E- oder U-Musik?

Was für Musik machst in Deinen Augen?

  • E-Musik

    Stimmen: 5 18,5%
  • U-Musik

    Stimmen: 9 33,3%
  • Sowohl als auch

    Stimmen: 13 48,1%

  • Umfrageteilnehmer
    27
C

changeling

Guest
Früher habe ich die Unterscheidung zwischen E- und U-Musik für beknackt gehalten, mittlerweile glaube ich, dass die Unterscheidung schon einen Sinn hat.

Nur damit es allen klar ist:
E = Ernste Musik
U = Unterhaltungs-Musik

Black Metal wird von manchen bitter-ernst genommen, gehört trotzdem zur U-Musik. :P
U-Musik ist Musik in dessen Szene ein Begriff wie 'Techno' in ein paar Jahren was völlig anderes bedeuten kann, E-Musik ist der Bereich, in welchem 'elektronische Musik' nur das bezeichnen darf, was Stockhausen und Co fabriziert haben. :fawk:

Also zur eigentlichen Frage: Was macht Ihr oder glaubt Ihr zu machen?
 
Mag anscheinend keiner drüber diskutieren, dabei halte ich die Frage im Rahmen der letzten Entwicklungen für ziemlich essentiell. Ich hab hier auch noch nie was gehört, was ich zur E-Musik einordnen würde. Auch die geposteten Beispiele von Stockhausen nicht. :fawk:
 
changeling schrieb:
Black Metal wird von manchen bitter-ernst genommen, gehört trotzdem zur U-Musik. :P
(...) E-Musik ist der Bereich, in welchem 'elektronische Musik' nur das bezeichnen darf, was Stockhausen und Co fabriziert haben.
Du hast es selbst gesagt: so richtig glücklich ist die Einteilung in E- und U-Musik nie gewesen. Vieles, was Bach oder Mozart komponiert haben, diente ausschließlich der Unterhaltung. Auch ernsthafte Kunstwerke wie Beethovens Symphonien haben einen Unterhaltungswert. Gleichzeitig sind viele Popsongs und Chansons durchaus ernsthafte "kleine Kunstwerke". Wo packt man im Spannungsfeld von E und U Leute wie Kurt Weill und George Gershwin hin? Ist Cages Musik ernsthaft, nur weil er ihr einen philosophischen Überbau gegeben hat? Definiert sich E-Musik am eigenen Anspruch, am künstlerischen Gehalt oder am Urteil der Nachwelt? (Letzteres könnte für Stockhausen übel ausgehen, wer kann das heute sagen?)

Vielleicht wäre eine Einteilung in funktionale und absolute Musik günstiger. Wenn Musik primär zur Entspannung, zum Tanzen, zur Berieselung im Kaufhaus etc. dient, ist sie funktional, wenn sie künstlerischer Selbstzweck ist, ist sie "absolut". Aber auch mit dieser Unterscheidung stößt man schnell an Grenzen. Was macht man schließlich, wenn ein Hörer die Goldberg-Variationen als Entspannungsmusik im Hintergrund plätschern lässt?
 
Markus Horn schrieb:
Was macht man schließlich, wenn ein Hörer die Goldberg-Variationen als Entspannungsmusik im Hintergrund plätschern lässt?

Dann kann die Musik nichts dafür.
Ich finde, Hörer sind nicht wichtig. Und ihr Urteil ist es auch nicht.
Aber leider ist die Ansicht weit verbreitet, jeder könne sich ein Urteil über Musik erlauben, nur weil er Ohren hat.
 
Markus Berzborn schrieb:
Ich finde, Hörer sind nicht wichtig. Und ihr Urteil ist es auch nicht. Aber leider ist die Ansicht weit verbreitet, jeder könne sich ein Urteil über Musik erlauben, nur weil er Ohren hat.
Dem ersten Satz stimme ich überhaupt nicht zu, dem letzten schon. Es gibt in der Tat viele Menschen, die dazu neigen, Dinge zu beurteilen, von denen sie nichts verstehen. Das ist vielleicht eine Art ungewollte Nebenwirkung der Meinungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft.

