Stockwerk und Krafthausen

Summa schrieb:
Der 5te oder 6te Analog Synth macht wenig Sinn, waehrend der Sampler in den 80ern fast sowas wie Neuland war und zu enormen Experimenten eingeladen hat, uns damals enorm inspiriert hat.
Viele Musiker haben den Sampler doch nur als Presetschleuder für Chöre und Strings mißbraucht.
 



Herbert Eimert schreibt über „Epitaph“:
„In dem Epitaph überwiegen die Sprachklänge als akustisch-phonetische Vorgänge, und ihre Umwandlung ins rein Musikalische lässt ihre Herkunft oft nicht mehr erkennen. Aber auch das Wort selbst, mit seinem Ausdruck, Sinn und Erlebnisinhalt, schlägt immer wieder durch und steigert sich mit dem ganzen Gewicht seiner Bedeutung zur Sinnbezeichnung einzelner Worte oder Wortverbindungen wie ‚Warnungsruf’, ‚Wo kämen wir hin?’, ‚Als Wort für unsere Schande’ oder ‚Als Namen unserer Hoffnung’. Daneben stehen eigentümliche Sprach- und Sprechbildungen aus durcheinandergewürfelten Silben oder Wortteilen; ferner rückwärts gesprochene Worte, motivische Figuren rein musikalischer Funktion, aber deutlich erkennbarer Herkunft vom gesprochenen Wort, und schließlich Neubildungen von Worten und Sätzen, die in ihrer Nicht-Verständlichkeit als unbekannte Fremdsprache empfunden werden. Was weder bei der Rundfunkwiedergabe noch auf der Schallplatte erreicht werden kann, das ist die räumliche Konfiguration von Silben, Worten und Sätzen, die in dem Stück - wie auch alle klanglichen Vorgänge - auf vier Kanäle verteilt sind und bei der konzertmäßigen Aufführung die Verwendung eines Vierspurmagnetophons voraussetzen.
Die Form des Epitaphs ist leicht überschaubar; sie besteht aus der Exposition, zu der auch der Vortrag der Grabinschrift gehört, aus den Strukturkomplexen A, B und C und der Koda. […] Die Grundlage der Zeitstruktur ist der Rhythmus des gesprochenen Wortes. Man muss sich das so vorstellen, als ob das Sprechband unhörbar abliefe, verdeckt durch ein System von Filtern, die abwechselnd und kontinuierlich in den verschiedenen Schichten des Wortspektrums geöffnet und wieder geschlossen werden, wobei sich viele weitere Varianten durch die Änderung der Sprechgeschwindigkeit ergeben. […] Die verschiedenen Verständlichkeitsgrade der Silben, Worte und Sprechchöre (bis zu sechs Stimmen) ergeben sich unmittelbar aus der Behandlung des Grundmaterials, das keinen ‚Dualismus’ zwischen Wort und Klang zu überwinden braucht, weil es ihn nicht mehr kennt.“

http://www.soundart-koeln.de/details_eimert.php
 
Mistabishi, financial broker, London, England:
mistabishi-480x360.jpg


"Jetzt bin ich der weiße Neger"-Joachim Witt
 
und mir gefällt das! :fawk:

..ähm ja, mittlerweile muss man ja klassiker sagen!
kann mich noch genau daran erinnern als ich den clip zum ertsen mal gesehen habe auf viva,ode rmtv. oder viva2.
keine ahnung, ist ja ewigkeiten her. so gefühlte 3 wochen etwa.
ich hab feuchte augen bekommen und mir stockte der atem.. ;-)


 
@Elektrokamerad

Mit dem was mit 'nem Sampler wirklich moeglich ist haben deine Beispiele reichlich wenig zu tun, ich glaub' auch nicht dass es gross Sinn macht div. Beispiele zu posten, weil diese scheinbar nicht auf fruchtbaren Boden fallen...

Elektrokamerad schrieb:

Metall auf Metall - ohne Sampler und als Blaupause


Das ist der Remix, nicht die 77er Version, denn die war klanglich noch etwas einfacher gestrickt!



Zudem brauchte es erst ein paar "Afroamerikaner" um das Ding zum grooven zu bringen...

