Wer bestimmt eigentlich was Musik ist und was nicht ?

Die von Dir genannten Namen sagen mir nichts.

Das ist auch sicher nicht, was ich meinte. Ich meine nicht, über 10 Jahre mal Millionen Tonträger zu verkaufen oder so etwas.

Ich meine sozusagen einen dauerhaften "Eintrag in das Geschichtsbuch der Musik". ;-)

Außerdem glaube ich, dass man ernsthafte psychische Probleme bekommt, wenn man jahrelang etwas macht, was einem gar nicht gefällt und sich dauernd "verbiegen" muss. Das sieht man ja auch an einigen Fällen aus der Schlagerbranche.

Wie gesagt, ich sehe kein Problem, wenn man erfolgreiche kommerzielle Musik macht, und die auch selber gut findet. Dann ist alles OK. Ist letzteres aber nicht gegeben, halte ich das im mehrfachen Sinne für auf Dauer sehr ungesund.

Gruß,
Markus

P.S. Wenn ich die Geschichte von diesem Martin lese - das belegt doch eigentlich, was ich sage. Es machte ihm irgendwann keinen Spaß mehr, und dann hat er sich musikalisch umorientiert.
 
Markus Berzborn schrieb:
Die von Dir genannten Namen sagen mir nichts.

Deshalb habe ich, um es bequem zu gestalten, die informativen Links zu Wikipedia bereitgestellt.


Markus Berzborn schrieb:
Das ist auch sicher nicht, was ich meinte. Ich meine nicht, über 10 Jahre mal Millionen Tonträger zu verkaufen oder so etwas.

Ich meine sozusagen einen dauerhaften "Eintrag in das Geschichtsbuch der Musik". ;-)

Sicherlich ist es individuell, was denn so als dauerhafter Erfolg angesehen wird. Sowohl der Geschichtsbucheintrag als auch der dauerhafte Verkauf von Millionen Tonträgern gilt als Erfolg in dem Sinne von er_folgen, und zwar auf der Basis erbrachter Leistung. Beides hat auch was für sich, in einem Falle erleichtert es das Füllen des Kühlschrankes und ermöglicht pünktliche Mietzahlungen oder Hypothekentilgung, im anderen eben Namensnennung in Büchern. Es kommt zweifellos auf die Ambition des Künstlers oder Machers an, was davon vorrangiges Ziel ist. Manche schaffen beides (Pink Floyd, Michael Jackson, Herbert von Karajan usw.).


Markus Berzborn schrieb:
Außerdem glaube ich, dass man ernsthafte psychische Probleme bekommt, wenn man jahrelang etwas macht, was einem gar nicht gefällt und sich dauernd "verbiegen" muss. Das sieht man ja auch an einigen Fällen aus der Schlagerbranche.

Wie gesagt, ich sehe kein Problem, wenn man erfolgreiche kommerzielle Musik macht, und die auch selber gut findet. Dann ist alles OK. Ist letzteres aber nicht gegeben, halte ich das im mehrfachen Sinne für auf Dauer sehr ungesund.

Diese Sorge teile ich mit dir und glückliche Umstände haben es, zumindest bis heute, verhindert dass ich all diese einschlägigen Angebote hätte annehmen müssen, sondern konnte frei meine durchaus vorhandene stilistische Eigenart sowie den individuellen Ausdruck entwickeln. Mich würgt es bereits, wenn ich mit Leuten außerhalb meiner Wellenlänge Studio oder Bühne teilen muss, insofern hat mich mein Schicksal mittels simpler körperlicher Symptome vor schlimmen Dingen bewahrt. Das heißt aber nicht, dass ich das als allgemeingeltend auffasse, ich kenne Kollegen, die produzieren mit Inbrunst volkstümlichen Schlager und sind zufrieden damit und auch nette Kerle obendrein. Erfolg ist wie Schönheit: Liegt im Auge des Betrachters.
 