Aber dass Hörer unwichtig seien, kann ich absolut nicht bestätigen. Musik ist Kommunikation. Musik ohne Hörer ist sinnlos und ein Musikstück, das nicht auch mit dem Zuhörer im Blick komponiert wird, ist wie eine Rede auf Chinesisch vor einem deutschsprachigen Publikum. Der Inhalt dieser Rede kann noch so klug sein: wenn die Hörer sie nicht verstehen, ist sie sinnlos.
 
Eine Partitur ist ja wie ein genetischer Code, aus dem im Zeitpunkt der Aufführung sozusagen ein musikalisches Lebewesen erzeugt wird.
Es gibt doch genügend Beispiele, dass Musik geschrieben/notiert wurde, die dann jahre- oder jahrzehntelang in der Schublade lag.
Z.B. bei Giacinto Scelsi, da wurde vieles erst sehr viel später entdeckt, weil er als wohlhabender Mann auch nicht von der Musik leben musste.
Das bedeutet aber nicht, dass die Musik wertlos war, bevor sie bekannt wurde.
 
Die Unterscheidung E/U stammt nach meinem Wissen von der Gema. Eine interessante Organisation, die maßgeblich von Richard Strauss zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründet wurde. Möglicherweise haben die Herausforderungen der damaligen Zeit zu den Begrifflichkeiten geführt, die es meines Wissens vorher nicht gab.
Interessant auch, dass seit der Zeit (in meiner bescheidenen Wahrnehmung) eine Spaltung der Musik stattgefunden hat - mit einer Trivial- und Funktionsmusik auf der einen Seite und einer stark akademisch geprägten Kunst-Musik (mit großen Akzeptanzproblemen in der Breite) andererseits. Gab es in der Form vorher vermutlich weniger. Vielleicht auch eine Reaktion auf die weitgehend von Improvisation geprägte Jazzmusik amerikanischen Ursprungs und deren Folgeentwicklungen, die seit der Zeit in Europa angekommen war? Auf einmal war da sehr ansehnliche Musik ohne den "genetischen Code" einer Partitur. (Ist aber sicher nur einer von mehreren Aspekten.)

Wer hat Ahnung von Musikgeschichte und kann da was beitragen?

Andreas
 
Markus Berzborn schrieb:
Das bedeutet aber nicht, dass die Musik wertlos war, bevor sie bekannt wurde.
Das sehe ich genauso (auch wenn ich den genannten Musiker nicht kenne und mir über das konkrete Beispiel kein Urteil erlauben kann). Aber diese Musik wäre wertlos gewesen, wenn ihre Zeit nie gekommen wäre. Dass ein Künstler seiner Zeit voraus ist, bedeutet nicht, dass seine Kunst nicht im Spannungsfeld mit den Erwartungen der Zuhörer und mit der Musik seiner Zeit konzipiert wurde - und dass sie nicht erst dann wirklich zur Musik wird, wenn sie aufgeführt wird.
 
Interessant auch, dass seit der Zeit (in meiner bescheidenen Wahrnehmung) eine Spaltung der Musik stattgefunden hat - mit einer Trivial- und Funktionsmusik auf der einen Seite und einer stark akademisch geprägten Kunst-Musik (mit großen Akzeptanzproblemen in der Breite) andererseits.

Das liegt in erster Linie an der industriellen Entwicklung und dem Fortschritt der Kommunikationsmittel.
Es ist ja nicht so, dass es zu Zeiten von Bach oder zu Zeiten von Beethoven nur Musik wie von Bach und Beethoven gab und sich die Bauern auf dem Feld das angehört haben.
Sondern angesichts fehlender Reproduktionsmöglichkeiten war diese Musik zu Lebzeiten der Komponisten sogar eine ausgesprochene Minderheitensache, eben für die Leute, die überhaupt erst die Chance hatten, sich eine entsprechende Aufführung anzuhören.
Für den "normalen Durchschnittsmenschen" gab es halt die jeweils lokal gespielte Volksmusik, also was man heute vielleicht Pop nennen würde.
 