 
Summa schrieb:
waehrend der Sampler in den 80ern fast sowas wie Neuland war und zu enormen Experimenten eingeladen hat, uns damals enorm inspiriert hat. Knarrende Tueren, Luftbefeuchter die gegen die Heizung knallen, (analoge) Schreibmaschinen, Schreie und Geraeusche aus div. Filmen, Schulgong, Lehrer, es wurde alles gesampled, verbogen (vorwaerts, rueckwaerts, hoeher, tiefer, mit und ohne Filter, resampled) und musikalisch verwurstet.

So weit war die französische Musique Concrète schon 30 Jahre vorher.
Mir ist auch nicht viel bekannt, was in den 80er Jahren unter Einsatz von Sampler-Technik künstlich wesentlich darüber hinausgegangen wäre.
Zumindest in der Pop-Musik nicht.
 
spüremeinebeinenicht schrieb:
peinlich, wie sie an jeder ecke verkünden, dass sie und nur sie ahnung von musik haben, herr berzborn

Nein, nicht nur ich. Ein paar andere hier im Forum durchaus auch.
Wenn auch nicht übermäßig viele zugegebenermaßen. :)
 
Ahnung haben kann auch sein, dass jemand zB sehr viel weiss über Produktion funktionierender Tanztracks in einem bestimmten Genre. Alle hier wissen irgendwie was. Ist doch gut. Sonst wäre es ja langweilig. Ggf. ist in einem Forum die Balz-Grenze nicht so fest, aber das hängt mit der sonstigen Persönlichkeit ab.

Hmm, ich fand, dass einige Randbereiche der Independent-Musik in den 80ern mit dem Sampler bemerkenswerte Dinge getan haben, die von der M.C. nach meiner Auffassung nur sehr grob "vorgefasst" wurde und nie so fein oder so vielschichtig eingesetzt wurden. Die Hochzeit des Samplings dürfte da wohl wirklich in den 80ern und 90ern liegen. Das reichte dann bis in diesen Crossover-Bereich und hat den Klang der Musik nachhaltig verändert. Es gäbe einige Genres ohne diese Arbeit gar nicht. Popmusik im weiteren Sinne würde ich sagen. Und ohne "Ahnung", nur vom Empfinden meines ganz pers. Werdegangs her. Kraftwerk waren sicher keine eifrigen Sampler, aber sie stehen für mich sowieso für ganz andere Dinge als neue Technik zu verwenden. Das hört man bis heute noch in einigen Tracks von Club bis Pop, was die gemacht haben, im Verhalten und künstlerischen Auftreten ebenso, aber abnehmend, weil das heute anders geht. Sie erschienen mir schon damals etwas bewusst retro-romantisch. Aber durchaus künstlerisch ansprechend genug, minimal und konsequent.

Bei einigen MC Sachen hab ich nicht ganz immer diesen Zugang finden können, weil eben hier und da etwas grob.

vielleicht habt ihr da einen anderen Ansatz, da ich mich da gern zu meinen New Wave und ähnlichen Wurzeln bekennen würde. Die habe ich auch viel mehr gelebt als zB die Klassik, die ich damals auch gut mitbekam und anderen Stilen. Die ließen mich nicht kalt aber Synthesizer und Elektronik waren zu der Zeit schwer besser auf den Punkt zu bringen, außer eben vielleicht mit Stockhausen, der bekanntlich auch einen hohen Einfluss auf diese Richtungen hatte, denen ich "nahe stand".

Fänds mal interessant, wie ihr das so seht, sofern das Thema euch noch halten kann. Ist ja bisschen überpräsent grade. Aber wie dem auch sei. Ohne diesen Unterbau, hmm..
 
Ich stelle natürlich nicht in Abrede, dass in den 80er Jahren einige sehr kreativ mit den damals neuen Samplern umgegangen sind. Da würde ich z.B. noch Holger Hiller nennen - vor allem das Album "Oben im Eck", wirklich sehr gut und zum größten Teil mit dem Emulator 2 realisiert - oder auch die erste Erdenklang-LP von Bognermayr und Zuschrader (die war noch erstaunlich kunstvoll, danach ging es leider bergab).
Mich nervt halt nur ein bisschen, wenn manche so tun, als sei die Arbeit mit Naturklängen erst in den 80ern und die mit elektronischen Klängen erst in den 70ern erfunden worden. Wenn man das nur oft genug wiederholt, glaubt es die allgemeine Öffentlichkeit nämlich sogar irgendwann. Es stimmt aber nicht.
 
