Was für eine armselige Musik

Scaramouchè schrieb:
UND gibt es da noch Kontakt zwischen Dir und Herrn Schmitt im Bezug auf das sinnliche elektronische Instrument? Kann man da etwas in Zukunft erwarten? Mit NI ist da wohl wenigsten ein Partner am Werk dem man so etwas auch real zutrauen könnte. Nun hast Du mein Interesse aber ganz schön geweckt.

Leider nein. Ich vermute, die Firma hat inzwischen eine Dimension erreicht, wo man es sich nicht mehr leisten will, quer zu denken. Ich kenne das aus meiner Historie, um so mehr bin ich froh und erleichtert, dass ich mich entreichert habe und mir 24 Stunden am Tag blöde Gedanken machen darf.
 
Na prinzipiell zeigt man bei Ableton und NI mit ihren Controllern, dass man das Wort "ficken" zumindest kennt. Die Umsetzung kommt sicherlich, sobald die Firmen aus der Pubertät entwachsen sind.
 
Das Gefühl, dass die erwachsen sind, habe ich bei beiden schon länger.
Live war mal eine günstige Alternative zu CuBase und Logic. Mittlerweile ist es teurer als die beiden Platzhirsche.
Und NI bringt in erster Linie Soundpacks und DJ-Software. Vermutlich war mit Reaktor und Absynth der Zenith was Innovation betrifft schon erreicht. OK, Battery ist noch konkurrenzlos, aber ähnlich mau modellgepflegt wie Logic.

Wer heute als Bedroomproducer neu anfängt, wird vermutlich eher Reaper nutzen. Oder - ganz oldschool - einen Tracker wie Renoise.
 
fab schrieb:
neues ist ein großes wort. wenn ich ab und zu etwas eigenes mache, reicht mir das. für mich mag es neu sein, es gibt aber sicher bereits vergleichbares und ähnliches, mithin auch besseres.
Ist denn die "Neuheit" eines Werks (im Sinne von "ist so noch nie da gewesen") eine Qualität oder ein Wert per se? Darf das Werk denn dann anderer Qualitäten vernachlässigen - nur um neu gewesen zu sein? Und ist die Neuheit des Stückes nicht ein sehr vergänglicher Wert, wenn ein Epigone die "Neuheit" zwar nur kopiert, aber dafür seinem Werk über andere Qualitäten eine viel höhere Dimension gibt?
 
florian_anwander schrieb:
Ist denn die "Neuheit" eines Werks (im Sinne von "ist so noch nie da gewesen") eine Qualität oder ein Wert per se? Darf das Werk denn dann anderer Qualitäten vernachlässigen - nur um neu gewesen zu sein? Und ist die Neuheit des Stückes nicht ein sehr vergänglicher Wert, wenn ein Epigone die "Neuheit" zwar nur kopiert, aber dafür seinem Werk über andere Qualitäten eine viel höhere Dimension gibt?
Kann man heute überhaupt noch richtig neues machen?
War doch fast alles schon mal da.
 
florian_anwander schrieb:
fab schrieb:
neues ist ein großes wort. wenn ich ab und zu etwas eigenes mache, reicht mir das. für mich mag es neu sein, es gibt aber sicher bereits vergleichbares und ähnliches, mithin auch besseres.
Ist denn die "Neuheit" eines Werks (im Sinne von "ist so noch nie da gewesen") eine Qualität oder ein Wert per se? Darf das Werk denn dann anderer Qualitäten vernachlässigen - nur um neu gewesen zu sein? Und ist die Neuheit des Stückes nicht ein sehr vergänglicher Wert, wenn ein Epigone die "Neuheit" zwar nur kopiert, aber dafür seinem Werk über andere Qualitäten eine viel höhere Dimension gibt?