AndreasKrebs schrieb:
Die Unterscheidung E/U stammt nach meinem Wissen von der Gema. Eine interessante Organisation, die maßgeblich von Richard Strauss zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründet wurde. Möglicherweise haben die Herausforderungen der damaligen Zeit zu den Begrifflichkeiten geführt, die es meines Wissens vorher nicht gab.
Interessant auch, dass seit der Zeit (in meiner bescheidenen Wahrnehmung) eine Spaltung der Musik stattgefunden hat - mit einer Trivial- und Funktionsmusik auf der einen Seite und einer stark akademisch geprägten Kunst-Musik (mit großen Akzeptanzproblemen in der Breite) andererseits. (...)
Diese Unterscheidung ist viel älter. Schon Platon unterscheidet in seinem "Staat" Musik, die zur Bidung des "Philosophen" geeignet ist, von solcher Musik, die die "dionysischen" Triebe befriedigt. In der abendländischen Kultur setzt sich diese Unterscheidung kontinuierlich fort. Die Spielleute im Mittelalter, die zum Tanz aufspielten, gehörten mit Schauspielern und Prostituierten der untersten Gesellschaftsschicht an, während die Mönche, die sich in den Klöstern der Musikwissenschaft, der Astronomie und der Kirchenmusik widmeten, als die angesehensten aller "Wissenschaftler" galten.
 
Ja, die europäische Kunstmusik hat ihren Ursprung weitgehend in den Kirchen und Klöstern, das ist schon richtig.
 
Was ist denn an ernster Musik so ernst? Wie andere schon gesagt haben, war auch Klassik zu ihrer aktuellen Zeit meist Unterhaltungsmusik.
Der Begriff "Ernste Musik" erinnert mich immer an studierte Orchestermusiker, die beim Musizieren immer schwer die Stirn in Falten legen und immer ganz intelligent böse gucken müssen, damit sie vom Volk auch wirklich "ernst" genommen werden können.
Für mich ist Musik einfach nur Musik.
 
Orchestermusiker haben weder die Zeit, die Stirn in Falten zu legen noch irgendwelche lustigen Faxen zu machen. Sondern sie müssen sich einfach konzentrieren.
Wie das auf den Zuhörer wirkt, ist zweitrangig.
 
Markus Berzborn schrieb:
Orchestermusiker haben weder die Zeit, die Stirn in Falten zu legen noch irgendwelche lustigen Faxen zu machen. Sondern sie müssen sich einfach konzentrieren.
Wie das auf den Zuhörer wirkt, ist zweitrangig.
Alle anderen Musiker, Elektroniker, Rockmusiker, Popmusiker, usw. müssen sich im Umkehrschluß also nicht konzentrieren?
 
Markus Berzborn schrieb:
Das liegt in erster Linie an der industriellen Entwicklung und dem Fortschritt der Kommunikationsmittel.
Es ist ja nicht so, dass es zu Zeiten von Bach oder zu Zeiten von Beethoven nur Musik wie von Bach und Beethoven gab und sich die Bauern auf dem Feld das angehört haben.
Sondern angesichts fehlender Reproduktionsmöglichkeiten war diese Musik zu Lebzeiten der Komponisten sogar eine ausgesprochene Minderheitensache, eben für die Leute, die überhaupt erst die Chance hatten, sich eine entsprechende Aufführung anzuhören.

Die Bildungs- und Einfluss-Elite gibt es heute ja durchaus auch, wenn auch im Zuge der Demokratisierung der Zugang dazu durchlässiger geworden ist, als noch im 18. Jahrhundert. Ich stelle aber fest, dass sich diese Kreise auch heute noch in größerer Zahl Bach und Beethoven anhören, als zeitgenössische "E-Musik". Ich stelle mal die Vermutung auf, dass das weniger an den modernen Kommunikationsmitteln liegt, als am Verhältnis zwischen eben dieser Elite und der entsprechenden Musik. Oder?

