ist.

Der Markt ist im Netz.
 
Die wo Dubstep machen haben gut Ahnung von der LFO Sektion, das verdient meinen Repekt. Aber mir persönlich fehlt das "treibende" beim Dubstep. Diese LFO Vreakouts oder wie immer man sie nennt sind cool aber das ist wie ein Fillin in der Mitte einer Strophe einfach so. Es bringt für mich persönlich das Lied aus dem "Groove" Deswegen mag ich es nicht so : D

Will aber niemandem auf die Füsse treten. Ich respektiere jede Musik.
 
Bernie schrieb:
der aktuelle Trend geht aber weg von Elektronik und klar in Richtung Singer/Songwriter, Musik mit akustischer Klampfe und so.
Das sehe ich - partiell - im Moment auch so.
Hier in Südostdeutschland aka Bayern gibt es eine relativ neue Radio-Station "EgoFM", in den Städten über Antenne, sonst per Netz. Der Sender ist komplett auf Leute zwischen 20 und 30 ausgerichtet. Strikte Auswahlregel für Musik ist: Mit Gesang; in weiterer Folge natürlich "songorientiert". Wenn es da Instrumental-Musik gibt, dann ganz wenige Titel in Spezialsendungen. In der laufenden Rotation existiert reine Instrumental-Musik nicht.

Damit fällt extrem viel Elektronische Musik automatisch raus. Was da recht häufig läuft ist, halt die songorientierte Elektro-Musik, die soeben erwähnten La Roux oder Crystal Fighters eingeschlossen (letzteres für meinen Geschmack übrigens grottenlangweiliges, abwechslungsloses Getüttel - hört nur zu und schaut nicht das nette Video an, und es nervt sofort). Standard ist dann sowas wie Cazzette ft Heigh - Sleepless oder Disclosure ft London Grammar - Help Me Lose My Mind.

Wie da die Produktionsweise ist, merkt man auch an den Titelbeschriftung: <$PRODUZENT> featuring <$SÄNGER> - <$TRACKNAME>. Die Musik macht ein elektronischer Musiker, und es wird ein Sänger zum Song dazugesucht (und zwar seltenst vom Produzenten, sondern meist vom Management der beiden).



Und damit kommen wir zum nächsten wichtigen Punkt:

Wo verdient so ein Musiker sein Geld? Nein, nicht mit den "Platten". Das entscheidende ist der Auftritt. Die "Platte" ist nur noch Promogegenstand für den Auftritt. Und bevor sich jetzt jemand freut und die Synthis einpackt: Auftritt bedeutet DJ-Auftritt. Wer nicht auflegen kann (oder eine Playlist laufen lassen und dazu die Fäuste schütteln), der verdient kein Geld als Musiker (siehe Zolos Bekenntnisse letzthin im Geldverdienen-Thread).




Und damit ein bisschen der Gearlust gefrönt sei: Hört Euch mal dieses EDM-Video von oben an, ohne hinzusehen. Das ist von den Sounds all das, von was wir hier ständig begeistert reden. Die trauen sich klanglich was.
 
Dass wir meinem Eindruck nach die Ausgangsfrage noch nicht vernünftig beantworten konnten, liegt evt. auch daran, dass man unter »angesagt«, und sogar unter »verkauft sich gut«, sehr verschiedene Dinge verstehen kann. Davon hängt dann wiederum ab, was man als Anschuungsmaterial verwendet, und zu welchem Ergebnis man kommt (auch hinsichtlich der Frage nach der historischen Entwicklung, zu der wir ja mehr oder weniger abgedriftet sind). Drei Facetten würden mir spontan einfallen:

1) »angesagt« im Sinne von reinen Tonträgerverkäufen (und parallel dazu, heute stärker als früher: Umsatz im Live-Geschäft).
Da kann man sich z.B. mal die Charts von '85/95/05/15 vornehmen und einfach mal schauen, wie es denn mit der Angesagtheit elektronischer Musik so über die Zeit hinweg bestellt ist. Ich habe hier noch keine Auswertung vorgenommen; das überlasse ich denen, die es stärker interessiert, und die besser informiert sind (bei mir scheiterts schon daran, dass mir bei 2015 bis auf Major Lazer kein einziger der Interpreten etwas sagt...). Zu bedenken gebe ich aber mindestens, dass das Modell »kommerziell erfolgreiche elektronische Musik 1995« evt. ein anderes ist als das »kommerziell erfolgreiche elektronische Musik 2015«. Die Hanseln, die als Snap, Rednex, und wie sie alle hießen, durch die Hallen und die Bravos hüpften, sind natürlich nicht dieselben Personen wie die Profiteure des Erfolgs (das waren die Produzenten im Hintergrund). Heute hingegen, bei Calvin Harris oder Paul Kalkbrenner, ist das anders. In diesem Modell sind die Rollen ›Produzent‹ und ›Gesicht‹ wieder von derselben Person besetzt.