Markus Berzborn schrieb:
Außerdem glaube ich, dass man ernsthafte psychische Probleme bekommt, wenn man jahrelang etwas macht, was einem gar nicht gefällt und sich dauernd "verbiegen" muss.
Genau darüber habe ich Ende letzten Jahres mal länger nachgedacht und festgestellt das ich mich über die Jahre hin eigentlich permanent verbogen habe. Ich habe über die Jahre hinweg immer versucht mich wie so ein Klumpen Knetmasse den man einfach in ein Förmchen presst musikalisch meinem Umfeld anzupassen, mit dem Resultat das ich jetzt im Alter von 40. Jahren regelmäßig auf dem Sofa meiner Therapeutin platz nehmen darf.

@ All

Mir wurde dann Ende 2007 auch bezüglich meines Anspruchs klar, das ich kein Donald Fagen oder Keith Jarrett etc. mehr werde. Und das Resultat war dann das es mir langsam aber stetig echt besser ging. Auch denke ich mittlerweile das dieses permanente Arbeiten und musizieren am eigenen Limit alles andere als gesund ist, da dabei, zumindest bei, mir NULL Spaß und Freude entstand. Ich habe mich früher vor ca. 20. Jahren extra von diesem musizieren mit anderen (Band) verabschiedet um "Mein Ding" zu machen und was ist daraus geworden ? Fahrstuhlmusik und Musik die vielleicht noch für irgendeinen Schmuddelfilm zu verwenden wäre.

Ich habe mir dann nochmal die Musik die ich in den letzten 20. Jahren so gemacht habe angehört und es war nun nicht so das ich alles schlecht fand, im Gegenteil die Musik aus meinen Anfangsjahren hatte richtig was erfrischendes, auch wenn das teilweise schon mehr EBM mit Hang zur Klangcollagen war, aber immerhin stand ich damals hinter dem was ich machte. Und wie ich dann so bei meiner privaten Zeitreise bezüglich meines Schaffens immer mehr in Richtung Gegenwart kam viel mir dann auf, das das was da nun aus den Lautsprechern kam immer glattgebügelter und angepasster an den "Geschmack" meines Umfeldes war. Mir wurde dann beim weiteren hören langsam aber richtig übel, weil das hatte mit mir und mit dem weshalb ich das musizieren mit anderen eingestellt habe nicht mehr wirklich etwas zu tun. Den letzten Track, (ist nur eine musikalische Skittze), den ich dann im Dezember 2007 bevor ich obige Überlegung anstellte, noch angefange habe stellte den Gipfel der Beliebigkeit dar. Für mich einfach nur gähnend langweilig und austauschbar in jeder Hinsicht. Klar, es handelt sich nur im eine Skittze aber das war dann für mich die Krönung der eigenen Grausamkeiten bei meiner Zeitreise die dann auch nach dem Teil ihr Ende fand, hier zu hören ( http://share.ovi.com/media/Toni_W.publi ... 009?sort=5 ).

Gegenwart:
Die ersten Zwei Drones auf meiner Myspace Seite sind Arbeiten hinter denen ich endlich mal wieder voll und ganz stehe, ob die nun gefallen oder nicht ist mir jetzt endlich mal wieder völlig egal und das tut mir so richtig gut. Die letzten drei Klangereignisse dort sind nur Klangskittzen die könnte ich eigentlich löschen, aber ich lasse die ersteinmal dort da sie einen wesentlichen Anteil an meiner musikalischen Umorientierung hatten und haben. Ich bin endlich frei von diesem über die Jahre angestauten Druck den ich mir selber gemacht habe und ich habe Gott sei Dank wieder Spaß an dem was ich mache. Komischer Weise ist es auch so das mehr Leute meine Drones gut finde als das was ich vorher gemacht habe. Aber das wichtigste ist für mich das ich endlich wieder ehrlich zu mir selbst bin und mich nicht mehr verbiegen muss, da ich mich bezüglich meines Anspruchs nicht mehr an anderen orientiere. Wenn sich bei mir wieder mal der damalige persönlich auferlegte Leistungsanspruch meldet, gehe ich raus mit Freunden Spazieren, etwas leckeres Essen usw.
Seit dem ich das so mache, habe ich wieder echte Freude am Leben und einen klangtechnischen, bzw. musikalischen Output hinter dem ich auch stehe. Viel mehr will ich auch gar nicht. Ich bin also recht zufrieden momentan, da ich mich nun frei von Zeitraster, Tonart ganz dem Klang widmen kann. Das ist genau das was ich immer wollte, totale Freiheit in meinem Schaffen. Ich weiß nicht warum das bei mir so ist, aber ich kann mich nun mal besser über den Sound artikulieren als über in taktbezogene Zeitabschnitte (parts) gefüllt mit Drums und Percussion etc.. Wenn da bei den Leuten nichts rüber kommt ist das dann halt so, ich habe aber eben auch nicht mehr den Anspruch das mich jeder versteht. Auch nicht bei dem was ich hier schreibe. Und mir gehts richtig gut damit.