Aufgrund von mangelndem Wissen glauben viele Menschen, dass vor ihnen bestimmte Dinge nicht existiert haben. So konstruieren sie sich ihr künstlerisch-schöpferisches Selbstbild und sind dann fürchterlich ärgerlich über denjenigen, der sie auf ihre Fehleinschätzung hinweist.
 
Markus Berzborn schrieb:
Wenn man das nur oft genug wiederholt, glaubt es die allgemeine Öffentlichkeit nämlich sogar irgendwann. Es stimmt aber nicht.

Es wurde schon oft genug wiederholt, siehe die Reaktion auf Dein Posting.

Wem die Musique concrète zu akademisch ist, für den gibt es die poppigeren Tonbandarbeiten aus dem Umfeld des Radiophonic Workshop des BBCs:



Wem die akademischen und nichtakademischen Tonbandarbeiten vertraut sind, dem fällt es schwer, im Sampler mehr als eine Arbeitserleichterung zu sehen.
 
Ilanode schrieb:
Es wurde schon oft genug wiederholt, siehe die Reaktion auf Dein Posting.
Offensichtlich nicht ausreichend oft und deutlich genug. Aber vielleicht will man das ja gar nicht zur Kenntnis nehmen, sackte doch dann das ganze mühsam gebastelte Selbstbild zusammen wie ein Soufflé beim Fensteröffnen.
 
Übrigens war es Anfang der 50er - lange vor dem Mellotron - auch schon möglich, aufgenommene Klänge und Geräusche chromatisch wiederzugeben, also als c, cis, d usw.
Eine entsprechende Apparatur wurde im Studio d'Essai des französischen Rundfunks in Paris (später als GRM bekannt) konstruiert und nannte sich Phonogène.
Was man aber sagen muss - bis in die 70er Jahre hinein hatten nur wenige Musiker Zugriff auf solche Geräte, es konnte ja nicht einfach jeder in die entsprechenden Studios reinlaufen. Die wirkliche Revolution der 80er Jahre bestand also eher darin, dass die elektronischen Instrumente so preiswert und kompakt wurden, dass jeder zu Hause damit arbeiten konnte.
Mit den bekannten positiven und negativen Konsequenzen.
 
Markus Berzborn schrieb:
Mich nervt halt nur ein bisschen, wenn manche so tun, als sei die Arbeit mit Naturklängen erst in den 80ern und die mit elektronischen Klängen erst in den 70ern erfunden worden. Wenn man das nur oft genug wiederholt, glaubt es die allgemeine Öffentlichkeit nämlich sogar irgendwann. Es stimmt aber nicht.

So ist es! Selektive Wahrnehmung oder "jugendlicher Faschismus" (klingt nach bösem Wort, ist es aber im Zusammenhang nicht) könnte man das Ausblenden der Geschichte nennen. Mir fällt da z.B. auch die Tonbandmusik ein, die schon in den 30ern viele Anhänger hatte. Dazu wieder mal ein Link zum Avantgarde-Projekt wo es viele (kostenlose und legale) Downloads gibt: http://www.avantgardeproject.org/archive.htm
 
Abseits von Fairlight und Synclavier gab es weitere Entwicklungen, die auf dem Markt kamen.
So konnte man sich z.B. mit dem PPG Wave-System ein schönes Setup aufbauen:

1501368046_98b728ebf1_b.jpg


Dann gab es auch das Publison DHM 89 B2 mit dem KB2000:

publison_front_small.jpg

publ_13_th.jpg
 
Wer behauptet dass das arbeiten mit Baendern identisch mit dem arbeiten mit einem Sampler ist, hat sich imho schlicht und einfach nicht lange und intensiv genug mit den Moeglichkeiten eines Samplers beschaeftigt. Verwechselt unter Umstaenden stark verfremdete/nachbearbeitete Strukturen, LOFI-Sounds, pitchmodulierte Layer etc., mit synthetischen Klaengen und nimmt sie von daher nicht mehr als Samples wahr. Sicher laesst sich vieles davon auch ohne Sampler erreichen, nur wird der noetige Aufwand sehr viel groesser, worunter in der Regel die Experimentierfreudigkeit und musikalische Spontanitaet leidet.
Um die Sache auch fuer die Senioren unter uns halbwegs verstaendlich zu erklaeren, was Kraftwerk fuer die Demokratisierung der Synthesizerklaenge erreicht hat, war der bezahlbare Sampler fuer den Einsatz von Geraeuschen und deren Verwurstung.
 