Andreas
 
changeling schrieb:
Früher habe ich die Unterscheidung zwischen E- und U-Musik für beknackt gehalten, mittlerweile glaube ich, dass die Unterscheidung schon einen Sinn hat.
Ich für mich denke dass dieser Unterschied konstruiert ist. Und zwar nicht von den Erschaffenden selber, sondern von den "Konsumenten" welche sich, oft intelektuell, über andere erheben wollen. Ähnlich wie bei bildender Kunst, wo dann selbsternannte Experten den grössten Scheiss in die Werke hineininterpretieren weil sie denken (nur) sie haben den vollen Durchblick. Oder bei Wein. Oder Hurz. :lol:
Vielleicht ist mein Horizont aber auch zu begrenzt um den Unterschied zu erkennen, was solls...

Also zur eigentlichen Frage:[/b] Was macht Ihr oder glaubt Ihr zu machen?

Ich versuche mich an Unterhaltungsmusik :roll:
 
AndreasKrebs schrieb:
Die Bildungs- und Einfluss-Elite gibt es heute ja durchaus auch, wenn auch im Zuge der Demokratisierung der Zugang dazu durchlässiger geworden ist, als noch im 18. Jahrhundert. Ich stelle aber fest, dass sich diese Kreise auch heute noch in größerer Zahl Bach und Beethoven anhören, als zeitgenössische "E-Musik". Ich stelle mal die Vermutung auf, dass das weniger an den modernen Kommunikationsmitteln liegt, als am Verhältnis zwischen eben dieser Elite und der entsprechenden Musik. Oder?
Es gibt in dieser sogenannten "Bildungs- und Einflusselite" aber auch eine Menge Leute, die den Rolling Stone lesen oder die Spex. Dass Bach und Beethoven mehr Hörer finden als die "ernste" Musik des 20. Jahrhunderts liegt m.E. daran, dass ein Großteil dieser modernen Musik Menschen, die sich nicht pausenlos mit Musik beschäftigen, schwer zugänglich ist. Übrigens könnte ich mir auch vorstellen, dass sich die ein oder andere Entwicklung des 20. Jahrhunderts im Nachhinein als Irrweg herausstellen wird. Zwölftonmusik, serielle Musik und Aleatorik z.B. werden bereits heute sehr kritisch gesehen.

Wenn ich eine Prognose wagen soll, dann wird es mit derjenigen "klassischen Musik" weitergehen, die Elemente der europäischen Tradition mit außereuropäischen Elementen verbindet, die eine Brücke zwischen den Kulturen und den Musiktraditionen herstellt (inklusive des Jazz und der Popmusik). Alle die, die diesen Weg beschritten haben und beschreiten - von Holst über Gershwin, Weill, Ligeti, Reich, Gulda bis zu "jungen" Komponisten wie Tan Dun sind bereits jetzt weitgehend unumstritten und finden auch Hörer.
 
Ich glaube, der Punkt ist, eine gewisse unmittelbare Verständlichkeit beizubehalten, ohne im Vorhersehbaren steckenzubleiben. Anhaltspunkte anbieten: rhythmische Strukturen, harmonische Strukturen, was auch immer, solange der Hörer dadurch einen Rahmen findet, innerhalb dessen eine Orientierung möglich ist. Das schließt Dodekaphonie nicht zwangsläufig aus, auch nicht andere Dinge, die im 20. Jahrhundert entstanden sind (Zufallsprozesse, usw). Und innerhalb dieses Rahmens dann etwas Neues machen, etwas Überraschendes. Ein schönes Beispiel ist Rautavaaras Dritte Symphonie: da guckt auf einmal - eingewoben in serielle Komposition - ein Bruckner-Zitat raus, wo man es überhaupt nicht erwartet hätte. Oder die aleatorische Trommel-Passage in Nielsens Fünfter Symphonie (ok, ist schon ein bisserl älter).

Die Kunst wird sein, in sich stimmige Werke zu schaffen, die dann nicht beliebige Technik- und Kulturmischungen sind.

Andreas
 
AndreasKrebs schrieb:
Ich glaube, der Punkt ist, eine gewisse unmittelbare Verständlichkeit beizubehalten, ohne im Vorhersehbaren steckenzubleiben. (...) Die Kunst wird sein, in sich stimmige Werke zu schaffen, die dann nicht beliebige Technik- und Kulturmischungen sind.
Genau. Ich glaube allerdings, dass in der Vermischung z.B. indischer Rhythmik und europäischer Harmonik riesige, heute erst vage erahnte Möglichkeiten stecken. Na, lassen wir uns überraschen ;-) ...
 