Illya

-- bearbeitet --
 
Ich bin also recht zufrieden momentan.

Und genau das ist eine der wichtigen Dinge und so brauchst du eigentlich auch garkeine Antwort darüber, "wer definiert was Musik ist". Denn selbst wenn die Mehrheit finden würde, das das was du machst überhaupt keine Musik ist, so what, wenn es dich glücklich und zufrieden macht, ist es auch ok.
 
Ganz genau Neo. Nur als ich die Frage hier reinstellte war das noch nicht ganz so, auch wenn das im letzten post von mir vielleicht so rüberkam. Ich war so ein Trottel. Man überlege sich das mal, da musste und muss ich für niemanden und keinen irgenwas Produzieren und habe mich trotzdem rumgequält, so ganz ohne deadline im Nacken und keinem der mir vorgibt was ich zu machen habe. Ich hätte schon länger, musikalisch gesehen, ein wesentlich entspanteres und Leben führen können. Tja, Selbstkasteiung par excellence und das knapp 13-20. Jahre lang. Da muss man doch krank werden.

Sicher trifft mich das noch ein bisschen wenn einer sagt, "Wasn das fürn Scheiss", wäre ja auch ein Wunder wenn ich sofort "geheilt" wäre. Aber langsam und jeden Tag ein bisschen mehr stehe ich auch da drüber, dauert halt noch etwas.

Illya
 
Neo schrieb:
Im Dronesektor ist es nunmal so, daß viele Menschen -- nämlich die, deren Hörgewohnheiten und Musikbewußtsein nicht dahingehend geprägt wurden --, "drones" als unmusikalisch und uninteressant empfinden, weil sie tradierten musikalischen Werten wie Rhythmus, Harmonie, Tonalität, Melodik etc. nicht entsprechen.

Das geht aber in die Richtung von:"Wer diese oder jene Musik nicht gut findet, ist eben zu doof um sie zu verstehen".
Im Kunstbetrieb ein beliebtes Totschlagargument.

Hmm, ich finde, Du übertreibst. Von "doof sein" war doch gar nicht die Rede. Ich denke schon, dass sich die meisten Menschen an dem orientieren, was sich kulturell um sie herum bewegt und mit was sie aufwachsen. Wenn dann etwas kommt, was überhaupt nicht in dieses Bild reinpasst, dann gibt es natürlich eine Gruppe von Leuten, die aufgeschlossen darauf zugehen. Und die andere Gruppe, die das ohne weitere Beschäftigung mit der Materie einfach ablehnt - haben wir noch nie so gemacht, da könnte ja jeder kommen. "Fremder, wir mögen keine Fremden - besonders dann nicht, wenn sie fremd sind."

Das widerspricht auch nicht Deiner musikalischen Veränderung, vom Elvis-Hörer zum Elvis-Ausschlag-Bekommer.
 
Neo schrieb:
Ich bin also recht zufrieden momentan.

Und genau das ist eine der wichtigen Dinge und so brauchst du eigentlich auch gar keine Antwort darüber, "wer definiert was Musik ist". Denn selbst wenn die Mehrheit finden würde, das das was du machst überhaupt keine Musik ist, so what, wenn es dich glücklich und zufrieden macht, ist es auch ok.

So ist es.