Dann mal den hier, Abschnitt aus http://www.elektropolis.de/ssb_story_bruen.htm

Wie soll ein Komponist sich also verhalten, wenn er mit viel Mühe und Lust eine Musik komponiert hat, die, wie er hofft, etwas Unerhörtes, Neues, Informatives, kurz: viele Störungen des schon Selbstverständlichen vermittelt und nun die Bestätigung seiner Leistung in Form eines empörten Vorwurfs erfährt? Wie soll zwischen beabsichtigter Störung und erlittener Störung die Anpassung gefunden werden? Es sei nun ein Aspekt des Problems vorgeführt, der zeigen soll, daß die Behauptung, der Hörer habe sich anzupassen, keiner Unverschämtheit des Komponisten das Wort redet, sondern dem Wesen des Problems entspringt.
Würde der Komponist seine Absicht, zu stören, aufgeben, so gelänge ihm nur noch bedeutungslose Musik, das heißt, die Anpassung fände statt, bevor ein störendes Geschehen dafür sorgen konnte, die Kommunikationskette zwischen Hörer und Komponisten beiden, sei es auch als gestörte, ins Bewußtsein zu bringen. Fehlt aber das Bewußtsein von einer musikalischen Kommunikationskette, so gibt es keinen Grund mehr, der vorhandenen Musik irgendwelche weitere oder andere hinzuzufügen Der Beruf des Komponisten würde in solchen Fällen in Ermangelung wahrnehmbarer Berufung eingehen.
Für den Hörer sieht es interessanter aus. Gelingt es ihm, dem Störenden den Stachel dadurch zu nehmen, daß er die Störung als überwindbar durchschaut, so nur deshalb, weil er begreift, daß zeitgenössische Kunst eben nicht aus gestörten Mitteilungen, sondern aus mitteilsamen Störungen bestehen muß. Er kann die Störung als Mitteilung empfangen. Das bedeutet Anpassung, nachdem etwas die Kommunikationskette zwischen Hörer und Komponisten, und sei es auch als gestörte, beiden ins Bewußtsein gebracht hat.
Der Komponist hat nur die Wahl, ob er Komponist sein will oder etwas anderes. Der Hörer kann sich aussuchen, ob oder was er hören will. Er bleibt Hörer, ob er sich dem Nichtgeschehen oder dem Geschehen anpaßt. Der Komponist kann sich nicht anpassen, ohne seine Existenz als Komponist zu opfern, und statt dessen ein tonsetzender Arrangeur zu werden. Er muß, koste es was es wolle, seine Mitteilungsabsicht solchen musikalischen Vorgängen anvertrauen, deren Störungseinfluß bis dahin von möglichst wenig Anpassungsmethoden vermindert wurde. Solche musikalischen Vorgänge sind schwer zu erfinden und schwer zu kombinieren. Darin liegt die Arbeit des Komponierens, wenn es dem Komponisten um eine musikalische Mitteilung geht. Häufig sagen solche professionellen Hörer, die einen guten Komponisten nicht von einem schlechten unterscheiden können, beiden nach, daß sie versucht hätten, um jeden Preis neu zu sein. Offenbar haben beide Werke nicht dem Anpassungsvermögen der Nachsager entsprochen. Tatsächlich versucht ein guter Komponist, eine Musik zu schreiben, die um jeden Preis da ist, und sei der Preis auch der Verzicht auf alles, was, auch von ihm geliebt, schon da war. Was neu gefunden wird, ist oft der Preis, um den es überhaupt gefunden werden kann.
Vor bald 200 Jahren schrieb Mozart an seinen Vater einen Geburtstagsbrief:

„Allerliebster Papa!

Ich kann nicht poetisch schreiben; ich bin kein Dichter. Ich kann die Redensarten nicht so künstlich einteilen, daß sie Schatten und Licht geben; ich bin kein Maler. Ich kann sogar durch Deuten und durch Pantomime meine Gesinnungen und Gedanken nicht ausdrücken; ich bin kein Tänzer. Ich kann es aber durch Töne; ich bin ein Musikus... Nun muß ich mit einer musikalischen Gratulation schließen. Ich wünsch Ihnen, daß Sie so viele Jahre leben möchten, als man Jahre braucht, um gar nichts Neues mehr in der Musik machen zu können.“

So heiter und launig der Brief wohl ist, so schwer dürfte es auch dem gierigsten Ohre sein, darin Schwingen des Genies rauschen zu hören. Der Brief wurde hier zitiert, um zu zeigen, mit welcher Selbstverständlichkeit für Mozart ein Musikus der Mann ist, der Neues in der Musik machen will und kann. Und mit welcher Selbstverständlichkeit Mozart Neues in der Musik erwartet, indem er sie zum Maße der Lebensdauer nimmt, die er seinem Vater wünscht. Derselbe Mozart, auf den sich viele Musikfreunde berufen, die heute in der Musik nichts Neues mehr für möglich und erträglich halten.
Ein brauchbarer Befund, dessen Richtigkeit sorgfältig und geduldig zu prüfen wäre, könnte etwa so lauten: Die wesentlichen Probleme der Verständigung zwischen Hörer und Komponisten sind beabsichtigte und planend durchdachte Störungen einer Kommunikationskette, die bliebe sie ungestört, leerlaufen oder zerreisen würde. Die wesentlichen Probleme der Verständigung verbauen nirgends, auch in der Musik nicht, den Zugang zu beabsichtigten Mitteilungen, sonders sie sind der Zugang selbst. Jede Kultur mißt sich an der Menge und Bedeutung der Probleme der Verständigung, die sie als solche erkennen und lösen konnte. Jede Musik, die ein solches Problem stellt, ermöglicht einen weiteren Akt der Erkenntnis und der Lösung, ermöglicht eine neue und das gegenwärtige Leben betreffenden Verständigung, und somit eine Vermehrung dessen, woran der Gesellschaft es noch allenthalben zu fehlen scheint. Die unwesentlichen Probleme der Verständigung, die mehr privaten und emotionellen, sind lediglich Symptome des Fehlens.
 