SuMKVZy.png

5Bq44rK.png

1HV7pPU.png

PCK1Pg9.png


2) »angesagt« im Sinne von »sozial akzeptiert«. Finde ich persönlich viel interessanter. Hier meine ich ganz klar zu beobachten, dass sich zwischen den Mitt-Neunzigern und heute die Akzeptanz von elektronischer Musik *massiv* verbreitert hat, und zwar sowohl hinsichtlich der sozialen Schichten als auch der Altersgruppen. Mit 16, 17 war ich auf Klassenfahrt in Berlin. Ganz groß angesagt: die »Mayday«. Einige Klassenkameraden brüsteten sich damit, dorthingehen zu wollen. Ich weiß nicht, ob sie's getan haben, ist auch egal, denn alleine für das Bedürfnis danach hatte ich mit meiner Punk/HC-Sozialisation nur Verachtung übrig. Als wahrscheinlich unbewusste Referenz an Frau Schwarzer und ihre Kampagne »PorNO!« stand auf meiner Federmappe »TekkNO!«. Techno, also das damalige Synonym für elektronische Musik, war aus ›unserer‹ Sicht etwas für Leute, die als Abschaum zu bezeichnen noch freundlich war. Daran änderte auch nichts, dass diese Leute mit uns in denselben Lateinstunden saßen und ihre Papas Anwälte und Ärzte waren. Drei Jahre später: man zog aus der westdeutschen Provinz nach -- Berlin. Dort begann man, zunächst hinter vorgehaltener Hand, auch Veranstaltungen mit elektronischer Tanzmusik zu besuchen. Selbstverständlich ausschließlich Drum'n'Bass, welches unter den Technoprolls als ›Intellektuellenmucke‹ verschrien war (was uns sehr entgegen kam). Ach ja, ebenfalls hören durfte man vielleicht noch Aphex Twin, denn der war ja irgendwo der Punk der elektronischen Musik.

Ab da, also im Laufe der Nullerjahre, muss sich die Akzeptanz von (im weitesten Sinne:) Techno & Co. rasant erhöht haben. Man konnte problemlos am selben Abend mit seiner Doom-Drone-Band auftreten und danach noch auf die nächste Technoparty. Ricardo Villalobos, Ellen Allien und wie sie alle hießen, waren ohne weiteres studentenkompatibel, und wir konnten uns sogar was darauf einbilden, wie weltoffen und sozial-integrativ Techno doch sei. Vor dem Beat sind alle gleich, usw. Hier begann dann wohl auch der Aufstieg der Figur, die für mich exemplarisch für die heutige Lage steht (wobei ich das Phänomen EDM noch nicht berücksichtigt habe). Paul Kalkbrenner, der einst wirklich ›gute‹ Musik (›Gebrünn Gebrünn‹, 2005) machte -- deren Reichweite aber zunächst beschränkt war auf den üblichen Techno-Kontext -- Paul Kalkbrenner füllt heute Stadien mit Leuten zwischen 12 und 72, oder? Natürlich nicht mehr mit derselben Musik, sondern mit (aber da wären wir dann schon bei einer Teil-Antwort) einer Art Wohlfühl-Techno. Vielleicht nicht im Sinne ›schlechter‹ Musik (da will ich jetzt nicht urteilen), aber: befreit von allem, was einst Ecken und Kanten hatte, provokant war oder irritierend wirkte. Der Anteil der Deutschen, die sich auf Paul Kalkbrenner einigen können, ist mittlerweile so groß, dass man als einigermaßen geschmackvoller Mensch doch sofort den Reflex kriegt: da will ich nicht zugehören. Auch sein Film: ein Erfolg wie ›Berlin Calling‹ wäre undenkbar gewesen Mitte der Neunziger -- ausgerechnet zu der Zeit, als die Love Parade auf dem Zenith war und die Charts voll mit Rednex, Scatman John, Blümchen und Scooter. Zwanzig Jahre später aber: alle rennen rein, der Ronny aus Rathenow wie die Charlotte aus Wilmersdorf, und ihre Eltern und deren Eltern gleich mit.