Nur wenn ich selbst glücklich bin mit dem, was ich mache, besteht die Möglichkeit, daß andere es auch sind, wenn sie es hören.

Das klingt jetzt vielleicht nach "happyhappyjoyjoyjoy", läßt sich aber für jeden musikalischen oder generell kreativen Bereich anwenden. Das gilt ja selbst für den Job, mit dem man seine Brötchen verdient: Wenn man ihn gerne macht, ist er keine Belastung, und mit den Kollegen oder den Menschen, mit denen man zu tun hat, kommt man auch gleich viel besser zurecht, weil man nicht an dem Job leidet. Wenn dieses "sich selbst Erfreuen" die Grundlage des Handelns ist, dann stehen die Chancen gut, daß es auch für andere funktioniert. Dann "dilettiert" man im wahrsten Sinne des Wortes: "delectare" heißt "sich erfreuen".

Wer es nur aus Eitelkeit oder Geltungssucht heraus tut, sollte besser mit dem Arsch zu Hause bleiben. Wer von uns hat z. B. die Lehrer in der Schule gemocht, die eh nichts Besseres zu tun hatten, als einen für die eigene Unwissenheit vor der Klasse bloßzustellen und zu demütigen und uns ansonsten schlau über irgendwelche Dinge zu belehren, die eh keinen interessierten? Keiner, glaube ich.

Das Thema "Erfolg" ist hier bereits angerissen worden; ich halte -- um es zuallererst deutlich zu machen -- von diesem Begriff als solchem rein gar nichts, weil in unserem heutigen Sprachgebrauch der Begriff "Erfolg" sehr diskriminierend besetzt ist. Wer keinen Erfolg hat -- der sich über materielle Besitztümer und sozialen Status manifestiert --, der hat schlicht und ergreifend versagt. Von dieser Art "Erfolg" -- und in selbigem Zusammenhang "Karriere" -- will ich hier also gar nicht reden. Das ist mir zu faschistoid belegt. Für mich ist "Erfolg" die Bestätigung, die mir für meine Arbeit widerfährt, d. h., wenn ich sehe, daß Leute plötzlich anfangen, Niederländisch oder Englisch zu sprechen, weil das, was ich ihnen beizubringen versucht habe, anfängt, Früchte zu tragen, oder daß Leute ein zweites oder drittes Mal zu meinen Konzerten kommen oder nicht nur eine, sondern mehrere CDs über Jahre hinweg bestellen, weil das, was ich mache, ihnen gefällt und offensichtlich etwas gibt. Für mich persönlich ist es ein großer Erfolg, mit meiner Musik soviel Geld verdienen zu können, daß ich mit dem Gewinn aus einer CD die nächste CD produzieren kann. Einen Lamborghini hat man davon nicht in der Auffahrt stehen, klar, geschweige denn, die nächste Monatsmiete im Kasten. Aus diesem Erfolg aber erwächst Zufriedenheit. Aus Zufriedenheit erwächst Gelassenheit. Aus Gelassenheit erwächst die Ruhe und Gewißheit, das zu tun, was für einen selbst das Richtige ist.

Ende des Exkurses.

Ich sehe das so: Wenn man kreativ ist, dann sollte man in erster Linie versuchen, sich mit dem, was man macht, selbst eine Freude zu machen. Egal, was es ist, das wir da tun, losgelöst von musikalischen, stilistischen oder inhaltlichen Fragen. "Wenn wir die Kunst nicht hätten, gingen wir an der Wirklichkeit zugrunde," hat Nietzsche mal sinngemäß gesagt. Kreativer Output als Lebensretter: "Ich stehe diesen Scheißtag durch, und heute abend erfreue ich mich daran, ein paar Instrumente hier stehen zu haben, mit denen ich machen kann, was *ich* will." So in diesem Sinne.

