KEYS Review 06/06
Matthias Sauer hat auf netto 2 Seiten seine Perspektiven dargelegt. Zuerst: Hut ab übrigens für die Leistung, ein Featuremonster in so einem eingedampften Text zu beleuchten und dabei nichts auszulassen. Das ist ja Angriffsfläche pur
Ich muss sagen, dass ich selten so einen gelassenen Text gelesen habe über ein Instrument, das so polarisiert. Auch ihm ist die Sample-Ästhetik aufgefallen, wo eben die japanischen Mitbewerberinstrumente mit Brillanz aufwarten und der Fusion halt nicht. Weiter oben in diesem Thread habe ich diese US-Eigenart mal angesprochen.
Die dem Fusion attestierte einfachere Programmierung ist aber relativ: Hier sind immer die 4 Endlos-Controller-Knobs zu berücksichtigen, und da tut sich eine Menge. Am Beispiel "Espressivo CelloViola" will ich mal erläutern, wie das da läuft.
- Knob 1 ist mit dem DCA Envelope verbunden und kontrolliert die Einschwingzeit. Das Instrument kann also per Velocity in der Lautstärke artikuliert werden und mit Knob 1 das Verhalten des Saitenanstrichs.
- Knob 2 definiert die Tonhöhe von DCO2, was in Maximalstellung einen Tritonus erzeugt. Geiles Intervall, nutzbar unabhängig von der Tonart und dieses Knob Setting gestattet auch Intervalle darunter.
- Knob 3 ist Main Filter Cut. Die Geigen bzw. Celli spielen gerne mal sanfter, d.h. es werden weniger Obertöne erzeugt. Das wird hier kontrollierbar.
- Knob 4 kontrolliert X-Fade für die beiden hier zugeordneten Samples, was ein stufenlos unterschiedliches Timbre ermöglicht.
Modulation Wheel: In Mittelstellung ist Vibrato off. Warum das denn? Na ja, Geiger spielen andauernd mit Vibrato und das mit unterschiedlicher Intensität und Geschwindigkeit, also ist eine Grundeinstellung im Preset vorprogrammiert, es klingt also sofort "virtous". Wird das Wheel in Mittelstellung gebracht, beruhigt sich der Geiger mal für einen Moment, um hingegen bei Maximalposition des Wheels noch drastischer die Saite vibrieren zu lassen.
Velocity: Neben der Lautstärke kontrolliert man damit auch Cutoff, also den Obertongehalt.
Portamento: Ist auch registriert, aber subtil. Die Geiger "ziehen" manchmal Noten, indem sie auf dem Griffbrett nach oben bzw. unten rutschen. Das ist hier mit einem Portamento-Setting realisiert, dass nur bei Legato-Spielweise aktiviert wird und eine Zeit von etwas über 40 Millisekunden berücksichtigt, was bei einer Oktave deutlicher zu hören ist, als bei einer Quarte.
Pitch Wheel: 2 Halbtöne rauf und runter, passt ganz gut.
Arpeggio: Standard Setting Up, und sobald man den ARP Knopf drückt, wird mit Knob 4 Time kontrolliert, und dann gehen beliebig flotte Paganini-Style Licks. Ohne selber arbeiten zu müssen
Die Taster 1 bis 4 sowie die Foot-Controller sind noch frei, d.h. hier ergänzt man um das, was man noch meint zusätzlich kontrollieren zu wollen.
Die Physical Model Abteilung findet Matthias nicht so prall. Kann ich verstehen, da erschließt sich einem erstmal gar nichts auf Anhieb. Jedenfalls klingt da nichts wie eine Super-Shakuhachi oder Querflöte, die man nicht als Sample bereits besser hätte. Doch halt. Es sind typische Wind Instruments Eigenschaften, die hier kontrolliert werden können. Und einen stufenlosen Überblaseffekt erzeugen zu können ist erstmal eine Basis. Bisher habe ich noch keinen Song gehabt, wo das ein Sample hätte übertreffen können, aber weiß man´s? Im anderen Posting über neue Sounds werden solche Optionen eingefordert, zu Recht wie ich meine. Also die PM Abteilung beim Fusion heißt für mich erstmal: Experimentierbaukasten.
Die FM Abteilung findet Matthias gelungen. Ich finde die bisher von ihren Möglichkeiten definitiv nur angerissen und man bringt mich auch nur unter Zwang dazu, noch ein weiteres E-Piano Derivat mit FM zu erzeugen. Aber: Das Potential ist da und Leute wie Summa sollten sich ruhig mal in ihrem Ehrgeiz angesprochen fühlen, hier für frischen Nachschub zu sorgen.
Dass die Electronica Bank so positiv aufgefasst wird, ist eher eine Überraschung. Gerade die Hip Hop und Electro Abteilungen waren es, die am meisten rumgemosert haben. Sollen sie doch, wieso auch nicht.
Offenbar kommt im KEYS Review der VA am besten weg. Was ich verstehen kann. Kommentarlos.
Das Netzteil des Testinstrumentes hat nicht zur üblich verlangten Stille beigetragen. Interessant: Das hatte ich auch registriert, ein ganz leises hochfrequentes Pfeifen, das zwar mit einem Noise Gate auf Null zu drehen ist, aber sowas will man nicht. Im US-Fusionforum hat einer gemeint, sein Fusion ist stumm, vielleicht gibt es hier Qualiätsstreuung. Sollte man nachgehen dieser Sache. I hate noise, hum and hiss.
Zuguterletzt auch ein Wort zur Käuflichkeit bzw. parteiischen Äußerungen von Leuten, die in der Musikinstrumentenbranche arbeiten: Matthias hat schon einen Schwung Jobs für Yamaha related Produkte abgeliefert, ihm ist das wirklich anzurechnen, dass er sich da offenbar freigemacht hat und sich souverän auf seinen Eindruck hin positioniert hat. Ich versuche das auch immer wieder, das fällt nicht immer leicht. Und wenn man das mal nicht so hinkriegt aus subjektiver Sicht eines Beobachters, meine Güte, dann seht einem das mal als menschliche Facette nach.