3) »angesagt« im Sinne der Musikkritik. Als »angesagt« empfinde ich etwas auch dann, wenn die Feuilletons davon voll sind. Das kann mit angesagt1 und angesagt2 korreliern, muss aber nicht. Derzeit habe ich ganz klar den Eindruck, dass sich in jenen Kreisen kaum jemand für elektronische Musik interessiert. Die letzten großen features in meiner Tageszeitung, an die ich mich aus den letzten Monaten erinnere, galten (unter Auslassung des dominierenden Klassik-Sektors) Leuten wie Boy, Wanda, Kasami Washington, Janet Jackson, Flying Lotus (als quasi-elektronische Ausnahme), und immer wieder, gefühlt alle vier Wochen: Gonzales, Gonzales, Gonzales.

Drei Zugänge, drei verschiedene Ergebnisse. Inwiefern das nun beim Geldverdienen weiterhilft? Keine Ahnung. Ich vertrete die zweckpessimistische Ansicht, dass, wenn man fragt: »auf welchen aktuellen Trend kann ich aufspringen, um damit Geld zu verdienen?«, dass man dann immer schon fünf Jahre zu spät dran ist.

Liebe Grüße & viel Erfolg
Nils
 
NickLimegrove schrieb:
Dass wir meinem Eindruck nach die Ausgangsfrage noch nicht vernünftig beantworten konnten, liegt evt. auch daran, dass man unter »angesagt«, und sogar unter »verkauft sich gut«, sehr verschiedene Dinge verstehen kann. [...]
Grundsätzlich ein sehr gutes Posting. Da kann ich vielem beipflichten.

Allerdings hat die Ausgangsfrage »angesagt« und »verkauft sich gut« ganz eindeutig miteinander verknüpft. Und der Fragesteller hat relativ klar durchblicken lassne, ob er ein Chance in dem Bereich hat, als er danach fragte, ob es noch Labels gibt, denen man Demos schicken kann:

Ich frage mich ob es heutzutage noch Elektronische Musik gibt die angesagt ist, sich gut verkaufen lässt.
Gibt es noch labels die zulassen dass man ihnen demos schickt?
 
Allerdings hat die Ausgangsfrage »angesagt« und »verkauft sich gut« ganz eindeutig miteinander verknüpft.

klar, das ist mir natürlich nicht entgangen. Allerdings nehme ich ja nicht nur auf die Ausgangsfrage Bezug, sondern war mein Beitrag vor allem motiviert durch die entstandene Debatte über die Entwicklung besagter Angesagtheit in den letzten Jahrzehnten.

Wenn ich nur die Ausgangsfrage ganz knapp beantworten sollte, würde ich sagen: 2015 sind die Bedingungen für die Möglichkeit von Erfolg mit elektronisch instrumentierter Populärmusik genauso gegeben wie 1995.

Die Praktiken, mit denen diese Möglichkeiten dann im Einzelnen realisiert werden, haben sich jedoch grundlegend gewandelt. Das ist ja schon angeklungen. Das Modell ›Rednex‹ läuft sicher nicht mehr; verkaufen tut sich sog. Authentizität. Der Musiker ist als eine Person gefragt, die möglichst alle involvierten Rollen abdeckt: der Kalkbrenner, sagen die Leute wahrscheinlich, das ist einer, der seine Musik »noch so so richtig selber« macht, mit dem Laptop in der S-Bahn, und sie aufführt, und dabei auch noch gut aussieht, und ein netter Kerl ist, so ganz persönlich, und wer weiß, vielleicht sogar ein toller Familienvater (warten wir die nächste homestory ab). Auch in der elektronischen Musik will der Mob mittlerweile den ganzen Menschen. Ich habe vor einer Weile mal -- selbst spaßeshalber mal nach labels schauend -- auf einer website eines mir angesagt scheinenden labels mit Schrecken festgestellt, wie wichtig heute in der Vermarktung von Techno der Körper des Musikers ist. Techno zu verkaufen setzt heute wohl auch die Bereitschaft voraus, unentwegt auch sein Antlitz herzuzeigen. Ganz im Kontrast zu früher™, als es noch keine Sau interessierte, wie nun die Boys von Basic Channel oder UR oder Drexciya ausschauen. Heute lockt man mit gesichtslos-anonymer Maschinenkälte niemanden mehr hinterm Ofen vor. Und damit enden die Ansprüche noch nicht mal. Der Musikerkörper scheint mindestens auch jung, weiß, gutaussehend und innerhalb enger BMI-Toleranzen verortet sein zu müssen. Lieber Rolo, unbekannterweise und etwas indiskret, wie sieht's aus? 8)

PS: weiteres Anschauungsmaterial zu diesem Absatz... Hier ist ein Typ, den ich noch aus meiner niedersächsischen Schulzeit kenne. Damals noch so ne Art Emo-Nu-Metal-Grunge gemacht, dann (rechtzeitig, d.h. vor zehn Jahren) umgesattelt auf Prenzlberger Emo-Minimal ganz im Stile Kalkbrennerscher Wellnesselektronik. Das sieht dann so aus...