Bernie schrieb:
Alle anderen Musiker, Elektroniker, Rockmusiker, Popmusiker, usw. müssen sich im Umkehrschluß also nicht konzentrieren?

Nein, nicht sonderlich.
Da ich beide Welten kenne und mich in beiden bewege, kann ich das auch beurteilen.
 
AndreasKrebs schrieb:
Ich stelle aber fest, dass sich diese Kreise auch heute noch in größerer Zahl Bach und Beethoven anhören, als zeitgenössische "E-Musik". Ich stelle mal die Vermutung auf, dass das weniger an den modernen Kommunikationsmitteln liegt, als am Verhältnis zwischen eben dieser Elite und der entsprechenden Musik. Oder?

Nein, es liegt eben an der Reproduzierbarkeit/Verfügbarkeit durch die entsprechenden Kommunikationsmittel.
Gäbe es die nicht, wäre die Musik lebender Komponisten sicher prominenter vertreten.
 
AndreasKrebs schrieb:
Ich glaube, der Punkt ist, eine gewisse unmittelbare Verständlichkeit beizubehalten, ohne im Vorhersehbaren steckenzubleiben. Anhaltspunkte anbieten: rhythmische Strukturen, harmonische Strukturen, was auch immer, solange der Hörer dadurch einen Rahmen findet, innerhalb dessen eine Orientierung möglich ist.

Orientierung ist grundsätzlich möglich, man muss sich halt nur etwas bemühen.
Ich halte diese Forderung nach "unmittelbarer Verständlichkeit" für Unfug.
Höhere Mathematik ist auch nicht unmittelbar verständlich, sondern nur für jemanden mit entsprechender Vorbildung.
Wieso sollte dann jede Musik für jedermann sofort verständlich sein? Sehe ich überhaupt nicht ein.
 
Markus Berzborn schrieb:
Ich halte diese Forderung nach "unmittelbarer Verständlichkeit" für Unfug.
Höhere Mathematik ist auch nicht unmittelbar verständlich, sondern nur für jemanden mit entsprechender Vorbildung.
Wieso sollte dann jede Musik für jedermann sofort verständlich sein? Sehe ich überhaupt nicht ein.
Na, das mit dem "Unfug" ist jetzt etwas scharf geschossen, findest Du nicht? Ich möchte keine Banalisierung, damit da kein Missverständnis entsteht. Aber ich sehe auch keine logische Verbindung zwischen höherer Mathematik und Musik, das ist ein bisserl arg bemüht. Musik hat durchaus andere Ziele und Methoden als Mathematik (kein Mensch führt zum Beispiel einen komplexen Beweis "live" auf der Bühne auf, usw. der Vergleich ist schon recht schwer nachzuvollziehen).
Mit der "unmittelbaren Verständlichkeit" möchte ich eine Musik, die dazu geeignet ist, dass eine - von mehreren - Erlebnis-Ebenen bereits durch die sinnliche Erfahrung zugänglich ist. Eine Vertiefung durch Partiturstudium, Quellenanalyse, usw, kann durchaus mehr an Erkenntnis und Genuss bringen, aber die "Eingangstüre" des unmittelbar-akustischen Erlebens sollte nicht ganz zugemauert sein.

Markus Berzborn schrieb:
Nein, es liegt eben an der Reproduzierbarkeit/Verfügbarkeit durch die entsprechenden Kommunikationsmittel.
Gäbe es die nicht, wäre die Musik lebender Komponisten sicher prominenter vertreten.
Meinst Du nicht, dass da die lebenden (oder vor kurzem lebenden) Komponisten auch ihren Teil dazu beigetragen haben? Die hätten - wenn sie denn halbwegs intelligent wären - doch auch die modernen Kommunikationsmittel nutzen können? (es liegt aber m.E. keineswegs daran, dass die zu wenig intelligent waren, sondern möglicherweise - achtung Spekulation!! - dass eine Ablehnung durch ein breites Publikum durchaus gewünscht war.)