Cyborg schrieb:
Mir fällt da z.B. auch die Tonbandmusik ein, die schon in den 30ern viele Anhänger hatte.

Das ist dann wohl doch etwas zu früh angesetzt. ;-)
Die ersten experimentellen Tonbandgeräte der 30er Jahre waren qualitativ für musikalische Zwecke noch nicht ausreichend.

Gruß,
Markus
 
Wenn wir uns weiter in der Zeit zurück bewegen, werden wir erfahren, dass Ötzi der erste Synthesist war... :mrgreen:
 
Summa schrieb:
Wer behauptet dass das arbeiten mit Baendern identisch mit dem arbeiten mit einem Sampler ist [... usw usf.]

Das klingt deutlich anders als das Posting, auf das sich Markus bezogen hat. Es hat niemand behauptet, dass etwas "identisch" sei, sondern dass völlig Neue einer "knarrenden Tür" usw usf wurde bezweifelt. Ich hoffe, Du siehtst den Unterschied.

Auch die Arbeitserleichterung wurde nicht abgestritten, doch das "Experimentierfreudigkeit und musikalische Spontanitaet" zugenommen hätten, kann begründet angezweifelt werden.
 
dotterl schrieb:
Wenn wir uns weiter in der Zeit zurück bewegen, werden wir erfahren, dass Ötzi der erste Synthesist war... :mrgreen:


der ist dort wohl nur erfroren weil er als letzter in der schlange stand als der i-stein released wurde ...
 
Summa schrieb:
Wer behauptet dass das arbeiten mit Baendern identisch mit dem arbeiten mit einem Sampler ist, hat sich imho schlicht und einfach nicht lange und intensiv genug mit den Moeglichkeiten eines Samplers beschaeftigt.

das hat 'wer' behauptet?
 
Apropos knarrende Tür: Da kann ich Pierre Henrys "Variations pour une porte en un soupir" aus dem Jahr 1963 empfehlen.
Außer (sehr diffenziertem) Knarren eines alten Scheunentors, Atemgeräuschen und einem gelegentlichen Flexaton wurden dafür keine weiteren Klangquellen verwendet. Die Komposition füllt eine ganze LP, und das ist schon eine gekürzte Version in 16 Abschnitten statt der ursprünglichen 25.

Gruß,
Markus
 
Ilanode schrieb:
Summa schrieb:
Wer behauptet dass das arbeiten mit Baendern identisch mit dem arbeiten mit einem Sampler ist [... usw usf.]

Das klingt deutlich anders als das Posting, auf das sich Markus bezogen hat. Es hat niemand behauptet, dass etwas "identisch" sei, sondern dass völlig Neue einer "knarrenden Tür" usw usf wurde bezweifelt. Ich hoffe, Du siehtst den Unterschied.

Kann es sein dass du nur das Zitat und nicht mein komplettes Posting kennst?

Der 5te oder 6te Analog Synth macht wenig Sinn, waehrend der Sampler in den 80ern fast sowas wie Neuland war und zu enormen Experimenten eingeladen hat, uns damals enorm inspiriert hat. Knarrende Tueren, Luftbefeuchter die gegen die Heizung knallen, (analoge) Schreibmaschinen, Schreie und Geraeusche aus div. Filmen, Schulgong, Lehrer, es wurde alles gesampled, verbogen (vorwaerts, rueckwaerts, hoeher, tiefer, mit und ohne Filter, resampled) und musikalisch verwurstet. Zudem waren die ersten Sampler keine reinen Aufnahmegeraete, sondern haben das Ergebnis auch ein klein wenig gefaerbt und somit einen eigenen Charakter aufgedrueckt. Das Potential der Geraete zu dieser Zeit zu ignorieren, ist aus meiner Sicht fast so wie eine kreative Bankrotterklaerung.

Ich geb' zu dass ich in meinem alten Posting die Moeglichkeiten nicht ganz so detailiert beschrieben hab', weil ich bei meinen Diskussionspartnern von entsprechendem Expertenwissen ausgegangen bin...

Auch die Arbeitserleichterung wurde nicht abgestritten, doch das "Experimentierfreudigkeit und musikalische Spontanitaet" zugenommen hätten, kann begründet angezweifelt werden.

Die Begruendung moechte ich gerne lesen!
 


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