Wo das Programm einst ›Mucke für Loser‹ lautete, ist nun ›Mucke für handverlesene schöne, erfolgreiche Menschen‹. Verdient er damit sein Geld? Ich vermute es fast, denn seine Tour-Schedule ist so voll, dass ich mir kaum etwas anderes vorstellen kann. Sollte man es ihm gönnen? Auf jeden Fall. Nur beneiden möchte ich jemanden nicht, der gezwungen ist, für seinen Lebensunterhalt 12 Stunden am Tag Pixel in Ableton Live zu schubsen, um am Ende derart belanglose Musik dabei herauszubekommen...
 
NickLimegrove schrieb:
Die Praktiken, mit denen diese Möglichkeiten dann im Einzelnen realisiert werden, haben sich jedoch grundlegend gewandelt.
[...] mit Schrecken festgestellt, wie wichtig heute in der Vermarktung von Techno der Körper des Musikers ist. Techno zu verkaufen setzt heute wohl auch die Bereitschaft voraus, unentwegt auch sein Antlitz herzuzeigen. Ganz im Kontrast zu früher™, als es noch keine Sau interessierte, wie nun die Boys von Basic Channel oder UR oder Drexciya ausschauen. Heute lockt man mit gesichtslos-anonymer Maschinenkälte niemanden mehr hinterm Ofen vor.
Naja, nur weil es kurz mal eine Zeit gegeben haben mag, wo man mit "Apersonalität" durchgekommen ist, muss das noch lange nicht das Normale sein. Identifikation der Fans mit dem Musiker als Mensch (incl. Körper) war schon immer essentiell. Und offengestanden finde ich das gut, dass sich das wieder ändert und die Leute wieder als Mensch Flagge zeigen. Das gehört sich (so wie es sich m.E. in einem Forum gehört keinen anonymen Avatar zu benutzen, sondern mit seinem Gesicht, also seiner Person für seine Meinung zu stehen - das ist jetzt aber ein anderes Thema).
 
Du setzt stillschweigend voraus, das showbusiness irgend etwas mit dem wahren/echten (menschen) zu tun hat.
Das ist aber nicht so - auch der wahre/echte körper ist nur spielwiese für alles mögliche.

Oder sehe ich das falsch (Ich gehe davon aus, das dich das echte/authentische interessiert)!?
 
nochmal zurück zum zweiten Teil der Ausgangsfrage: gibt es labels, die Demos akzeptieren?

Bei BPitch Control (Heimat von Kalkbrenner, Modeselektor, Apparat etc., also in Sachen Angesagtheit über jeden Zweifel erhaben) heißt es explizit...:
https://www.bpitchcontrol.de/contact

Ist natürlich klar, dass man sich über die Erfolgaussichten dieses Weges keine Illusionen machen braucht: Mensch von, nach Eigenaussage, »hinterm Mond«, also vermutlich ohne Vitamin B zu relevanten Szeneakteuren, ohne einschlägige Veröffentlichungen und Leistungsnachweise durch DIY-Anstrengungen wie eigene Labelgründung, Live-Routine usw., schickt Demo an Label, das dann mal eben seine Platte veröffentlicht... andererseits: wenn man all diese Sachen noch nicht vorzuweisen hat, ist der Weg des Demos-Verschickens natürlich der mit dem vergleichsweise geringsten Aufwand. Und auf Grundlage eigener positiver Erfahrungen mit genau diesem Weg (wenngleich: andere Zeit, andere Mucke...) würde ich sagen: go for it!
 
alle aufgezählten künstler sind da heute nicht mehr dabei. dennoch ist und bleibt die chefin natürlich ein star dj und wird einem sicher zu ein paar gigs verhelfen können. aber wirklich angesagt ist für mich was anderes, 50 weapons das label von modeselektor zum beispiel. da bekommt man auch einen guten überblick was in der elektronsichen musik jenseits des pop business angesagt ist.
 
find ich gut hier mal n paar labels zu erwähnen - könnt ihr da bitte mal weitermachen. das finde ich echt interessant die frage über labels besser zu beleuchten ... :supi:
 
bei den jungen soll das hier momentan sehr angesagt sein.
https://de.wikipedia.org/wiki/Outsider_House
das wird unter anderem deswegen sein, weil sich das von den kommerzielleren produktionen unterscheidet, die verlorengegangene wärme wieder hat und es jeder machen kann. da braucht es kein hi-end gear, dinge wie ein zerrendes tape-deck, plug-in oder mixer genügen.
 


Neueste Beiträge

News

Zurück
Oben