Andreas
 
AndreasKrebs schrieb:
Mit der "unmittelbaren Verständlichkeit" möchte ich eine Musik, die dazu geeignet ist, dass eine - von mehreren - Erlebnis-Ebenen bereits durch die sinnliche Erfahrung zugänglich ist.

Das ist ja auch grundsätzlich so, da Schallschwingungen über Sinnenwahrnehmung weitergegeben werden. Dazu braucht es noch nicht mal einen Komponisten. Das kann auch ein Gewitter, Wind, Vogelgezwitscher oder ein vorbeifahrender LKW sein.

Die hätten - wenn sie denn halbwegs intelligent wären - doch auch die modernen Kommunikationsmittel nutzen können?

Haben sie ja auch. Das ist ja, was ich sage: Selbst ein nicht sonderlicher bekannter zeitgenössischer Komponist erreicht durch diese technischen Möglichkeiten heute quantitav ein größeres Publikum als die Komponisten des 18. Jahrhunderts.

dass eine Ablehnung durch ein breites Publikum durchaus gewünscht war.)

Das ist Quatsch. Wieso sollte sich jemand künstlich Ablehnung wünschen. Das ist außerdem nicht kalkulierbar.
 
AndreasKrebs schrieb:
Ich glaube, der Punkt ist, eine gewisse unmittelbare Verständlichkeit beizubehalten, ohne im Vorhersehbaren steckenzubleiben.
Wenn jemand in ein Konzert geht, dann weiß er doch im Vorfeld was ihn dort musikalisch erwartet. Ich kenne auch niemanden in meinem Bekanntenkreis, der einfach so in einen Plattenladen spaziert, planlos irgendwelche Tonträger kauft, um sich dann daheim von der Musik überraschen lassen.

Nehmen wir einmal an, Markus kündigt im Forum an dass er nach Hamburg kommt, um hier etwas aus seinem Repertoire zu spielen. Sicherlich wird er dann auch angeben was wir hören können. Von da an liegt es an dem Interessierten selbst, sich eingehender mit dem was da kommt zu beschäftigen und herauszufinden ob das für ihn überhaupt etwas wäre das ihn als Hörer anspricht. Wer Dixieland Kram hören will, sollte sich im Nachhinein auch nicht beschweren, dass ihm so etwas eben nicht auf einem Nitzer Ebb Konzert geboten wird.

Anhaltspunkte anbieten: rhythmische Strukturen, harmonische Strukturen, was auch immer, solange der Hörer dadurch einen Rahmen findet, innerhalb dessen eine Orientierung möglich ist.
Ich meine eher das sich der Hörer hier selber seinen ihm passenden "Rahmen" zu suchen hat (siehe oben). Wer rhythmische Strukturen bevorzugt oder sich generell gerne von anderen einen Rythmus aufzwingen lässt und ihm nicht gelegen ist da auszubrechen, der kann sich gerne in diesem - wohlmöglich von anderen ihm übergestüllpten - Käfig bewegen. Das hat für mich schon etwas von buhlen um die Gunst des Hörers, durch ausfüllen von Kästchen auf Rechenpapier das alle aus der Schulzeit kennen. Wenn man damit aber glücklich ist und das alles dem eigenen empfinden und der Ausrichtung an der eigenen inneren Uhr entspringt, dann eben einfach machen.

Musik machen betrachte ich aber nun auch nicht als Leistungssport/Wettkampf, bei dem man dann am Ende eine Medallie um den Hals gehängt zu bekommen. Für mich ist es viel wichtiger, dass das was ich mache seinen Urspung in mir hatte und ich nicht nachher etwas in Händen halte, dass eventuell nur noch 10% meiner Persöhnlichkeit ausmacht. Dies ist zwar dann nicht möglich, wenn ich mit Material von anderen etwas erarbeite, aber ich schaffe es auch da ganz gut dem meinen Stempel zu verpassen. Das ist für mich zwar schwiriger, aber Spass macht mir das auch, denn ich habe so etwas Abwechslung und muss mit dem klarkommen das mir zu Verfügung gestellt wird. So komme ich auf andere Gedanken, muss andere Wege gehen da irgendwelche technischen Probleme auftreten, usw. Andauernd würde ich das aber nicht machen wollen, da es doch schon sehr anders ist als etwas von Grundauf selbst zu gestallten.
 