florian_anwander schrieb:
Ist denn die "Neuheit" eines Werks (im Sinne von "ist so noch nie da gewesen") eine Qualität oder ein Wert per se?
Eine Qualität vielleicht nicht, ein Wert ganz gewiss.
Ums ganz platt auszudrüclen: selbst wenn's grottig klingt, hat jeder der versucht, etwas Neues, nie Dagewesenes zu gestalten, meine Wertschätzung verdient. Ich nehme immer wieder gern Venetian Snares als ultimatives Beispiel. Aus den 19 Alben seit 2000 kann ich bestenfalls 20 Nummern extrahieren, die mir wirklich gefallen. Keine sonderlich gute Quote. Aber diese paar Stücke stellen fast alles in den Schatten, was ich in den letzten 20 Jahren gehört habe. Die Mainstreamtauglichkeit dürfte nahe Null liegen, das stellt auch einen Wert dar.
 
kfog schrieb:
heute ist techno einfach nur so am boden ..

mir kommen da echt die tränen

Du vermengst mir da zu sehr nostalgische Erinnerungen/Verklärungen mit dem was draussen passiert.Das ich/Du(?) es jetzt seit 20 Jahren erleben heisst ja nicht das junge Leute heute nicht ähnlich euphorisch ihr "erstes mal" erleben können.Was Du anprangerst ist imo halt unserem Zeitgeist geschuldet.Schnell,schneller,Internet,Facebook,Klingeltöne und in dem Bewustsein aufwachsen,das Musik nichts kostet.Früher war der Gang in den Plattenladen DAS Ritual schlechthin (juhuuu,ENDLICH wieder Knete für neue Platten)und man hat noch feuchte Finger bekommen wenn irgendeiner wieder mit nem verrauschten Mitschnitt irgendeines Clubs daherkam.Heute stirbt man an Reizüberflutung bevor man die Volljährigkeit erreicht hat.Wenn Dich was stört,versuch es anders zu machen.Aber"früher war alles besser bla"ist genauso nervig wie inflationär releaster Schrott.Davon wurd früher übrigens auch schon ne Menge auf Vinyl gepresst nur mit dem Unterschied das wir das damals noch gut fanden.Heute bedarf es da halt etwas mehr.Man ist satt.Und will mehr Tiefe (ich zumindest).
Du willst guten"Techno"?Order bei Hardwax.

Auch gibt es durchaus noch richtig gute Parties.Wenn es die dann nicht (mehr) in Recklinghausen gibt kann man das Techno aber schlecht ankreiden.
 
cover_cd_13_textheft.jpg


Wer sich ernsthaft für den Vortrag mit Klangbeispielen interessiert, möge mir eine Anfrage per PN schicken.
Aber Vorsicht: Ich werde das gewonnene Wissen strenstens überprüfen.
 
Elektrokamerad schrieb:
Na prinzipiell zeigt man bei Ableton und NI mit ihren Controllern, dass man das Wort "ficken" zumindest kennt. Die Umsetzung kommt sicherlich, sobald die Firmen aus der Pubertät entwachsen sind.

Ein neues NI Produkt?

P1296787.JPG
 
Elektrokamerad schrieb:
cover_cd_13_textheft.jpg


Wer sich ernsthaft für den Vortrag mit Klangbeispielen interessiert, möge mir eine Anfrage per PN schicken.
Aber Vorsicht: Ich werde das gewonnene Wissen strenstens überprüfen.


Dirk, ich muss mich nocheinmal herzlich bei Dir für den tollen Vortrag von Stockhausen bedanken. Er ist wirklich toll!! Bricht eingefahrene Denkstrukturen in der Musik auf. DANKE!!!!

"Musik, in der sich die Dimensionen erweitern und die auf neue Weise tönt, kann dazu dienen, wie ich oft sage, ein schnelles Flugschiff zum Göttlichen zu sein."

 
Ich wage mal die Hypothese dass Unterhaltungsmusik immer technologiegetrieben war. Ob das armselig ist weiß ich nicht.

Die Vertreter der E-Musik taten sich mit Technologie immer etwas schwerer. Während Eberhard Schoener auf seinem Moog Modular eher Geräusche machte, fabrizierte Giorgio Moroder mit Schoeners System einen Welthit. Eine Ausnahme ist wahrscheinlich Stereo. Es gab Stereo-Aufnahmen klassischer Musik lange bevor die Technologie ihren Einzug in die Pop-Musik hielt.

Das wohltemperierte Klavier, Fender Stratocaster und Precision, Les Paul, Marshall Amps, Mehrspurmaschinen, Flanging, Stereo, Phaser, Wah-Wah, Chorus, Kompressoren, Space Echo, Reverb-Platten, Moog Modular & Mini, Prophet 5, PPG, Jupiter 8, DX-7, Roland Maschinen, Linn Drums, Simmons, PCM, Sampler, MPC, DSP, Softsynths, Pro Tools, Siebenseiter, Boogie Amps, Autotune, Melodyne, immer war eine neue Technologie stilbildend in der Unterhaltungsmusik.

Die musikalische Substanz der Unterhaltungsmusik allerdings scheint sich nicht zu ändern, alles bewegt sich irgendwo zwischen amerikanischen Bluesskalen und dem europäischen Volkslied.

Aber hey, es ist nur Unterhaltung.
 
@Bernie

wenn du denkst das es alles schon gäbe mische dinge zusammen ....
da du offiziell in of wohnst ->

hook line ab 0:47 ;-)
natürlich höre ich nur qualität ala
 


News

Zurück
Oben