Dieses "Ich mach´ jetzt etwas, das nur ich alleine toll finde" ist eine Haltung, die vielleicht ansatzweise okay ist -- schließlich bringt einen diese Konsequenz und Unbeirrbarkeit dazu, sein eigenes Ding zu suchen und durchzuziehen --, aber wenn´s am Ende nur noch masturbatorisch ist... wofür? Das ist eine Arroganz, die man sich leisten kann, wenn die eigene Arbeit so oder so aus welchen Töpfen auch immer honoriert wird und es einem scheißegal sein kann, wovon man die nächste Monatsmiete bezahlt, weil man eh aus dem Vollen schöpfen kann. Oder weil man nichts zu sagen hat, von dem es sich vielleicht lohnen würde, wenn andere es auch hörten, weil es andere vielleicht auch inspiriert oder dergleichen. Ich glaube, das ist auch mein in einem anderen Thread angerissenes Problem mit sogenannter "ernster Musik". Das möchte ich hier allerdings nicht mehr aufwärmen, da ich bereits alles dazu gesagt habe, was ich dazu zu sagen habe.

Ein gewisses "Verbiegen" ist natürlich nötig, wenn man das, was man da zur eigenen Freude gemacht hat, auch an ein größeres Publikum verkaufen möchte, also auch einen gewissen finanziellen Nutzen aus der eigenen Arbeit schöpfen kann. Das Maß an Konzessionen, das man zu machen bereit ist, bestimmt man aber in diesem Falle immer noch selbst. Man selbst setzt die Grenze, und man selbst kann jederzeit seine eigene Entscheidung revidieren und sagen: "Bis hierher, und keinen Schritt weiter!" Man ist jeden Augenblick Herr des eigenen Handelns und der daraus erwachsenden Konsequenzen.

Ich glaube nicht, daß ein Max Mutzke zu Stefan Raab sagen konnte "Du, hör mal, das mach´ ich jetzt aber nicht..." Ich bin mir ziemlich sicher, daß Raab ihm nur sagen würde, daß er ganz schnell wieder da ist, wo er Mutzke hergeholt hat, wenn er das Spiel nicht mitspielt. Immerhin: Wir haben einen Vertrag!

Wer sich einmal auf so ein Spiel einläßt, hat verloren. Das ist genauso, als wenn man sich in Anzug und Krawatte zwängt, nur, damit man einen TT in der Auffahrt des auf Hypothek finanzierten Eigenheims stehen hat, dabei aber sich selbst -- und die eigenen, persönlichen Bedürfnisse -- komplett außer Acht läßt. Das ist Anheuern auf einem Seelenverkäufer. In der Berufswelt heute gängige Praxis.

Da kommt dann wieder das individuelle Bewußtsein ins Spiel: Ich glaube, die meisten sind sich nicht im klaren darüber, auf *was* sie sich da eigentlich einlassen, die sehen nur die Möhre, die ihnen da vor die Nase gehalten wird: "Das ist alles Dein, wenn Du Dich mit mir einläßt". Zum individuellen Bewußtsein habe ich ja bereits etwas geschrieben, was bei einigen wohl ganz gut angekommen ist :).

Als bestes Beispiel dazu fällt mir ein Bewerbungsgespräch vor ein paar Jahren ein, zu dem ich in Reitermantel, Lederkluft und Kampfstiefeln erschien (ich hatte die Art und Weise, wie man mich dazu eingeladen hatte, sowieso nicht ganz ernstgenommen): Die erste Frage war, ob ich mir vorstellen könnte, mir die Haare abzuschneiden und einen Anzug anzuziehen. Die zweite Frage war, ob ich nicht endlich mal "Erfolg" haben wolle? Meine Antwort: Für mich ist es schon ein Erfolg, wenn ich diesen Tag, der mir geschenkt wird, das tun kann, was ich will, und mich so benehmen darf, wie ich es will, und nicht jemand anderes. Aus dem Job ist sowieso nichts geworden :). Gottseidank, wie ich später herausfand. Mit Scientologen möchte ich mich nicht näher einlassen.