Illya F schrieb:
Wenn jemand in ein Konzert geht, dann weiß er doch im Vorfeld was ihn dort musikalisch erwartet.

Nicht unbedingt. Schau z.B. mal, was sadnoiss geschrieben hat zu dem Konzert in Köln, wo er gestern war.
Es sind einige rausgegangen, weil offenbar ihre Erwartungen nicht erfüllt wurden.

Ich fände es aber auch langweilig, wenn immer nur konkrete musikalisch-stilistische Erwartungen 100% erfüllt würden.
Ich finde, erwarten kann man, dass Musiker ihr Bestes geben und dass die Musik an erster Stelle steht und nicht ihre Rezeption. So würde zumindest mein Anspruch lauten.
Aber wenn es immer nur das gleiche Schema ist, und man zwingt einen Musiker, 40 Jahre lang immer das gleiche zu machen, weil er das eben nach Meinung des Zuhörers mal besonders gut gemacht hat, wie kann man da noch von interessantem Musik- bzw. Konzertleben sprechen.
Da kann man sich doch besser gleich immer wieder dieselben alten Platten auflegen.
 
Markus Berzborn schrieb:
AndreasKrebs schrieb:
Mit der "unmittelbaren Verständlichkeit" möchte ich eine Musik, die dazu geeignet ist, dass eine - von mehreren - Erlebnis-Ebenen bereits durch die sinnliche Erfahrung zugänglich ist.

Das ist ja auch grundsätzlich so, da Schallschwingungen über Sinnenwahrnehmung weitergegeben werden. Dazu braucht es noch nicht mal einen Komponisten. Das kann auch ein Gewitter, Wind, Vogelgezwitscher oder ein vorbeifahrender LKW sein.

Oh je, ich meinte natürlich nicht, dass Musik - selbstverständlich! - aus Schallereignissen besteht. Hälst Du mich für komplett bescheuert, oder hast Du nur Freude an Deiner Rhetorik?

Markus Berzborn schrieb:
dass eine Ablehnung durch ein breites Publikum durchaus gewünscht war.)
Das ist Quatsch. Wieso sollte sich jemand künstlich Ablehnung wünschen. Das ist außerdem nicht kalkulierbar.

Ich verstehe nicht, warum Du meine - bereits von mir als spekulativ gekennzeichnete Idee - als "Quatsch" abtust. Wäre eigentlich schön gewesen, mit Dir zu diskutieren, weil ich glaube, dass Du inhaltlich viel zu dem Thema hättest beitragen können.

Andreas
 
AndreasKrebs schrieb:
Oh je, ich meinte natürlich nicht, dass Musik - selbstverständlich! - aus Schallereignissen besteht. Hälst Du mich für komplett bescheuert, oder hast Du nur Freude an Deiner Rhetorik?

Natürlich halte ich Dich nicht für bescheuert.
Ich wollte nur sagen, dass diese sinnliche Komponente grundsätzlich immer da ist, weil es sich beim Hören eben um Sinneswahrnehmung handelt.
Wie es dann auf den Einzelnen wirkt, kann wieder ganz unterschiedlich sein und hängt von vielen Faktoren ab, die man auch letztlich gar nicht genau erforschen kann.
Der eine fühlt sich durch einen Tiefflieger belästigt, der andere sagt sich vielleicht: Oh, einen interessanten Hüllkurvenverlauf hat dieser Klang. Aber beide wurden eindeutig durch den Tiefflieger irgendwie sinnlich berührt.
So ist es auch in der Musik. Auch da muss man sehr vorsichtig sein, von sich auf andere zu schließen.

Ich verstehe nicht, warum Du meine - bereits von mir als spekulativ gekennzeichnete Idee - als "Quatsch" abtust.

Vielleicht weil ich noch nie einem Musiker begegnet bin, der etwas mit der Absicht macht, möglichst abgelehnt zu werden.
Könntest Du Dir das für Dich selbst denn vorstellen? Also ein Stück Musik zu produzieren, das im Idealfall niemandem gefällt?
Was machst Du dann, wenn es wider Erwarten sehr vielen gefällt? Würdest Du Dich dann sozusagen als gescheitert betrachten?
 
changeling schrieb:
Also zur eigentlichen Frage: Was macht Ihr oder glaubt Ihr zu machen?

ernstzunehmende Unterhaltungsmusik.


Davon abgesehen ist das mal wieder ein typisches Forenthema.Theoretisch,jeder sieht`s anders,alle quasseln drüber und das Ergebnis ist-sofern man überhaupt zu einem gelangt- völlig belanglos.Beschäftigungstherapie.
 
Markus Berzborn schrieb:
Illya F schrieb:
Wenn jemand in ein Konzert geht, dann weiß er doch im Vorfeld was ihn dort musikalisch erwartet.

Nicht unbedingt. Schau z.B. mal, was sadnoiss geschrieben hat zu dem Konzert in Köln, wo er gestern war.
Es sind einige rausgegangen, weil offenbar ihre Erwartungen nicht erfüllt wurden.

Du meinst diesen Beitrag von ihm, richtig? Du meinst diesen Beitrag von ihm, richtig? viewtopic.php?p=506755#p506755

Sadnoiss hat das doch offensichtlich gefallen. In die Köpfe derer die sich da frühzeitig verabschiedet haben kann ich ja nun nicht gucken. Ich kann auch zu dem "Emsemble Pirx mit zwei Gastmusiker" nichts sagen, da ich nicht weiß was die Leute sonst so machen und worin sich jetzt deren Auftritt dort unterschieden hat. Das muss mir dann erst einmal anhören, also schauen ob ich da etwas im Netz finde. Dann bräuchte ich selbstredend auch noch einen Mitschnitt von dem Auftritt dort. Vorher ist es mir schlicht nicht möglich darauf einzugehen.


Ich fände es aber auch langweilig, wenn immer nur konkrete musikalisch-stilistische Erwartungen 100% erfüllt würden.
Ich finde, erwarten kann man, dass Musiker ihr Bestes geben und dass die Musik an erster Stelle steht und nicht ihre Rezeption. So würde zumindest mein Anspruch lauten.
Aber wenn es immer nur das gleiche Schema ist, und man zwingt einen Musiker, 40 Jahre lang immer das gleiche zu machen, weil er das eben nach Meinung des Zuhörers mal besonders gut gemacht hat, wie kann man da noch von interessantem Musik- bzw. Konzertleben sprechen.
Da kann man sich doch besser gleich immer wieder dieselben alten Platten auflegen.
100% erwartet sicher niemand, denn klar, das wäre schon arg langweilig und ja, dann kann man auch gleich die Platte aus dem Schrank holen. Die Musik muss auch an erster Stelle stehen, denn dafür geht der Hörer ja dahin. Bez. Schema F über 40 Jahre: Ich fände es schlimm, wenn dies von einem Musiker erwartet würde. Da muss er sich halt entscheiden ob er das mitmachen will oder nicht, mit allen Konsequenzen versteht sich.

Ich kenne mich ja in der klassischen Musik überhaupt nicht aus, hatte aber auf Arte, so vor ca. einem Jahr, eine Dokumentation über Dirigenten der fieseren Sorte gesehen. Da hatten die Orchester Musiker richtig schiss vor dem Dirigenten, also so richtig mit zittern und Angst. So etwas hat dann für mich nichts mehr mit Musik zu tun, auch nicht, wenn die Resultate dann eventuel als besonders gelungen bejubelt werden. Arschgeigen gibt es eben überall. Letztendlich muss auch jeder selber entscheiden, ob er bereit ist seine Seele zu verkaufen. Je nach der eigenen Beschaffenheit, ist es da wohl besser einen einfachen Job zu machen, um sich über Wasser halte, und nach Feierabend dann die Musik zu machen die man selber hören will. Sicher ist dies auf Dauer auch gesünder, denn dabei fühlt man sich ja wohl.
 


Neueste Beiträge

News

Zurück
Oben