Aber zurück zum Thema:

Was mein eigenes musikalisches Arbeiten angeht: Ich möchte meine Zuhörer nicht mit leichter Muse unterhalten, das können andere besser, und ich hasse nichts mehr als Gestümper an einer Sache, von der ich keine Ahnung habe. Deshalb mache ich das, was ich mache, und nicht irgendwas anderes. Ich bin der Meinung, daß es auch Hörer gibt, denen sperrigeres Zeug gut gefallen könnte, und die versuche ich zu erreichen. Mein Erfolg -- gemessen an meinen persönlichen Maßstäben -- gibt mir recht. Es gibt tatsächlich Leute, die bereit sind, sich auf das, was ich mache, einzulassen... und es gefällt ihnen sogar. Bestes Beispiel dafür: Nach meinem Konzert im Osnabrücker Planetarium (und das war melodie- und harmoniefreier *heavy stuff*) kamen Leute zu mir, die ich bis dato noch nie gesehen hatte, schüttelten mir die Hand und bedankten sich für den tollen Abend. Sowas ist mir das letzte Mal in England vor Jahren passiert. *Das* ist Erfolg, und wenn diese Leute anschließend noch eine CD mitnehmen, ist der Erfolg noch größer, und wenn sie dann noch zum nächsten Konzert kommen...? Was will ich mehr?! Alles andere...?

Ich habe mir generell abgewöhnt, mich mit der Meinung selbsternannter Experten abzugeben, die mir sowieso nur einreden wollen, daß ich keine Ahnung habe. Wenn ich den lieben langen Tag auf das hören wollte, was andere besser zu wissen glauben, ich käme ja gar nicht mehr zum selbständigen Denken und Handeln (ups, gefährlich!).

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, daß hier nicht über Musikgeschmack gestritten werden sollte, oder Musikgeschmack als Totschlagsargument genommen werden soll in dem Sinne von "Du hörst Metal, also bist Du doof" oder "Du kennst ja nur André Rieu, was weißt Du also von den höheren Weihen der Kunst?".

Der langen Rede kurzer Sinn: Das Thema als solches ist so unerschöpflich, daß man unmöglich eine allgemeingültige Antwort finden kann, die allen und Allem gerecht wird. Wie Neo schon sagte: Wenn´s Dich selbst glücklich macht, ist das Wichtigste schon erreicht. Alles andere ist die Kirsche auf der Sahnehaube.

Stephen
 
Markus Berzborn schrieb:
Ich meine sozusagen einen dauerhaften "Eintrag in das Geschichtsbuch der Musik". ;-)

Etwas zu machen mit der Absicht, einen bestimmten Zweck damit zu erreichen, ist nicht sonderlich sinnstiftend.

Ich möchte jetzt nicht schlau reden und dabei nicht schlau sein, aber "mushotoku" ist die höchste Tugend des Zen: "Absichtslosigkeit". Sobald unsere Gedanken und Handlungen von Absichten gelenkt werden -- Erfolg, Geld, Anerkennung, "Eintrag in das Geschichtsbuch der Musik" etc. --, sind sie zum Scheitern verurteilt. Dann geschehen sie nämlich nicht aus sich selbst heraus, sondern nur, weil wir uns etwas davon versprechen. Und wenn wir das, was wir uns als Ergebnis dieser Handlung versprochen haben, nicht erhalten, sind wir wieder unglücklich, dabei war es doch unsere Absicht, glücklich zu werden. Wir sind unglücklich, weil wir nicht glücklich werden, egal, was wir tun. Damit wären unsere Absichten ad absurdum geführt.

Da Du ein John Cage Zitat in der Signatur hast, verstehst Du wahrscheinlich besser als ich, was es damit auf sich hat. Wie gesagt: Ich habe nicht die Absicht, schlau zu tun und nicht schlau zu sein.

Stephen
 
ppg360 schrieb:
Etwas zu machen mit der Absicht, einen bestimmten Zweck damit zu erreichen, ist nicht sonderlich sinnstiftend.

Ich habe ja auch nicht gesagt, dass man den Zweck verfolgen soll.

Sondern nur, dass das für mich eher von Wert ist als eine große Zahl verkaufter Tonträger.

Das heißt nicht, dass man das anstreben soll. Es kommt sowieso, wie es kommt.

Gruß,
Markus
 


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